L 9 EG 160/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 78/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 160/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.06.2003 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf bayerisches Landeserziehungsgeld.

Die 1975 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie lebt seit ihrer Geburt in H. in Bayern, sie ist verheiratet und familienversichert bei der AOK. 1996 brachte sie die Tochter Z. zur Welt. Sie lebte mit ihrer Tochter, für die ihr die Personensorge oblag, in deren ersten Lebensjahren in einem Haushalt, betreute und erzog das Kind und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus.

Vom 16.05.1996 bis 15.05.1998 bezog sie für Z. Bundeserziehungsgeld.

Am 27.04.2002 beantragte sie bayerisches Landeserziehungsgeld. Das Amt für Versorgung und Familienförderung B. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19.12.2002 ab. Der Zeitraum für einen Anspruch auf bayerisches Landeserziehungsgeld erstrecke sich nach Art.3 Abs.1 BayLErzGG auf die sich an den gesetzlichen Bezugszeitraum für das Bundeserziehungsgeld anschließenden weiteren zwölf Lebensmonate des Kindes, bei der Z. also vom 16.05.1998 bis 15.05.1999. Der Antrag auf bayerisches Landeserziehungsgeld wirke nach Art.3 Abs.2 BayLErzGG höchstens sechs Monate zurück. Der Antragstellerin stehe schon deswegen kein Anspruch auf Landeserziehungsgeld für die Z. zu, da sie den Antrag nicht innerhalb der sechs Folgemonate seit dem 15.05.1999 gestellt habe. Die Klägerin erhob am 20.01.2003 durch Rechtsanwalt Dr.Dr.D. , B. , Widerspruch. Der Antrag auf Landeserziehungsgeld sei verspätet gestellt worden, da der Antragstellerin mitgeteilt worden sei, Landeserziehungsgeld gebe es nur für deutsche Staatsangehörige. Dem war eine am 03.01.2003 auf Rechtsanwalt Dr.Dr.D. ausgestellte Formularvollmacht zur Prozessführung und Vertretung in Zivil- und Strafsachen aller Art für die Y. und auch deren Ehemann beigelegt mit handschriftlicher Hinzufügung: "Landeserziehungsgeld". Das Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2003 als unbegründet zurück. Auch unter Beachtung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.1999 Az.: C-262/96 (zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art.3 Abs.1 der Nr.3/80 des Assoziationsratsbeschlusses vom 19.09.1980) und des Urteils des Bundessozialgerichts vom 29.01.2002 Az.: B 10 EG 2/01 R - (zum bayerischen Landeserziehungsgeld als "Familienleistung"), könne die Widerspruchsführerin schon wegen Versäumens der Antragsfrist nach Art.3 Abs.2 BayLErzGG keinen Anspruch auf Landeserziehungsgeld haben. Dem rechtzeitigen Antrag nach dieser Vorschrift komme nämlich der Charakter einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zu.

Dagegen erhob Rechtsanwalt Dr.Dr.D. "in Sachen der F. Y." gegen "Bayerisches Landesamt für Versorgung und Familienförderung, B." wegen Landeserziehungsgeld "namens und in Vollmacht der Klägerin" Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth. Ein bloßes Versäumen der Antragsfrist könne der Klägerin schon aus sozialen Gründen nicht entgegengehalten werden. Sonst würden die eher unbedarften Eltern benachteiligt.

Das SG forderte Rechtsanwalt Dr.Dr.D. mit Schreiben vom 10.04.2003 dazu auf, bis spätestens 09.05.2003 eine schriftliche Vollmacht im Original zu übersenden.

Mit Schreiben vom 14.05.2003 forderte das SG den Rechtsanwalt Dr.Dr.D. ein weiteres Mal dazu auf, dem Gericht eine schriftliche Prozessvollmacht im Original zu übersenden. Es erläuterte ausführlich deren Bedeutung im sozialgerichtlichen Verfahren unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 13.12.2000 (Az.: B 6 KA 29/00 B in SozR 3-1500 § 73 Nr.9). Soweit die demnach erforderliche Original-Vollmacht nicht vorgelegt werde, müsse das Gericht den Prozessbevollmächtigten zurückweisen bzw. eine Prozessentscheidung treffen. Zur Vorlage der immer noch fehlenden Prozessvollmacht werde nunmehr eine Frist bis spätestens 30. Mai 2003 gesetzt. Zugleich wies das SG darauf hin, dass es den Erlass eines Gerichtsbescheides gemäß § 105 SGG beabsichtige, da die Sach- und Rechtslage geklärt und einfach gelagert sei.

Das Schreiben des SG vom 14.05.2003 wurde Rechtsanwalt Dr.Dr.D. laut PZU am 16.05.2003 durch Niederlegung zugestellt.

Der Klägerin wurde am 14.05.2003 ein Abdruck des gerichtlichen Schreibens vom 14.05.2003 zugestellt, dessen Empfang sie am 16.05.2003 handschriftlich bestätigte.

Äußerungen des Rechtsanwalts Dr.Dr.D. oder auch der Klägerin erfolgten nicht.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2003 als unzulässig ab. Die form- und fristgerecht eingelegte Klage sei mangels Vollmacht des Bevollmächtigten als unzulässig abzuweisen. In diesem Zusammenhang hat das SG ausführlich die Folgen des Einlegens eines Rechtsmittels durch einen Vertreter und die sich daraus ergebende Bedeutung des Einreichens einer schriftlichen Vollmacht zu den Gerichtsakten bis zur gerichtlichen Entscheidung erläutert. Dabei hat es auf die hierzu vorliegende Rechtsprechung, u.a. des BSG im Urteil vom 15.08.1991 Az.: 12 RK 39/90 SozR 3-1500 § 73 Nr.2 SGG und vom 13.12.2000 Az.: B 6 KA 29/00 R SozR 3-1500 § 73 Nr.9 SGG hingewiesen.

Rechtsanwalt Dr.Dr.D. hat am 07.07.2003 "namens und in Vollmacht der Klägerin" Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 02.06.2003 eingelegt.

Der Senat ersuchte Rechtsanwalt Dr.Dr.D. mit Schreiben vom 30.07.2003 um Übersendung einer Prozessvollmacht im Original sowie einer Berufungsbegründung bis 10.09.2003.

Mit Schreiben vom 07.08.2003 und vom 01.09.2003 ersuchte Rechtsanwalt Dr.Dr.D. um Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis 01.09.2003 bzw. 15.09.2003. Dem folgten Erinnerungen seitens des Senats mit Schreiben vom 24.09.2004, 10.10.2005 und 11.01.2006 mit weiteren Fristsetzungen zur Berufungsbegründung bis 02.11.2004, 28.10.2005 und 15.02.2006.

Mit Schreiben des Gerichts vom 25.04.2006 wurde Rechtsanwalt Dr.Dr.D. gebeten, die Prozessvollmacht der Klägerin (schriftlich im Original) nunmehr spätestens bis 31.05.2006 nachzureichen. Andernfalls müsse mit einer Verwerfung der Berufung als unzulässig gerechnet werden. Dem war noch der Hinweis beigefügt, dass abgesehen davon das Fehlen einer Prozessvollmacht in der ersten Instanz nach Lage der Dinge nicht geheilt werden könne, so dass jedenfalls mit einer Zurückweisung der Berufung als unbegründet gerechnet werden müsse.

Am 02.03.2007 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, den 29.03.2007, angesetzt. Der Beklagte, dem die Ladung am 05.03.2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, bestätigte den Empfang am 06.03.2007. Gleichfalls am 05.03.2007 wurde Rechtsanwalt Dr.Dr.D. die Ladung mit PZU zugestellt. Die der Niederlegung erfolgte Zustellung wurde am 17.03.2007 vom Zusteller beurkundet.

In der mündlichen Verhandlung war die Klägerin nicht vertreten und erschien auch nicht persönlich.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat hat die Verwaltungsakten und die Gerichtsakten des ersten Rechtszuges beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und - als solche - form- und fristgerecht eingelegte Berufung war als unzulässig zu verwerfen. Ein von einem Vertreter ohne Vollmacht eingelegtes Rechtsmittel ist als unzulässig abzuweisen bzw. zu verwerfen (BSG vom 15.08.1991 Az.: 12 RK 39/90 SozR 3-1500 § 73 SGG Nr.2 S.3). Eine den Anforderungen einer Prozessvollmacht im sozialgerichtlichen Verfahren genügende Urkunde ist trotz schriftlicher Aufforderung mit Fristsetzung und Hinweis auf die ansonsten zu erwartende Verwerfung der Berufung als unzulässig bis zur mündlichen Verhandlung am 29.03.2007 nicht eingereicht worden. Eine derartige - etwa noch bis zum Berufungsverfahren fortwirkende -, Prozessvollmacht hat auch im Verfahren erster Instanz nicht vorgelegen bzw. wurde dort nicht eingereicht. Ob dies durch Bezugnahme auf die im Verwaltungsvorverfahren vorgelegte formularmäßige Vollmacht für die Eheleute Y. möglich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, nachdem auf die mehrfachen gerichtlichen Aufforderungen zum Einreichen einer Prozessvollmacht weder in erster noch in zweiter Instanz eine Reaktion seitens der Klageseite, auch nicht durch eine Bezugnahme auf eine etwaige schon vorliegende Prozessvollmacht, erfolgt ist. Auf die zusammenfassende Darstellung zu dieser Thematik im Urteil des BSG vom 13.12.2000 Az.: B 6 KA 29/00 R SozR 3-1500 § 73 SGG Nr.9 sowie auf die ausführlichen Erläuterungen im angefochtenen Gerichtsbescheid des SG vom 02.06.2003 mit Rechtsprechungshinweisen wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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