Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 189/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 32/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Kostenerstattung für Zahnersatz, hilfsweise die Befreiung von der deutschen Krankenversicherungspflicht bzw. Reduzierung des Krankenversicherungsbeitrags auf die in Österreich geltende Höhe.
Der 1940 geborene Kläger, Mitglied der Krankenversicherung der Rentner, ist deutscher Staatsangehöriger, der am 01.02.2004 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hat. Am 24.02.2004 bestätigte die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) die künftige Betreuung des Klägers, die laut E 121 vom 24.02. 2004 nach Art.95 der EWG-Verordnung Nr.574/72 zu Lasten der Beklagten mit Pauschbetrag abgerechnet werde.
Am 03.01.2005 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für den von Dr.W. in I. angefertigten Zahnersatz. Die Rechnung des Zahnarztes vom 07.12.2004 betreffend die Behandlung vom 13.10. bis 06.12.2004 belief sich auf 5.870,00 EUR, die des Zahnlabors vom 17.12.2004 auf 475,68 EUR. Hierauf hat die TGKK 67,36 EUR erstattet.
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme für die Privatrechnung mit Bescheid vom 05.01.2005 ab. Die Leistungen würden grundsätzlich als Sachleistung erbracht und über die Krankenversichertenkarte abgerechnet. Im Widerspruchsbescheid vom 31.05. 2005 heißt es weiter, die Kostenübernahme scheitere bereits an der unterlassenen vorherigen Einreichung eines Heil- und Kostenplans. Im Übrigen bestehe nach österreichischem Recht kein Anspruch auf Kostenerstattung.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Kostenbeteiligung der Beklagten am Zahnersatz beantragt, weil dieser von einem zugelassenen Vertragszahnarzt der TGKK angefertigt worden sei. Er sei nicht rechtzeitig über die eingeschränkte Leistungspflicht informiert worden. Der Zahnarzt habe ihn über die fehlende Leistungspflicht der österreichischen Krankenkasse aufgeklärt, die Behandlung sei aber notwendig gewesen.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage am 11.01.2006 abgewiesen. Wegen § 13 Abs.4 SGB V in Verbindung mit Art.95 der EWG-Verordnung 574/72 bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, da die Leistungen der TGKK durch die Berechnung eines Pauschbetrags abgegolten seien. Die deutsche Krankenversicherung sei primär eine Inlandsversicherung. Die EWG-Verordnung 1408/71 gewähre lediglich die Gleichstellung mit pflichtversicherten Rentnern in Österreich. Formvorschriften nach EG-Recht seien bei der Zahnersatzversorgung des Klägers nicht verletzt worden, da ansonsten die Tiroler Gebietskrankenkasse keine Kostenerstattung gewährt hätte. Der Hilfsantrag auf Beitragsreduzierung sei unzulässig, da bislang nicht verbeschieden.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger vorgetragen, wegen seines dauerhaften Wohnsitzes in Österreich erstrebe er eine Versicherung zu österreichischen Bedingungen, da er trotz hoher deutscher Beiträge in Österreich geringere Leistungen erhalte. Der Zwangsbeitrag dürfte nicht höher sein als der österreichische Krankenversicherungsbeitrag. Es sei eine EU-weite Rechtsgrundlage notwendig, um zu verhindern, dass er die hohen Beiträge an die deutsche Kasse zu entrichten habe, gleichwohl dafür aber nur die in Österreich geringeren Leistungen erhalte. Er wäre lieber in Österreich direkt versichert. Die TGKK hat am 10.05. 2006 auf Anfrage mitgeteilt, die Versorgung mit Zahnkronen gehöre grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog. Laut Auskunft der Beklagten ist der Kläger im Zusammenhang mit der Bescheinigung vom 17.02.2004 auf dem Formblatt E 121 nicht über sein Wahlrecht zwischen Kostenerstattungsanspruch und Eintragung beim ausländischen Leistungsträger aufgeklärt worden, da die Kostenerstattung mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch beliefe sich auf 873,20 EUR.
Hierzu hat der Kläger mitgeteilt, wenn er bei seiner Anmeldung bei der Tiroler Gebietskrankenkasse die Essanelle-Satzung gekannt hätte, hätte er gewiss nicht die Kostenerstattung gewählt. Extrazahlungen seien bei seiner Rente einfach nicht drin. Schon wegen der Kosten werde er auch nicht nach Deutschland reisen, um sich dort behandeln zu lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.01.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 05.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005 zu verurteilen, sich angemessen an den Kosten für Zahnersatz zu beteiligen, hilfsweise direkt in Österreich bei der gesetzlichen Krankenkasse einkommensabhängig versichert zu werden, hilfsweise den Krankenversicherungsbeitrag auf das österreichische Niveau herabzusetzen, hilfsweise die Vorlage der Streitsache an das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 30.05.2006 hat es der Senat abgelehnt, den Kläger von der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungspflicht zu befreien und ein Wahlrecht zwischen österreichischer und deutscher Krankenversicherungspflicht verneint (L 5 KR 31/06). Darüber hinaus hat der 5. Senat mit Urteil vom 08.05. 2007 (L 5 KR 364/06) entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Beitragsreduzierung in der Kranken- und Pflegeversicherung hat.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Klageakte des Sozialgerichts Augsburg S 12 KR 189/05 sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.01.2006 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 05.01. 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005. Angesichts der Entscheidungen des Senats in den Streitverfahren L 5 KR 31/06 und L 5 KR 367/06 war allein über die Kostenerstattung für Zahnersatz zu entscheiden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm anläßlich der Behandlung vom 13.10. bis 06.12.2004 in Österreich entstanden sind.
Für die Behandlung im EU-Ausland gelten die vorrangigen Vorschriften der EWG-Verordnung Nr.1408/71 und Nr.574/72. Der Anspruch aus § 13 Abs.3 SGB V ist durch § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V ausgeschlossen, weil die Leistungen in Österreich erbracht worden sind und die Voraussetzungen des § 18 Abs.1 SGB V nicht vorliegen. Das in diesen Vorschriften konkretisierte Territorialitätsprinzip wird jedoch gemäß § 30 Abs.2 SGB I, § 6 SGB IV durch die Vorschriften des überstaatlichen Europarechts überlagert.
Nach näherer Bestimmung des Art.28 Abs.1 Satz 2 Buchst.a EWG-Verordnung 1408/71 bekommen Rentner, die zum Bezug einer Rente nach deutschen Vorschriften berechtigt sind und in Deutschland Krankenversicherungsleistungen erhalten würden, aber an ihrem Wohnort im EU-Ausland keinen Krankenversicherungsschutz genießen, Sachleistungen vom ausländischen Krankenversicherungsträger, als ob sie dort zum Bezug einer Rente und zur Inanspruch-nahme von Sachleistungen aus der Krankenversicherung berechtigt wären. An die Stelle des während des Aufenthalts in Österreich durch § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V ausgeschlossenen Krankenbehandlungsanspruchs gegen die Beklagte tritt der Anspruch auf Sachleistungsaushilfe gegen die österreichische Krankenversicherung. Die Versorgung mit Zahnkronen gehört jedoch laut Auskunft der TGKK nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich. Entscheidend ist daher, ob dem Kläger trotz seines Aufenthalts im EU-Ausland die weitergehenden Ansprüche im Inland zustehen. Dies ist zu verneinen.
Zwar besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten nach wie vor ein Versicherungsverhältnis, weil dem Kläger nach dem Gemeinschaftsrecht ausdrücklich nur deshalb Versicherungsschutz gewährleistet ist, weil er Anspruch auf Leistungen hätte, wenn er in Deutschland wohnte. Weil sich auch das Beitragsrecht durch die Wohnsitzverlegung nicht ändert, bleibt der Kläger Pflichtversicherter in der Krankenversicherung der Rentner (BSG, Urteil vom 05.07.2005 - SozR 4-2400 § 3 Nr.2). Dies hat zur Folge, dass sich der Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen bei vorübergehendem Deutschlandaufenthalt nach deutschem Recht richtet. Damit ist der Ansicht der Beklagten entgegenzutreten, aufgrund der Anmeldung des Klägers in Österreich entfalle der Sachleistungsanspruch nach deutschem Recht. Durch § 13 Abs.4 S.1 2. Halbsatz SGB V ist nur das Recht auf Kostenerstattung eingeschränkt worden, um ungerechtfertigte Doppelleistungen der deutschen Krankenkassen in Form von Pauschalen nach EG-Recht und zu ärztichen Aufwendungen für Kostenerstattung zu vermeiden (BSG, Urteil vom 05.07.2005 a.a.O.). Der Kläger hat die Zahnersatzleistungen jedoch nicht bei einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland, sondern in Österreich in Anspruch genommen.
Der EuGH hat aus den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs im EG-Vertrag Ansprüche auf Kostenerstattung für Versicherte abgeleitet, die sich im EU-Ausland medizinische Leistungen selbst und ohne Genehmigung der Krankenkasse beschafft hatten (zur Zahnregulierung Urteil vom 13.05.2003, C-385/99 Müller-Fauré/van Ried, EuGH E 2003, I-4509). Mit der Neuregelung in § 13 Abs.4 bis 6 SGB V hat der deutsche Gesetzgeber die Grundsätze dieser Rechtsprechung in das Sozialgesetzbuch V übernommen, wodurch der Sachleistungsanspruch aufgrund der passiven Dienstleistungsfreiheit aller EU-Bürger verdrängt wurde (Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.07.2004 - SozR 4-2500 § 13 Nr.3). Zutreffend hat das Sozialgericht dargestellt, dass sich aus § 13 Abs.4 SGB V für den Kläger keine Ansprüche auf Kostenerstattung der Zahnersatzbehandlung ergeben, weil die Behandlung des Klägers in Österreich auf der Grundlage eines Pauschbetrags zu erstatten ist. Dies ergibt sich aus der Bescheinigung über die Eintragung der Rentenberechtigten und ihrer Familienangehörigen und die Führung der Verzeichnisse - E 121, die von der TGKK und der Beklagten unterzeichnet worden ist. Darüberhinaus scheitere ein Kostenerstattungsanspruch am Fehlen eines vor Behandlungsbeginn einzureichenden Heil- und Kostenplans (§ 87 Abs. 1a Satz 3 SGB V).
Neben dem Anspruch gegen den ausländischen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften begründet das europäische Recht keinen zusätzlichen Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den Träger seines Heimatstaates, der für die Rentenzahlung aufkommt. Infolgedessen hat der Versicherte angesichts des gleichzeitigen Gewinns an Freizügigkeit hinzunehmen, dass ihm im Ausland weder der Form noch dem Inhalt nach identische Ansprüche zustehen wie im Inland (BSG, Urteil vom 13.07.2004 a.a.O.). Von einem Systemversagen kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, auch wenn die in der EWG-Verordnung 1408/71 vorgeschriebene Anwendung österreichischen Rechts eine Beschränkung des Leistungsanspruchs nach sich zieht. Benachteiligungen, die aus Unterschieden in der Gestaltung der Systeme der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten herrühren, müssen nicht durch die Anwendung des Diskriminierungsverbotes (Art.12 EG-Verordnung) beseitigt werden (Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Auflage, S.21; BSG, Beschluss vom 06.03.2007 - B 1 KR 162/06 B).
Die Beklagte hat eingeräumt, den Kläger im Zusammenhang mit der Bescheinigung vom 17.02.2004 auf dem Formblatt E 121 nicht über das seit 01.01.2004 geltende Wahlrecht zwischen der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V und der Eintragung beim ausländischen Leistungsträger informiert zu haben. Eine Verpflichtung zur Vornahme einer Eintragung beim ausländischen Leistungsträger besteht nicht (LSG Hamburg, Urteil vom 10.03.2004 - L 1 KR 35/03). Eine vorgenommene Einschreibung kann jederzeit rückgängig gemacht werden. Nachdem der Kläger aber unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass er auch bei entsprechender Aufklärung keine andere Entscheidung als die Einschreibung vorgenommen hätte, erübrigt sich die Diskussion eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der Kläger hat auf nochmalige Nachfrage erklärt, im Hinblick auf die von der Beklagten dargestellten enormen Zusatzbelastungen keinesfalls die Kostenerstattung gewählt zu haben.
Ein den Herstellungsanspruch auslösender Tatbestand kann auch dann vorliegen, wenn die Inanspruchnahme eines Leistungsträgers aufgrund einer fehlerhaften Allgemeininformation des zuständigen Versicherungsträgers unterblieben ist. Es kann dahinstehen, ob es der Beklagten oblegen hätte, ihren Versicherten auf die Unterschiede der Leistungskataloge der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich und Deutschland hinzuweisen und deutlich zu machen, dass beim vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland nach wie vor der volle Sachleistungsanspruch bestehen bleibt. Der Kläger hat es nämlich wegen der Kosten als ausgeschlossen erachtet, dass er einen deutschen Zahnarzt aufgesucht hätte, um eine Zuschussleistung von Seiten der Beklagten in Höhe von 963,61 EUR zu erhalten. Wegen der fehlenden Kausalität eines Beratungsfehlers für den Kostenanfall ist daher kein Anspruch gegeben.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, weil weder die Verletzung von Verfassungsrecht noch Europarecht zu erkennen sind.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Kostenerstattung für Zahnersatz, hilfsweise die Befreiung von der deutschen Krankenversicherungspflicht bzw. Reduzierung des Krankenversicherungsbeitrags auf die in Österreich geltende Höhe.
Der 1940 geborene Kläger, Mitglied der Krankenversicherung der Rentner, ist deutscher Staatsangehöriger, der am 01.02.2004 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hat. Am 24.02.2004 bestätigte die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) die künftige Betreuung des Klägers, die laut E 121 vom 24.02. 2004 nach Art.95 der EWG-Verordnung Nr.574/72 zu Lasten der Beklagten mit Pauschbetrag abgerechnet werde.
Am 03.01.2005 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für den von Dr.W. in I. angefertigten Zahnersatz. Die Rechnung des Zahnarztes vom 07.12.2004 betreffend die Behandlung vom 13.10. bis 06.12.2004 belief sich auf 5.870,00 EUR, die des Zahnlabors vom 17.12.2004 auf 475,68 EUR. Hierauf hat die TGKK 67,36 EUR erstattet.
Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme für die Privatrechnung mit Bescheid vom 05.01.2005 ab. Die Leistungen würden grundsätzlich als Sachleistung erbracht und über die Krankenversichertenkarte abgerechnet. Im Widerspruchsbescheid vom 31.05. 2005 heißt es weiter, die Kostenübernahme scheitere bereits an der unterlassenen vorherigen Einreichung eines Heil- und Kostenplans. Im Übrigen bestehe nach österreichischem Recht kein Anspruch auf Kostenerstattung.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Kostenbeteiligung der Beklagten am Zahnersatz beantragt, weil dieser von einem zugelassenen Vertragszahnarzt der TGKK angefertigt worden sei. Er sei nicht rechtzeitig über die eingeschränkte Leistungspflicht informiert worden. Der Zahnarzt habe ihn über die fehlende Leistungspflicht der österreichischen Krankenkasse aufgeklärt, die Behandlung sei aber notwendig gewesen.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage am 11.01.2006 abgewiesen. Wegen § 13 Abs.4 SGB V in Verbindung mit Art.95 der EWG-Verordnung 574/72 bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, da die Leistungen der TGKK durch die Berechnung eines Pauschbetrags abgegolten seien. Die deutsche Krankenversicherung sei primär eine Inlandsversicherung. Die EWG-Verordnung 1408/71 gewähre lediglich die Gleichstellung mit pflichtversicherten Rentnern in Österreich. Formvorschriften nach EG-Recht seien bei der Zahnersatzversorgung des Klägers nicht verletzt worden, da ansonsten die Tiroler Gebietskrankenkasse keine Kostenerstattung gewährt hätte. Der Hilfsantrag auf Beitragsreduzierung sei unzulässig, da bislang nicht verbeschieden.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger vorgetragen, wegen seines dauerhaften Wohnsitzes in Österreich erstrebe er eine Versicherung zu österreichischen Bedingungen, da er trotz hoher deutscher Beiträge in Österreich geringere Leistungen erhalte. Der Zwangsbeitrag dürfte nicht höher sein als der österreichische Krankenversicherungsbeitrag. Es sei eine EU-weite Rechtsgrundlage notwendig, um zu verhindern, dass er die hohen Beiträge an die deutsche Kasse zu entrichten habe, gleichwohl dafür aber nur die in Österreich geringeren Leistungen erhalte. Er wäre lieber in Österreich direkt versichert. Die TGKK hat am 10.05. 2006 auf Anfrage mitgeteilt, die Versorgung mit Zahnkronen gehöre grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog. Laut Auskunft der Beklagten ist der Kläger im Zusammenhang mit der Bescheinigung vom 17.02.2004 auf dem Formblatt E 121 nicht über sein Wahlrecht zwischen Kostenerstattungsanspruch und Eintragung beim ausländischen Leistungsträger aufgeklärt worden, da die Kostenerstattung mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch beliefe sich auf 873,20 EUR.
Hierzu hat der Kläger mitgeteilt, wenn er bei seiner Anmeldung bei der Tiroler Gebietskrankenkasse die Essanelle-Satzung gekannt hätte, hätte er gewiss nicht die Kostenerstattung gewählt. Extrazahlungen seien bei seiner Rente einfach nicht drin. Schon wegen der Kosten werde er auch nicht nach Deutschland reisen, um sich dort behandeln zu lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.01.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 05.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005 zu verurteilen, sich angemessen an den Kosten für Zahnersatz zu beteiligen, hilfsweise direkt in Österreich bei der gesetzlichen Krankenkasse einkommensabhängig versichert zu werden, hilfsweise den Krankenversicherungsbeitrag auf das österreichische Niveau herabzusetzen, hilfsweise die Vorlage der Streitsache an das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 30.05.2006 hat es der Senat abgelehnt, den Kläger von der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungspflicht zu befreien und ein Wahlrecht zwischen österreichischer und deutscher Krankenversicherungspflicht verneint (L 5 KR 31/06). Darüber hinaus hat der 5. Senat mit Urteil vom 08.05. 2007 (L 5 KR 364/06) entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Beitragsreduzierung in der Kranken- und Pflegeversicherung hat.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Klageakte des Sozialgerichts Augsburg S 12 KR 189/05 sowie der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.01.2006 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 05.01. 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2005. Angesichts der Entscheidungen des Senats in den Streitverfahren L 5 KR 31/06 und L 5 KR 367/06 war allein über die Kostenerstattung für Zahnersatz zu entscheiden (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm anläßlich der Behandlung vom 13.10. bis 06.12.2004 in Österreich entstanden sind.
Für die Behandlung im EU-Ausland gelten die vorrangigen Vorschriften der EWG-Verordnung Nr.1408/71 und Nr.574/72. Der Anspruch aus § 13 Abs.3 SGB V ist durch § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V ausgeschlossen, weil die Leistungen in Österreich erbracht worden sind und die Voraussetzungen des § 18 Abs.1 SGB V nicht vorliegen. Das in diesen Vorschriften konkretisierte Territorialitätsprinzip wird jedoch gemäß § 30 Abs.2 SGB I, § 6 SGB IV durch die Vorschriften des überstaatlichen Europarechts überlagert.
Nach näherer Bestimmung des Art.28 Abs.1 Satz 2 Buchst.a EWG-Verordnung 1408/71 bekommen Rentner, die zum Bezug einer Rente nach deutschen Vorschriften berechtigt sind und in Deutschland Krankenversicherungsleistungen erhalten würden, aber an ihrem Wohnort im EU-Ausland keinen Krankenversicherungsschutz genießen, Sachleistungen vom ausländischen Krankenversicherungsträger, als ob sie dort zum Bezug einer Rente und zur Inanspruch-nahme von Sachleistungen aus der Krankenversicherung berechtigt wären. An die Stelle des während des Aufenthalts in Österreich durch § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V ausgeschlossenen Krankenbehandlungsanspruchs gegen die Beklagte tritt der Anspruch auf Sachleistungsaushilfe gegen die österreichische Krankenversicherung. Die Versorgung mit Zahnkronen gehört jedoch laut Auskunft der TGKK nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich. Entscheidend ist daher, ob dem Kläger trotz seines Aufenthalts im EU-Ausland die weitergehenden Ansprüche im Inland zustehen. Dies ist zu verneinen.
Zwar besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten nach wie vor ein Versicherungsverhältnis, weil dem Kläger nach dem Gemeinschaftsrecht ausdrücklich nur deshalb Versicherungsschutz gewährleistet ist, weil er Anspruch auf Leistungen hätte, wenn er in Deutschland wohnte. Weil sich auch das Beitragsrecht durch die Wohnsitzverlegung nicht ändert, bleibt der Kläger Pflichtversicherter in der Krankenversicherung der Rentner (BSG, Urteil vom 05.07.2005 - SozR 4-2400 § 3 Nr.2). Dies hat zur Folge, dass sich der Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen bei vorübergehendem Deutschlandaufenthalt nach deutschem Recht richtet. Damit ist der Ansicht der Beklagten entgegenzutreten, aufgrund der Anmeldung des Klägers in Österreich entfalle der Sachleistungsanspruch nach deutschem Recht. Durch § 13 Abs.4 S.1 2. Halbsatz SGB V ist nur das Recht auf Kostenerstattung eingeschränkt worden, um ungerechtfertigte Doppelleistungen der deutschen Krankenkassen in Form von Pauschalen nach EG-Recht und zu ärztichen Aufwendungen für Kostenerstattung zu vermeiden (BSG, Urteil vom 05.07.2005 a.a.O.). Der Kläger hat die Zahnersatzleistungen jedoch nicht bei einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland, sondern in Österreich in Anspruch genommen.
Der EuGH hat aus den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs im EG-Vertrag Ansprüche auf Kostenerstattung für Versicherte abgeleitet, die sich im EU-Ausland medizinische Leistungen selbst und ohne Genehmigung der Krankenkasse beschafft hatten (zur Zahnregulierung Urteil vom 13.05.2003, C-385/99 Müller-Fauré/van Ried, EuGH E 2003, I-4509). Mit der Neuregelung in § 13 Abs.4 bis 6 SGB V hat der deutsche Gesetzgeber die Grundsätze dieser Rechtsprechung in das Sozialgesetzbuch V übernommen, wodurch der Sachleistungsanspruch aufgrund der passiven Dienstleistungsfreiheit aller EU-Bürger verdrängt wurde (Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.07.2004 - SozR 4-2500 § 13 Nr.3). Zutreffend hat das Sozialgericht dargestellt, dass sich aus § 13 Abs.4 SGB V für den Kläger keine Ansprüche auf Kostenerstattung der Zahnersatzbehandlung ergeben, weil die Behandlung des Klägers in Österreich auf der Grundlage eines Pauschbetrags zu erstatten ist. Dies ergibt sich aus der Bescheinigung über die Eintragung der Rentenberechtigten und ihrer Familienangehörigen und die Führung der Verzeichnisse - E 121, die von der TGKK und der Beklagten unterzeichnet worden ist. Darüberhinaus scheitere ein Kostenerstattungsanspruch am Fehlen eines vor Behandlungsbeginn einzureichenden Heil- und Kostenplans (§ 87 Abs. 1a Satz 3 SGB V).
Neben dem Anspruch gegen den ausländischen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften begründet das europäische Recht keinen zusätzlichen Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den Träger seines Heimatstaates, der für die Rentenzahlung aufkommt. Infolgedessen hat der Versicherte angesichts des gleichzeitigen Gewinns an Freizügigkeit hinzunehmen, dass ihm im Ausland weder der Form noch dem Inhalt nach identische Ansprüche zustehen wie im Inland (BSG, Urteil vom 13.07.2004 a.a.O.). Von einem Systemversagen kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, auch wenn die in der EWG-Verordnung 1408/71 vorgeschriebene Anwendung österreichischen Rechts eine Beschränkung des Leistungsanspruchs nach sich zieht. Benachteiligungen, die aus Unterschieden in der Gestaltung der Systeme der sozialen Sicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten herrühren, müssen nicht durch die Anwendung des Diskriminierungsverbotes (Art.12 EG-Verordnung) beseitigt werden (Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Auflage, S.21; BSG, Beschluss vom 06.03.2007 - B 1 KR 162/06 B).
Die Beklagte hat eingeräumt, den Kläger im Zusammenhang mit der Bescheinigung vom 17.02.2004 auf dem Formblatt E 121 nicht über das seit 01.01.2004 geltende Wahlrecht zwischen der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V und der Eintragung beim ausländischen Leistungsträger informiert zu haben. Eine Verpflichtung zur Vornahme einer Eintragung beim ausländischen Leistungsträger besteht nicht (LSG Hamburg, Urteil vom 10.03.2004 - L 1 KR 35/03). Eine vorgenommene Einschreibung kann jederzeit rückgängig gemacht werden. Nachdem der Kläger aber unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass er auch bei entsprechender Aufklärung keine andere Entscheidung als die Einschreibung vorgenommen hätte, erübrigt sich die Diskussion eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Der Kläger hat auf nochmalige Nachfrage erklärt, im Hinblick auf die von der Beklagten dargestellten enormen Zusatzbelastungen keinesfalls die Kostenerstattung gewählt zu haben.
Ein den Herstellungsanspruch auslösender Tatbestand kann auch dann vorliegen, wenn die Inanspruchnahme eines Leistungsträgers aufgrund einer fehlerhaften Allgemeininformation des zuständigen Versicherungsträgers unterblieben ist. Es kann dahinstehen, ob es der Beklagten oblegen hätte, ihren Versicherten auf die Unterschiede der Leistungskataloge der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich und Deutschland hinzuweisen und deutlich zu machen, dass beim vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland nach wie vor der volle Sachleistungsanspruch bestehen bleibt. Der Kläger hat es nämlich wegen der Kosten als ausgeschlossen erachtet, dass er einen deutschen Zahnarzt aufgesucht hätte, um eine Zuschussleistung von Seiten der Beklagten in Höhe von 963,61 EUR zu erhalten. Wegen der fehlenden Kausalität eines Beratungsfehlers für den Kostenanfall ist daher kein Anspruch gegeben.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, weil weder die Verletzung von Verfassungsrecht noch Europarecht zu erkennen sind.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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