L 5 AS 41/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 AS 1259/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 41/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. September 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II als Zuschuss statt als Darlehen.

Der am XX.XXXXX 1960 geborene alleinstehende Kläger erbte von seinem am XX.XXXX 2004 verstorbenen Vater in ungeteilter Erbengemeinschaft mit seiner Schwester ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in A. G. bei B., Landkreis L ... Das Grundstück ist mit zwei Hypotheken in Höhe von nominell 42.000.- DM bzw. 12.700.- DM – beide eingetragen am 7. April 1972 – und einer Grundschuld in Höhe von nominell 40.000.- DM – eingetragen am 30. Oktober 1978 – belastet. Das Haus wurde seit dem Erbfall weder durch den Kläger noch durch seine Schwester bewohnt. Diese erklärte unter dem 29. November 2004, dass sie das gemeinsam geerbte Haus voraussichtlich nicht verkaufen oder vermieten werde.

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 zunächst antragsgemäß Leistungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2005 bewilligt hatte, hob sie mit Bescheid vom 11. Januar 2005 den Bewilligungsbescheid ab Februar 2005 auf und und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2005 zurück; hiergegen hat der Kläger zum Aktenzeichen S 56 AS 660/05 (L 5 AS 42/06) vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben.

Mit zwei Bescheiden vom 4. Juli 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Juli sowie September bis Dezember 2005. Den gegen die lediglich darlehensweise Leistungsgewährung gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30. Juni 2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat das im Paralellverfahren S 56 AS 660/05 eingeholte Sachverständigengutachten zum Verkehrswert des Grundstücks und zur Frage seiner Verwertbarkeit und der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung beigezogen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. T. hat in seinem Gutachten vom 21. März 2006 ausgeführt, der Sachwert der Immobilie betrage ca. 182.000.- Euro. Unter Berücksichtigung eines marktangepassten Sachwerts von rund 108.000.- Euro (bzw. 110.000.- Euro) und eines auf der Grundlage des Grundstücksmarktberichts des Gutachterausschusses ermittelten indirekten Vergleichswertes von rund 134.000.- Euro schätze er den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auf rund 128.000.- Euro. Eine Vermietung der Immobilie sei möglich, lasse jedoch keine ausreichende Rendite erwarten. Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.

Durch Urteil vom 18. September 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei aufgrund seines zu berücksichtigenden Vermögens nicht hilfebedürftig und habe lediglich Anspruch auf darlehensweise Leistungen. Der Miteigentumsanteil am Hausgrundstück in A. G. stelle Vermögen dar, welches verwertbar sei. Der Miterbe könne nämlich grundsätzlich jederzeit Erbauseinandersetzung verlangen oder über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, z.B. durch Verpfändung. Die Verwertung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Im Bereich des SGB II sei die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit höher als bei 10 % des Substanzwertes anzusetzen und müssten ggf. deutlich höhere Verluste hingenommen werden. Als Ausgangspunkt für die Frage der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit sei der Verkehrswert zugrunde zu legen. Prognosen über die zukünftige Entwicklung des Immobilienmarktes seien dabei nicht anzustellen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der von dem Sachverständigen ermittelte Verkehrswert als Kaufpreis auf dem Markt nicht zu erzielen sei. Selbst wenn es im Wege einer Erbauseinandersetzung zu einer Zwangsversteigerung kommen müsste – was keineswegs gesichert sei –, existiere kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin gehend, dass dabei stets nur Preise zu erreichen seien, die so erheblich unter dem Verkehrswert lägen, dass von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit auszugehen sei. Gesichtspunkte für eine besondere Härte seien nicht zu erkennen.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das ihm und seiner Schwester in Erbengemeinschaft gehörende Grundstück in A. G. sei nicht als Vermögen zu berücksichtigen, da – in absehbarer Zeit – dessen Verwertbarkeit nicht gegeben sei. Dazu gehöre, dass über den Vermögensgegenstand verfügt werden könne. Seitens seiner Schwester bestehe jedoch weiterhin keine Mitwirkungsbereitschaft zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft; ein Erbauseinandersetzungsverfahren vor Gericht würde erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Die vom SG in Betracht gezogene Verpfändung setze voraus, dass die Aktiva und Passiva der Erbengemeinschaft abschließend geklärt seien, insbesondere auch wechselseitige Ansprüche der Erben. Diese Erfordernisse seien nicht erfüllt. Hinzu komme, dass selbst bei Annahme der Verwertbarkeit diese offensichtlich unwirtschaftlich sei. Der Sachverständige habe bei der Bewertung des Grundstücks einen Sachwert ermittelt, den er auf 182.000.- Euro veranschlagt habe. Dabei verkenne das Gericht, dass Alterswertminderungen bei der Bemessung dieses Betrages bereits Eingang gefunden hätten. Als Verkehrswert habe der Sachverständige demgegen über einen Betrag von 128.000.- Euro angenommen. Es sei allgemein anerkannt, dass für die Bewertung von Einfamilienhäusern die Sachwertmethode herangezogen werden müsse. Würde man auf die tatsächliche Marktsituation abstellen, hätte dies zur Folge, dass eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung in keinem Fall bei Grundstücken gegeben wäre. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit müsse bejaht werden, wenn – wie hier – der erzielbare Kaufpreis ca. 1/3 unter dem Sachwert liege. Im Übrigen sei derzeit selbst der angenommene Verkehrswert nicht zu realisieren, sondern allenfalls ein Betrag von 100.000.- Euro; der Sachverständige sei nicht in der Lage gewesen, konkrete Interessenten zu benennen. Das SG habe zudem nicht in seine Überlegungen einbezogen, dass er aufgrund des Bezuges von SGB II-Leistungen nur geringfügige Rentenanwartschaften erwerbe. Das Verlangen einer vorzeitigen Veräußerung stelle eine besondere Härte dar, da perspektiv durch die Anbindung des Gebietes B. an den H. Großraum durch Autobahnen ein höherer Preis zu erzielen sein werde und er dann seine Altersbezüge aufstocken könne.

Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007 hat der Kläger mitgeteilt, dass er zusammen mit seiner Schwester das Grundstück am 16. Februar 2007 zu einem Gesamtkaufpreis von 105.000.- Euro verkauft habe. Hierdurch ändere sich allerdings nichts am Streitgegenstand, da es um die Frage der darlehensweisen Gewährung von Leistungen für einen Zeitraum vor Abschluss des Kaufvertrages gehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. September 2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 4. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate Juli sowie September bis Dezember 2005 als Zuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. September 2006 zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31. Mai 2007 hat der Kläger ergänzend angegeben, seine Schwester habe sich erst im September 2006 bereit erklärt, das Grundstück zu verkaufen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten L 5 AS 41/06 und L5 AS 42/06 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind. Der Kläger hat wegen seines zu berücksichtigenden Vermögens keinen Anspruch darauf, dass ihm die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Juli sowie September bis Dezember 2005 als Zuschuss statt in Form eines Darlehens gewährt werden.

Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, wenn sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllen, insbesondere hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde; in diesem Fall sind die Leistungen allerdings lediglich als Darlehen zu erbringen (§ 9 Abs. 4 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung – jetzt § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II).

Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Hierzu gehört der vom Kläger im Wege der Erbschaft erlangte Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück in A. G ...

Der Verwertbarkeit des Vermögens stehen weder der Umstand, dass es sich um gemeinschaftliches Vermögen des Klägers und seiner Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft handelt, noch die bis September 2006 behauptete fehlende bzw. eingeschränkte Veräußerungsbereitschaft der Miterbin entgegen. Zu Recht hat das SG darauf verwiesen, dass der Kläger als Miterbe gemäß § 2042 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich jederzeit Erbauseinandersetzung verlangen oder gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen kann. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand begründet nur ein vorübergehendes Verwertungshindernis, dem durch darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 9 Abs. 4 SGB II a.F. Rechnung zu tragen ist. Ob und wie lange die Miterbin zu einer Veräußerung tatsächlich nicht bereit war, spielt dabei keine maßgebliche Rolle.

Da diese ganz offensichtlich das Haus nicht selbst bewohnen wollte, jenes aber laufende Kosten verursachte und nach Einschätzung des Sachverständigen nicht wirtschaftlich vermietet werden konnte, war außerdem von vornherein absehbar, dass sie einem Verkauf – wie geschehen – irgendwann zustimmen würde. So hat sie in ihrer Erklärung vom 29. November lediglich von ´voraussichtlich` gesprochen. In der Klageschrift vom 6. Juli 2005 in dem Verfahren S 56 AS 660/05 hat der Kläger mitgeteilt, dass sie mit einem Verkauf einverstanden wäre, wenn ein Erlös von 122.000.- Euro erzielt würde. Selbst wenn sie keinerlei Bereitschaft gezeigt hätte, wäre es im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zu einer Verwertung gekommen, nur ggf. später. Durch ihr Verhalten ist nicht die Verwertung als solche, sondern lediglich in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt worden.

Die Berücksichtigung des Miteigentumsanteils ist ferner nicht nach § 12 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen. Von den in dessen Satz 1 geregelten Tatbeständen, bei deren Erfüllung Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, kommt allein die Nr. 6 in Betracht. Die übrigen Privilegierungen sind nicht einschlägig; insbesondere wird das Hausgrundstück nicht selbst genutzt und dient nicht der Alterssicherung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II, weil der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II sind Sachen und Rechte nicht zu berücksichtigen, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Die Verwertung des Hausgrundstücks ist jedoch weder offensichtlich unwirtschaftlich noch stellt sie für den Kläger eine besondere Härte dar.

Nach der zum Arbeitsförderungsrecht ergangenen Rechtsprechung des BSG ist bei der Frage der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung ein rein wirtschaftlich-ökonomischer Maßstab anzulegen (vgl. Urteil v. 3.5.2005, B 7a/7 AL 84/04 R, SozR 4-4220 § 1 Nr. 4, S. 4, 8). Dies gilt entsprechend auch für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 1. Alt. SGB II, da Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder generelle Härtefallerwägungen im Rahmen der Härteklausel des § 12 Abs. 3 Nr. 6 2. Alt. SGB II zu prüfen sind.

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Urteil v. 25.5.2005, B 11a/11 AL 51/04 R, SozR 4-4220 § 6 Nr. 2, S. 14, 17 m.w.N.) den Begriff ´offensichtliche Unwirtschaftlichkeit` dahingehend definiert, dass diese dann vorliegt, wenn der durch die Verwertung erlangte bzw. zu erzielende Gegenwert in einem (deutlichen) Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw. zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde; umgekehrt ist die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung dann nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht. Diese Rechtsprechung ist auf Sachverhalte zugeschnitten, in denen ein direkter Vergleich der Kosten der Anschaffung eines Vermögenswertes mit dem aktuell erzielbaren Verkaufserlös möglich ist wie z.B. bei der Verwertung einer Kapitallebensversicherung.

Daneben hat das BSG den Begriff der offensichtlich unwirtschaftlichen Verwertung dahin interpretiert, dass der Betroffene nicht gehalten ist, sein Vermögen zu verschleudern (vgl. Urteil v. 25.4.2002, B 11 AL 69/01 R, Rn. 32 – juris – unter Hinweis auf Ebsen in Gagel, AFG, § 137 Rn. 229; auch Bayerisches LSG, Urteil v. 18.8.2006, L 7 AS 81/06, Rn. 18 – juris). Mit dieser Formel sind vor allem die Fälle gut lösbar, in denen eine direkte Kostengegenüberstellung wegen des erforderlichen Ermittlungsaufwandes nicht sinnvoll er-scheint, so wenn es – wie hier – um die Verwertung von Immoblilien geht, zumal bei der Erlangung des Hausgrundstücks im Wege des Erbfalls beim Kläger keine Anschaffungs-kosten entstanden sind.

Dieser Maßstab ist auf den Bereich des SGB II übertragbar (vgl. auch SG Reutlingen v. 20.2.2007, S 2 AS 564/07 ER, Rn. 38). Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit im Sinne einer Verschleuderung dann anzunehmen ist, wenn ein normal und ökonomisch Handelnder diese Verwertung unterlassen würde (vgl. BSG v. 9.12.2004, B 7 AL 44/04 R, SozR 4-4300 § 193 Nr. 3, S. 11, 16 und B 7 AL 30/04 R, SozR 4-4300 § 193 Nr. 2, S. 1, 5), oder ob – enger – auf die Sichtweise eines Hilfebedürftigen abzustellen ist, der zunächst alles Erforderliche veranlassen muss, um seine Abhängigkeit von Sozialleistungen zu vermeiden (vgl. SG Berlin v. 2.8.2005, S 63 AS 2117/05, Rn. 19 – juris).

Denn auch bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des BSG war die Verwer-tung des Hausgrundstücks in A. G. nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Zwar liegt der erzielbare (und erzielte) Verkaufspreis unter dem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen geschätzten Verkehrswert, doch hätte jeder normal und ökonomisch Handelnde das Grundstück veräußert. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen durch eine Vermietung der Immobilie keine ausreichende Rendite erzielt werden könnte, anderseits aber laufende Kosten anfallen und sich zudem der Wert der Immoblie alterungsbedingt vermindern würde, hätte eine Vergleichsperson den Verkauf zeitnah betrieben, und zwar selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass bei einem Verkauf im Wege der Zwangsversteigerung – die aus der Sicht zu Beginn des Jahres 2005 möglicherweise notwendig geworden wäre – regelmäßig ein Preis erzielt wird, der hinter dem eines freihändigen Verkaufs zurückbleibt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt zukünftiger Wertsteigerungen aufgrund eines erwarteten Autobahnbaus. Abgesehen davon, dass künftige, den Verkehrswert nicht aktuell beeinflussende Rendite- oder Gewinnaussichten schon vom Grundsatz her außer Betracht bleiben müssen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12 Rn. 253), kommt hinzu, dass zum einen überhaupt nicht bestimmbar ist, ob sich – abhängig vom Baubeginn und der tatsächlichen Streckenführung – aus dem Bau der A 39 überhaupt positive Effekte für den Grundstücksmarkt im Raum A. G. ergeben. Zum anderen hätten etwaige positive Effekte in Zukunft durch die negativen Auswirkungen einer schrumpfenden Bevölkerung und steigender Mobilitätskosten auf die ländlichen Immoblienpreise aufgehoben werden können. Selbst wenn man dem Kläger darin folgen wollte, dass es in ferner Zukunft wegen des erwarteten Baus einer Autobahn zu einer besseren Verwertbarkeit kommen werde, wäre dies nicht unter dem Gesichtpunkt einer Unwirtschaftlichkeit der Verwertung zu berücksichtigen, sondern stünde allenfalls einer sofortigen Verwertung entgegen mit der Folge, dass ihm allein ein Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung zustünde.

Statt einer Zugrundelegung des Kriteriums der Verschleuderung einen monetären Vergleich des Sachwertes und des Verkehrswertes vorzunehmen, wie es der Kläger für geboten hält, kommt nicht in Betracht. Der vom Sachverständigen Dipl.-Ing. T. genannte Sachwert von 182.000.- Euro, dessen Berücksichtigung der Kläger begehrt, stellt lediglich ein im Wesentlichen unter Zugrundelegung von Normalherstellungskosten ermitteltes Zwischenergebnis der Wertermittlung dar, wobei in diesen Wert noch nicht die Abschläge für Lage des Grundstücks und Alter des Gebäudes eingeflossen sind (vgl. S. 38 des Gutachtens). Dass der Sachwert des Hausgrundstücks für die Vermögensprüfung ohne Bedeutung ist, folgt im Übrigen aus § 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II, welcher bestimmt, dass das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen ist. Hinzu kommt, dass der Verkehrswert nach der Definition des § 194 Baugesetzbuch durch den Preis bestimmt wird, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Wenn aber der Verkehrswert damit einen geschätzten Marktwert darstellt, ist er mit einem ebenfalls im Wege der Schätzung zu ermittelnden ´erzielbaren Verkaufserlös` identisch. Daran ändert nichts, dass der Gutachter als Verkehrswert einen unter Zugrundelegung des Vergleichswertes für Ein- und Zweifamilienhäuser angepassten Betrag von 128.000.- Euro geschätzt hat, welcher sich ex post – in Kenntnis des letztlich erzielten Kaufpreises von 105.000.- Euro – als deutlich überhöht erwiesen hat. Abgesehen davon, dass der Gutachter die tatsächliche Marktsituation im Prinzip sehr genau eingeschätzt hat, da er als ´marktangepassten Sachwert´ lediglich einen Betrag in Höhe von 108.000.- Euro angegeben hatte, würde die Diskrepanz nicht etwa eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit zu begründen vermögen, sondern allenfalls die der Schätzung des Verkehrswertes zugrundegelegten Parameter (hier: Gewichtung des Vergleichswertes) in Zweifel ziehen.

Ebenfalls ungeeignet ist eine Gegenüberstellung des Verkehrswertes mit dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös. Ein derartiger Vergleich scheitert regelmäßig daran, dass maßgebli-cher Bezugszeitpunkt für die Prüfung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II der Tag ist, an dem der Vermögensgegenstand für das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit erstmalig relevant wird (Hengelhaupt a.a.O.,Rn. 257), zu diesem Zeitpunkt die Höhe des erzielten Verkaufser-löses jedoch noch nicht bekannt ist.

Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ergibt sich schließlich nicht unter Berücksichtigung der Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 12 SGB II. Nach der Randnummer 12.37 dieser Hinweise ist die Vermögensverwertung nicht offensichtlich unwirtschaftlich, wenn ´der Verkehrswert nur geringfügig (bis 10%) unter dem Substanzwert (Summe der eingezahlten Beiträge) liegt`. Mit der vom SG getroffenen Feststellung, dass für den Bereich des SGB II eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit generell erst bei höheren Verlusten anzunehmen ist, brauchte sich der Senat nicht näher zu befassen; denn die genannten Durchführungshinweise sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Hinweise sind ersichtlich allein auf die Verwertung von Lebensversicherungen zugeschnitten, wie bereits der Begriff ´Substanzwert` und dessen Definition (´Summe der eingezahlten Beiträge`) verdeutlichen. Zur Anwendung auf die Verwertung nicht selbst genutzter Immobilien wäre sie im Übrigen ungeeignet, da nicht erkennbar ist, wie hier der Begriff ´Substanzwert` mit Leben gefüllt werden soll.

Die Verwertung des Hausgrundstücks stellt für den Kläger keine besondere Härte dar. Wann eine solche vorliegt, ist im Gesetz nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck von Härtefallregelungen begründen nur besondere Umstände des Einzelfalles, nicht jedoch allgemein gültige Verhältnisse eine besondere Härte. Bei der Bestimmung des Begriffs der besonderen Härte kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften bezüglich des Vermögenseinsatzes in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II wegen des Vorliegens einer Atypik zu einem den Leitvorstellungen des SGB II-Vorschriften nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 7.11.2006, L 13 AL 941/06, Rn. 29 – juris; Radüge in jurisPK-SGB II, 2. Aufl., § 12 Rn. 137).

Umstände, die in diesem Sinne eine besondere Härte begründen könnten, sind nicht ersicht-lich. Zu dem Vorbringen des Klägers, das Verlangen nach einer vorzeitigen Veräußerung sei als besondere Härte zu werten, weil perspektiv ein höherer Preis zu erzielen sei und er damit wegen seiner aus der Arbeitslosigkeit resultierenden geringen Rentenanwartschaften seine Altersbezüge aufstocken könne, verweist der Senat auf seine Ausführungen zum rein spekulativen Charakter der klägerischen Annahme und zur Darlehensmöglichkeit.

Einer exakten Bestimmung des Wertes des somit zu berücksichtigenden Vermögens bedarf es nicht, da auch bei Zugrundelegung des niedrigsten denkbaren Verkehrswertes sowie der höchstmöglichen Belastung des Grundstücks und nach Berücksichtigung der Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II Vermögen verbleibt, das Hilfebedürftigkeit weit über die hier strittigen Zeiträume hinaus ausschließt.

Selbst wenn man statt des vom Sachverständigen geschätzten Verkehrswerts von 128.000.- Euro lediglich den tatsächlich erzielten Kaufpreis von 105.000.- Euro zugrunde legt und zugunsten des Klägers die auf dem Grundstück liegenden Lasten in nomineller Höhe – also ohne zwischenzeitlich erfolgte Tilgungen – berücksichtigt, verbleiben nach Abzug der Grundpfandrechte in Höhe von 94.700.- DM bzw. 48.419,16 Euro 56.580,84 Euro, von denen ein hälftiger Anteil – 28.290,42 Euro – auf den Kläger entfällt.

Von diesem Vermögen ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200.- Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen – mindestens 4.100.-, maximal 13.000.- Euro – abzusetzen; er ist ab dem Monat der Vollendung des Lebensjahres jährlich neu anzusetzen (Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 12 Rn. 13). Bei dem im Juli 1960 geborenen Kläger errechnet sich danach ein Betrag von 9.000.- Euro (45 x 200.-). Hinzu kommt ein Freibetrag in Höhe von 750.- Euro für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II. Weitere Absetzungen, insbesondere nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, kommen wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.

Somit verbleibt ein anzurechnendes Vermögen von 18.540, 42 Euro. Legt man den für die Monate September bis Dezember 2005 als monatliches Darlehen gewährten Betrag in Höhe von 848,76 Euro zugrunde, entfiele damit die Bedürftigkeit für fast zweiundzwanzig Monate. Da somit Hilfebedürftigkeit wegen zu berücksichtigenden Vermögens nicht vorgelegen hat, andererseits jedoch eine sofortige Verwertung nicht möglich war, stand dem Kläger nur ein Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung in Anwendung der Sonderregelung des § 9 Abs. 4 SGB II a.F. zu.

Nach alledem war daher die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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