Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 221/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 245/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 23.08.2001 sowie die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Die 1947 geborene Klägerin, von Beruf Einzelhandelskauffrau, rutschte am 23.8.2001 während der Arbeit auf einer feuchten Stelle aus und verdrehte sich dabei den Unterschenkel nach außen. Am 24.08.2001 diagnostizierte der Durchgangsarzt Dr. R. eine Distorsion des Kniegelenks rechts mit Hämarthros. Bei der Arthroskopie am 30.08.2001 stellte er eine leicht blutige Unterlaufung des Hoffa schen Fettkörpers fest.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Berichte des Dr. R. vom 22.10.2001 (deutliche Bewegungseinschränkung mit einer Beugehemmung ab 90 Grad bei freier Streckung rechts), vom 08.01.2002 (Streckung des Kniegelenks ist frei möglich, die Beugung gelingt nur bis 100 Grad und wird dann durch eine zunehmende Verspannung der Muskulatur beeinträchtigt), sowie vom 05.02.2002, einen Bericht der Kernspintomographie vom 05.12. 2001 und eine Auskunft der Forum-BKK vom 01.02.2002 über Vorerkrankungen bei und holte ein Gutachten des Prof. Dr. H. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M.) vom 14.01.2002 ein. Dieser stellte fest, dass nach dem Unfallereignis eine Kontusion des Hoffa schen Fettkörpers am rechten Knie mit Einblutung ins Knie vorgelegen hat. Diese Erkrankung sei ausge- heilt, wie sich aus dem Kernspin vom 05.12.2001 ergebe. Die Knorpelschäden im Knie seien unfallunabhängig, denn sie hätten am 30.08.2001 schon bestanden. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 die Gewährung von Verletztenrente ab.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 10.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die gesetzlichen Leistungen einschließlich Rente zu gewähren. Sie hat vorgetragen, Arbeitsunfähigkeit habe über den 05.12.2001 hinaus bestanden und aufgrund der Funktionseinschränkungen des rechten Kniegelenks sei eine MdE von 20 v.H. gegeben. Sie legte ein Gutachten des Dr. K. vom 07.10.2002, erstellt für die BKK, vor sowie einen Bericht des Dr. R. vom 31.10.2002. Das SG hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. L. vom 21.12.2002/17.05.2003 eingeholt. Dieser schließt aus der bei der Arthroskopie nachgewiesenen erheblichen Einblutung im Knie- gelenk, dass der Unfall nicht nur zu einer Prellung des Hoffa schen Fettkörpers mit Einblutungen geführt hat, sondern vielmehr zu einer weitergehenden Verletzung im Kniegelenksbe- reich. Das ist der Fall bei einem Riss an der randständigen ge- fäßhaltigen Zone oder weiteren Gelenksteilen, z.B. Bändern oder auch der Kapsel. Auch sieht er einen kausalen Zusammenhang zwischen der Kniesteife und dem Unfallereignis, weil Knorpelerweichungsherde und auch eine geringe Arthrose schon vor dem Unfall bestanden haben, ohne dass hierdurch eine Beschwerdesymptomatik ausgelöst worden sei. Prof. Dr. H. hat hingegen in der ergänzenden Stellungnahme vom 11.02.2003 darauf verwiesen, dass eine deutliche Minderung der Muskulatur am rechten Oberschenkel auch erklärbar sei durch eine Schonhaltung bei nachgewiesenen arthrotischen Veränderungen. Auch könnten Blutungen aus dem Hoffa schen Fettkörper erhebliche Hämarthrosebildungen auslösen. Meniskusabrisse von der Kapsel oder auch Kreuz- oder sonstige Bandrisse wären anläßlich der Arthroskopie sechs Tage nach dem Unfallereignis erkannt worden. Es wurden jedoch nur unfallunabhängige Knorpelschäden objektiviert, ebenso wie bei dem Kernspin am 05.12.2001.
Mit Urteil vom 09.06.2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Ende der Verletztengeldzahlung eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Es hat sich auf die Ausfüh- rungen des Dr. L. gestützt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Senat hat die einschlägigen Röntgen- und Kernspinaufnahmen beigezogen und Gutachten des Orthopäden Dr. G. (H.stiftung A.) vom 05.11.2004 sowie des Orthopäden Dr. N. vom 22.02.2005 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit radiologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. B ... Dr. G. zog die Befunde der Arthroskopie und der MRT als Grundlage für die Begutachtung heran. Es ergab sich kein Befund, welcher das massive Beugedefizit des rechten Kniegelenks der Klägerin erklären konnte (Beugung bis maximal 20 Grad). Unfallfolgen lägen nicht vor. Dr. N. hat ausgeführt, die Klägerin habe ein Beugeaußendrehtrauma erlitten, das zu einem blutigen Gelenkerguss geführt habe. Eine Blutungsquelle sei nicht nachgewiesen. Als Reaktion auf die Blutung sei eine entzündliche Kapselveränderung eingetreten, die mittels Kernspin vom 14.03.2005 nachgewiesen sei. Die MdE betrage 30 v.H. Die Beklagte wandte hiergegen ein, dass der Radiologe Dr. B. mitgeteilt habe, der Befund einer adhäsiven Kapsulitis und die daraus abgeleitete Beurteilung könne wissenschaftlich in Studien nicht belegt werden.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.04.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die beigezogene Beklagtenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 ist zutreffend, die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben. Die Klägerin hat aufgrund des Arbeitsunfalles vom 23.8.2001 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H.
Die Entschädigung einer Gesundheitsstörung durch die Zahlung von Verletztenrente (§ 56 SGB VII) setzt voraus, dass sie Folge eines Versicherungsfalles, hier also des Arbeitsunfalls vom 23.08.2001, ist (§§ 7, 8 SGB VII). Der Arbeitsunfall muss wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn er neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSGE 63, 277). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 7, 103, 106). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist dem gegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin beim Arbeitsunfall eine Distorsion des rechten Kniegelenks erlitt, die die bei ihr bestehende schmerzhafte Kniesteife wesentlich verursachte. Diese Kniesteife ist eine länger andauernde Unfallfolge, die aufgrund der Distorsion des Knies, d.h. des Gesundheitserstschadens entstand (vgl. BSG, Urteil vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R). Nach Auffassung des Senats ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Kniesteife auf den Gesundheitserstschaden zurückzuführen und damit die haftungsausfüllende Kausalität gegeben ist. Die durch den Sturz verursachte Distorsion erzeugte nämlich einen durch die Punktion nachgewiesen blutigen Gelenkserguss, als dessen Folge sich eine Kapselfibrose, d.h. eine entzündliche Schrumpfung der Gelenkkapsel entwickelte. Entsprechende Kniegelenksbinnenverletzungen als Ursache der sich entwickelnden Kapselfibrose sind insbesondere durch die Kernspinaufnahme vom 05.12. 2001 belegt, die einen Knochenkontusionsherd am lateralen Femurcondylus und die Reizerscheinung des medialen Collateralbandes am femoralen Ansatz zeigt sowie einen Verdacht auf eine tibiaseitige Außenmeniskusläsion. Indiz für eine Binnenverletzung ist ferner der Umstand, dass sich aus dem Histologiebefund vom 07.09.2001 keine Hinweise auf eine Verletzung des Hoffa schen Fettkörpers ergeben, da wie in der Kernspinaufnahme keine Re-paraturspuren nachgewiesen wurden. Die Blutung beruhte also auf einer unfallbedingten, mit der Distorsion zusammenhängenden Binnenläsion des Kniegelenks, nicht auf einer Blutung des Hoffa schen Fettkörpers. Dass sich als Folge dieser Blutung eine Schrumpfung der Gelenkkapsel mit massiver Kniesteife entwickelte, hat Dr. N. überzeugend dargelegt, weil auch der Kernspintomographie-Befund vom 30.3.2005 Indizien für eine adhäsive Kapsulitis zeigt, die die Beuge- und Streckhemmung erklären kann. Dieses Ergebnis bestätigen die Ausführungen des Dr. L. , der im wesentlichen aus der Tatsache, dass die unfallunabhängigen, degenerativen Veränderungen am rechten Knie nicht zu einer Kniestrecksteife führen können und deshalb mit genügender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass die heute nachweisbaren Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Knies auf den Arbeitsunfall vom 23.08.2001 zurückzufüh-ren sind.
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf den Radiologen Prof. Dr. B. darauf hinweist, dass zur Kapsulitis des Kniegelenks bisher keine wissenschaftlichen Studien vorliegen, spricht dies wegen der Parallele zur Capsulitis adhaesiva des Schultergelenkes nicht gegen die haftungsausfüllende Kausalität. Nicht zu jedem Ursachenzusammenhang muss es statistisch-epidemiologische Forschungen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).
Bedenken gegen die Höhe der MdE von 30 v.H. sieht der Senat in Anbetracht der Streck- und Beugehemmung des rechten Knies nicht.
Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 23.08.2001 sowie die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Die 1947 geborene Klägerin, von Beruf Einzelhandelskauffrau, rutschte am 23.8.2001 während der Arbeit auf einer feuchten Stelle aus und verdrehte sich dabei den Unterschenkel nach außen. Am 24.08.2001 diagnostizierte der Durchgangsarzt Dr. R. eine Distorsion des Kniegelenks rechts mit Hämarthros. Bei der Arthroskopie am 30.08.2001 stellte er eine leicht blutige Unterlaufung des Hoffa schen Fettkörpers fest.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Berichte des Dr. R. vom 22.10.2001 (deutliche Bewegungseinschränkung mit einer Beugehemmung ab 90 Grad bei freier Streckung rechts), vom 08.01.2002 (Streckung des Kniegelenks ist frei möglich, die Beugung gelingt nur bis 100 Grad und wird dann durch eine zunehmende Verspannung der Muskulatur beeinträchtigt), sowie vom 05.02.2002, einen Bericht der Kernspintomographie vom 05.12. 2001 und eine Auskunft der Forum-BKK vom 01.02.2002 über Vorerkrankungen bei und holte ein Gutachten des Prof. Dr. H. (Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M.) vom 14.01.2002 ein. Dieser stellte fest, dass nach dem Unfallereignis eine Kontusion des Hoffa schen Fettkörpers am rechten Knie mit Einblutung ins Knie vorgelegen hat. Diese Erkrankung sei ausge- heilt, wie sich aus dem Kernspin vom 05.12.2001 ergebe. Die Knorpelschäden im Knie seien unfallunabhängig, denn sie hätten am 30.08.2001 schon bestanden. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 die Gewährung von Verletztenrente ab.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 10.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die gesetzlichen Leistungen einschließlich Rente zu gewähren. Sie hat vorgetragen, Arbeitsunfähigkeit habe über den 05.12.2001 hinaus bestanden und aufgrund der Funktionseinschränkungen des rechten Kniegelenks sei eine MdE von 20 v.H. gegeben. Sie legte ein Gutachten des Dr. K. vom 07.10.2002, erstellt für die BKK, vor sowie einen Bericht des Dr. R. vom 31.10.2002. Das SG hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. L. vom 21.12.2002/17.05.2003 eingeholt. Dieser schließt aus der bei der Arthroskopie nachgewiesenen erheblichen Einblutung im Knie- gelenk, dass der Unfall nicht nur zu einer Prellung des Hoffa schen Fettkörpers mit Einblutungen geführt hat, sondern vielmehr zu einer weitergehenden Verletzung im Kniegelenksbe- reich. Das ist der Fall bei einem Riss an der randständigen ge- fäßhaltigen Zone oder weiteren Gelenksteilen, z.B. Bändern oder auch der Kapsel. Auch sieht er einen kausalen Zusammenhang zwischen der Kniesteife und dem Unfallereignis, weil Knorpelerweichungsherde und auch eine geringe Arthrose schon vor dem Unfall bestanden haben, ohne dass hierdurch eine Beschwerdesymptomatik ausgelöst worden sei. Prof. Dr. H. hat hingegen in der ergänzenden Stellungnahme vom 11.02.2003 darauf verwiesen, dass eine deutliche Minderung der Muskulatur am rechten Oberschenkel auch erklärbar sei durch eine Schonhaltung bei nachgewiesenen arthrotischen Veränderungen. Auch könnten Blutungen aus dem Hoffa schen Fettkörper erhebliche Hämarthrosebildungen auslösen. Meniskusabrisse von der Kapsel oder auch Kreuz- oder sonstige Bandrisse wären anläßlich der Arthroskopie sechs Tage nach dem Unfallereignis erkannt worden. Es wurden jedoch nur unfallunabhängige Knorpelschäden objektiviert, ebenso wie bei dem Kernspin am 05.12.2001.
Mit Urteil vom 09.06.2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Ende der Verletztengeldzahlung eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Es hat sich auf die Ausfüh- rungen des Dr. L. gestützt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Senat hat die einschlägigen Röntgen- und Kernspinaufnahmen beigezogen und Gutachten des Orthopäden Dr. G. (H.stiftung A.) vom 05.11.2004 sowie des Orthopäden Dr. N. vom 22.02.2005 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit radiologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. B ... Dr. G. zog die Befunde der Arthroskopie und der MRT als Grundlage für die Begutachtung heran. Es ergab sich kein Befund, welcher das massive Beugedefizit des rechten Kniegelenks der Klägerin erklären konnte (Beugung bis maximal 20 Grad). Unfallfolgen lägen nicht vor. Dr. N. hat ausgeführt, die Klägerin habe ein Beugeaußendrehtrauma erlitten, das zu einem blutigen Gelenkerguss geführt habe. Eine Blutungsquelle sei nicht nachgewiesen. Als Reaktion auf die Blutung sei eine entzündliche Kapselveränderung eingetreten, die mittels Kernspin vom 14.03.2005 nachgewiesen sei. Die MdE betrage 30 v.H. Die Beklagte wandte hiergegen ein, dass der Radiologe Dr. B. mitgeteilt habe, der Befund einer adhäsiven Kapsulitis und die daraus abgeleitete Beurteilung könne wissenschaftlich in Studien nicht belegt werden.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.04.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die beigezogene Beklagtenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.06.2004 ist zutreffend, die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben. Die Klägerin hat aufgrund des Arbeitsunfalles vom 23.8.2001 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H.
Die Entschädigung einer Gesundheitsstörung durch die Zahlung von Verletztenrente (§ 56 SGB VII) setzt voraus, dass sie Folge eines Versicherungsfalles, hier also des Arbeitsunfalls vom 23.08.2001, ist (§§ 7, 8 SGB VII). Der Arbeitsunfall muss wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn er neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSGE 63, 277). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 7, 103, 106). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist dem gegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin beim Arbeitsunfall eine Distorsion des rechten Kniegelenks erlitt, die die bei ihr bestehende schmerzhafte Kniesteife wesentlich verursachte. Diese Kniesteife ist eine länger andauernde Unfallfolge, die aufgrund der Distorsion des Knies, d.h. des Gesundheitserstschadens entstand (vgl. BSG, Urteil vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R). Nach Auffassung des Senats ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Kniesteife auf den Gesundheitserstschaden zurückzuführen und damit die haftungsausfüllende Kausalität gegeben ist. Die durch den Sturz verursachte Distorsion erzeugte nämlich einen durch die Punktion nachgewiesen blutigen Gelenkserguss, als dessen Folge sich eine Kapselfibrose, d.h. eine entzündliche Schrumpfung der Gelenkkapsel entwickelte. Entsprechende Kniegelenksbinnenverletzungen als Ursache der sich entwickelnden Kapselfibrose sind insbesondere durch die Kernspinaufnahme vom 05.12. 2001 belegt, die einen Knochenkontusionsherd am lateralen Femurcondylus und die Reizerscheinung des medialen Collateralbandes am femoralen Ansatz zeigt sowie einen Verdacht auf eine tibiaseitige Außenmeniskusläsion. Indiz für eine Binnenverletzung ist ferner der Umstand, dass sich aus dem Histologiebefund vom 07.09.2001 keine Hinweise auf eine Verletzung des Hoffa schen Fettkörpers ergeben, da wie in der Kernspinaufnahme keine Re-paraturspuren nachgewiesen wurden. Die Blutung beruhte also auf einer unfallbedingten, mit der Distorsion zusammenhängenden Binnenläsion des Kniegelenks, nicht auf einer Blutung des Hoffa schen Fettkörpers. Dass sich als Folge dieser Blutung eine Schrumpfung der Gelenkkapsel mit massiver Kniesteife entwickelte, hat Dr. N. überzeugend dargelegt, weil auch der Kernspintomographie-Befund vom 30.3.2005 Indizien für eine adhäsive Kapsulitis zeigt, die die Beuge- und Streckhemmung erklären kann. Dieses Ergebnis bestätigen die Ausführungen des Dr. L. , der im wesentlichen aus der Tatsache, dass die unfallunabhängigen, degenerativen Veränderungen am rechten Knie nicht zu einer Kniestrecksteife führen können und deshalb mit genügender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass die heute nachweisbaren Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Knies auf den Arbeitsunfall vom 23.08.2001 zurückzufüh-ren sind.
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf den Radiologen Prof. Dr. B. darauf hinweist, dass zur Kapsulitis des Kniegelenks bisher keine wissenschaftlichen Studien vorliegen, spricht dies wegen der Parallele zur Capsulitis adhaesiva des Schultergelenkes nicht gegen die haftungsausfüllende Kausalität. Nicht zu jedem Ursachenzusammenhang muss es statistisch-epidemiologische Forschungen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).
Bedenken gegen die Höhe der MdE von 30 v.H. sieht der Senat in Anbetracht der Streck- und Beugehemmung des rechten Knies nicht.
Die Berufung der Beklagten war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
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