S 29 AS 253/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 253/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
In sozialgerichtlichen Verfahren , in denen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für mehrere Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft Gegenstand sind und diese Personen auch auf Kläger-/Antragstellerseite beteiligt sind, kann der Prozessbevollmächtigte den Mehrvertretungszuschlag nach Ziff. 1008 VV RVG abrechnen.
Auf die Erinnerung der Antragsgegnerin vom 27.02.2007 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.02.2007 wird der von der Antragsgegnerin zu erstattende Betrag unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auf insgesamt 353,80 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die nach § 197 SGG statthafte Erinnerung hat – soweit über sie nach dem vom Vorsitzenden unter dem 27.04.2007 vorgeschlagenen Teilvergleich, dem die Beteiligten zugestimmt haben, noch streitig zu entscheiden war - keinen Erfolg.

Nach dem Teilvergleich sind die Beteiligten darüber einig, dass die Verfahrensgebühr (unabhängig von der Frage, ob diese nach Ziff. 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG - VV RVG – zu erhöhen ist – dazu siehe unten) mit 170 EUR anzusetzen ist. Weiter haben sie sich darüber verglichen, dass im Hinblick auf die erfolgte Beendigung des Verfahrens nach der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 28.08.2006 eine Gebühr von 65 EUR (entweder als fiktive Terminsgebühr bei angenommenem Anerkenntnis oder als Einigungs-/Erledigungsgebühr) festzusetzen ist.

Im Übrigen hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht bei der Ermittlung der von der Antragsgegnerin an die Antragsteller zu erstattenden Kosten die geltend gemachte Erhöhung der Verfahrensgebühr um 50 EUR (von 170 EUR gemäß Teilvergleich auf 220 EUR gemäß Kostenantrag) berücksichtigt.

Diese Erhöhung ergibt sich aus Ziff. 1008 VV RVG, deren Voraussetzungen vorliegen.

Nach dieser Ziffer erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr, wenn in derselben Angelegenheit Auftraggeber des Rechtsanwalts mehrere Personen sind. Es gilt eine Erhöhung um 0,3 oder 30 % bei Festgebühren; bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und der Höchstbetrag um 30 %. Nach Abs. 3 dieser Ziffer dürfen mehrere Gebühren einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen; bei Betragsrahmengebühren dürfen die Erhöhungen das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags nicht übersteigen.

In diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ging es um Leistungen nach dem SGB II, die den Antragstellern – Herrn U I sowie seiner Tochter M T I – von der Antragsgegnerin (zuletzt mit Bescheid vom 23.08.2006) bewilligt worden waren. Mit Bescheid vom selben Tage hatte die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 17.11.2005, mit dem dem Antragsteller Arbeitslosengeld II (ALG II) und der Antragstellerin Sozialgeld bewilligt worden war, für Februar 2006 vollständig und für die Zeit ab März 2006 teilweise zurückgenommen.

Auftraggeber des Rechtsanwalts, um dessen Gebühren es hier geht, waren beide Antragsteller, weshalb die Erhöhung der Verfahrensgebühr von 170 EUR auf 220 EUR gerechtfertigt ist. Denn in formaler Hinsicht waren Antragsteller in diesem Verfahren nach der Antragsschrift vom 31.08.2006 ausdrücklich beide Antragsteller (Vater und Tochter). Der PB legte sogar für beide eine gesonderte Vollmacht vor (Bl. 3 f. der Gerichtsakte).

In sachlicher Hinsicht hat der PB auch die individuellen Ansprüche des U I einerseits und seiner Tochter M T andererseits in einem Verfahren geltend gemacht. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bisher in allen Entscheidungen, in denen dies in Betracht kam, in Fortsetzung der Rechtsprechung der zuvor für das Sozialhilferecht nach dem BSHG zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeführt, dass es sich bei Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB II jeweils um den einzelnen Personen zustehende Einzelansprüche handelt, die ihnen gesondert zustehen und von ihnen im eigenen Namen geltend zu machen sind.

Vgl. z. B. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R -, www.sozialgerichtsbarkeit.de, Rn. 12.

Danach müssen in sozialgerichtlichen Verfahren alle Personen als Antragsteller oder Kläger am Verfahren beteiligt sein, für die Leistungen begehrt werden (bzw. die eine gegen sie gerichtete Aufhebung eines Bescheides oder eine Rückforderung von Leistungen angreifen). Ist dies nicht der Fall, kann ein Vater z. B. für seine Kinder keine Leistungen geltend machen, da ihm hierfür die Klagebefugnis und die Aktivlegitimation fehlen.

Der argumentative Ansatz der Antragsgegnerin, es würden Ansprüche "der Bedarfsgemeinschaft" i. S. d. § 7 Abs. 2, Abs. 3 SGB II geltend gemacht, ist nicht haltbar. Das BSG hat sich insofern sehr entschieden in der Weise geäußert, dass der Bedarfsgemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit eignet und dementsprechend auch nicht Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft sondern Einzelansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in Rede stehen.

Vgl. BSG, a. a. O.

Es wäre deshalb genau so gut möglich, die Einzelansprüche von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft als getrennte Klagen oder Eilanträge geltend zu machen. Prozessual handelt es sich bei einer gemeinsamen Klage/einem gemeinsamen Antrag von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft stets um einen Fall der sog. subjektiven Klagehäufung.

Weil die Voraussetzungen der Ziff. 1008 VV RVG vorliegen, ist die Verfahrensgebühr von 170 EUR, auf die die Beteiligten sich vergleichsweise geeinigt haben, auf 220 EUR zu erhöhen. Dies entspricht zum einen 30 % der konsentierten Verfahrensgebühr von 170 EUR bei Einzelvertretung, zum anderen dem Kostenantrag des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller in den Fassungen vom 29.09.2006 und vom 01.12.2006 und ist zudem auch nicht unbillig.

Demnach ergibt sich insgesamt folgende Kostenberechnung:

Verfahrensgebühr 220 fiktive Terminsgebühr/Erledigungsgebühr 65 Post- und Telekommunikationspauschale 20 Zwischensumme 305 16 % MWSt 48,80 Summe 353,80
Rechtskraft
Aus
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