L 13 VJ 1/05 -26

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 9 VJ 113/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VJ 1/05 -26
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer monatlichen Rente nach einer MdE von 30 v.H. nach dem Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (AntiDHG).

Die 1952 geborene Klägerin erkrankte aufgrund einer im März 19 ... im Beitrittsgebiet vorgenommenen Anti-D-Prophylaxe mit verseuchtem Impfstoff an einer chronischen Virus C-Hepatitis. Die Erkrankung war nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (GüK) als sogenannter Impfschaden anerkannt.

Auf den 1995 gestellten Antrag der Klägerin, ihr Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren, hatte das Amt für Soziales und Versorgung Frankfurt (Versorgungsamt) die Klägerin durch Prof. Dr. B untersuchen lassen, der in seinem Gutachten vom 20. Februar 1996 zu dem Ergebnis gelangt war, bei der Klägerin liege eine persistierende chronische Hepatitis C mit geringer Aktivität vor, die unter Berücksichtigung der neuen Grundsätze zur MdE-Bewertung bei chronischer Hepatitis vom 9. Juni 1995 mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten sei. Unter Berücksichtigung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R, die eine chronische Hepatitis C ohne Progression annahm, erkannte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 27. März 1996 eine chronische Hepatitis C ohne Progression als Schädigungsfolge nach § 1 BVG in Verbindung mit § 51 BSeuchG an. Die Gesundheitsstörung bedinge keine MdE von wenigstens 25 v.H., so dass keine Rente gewährt werde.

Nach Inkrafttreten des AntiDHG am 1. Januar 2000 gewährte das Versorgungsamt der Klägerin mit Bescheid vom 18. September 2000 eine Einmalzahlung nach § 3 AntiDHG in Höhe von 7000 DM. Die Klägerin habe wegen der gesundheitlichen Folgen einer "chronischen Hepatitis C ohne Aktivität" gemäß § 1 AntiDHG ab 1. Januar 2000 einen Anspruch auf Krankenbehandlung und eine finanzielle Hilfe. Die MdE betrage 20 v.H.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Einstufung der MdE entspreche nicht dem tatsächlichen Zustand der Erkrankung. Sie reichte den Befund einer im Oktober 2000 durchgeführten Leberbiopsie ein, nach der eine chronische Hepatitis C mit minimaler portaler und lobulärer Aktivität (Scheuer-Score 1) sowie mäßiger portaler Fibrose mit inkompletter Septenbildung (Scheuer-Score 2) vorliege.

Das Versorgungsamt zog den Entlassungsbericht des Klinikums E, P, über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. bis 12. Oktober 2000 bei und holte einen Befundbericht von Dr. G vom 29. Dezember 2000 ein. Die Versorgungsärztin Dr. R entnahm diesen Unterlagen eine geringe entzündliche Aktivität und gelangte unter Berücksichtigung der Neufassung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Anhaltspunkte) und der Ergebnisse der Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 8./9. November 2000 und 21./ 22. März 2001, veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt 6-7 2001, S. 126 f (Tagungsergebnisse) zu dem Ergebnis, die MdE betrage weiterhin 20 v.H.

Dem folgend wies das Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 5. November 2001 zurück. Die Bewertung einer chronischen Hepatitis richte sich nach der Aktivität (Progression), die nur vorliege, wenn eine Schädigung der Leberfunktion durch die Viren eingetreten sei. Dies sei bei der Klägerin bislang nicht der Fall. Die MdE sei auch nicht wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu bewerten, weil die Klägerin noch in der Lage sei, ihren erlernten oder einen sozial gleichartigen Beruf auszuüben.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Beurteilung des Befundes der Leberbiopsie in Übereinstimmung mit den Tagungsergebnissen auf der Grundlage der Aktivität und der Fibrose erfolgt sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass aus diesen Befunden eine chronische Hepatitis ohne Progression abgeleitet werde, zumal dies die wiederholt erhöhten Transaminasenwerte unberücksichtigt lasse. Darüber hinaus leide sie unter erheblicher Müdigkeit und Leistungsschwäche.

Das Sozialgericht P hat Befundberichte von Dr. G vom 13. August 2002 und 9. Oktober 2002 eingeholt und Prof. Dr. H mit der Erstattung eines fachinternistischen Gutachtens beauftragt. Dieser ist unter Berücksichtigung einer Leberpunktion vom 18. Juni 2003 zu dem Ergebnis gelangt, es liege eine chronische Hepatitis C mit geringer entzündlicher Aktivität und mäßiger Fibrose vor. Die MdE sei mit 30 v.H. zu bewerten. Er weiche von der versorgungsärztlichen Bewertung ab, weil sich in den Anhaltspunkten für die chronischen Hepatitiden teilweise unpräzise und nicht nachvollziehbare Empfehlungen hinsichtlich der Einschätzung des MdE-Grades fänden. Die dort aufgeführte chronische Hepatitis ohne klinisch-entzündliche Aktivität, die mit einer MdE von 20 bewertet werde, sei ein Widerspruch in sich. Würde man nach diesen Empfehlungen den histologischen Befund der Klägerin bewerten, wäre allein aufgrund der entzündlichen Aktivität eine MdE von 30 v.H. gegeben, wobei die Fibrose noch nicht berücksichtigt wäre. Die auf S. 4 der Tagungsergebnisse enthaltene Tabelle mit den MdE-Empfehlungen, die die entzündliche Aktivität und die Fibrose berücksichtige, sei der Struktur nach aus einer unter anderem von ihm veröffentlichten Publikation übernommen worden, nicht aber hinsichtlich der MdE-Sätze, die damals für die gesetzliche Unfallversicherung vorgeschlagen worden seien. Danach sei die MdE bei geringer entzündlicher Aktivität und mäßiger Fibrose mit 30 v.H. zu bewerten. Darüber hinaus werde auch von unzutreffenden Daten ausgegangen, indem lediglich eine geringe Fibrose angenommen werde.

Nachdem der Beklagte auf die im Versorgungsrecht geltende abweichende MdE-Bewertung verwiesen hatte, ist der Sachverständige in einer Stellungnahme vom 23. Dezember 2003 bei seiner Auffassung verblieben und hat ergänzend darauf hingewiesen, dass bei den Zeilen 2 und 3 der Tabelle (d.h. auf der Stufe der mäßigen bzw. starken Aktivität) sehr wohl zwischen geringer und mäßiger Fibrose unterschieden werde. Der histologische Befund sei den Laborbefunden, insbesondere den Transaminasenwerten, überzuordnen.

Durch Urteil vom 21. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Die Folgen der Hepatitis seien nicht mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Nach den Vorgaben der Nr. 26.10 der Anhaltspunkte beruhe die Beurteilung auf dem klinischen Befund einschließlich funktionsrelevanter Laborparameter, auf der Ätiologie sowie auf dem histopathologischen Nachweis des Grades der nekro-inflammatorischen Aktivität (Grading) und des Stadiums der Fibrose (Staging). Liege ein histologischer Befund vor, so sei seine Auswertung an dem modifizierten histologischen Aktivitätsindex auszurichten. Danach betrage bei einer geringen Aktivität und sowohl einer geringen als auch einer mäßigen Fibrose die MdE 20 v.H., während sie im Unfallrecht bei einer mäßigen Fibrose mit 30 v.H. bewertet werde. Der Einwand des Sachverständigen, in den Anhaltspunkten sei die Tabelle unzutreffend übertragen worden, treffe nicht zu. Denn der Sachverständige, der die für die Unfallversicherung maßgebliche Tabelle auch im Entschädigungsrecht angewendet wissen wolle, habe sich mit seiner Meinung im Beirat nicht durchsetzen können. Während das Entschädigungsrecht die Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft betreffe, gehe es im Unfallversicherungsrecht um die verminderte Fähigkeit, berufliche Kenntnisse und Erfahrungen im Erwerbsleben zu nutzen. Die Kammer folge der Bewertung des Beklagten, der sich auf die Anhaltspunkte berufe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die Anhaltspunkte weiterhin ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Urteilsgefüge zur Einschätzung des GdB bzw. der MdE. Besonderheiten seien im Fall der Klägerin nicht ersichtlich. Die Bewertung mit einer MdE von 20 v.H. sei auch für die Zeit ab 1. Januar 2000 zutreffend, obwohl die Tagungsergebnisse erst mit Schreiben vom 6. April 2001 mitgeteilt worden seien, da sie zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2001 zu beachten gewesen seien. Nachdem eine Biopsie vorgenommen worden sei, sei diese der Bewertung zugrunde zu legen.

Mit der dagegen eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, Prof. Dr. H habe in seiner Stellungnahme betont, dass für den Hepatologen an der Einschätzung einer MdE von 30 v.H. keine Zweifel bestünden. Die Abweichung der Bewertung in den Anhaltspunkten werde nicht begründet. Die Differenzierung sei umso weniger verständlich, als es sowohl im Rahmen der Unfallversicherung als auch im sozialen Entschädigungsrecht um die Minderung der Erwerbsfähigkeit gehe. Im Rahmen der Festlegung der MdE nach dem AntiDHG sei es nicht um die Beurteilung der Auswirkungen einer Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gegangen, sondern um die Feststellung, welche Entschädigungsleistungen zuständen. Es sei gerade nicht auf das Bundesseuchengesetz abgestellt worden, weil die Zahlungen als zu gering angesehen worden seien. Unverständlich sei, worin sich die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu einer Hepatitis-Erkrankung im Bereich der Unfallversicherung von denen im Entschädigungsrecht unterscheiden sollten. Es werde nicht beachtet, dass eine mäßige Fibrose ein schwereres Krankheitsbild darstelle als eine geringe Fibrose. Es liege im Fall des AntiDHG eine Lücke vor, die auch nach der Rechtsprechung des BSG eine besondere Prüfung im Einzelfall, ob die Anhaltspunkte zutreffend seien, erfordere.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2004 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2001 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr eine Einmalzahlung und ab 1. Januar 2000 eine Rente nach dem AntiDHG wegen einer chronischen Hepatitis-Erkrankung nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seiner Entscheidung fest.

Der Senat hat Befundberichte von Dipl. Med. P vom 26. September 2005 und von Dr. G vom 13. Oktober 2005 und eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H vom 8. August 2006 zur Frage der Einstufung der Fibrose eingeholt.

Der Beklagte hat eine Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. J vom 26. September 2006 eingereicht, der darauf hingewiesen hat, dass von einer mäßigen Fibrose ausgegangen werde. Bereits in der Sitzung des Sachverständigenbeirats im März 1998 sei zu der abweichenden gutachterlichen Beurteilung der chronischen Hepatitis C im Sozialen Entschädigungsrecht gegenüber der Unfallversicherung Stellung bezogen worden. Zu den Besonderheiten gehöre u.a., dass für die Beurteilung der MdE im Entschädigungsrecht die zum Zeitpunkt der Begutachtung bestehenden tatsächlichen Auswirkungen eines chronischen Leidens in allen Lebensbereichen und nicht nur im allgemeinen Erwerbsleben zu berücksichtigen seien und eine vernünftige Relation zu anderen Gesundheitsstörungen gewahrt sein müsse. Es sei damals auch festgestellt worden, dass die in der gesetzlichen Unfallversicherung empfohlenen MdE-Werte durch Überschneidungen nicht geeignet seien, zu sachgerechten Ergebnissen zu führen, weil dort eine chronische Hepatitis mit starker entzündlicher Aktivität, aber nur geringer Fibrose ebenso mit einer MdE von 40 v.H. bewertet werde wie eine chronische Hepatitis mit nur geringer entzündlicher Aktivität, aber starker Fibrose.

Auf Rückfrage hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 4. Mai 2007 mitgeteilt, dass die nunmehr in den Anhaltspunkten wiedergegebene Tabelle im Rahmen einer Sachverständigenanhörung erarbeitet worden sei, an der auch zwei Autoren des von Prof. Dr. H zitierten Artikels beteiligt gewesen seien. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Maßstäbe der MdE-Bewertung und der geringen Differenzen zwischen den Tabellen von maximal +/- 10 v.H. sei nicht abzuleiten, dass die Angaben der "Anhaltspunkte" nicht aktuell seien.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2001 abgewiesen. Denn die Klägerin hat als Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AntiDHG keinen Anspruch gegen den Beklagten, wegen der bei ihr bestehenden Hepatitis C-Erkrankung eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. und eine auf der Grundlage dieser MdE berechnete Einmalzahlung zu erhalten.

Nach § 3 Abs. 2 AntiDHG vom 2. August 2000 (BGBl I 2000, 1270) beträgt die monatliche Rente bei einer MdE um 30 vom Hundert 500 Deutsche Mark. Nach § 3 Abs. 4 AntiDHG bestimmt sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 des BVG.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H leidet die Klägerin an einer chronischen Hepatitis C mit geringer entzündlicher Aktivität und mäßiger Fibrose. Der Senat hat keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzuweichen, nachdem der Sachverständige in seiner Stellungnahme die Zweifel, die sich hinsichtlich der Bewertung der Fibrose als mäßig auf der Grundlage der unterschiedlichen Scores ergeben hatten, ausgeräumt hat, indem er die unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe erläutert und durch entsprechende medizinische Literatur belegt hat.

Die so bewertete Hepatitis bedingt eine MdE von 20 v.H. Dies entnimmt der Senat - wie schon das Sozialgericht – der MdE-Tabelle, die das damalige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung als Ergebnisse der Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 8./9. November 2000 und 21./ 22. März 2001 (Tagungsergebnisse) im Bundesarbeitsblatt 6-7 2001, S. 126 f veröffentlicht hat und die in die Anhaltspunkte 2004/2005 übernommen worden ist. Denn die Anhaltspunkte bzw. die begutachtungsrelevanten Beschlüsse des Sachverständigen-Beirates sind auch bei Anwendung des AntiDHG zu beachten. § 3 Abs. 4 AntiDHG verweist ausdrücklich auf § 30 BVG. Diese Bezugnahme wurde den Gesetzesmaterialien zufolge getroffen, weil der Schädigungsgrad auch bis zum Inkrafttreten des AntiDHG auf diesem Maßstab beruhte. Er sei in den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Anhaltspunkten festgelegt und werde dem jeweiligen Fortschritt der medizinischen Wissenschaft entsprechend angepasst. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass es zu dieser Bewertung derzeit keine Alternative gebe, zumal es sich um ein generelles Verfahren handele (vgl. Drucksache 14/2958 S. 9).

Der Begriff der MdE ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein medizinischer, sondern ein rechtlicher Begriff; seine Festlegung ist daher nicht Aufgabe von Sachverständigen. Die MdE-Bewertung beruht nicht auf medizinischen Erfahrungen, sondern auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, die lediglich als solche mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Bei der danach auf den zunächst festzustellenden medizinischen Tatsachen erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerung bieten zwar die Auffassungen der Sachverständigen wertvolle Fingerzeige; doch ist stets zu beachten, dass es sich dabei nicht mehr um die Erörterung medizinischer, sondern um eine solche rechtlicher Begriffe handelt, welche im Streitfall den Gerichten obliegt (vgl. BSG, Urteil vom 26.08.1955 - 4 RJ 120/54; Urteil vom 29.08.1990 - 9 A/9 RVS 7/89 =SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 1).

Die MdE-Tabelle ist auch trotz der übrigen Bedenken, die der Sachverständige geäußert hat, dass nämlich allein die festgestellte Aktivität der Hepatitis eine MdE von 30 v.H. bedinge, maßgeblich. Denn bei Vorliegen eines histologischen Befundes ist auf die Tabelle und nicht auf die sonstige MdE-Bewertung abzustellen, da es sich insoweit um die spezielleren, nämlich auf Virus-Hepatitiden ausgerichteten Maßstäbe handelt, die nach Anhörung besonders erfahrener Hepatologen aus den Bereichen Pathologie, Klinik und Begutachtung entwickelt worden sind und der Besonderheit Rechnung tragen, dass diese histologischen Beurteilungskriterien nur bei Virus-Hepatitiden gelten (vgl. Protokoll der Sitzung der Sektion Versorgungsmedizin vom 7./8. November 2001 S. 5f).

Die Anwendung der MdE-Tabelle unterliegt auch keinen rechtlichen Bedenken. Denn die Prüfung auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Verfassung, auf Berücksichtigung des gegenwärtigen Kenntnisstandes der sozialmedizinischen Wissenschaft sowie auf Lücken in Sonderfällen, die wegen der individuellen Verhältnisse gesondert zu beurteilen sind, hat keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass sie nicht angewendet werden dürfen.

Insbesondere berücksichtigen die Anhaltspunkte den gegenwärtigen Kenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft. Soweit der Sachverständige daraus, dass die Anhaltspunkte die von ihm vorgeschlagene Tabelle nicht umgesetzt haben, schließt, die Tabelle berücksichtige nicht den gegenwärtigen Kenntnisstand, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Sachverständigenbeirat ist in Kenntnis der Tabelle, auf die sich der Sachverständige beruft, zu der Überzeugung gelangt, eine abweichende MdE-Bewertung vorzunehmen. Es handelt sich entgegen von Prof. Dr. H geäußerten Auffassung auch nicht um ein Versehen, sondern die abweichenden MdE-Grade sind das Ergebnis umfassender Beratungen. Schon im Jahr 1998 hatte der Sachverständigenbeirat sich mit der von Prof. Dr. H entwickelten Tabelle befasst und auf seiner Tagung vom 18./19. März 1998 Bedenken gegen diese Tabelle geäußert, weil sie zum einen den histomorphologischen Befunden eine viel zu große Bedeutung zumesse, zum anderen nicht berücksichtige, dass es für die Beurteilung im sozialen Entschädigungsrecht keine Rolle spiele, ob bei einer chronischen Hepatitis eine Fibrose geringen, mittleren oder schweren Grades vorliege. Zu den Besonderheiten gehört nicht nur, dass die zum Zeitpunkt der Begutachtung bestehenden tatsächlichen Auswirkungen eines chronischen Leidens in allen Lebensbereichen und nicht nur im allgemeinen Erwerbsleben zu berücksichtigen sind, sondern auch, dass eine vernünftige Relation zu anderen in den Anhaltspunkten genannten Gesundheitsstörungen gewahrt ist.

Es bestehen des weiteren keine Zweifel an der Aktualität der Anhaltspunkte, weil eine ernst zu nehmende Stimme eine abweichende Auffassung vertritt. In Fällen, in denen Zweifel an der Aktualität der Anhaltspunkte bestehen, etwa weil eine ernst zu nehmende Stimme eine abweichende Auffassung vertritt, haben die Gerichte nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R= SozR 4-3250 § 69 SGB IX Nr. 2 ) diesen Zweifeln nachzugehen und sie auszuräumen oder zu bestätigen. In diesem Fall ist dann ggf. auch der Ärztliche Sachverständigenbeirat (bzw. für diesen die Versorgungsverwaltung) verpflichtet, im jeweiligen Verfahren die seiner Beurteilung zu Grunde liegenden Erwägungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse vollständig offen zu legen. Die Ausführungen von Prof. Dr. H können nicht als Einzelmeinung vernachlässigt werden, da der Sachverständige sich auf eine im Bereich der Unfallversicherung allgemein akzeptierte MdE-Bewertung beruft. Es bestehen jedoch keine Zweifel an der Aktualität der Anhaltspunkte. Denn der Sachverständigenbeirat hatte sich bereits in seiner Sitzung im März 1998 mit der abweichenden gutachterlichen Beurteilung der chronischen Hepatitis C im Sozialen Entschädigungsrecht gegenüber der Unfallversicherung auseinandergesetzt und die im Bereich des Versorgungsrechts maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet. Schließlich sind die Maßstäbe der Anhaltspunkte nicht deswegen unanwendbar, weil eine Lücke in Sonderfällen bestünde. Ein Sonderfall ist nicht ersichtlich, weil das AntiDHG gerade auf § 30 BVG Bezug nimmt, in dessen Rahmen die Anhaltpunkte auf der Grundlage der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschrift Nr. 5 entwickelt worden sind. Des Weiteren hat sich der Sachverständigenbeirat wiederholt mit der Bewertung der durch die Anti-D-Prophylaxe ausgelösten Virus-Hepatitis befasst, so dass gerade keine Lücke in den Bewertungsmaßstäben besteht.

Der Anwendung der Tabelle für den gesamten Leistungszeitrum ab 1. Januar 2000 steht letztendlich nicht entgegen, dass diese erst am 6. April 2001 veröffentlicht worden ist. Denn sie fasst den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen, der vor dem Hintergrund, dass die von Prof. Dr. H für anwendbar gehaltene Tabelle bereits 1996 diskutiert worden ist, auch schon ab 1. Januar 2000 bestanden hat.

Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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