S 35 RA 3631/92 W94 W97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
35
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 RA 3631/92 W94 W97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, die Entschädigungsrente des Klägers wegen Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit abzuerkennen. Der Kläger hat eine Nachzahlung der Entschädigungsrente bis Januar 2003 erhalten. Gegenstand des Verfahrens ist nunmehr eine Entscheidung der Beklagten vom 7. Januar 2003, mit dem die Entschädigungsrente für die Zeit ab 1. Februar 2003 aberkannt worden ist. Der Kläger wurde am 19. Januar 1923 in H geboren. Um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, verließen seine Eltern mit ihm im Jahr 1933 Deutschland und emigrierten über die Schweiz und Frankreich in die UdSSR. Ab 1951 war der Kläger als hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR tätig. Von 1953 bis 1986 leitete er die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). 1953 wurde der Kläger stellvertretender Staatssekretär (im damaligen Staatssekretariat für Staatssicherheit), ab 1955 stellvertretender Minister für Staatssicherheit. Der Kläger wurde 1955 zum Generalmajor, 1965 zum Generalleutnant und 1980 zum Generaloberst ernannt. In seiner Funktion als Stellvertreter des Ministers und als Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung gehörte der Kläger dem Kollegium des MfS an. 1986 schied der Kläger aus dem aktiven Dienst des MfS aus. In der DDR bezog der Kläger eine Ehrenpension nach Maßgabe der "Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene" vom 20. September 1976.

Auf der Grundlage des Entschädigungsrentengesetzes vom 22. April 1992 (ERG) wurden Ehrenpensionen, wie sie der Kläger erhielt, als Entschädigungsrenten weiter gezahlt. § 5 ERG enthält eine Regelung über die Kürzung oder Aberkennung einer solchen Entschädigungsrente. Absatz 1 lautet: Entschädigungsrenten sind ... zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte ... gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat. Über die Kürzung oder Aberkennung einer Entschädigungsrente entscheidet die Bundesrepublik Deutschland durch das Bundesversicherungsamt (hier: die Beklagte) auf Vorschlag der Kommission der Bundesrepublik Deutschland zum Versorgungsruhens- und Entschädigungsgesetz (Beigeladene zu 1). Gemäß § 6 Absatz 1 ERG ist die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 2) für die Auszahlung der Entschädigungsrenten zuständig.

Mit Datum vom 8. Oktober 1992 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem die Entschädigungsrente des Klägers "mit sofortiger Wirkung vorläufig aberkannt" wurde. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, dass der Kläger als stellvertretender Minister für Staatssicherheit gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 6. November 1992 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Im Einverständnis mit den Beteiligten hat das Gericht in der Folge verschiedentlich das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 1. September 1993, Beschluss vom 29. September 1994, Beschluss vom 21. April 1997). Das Verfahren gegen die vorläufige Aberkennung der Entschädigungsrente wurde durch Beschluss vom 22. Februar 1999 zur gesonderten Entscheidung abgetrennt. Mit Urteil vom 16. September 1999 gab das Gericht der Klage statt und hob den Bescheid über die vorläufige Aberkennung der Entschädigungsrente auf. Das Gericht schloss sich bei dieser Entscheidung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, wonach keine gesetzliche Grundlage für eine "vorläufige" Aberkennung der Entschädigungsrente besteht. Das Urteil wurde rechtskräftig (Aktenzeichen des Sozialgerichts Berlin S 35 RA 3631/92 W97-1).

Mit Datum vom 12. Mai 1997 erließ die Beklagte einen Bescheid zur endgültigen Aberkennung der Entschädigungsrente. In der Folgezeit entschied das Bundessozialgericht in mehreren Parallelverfahren, dass die Bescheide der Beklagten jeweils auf Grund eines Verfahrensfehlers rechtswidrig seien, da die Betroffenen vor Erlass der Bescheide nicht ordnungsgemäß angehört worden seien (z.B. Urteile des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 24. März 1998, Aktenzeichen: B 4 RA 78/96 R oder vom 24. Juli 2001 – Aktenzeichen: B 4 RA 2/01 R, Fundstelle: elektronische Entscheidungssammlung juris).

Mit Schreiben vom 15. April 2002 wandte sich die Kommission an den Kläger und teilte ihm mit, dass beabsichtigt sei, einen erneuten Entscheidungsvorschlag über die Kürzung oder Aberkennung der Entschädigungsrente zu unterbreiten. Mit Beschluss vom 1. November 2002 schlug die Kommission der Beklagten vor, den Bescheid über die Aberkennung der Entschädigungsrente vom 12. Mai 1997 durch einen neuen Aberkennungsbescheid zu ersetzen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 mit, dass sie beabsichtige, dem Beschluss der Kommission vom 1. November 2002 zu folgen. Der Kläger erhielt Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Datum vom 7. Januar 2003 erließ die Beklagte einen Bescheid, wonach dem Kläger das Recht auf Entschädigungsrente mit sofortiger Wirkung aberkannt werde. Der Kläger habe bei folgenden Sachverhalten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen: In der Sitzung am 25. April 1966 habe das Kollegium MfS unter anderem über folgende Tagesordnungspunkte beraten: TOP 4 "Vorlagen über Maßnahmen zur operativen Sicherung der Staatsgrenze" TOP 5 "Vorlagen über politisch-operative Maßnahmen zur Bekämpfung feindlicher Einflüsse unter Kreisen von Jugendlichen" In dieser Sitzung habe das Kollegium im Beschluss 4/66 unter Ziffer 1 "die Vorlagen über Maßnahmen zur Verstärkung der operativen Sicherung der Staatsgrenze grundsätzlich bestätigt". Mit Beschluss 5/66 habe das Kollegium unter Ziffer 1 "den Vorlagen über Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen grundsätzlich zugestimmt". Auf der Grundlage des Beschlusses 5/66 sei am 15. Mai 1966 die Dienstanweisung (DA) 4/66 "zur Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR" ergangen. Auf der Kollegiumssitzung am 11. November 1966 sei unter Ziffer 4 des Beschlusses 9/66 festgelegt worden, dass die DA 4/66 "hinsichtlich ihrer Erfüllung und konsequenten Durchsetzung zu überprüfen" sei. Durch das Urteil des Oberlandesgerichts D vom 27. Mai 1997 (Aktenzeichen ... ) sei der Kläger wegen Freiheitsberaubung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nötigung, und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Zur rechtlichen Bewertung führte die Beklagte unter anderem aus: Die Beklagte schließe sich der Auffassung der Kommission an, dass der Kläger gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe. Der vollständige Entzug der Entschädigungsrente sei nicht unverhältnismäßig. Die vom Kläger mitgetragenen Maßnahmen hätten die einzelnen Menschen in der DDR in vielen Persönlichkeitsbereichen nachhaltig getroffen und sich auf einen Großteil der Bevölkerung der DDR erstreckt. Mit Schreiben vom 2. September 2003 hat die Beklagte erklärt, dass der vorherige Bescheid vom 12. Mai 1997 mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werde. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat die Entschädigungsrente bis zum 31. Januar 2003 an den Kläger nachgezahlt. Streitig ist zwischen den Beteiligten nunmehr, ob der Bescheid vom 7. Januar 2003 rechtmäßig ist und ob der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Entschädigungsrente über Januar 2003 hinaus besitzt. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass auch der Bescheid vom 7. Januar 2003 rechtswidrig ist und beansprucht dessen Aufhebung. Zur Begründung trägt der Kläger unter anderem vor, dass der Bescheid schon formell rechtswidrig sei. Die Beklagte habe sowohl zu den Tatsachenfeststellungen als auch zur rechtlichen Würdigung des Sachverhalts keine eigenständige Entscheidung getroffen. Sie sei ausschließlich den Feststellungen der Kommission gefolgt, was sich auch aus der Formulierung in dem Bescheid ("Nach den Feststellungen der Kommission ...") ergebe. Damit sei die von der Beklagten durchgeführte Anhörung zur substanzlosen Formalität geworden. Eine Anhörung aber, der keine Entscheidung vorausgehe, sondern die der fortgeltenden Entscheidung eines Dritten folge, sei keine Erfüllung der gesetzlichen Anhörungspflicht. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Der Kläger habe nicht gegen die Grundsätze Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Das Kollegium des MfS sei kein Entscheidungsgremium gewesen, sondern lediglich ein Beratungsorgan. Die dort gefassten Beschlüsse seien tatsächlich nur Ratschläge gewesen. Das Kollegium habe nur Entscheidungen, Anweisungen und Befehle des Ministers entgegengenommen. Der Minister habe unabhängig von den im Kollegium gefassten Beschlüssen gehandelt. In zahlreichen Fällen habe der Minister Dienstanweisungen erlassen, ohne vorher das Kollegium angehört zu haben. Daher seien die fraglichen Beschlüsse nicht kausal für einen etwaigen Verletzungserfolg. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Beschlüsse keine Verstöße gegen die in § 5 ERG enthaltenen Grundsätze darstellen. Zum Beschluss 4/66 führt er unter anderem aus, dass allein die Grenztruppen der DDR und nicht das MfS für die Sicherung der Staatsgrenze zuständig gewesen seien. Das MfS sei hier lediglich vorbeugend tätig gewesen. Insoweit trage der Kläger auch keine Verantwortung für das Grenzregime und er habe es weder durch Rat noch durch Tat beeinflussen können. Zum Beschluss 5/66 führt der Kläger unter anderem aus, dass die Dienstanweisung 4/66 von Minister M 28 Seiten umfasst habe. Davon seien viele Seiten der Schilderung der Jugendpolitik der DDR gewidmet gewesen und könnten daher kaum hier von Relevanz sein. Die Beklagte lege nicht dar, was aus dem Beschluss menschenrechtswidrig sei. Es sei nun einmal so, dass Geheimdienste auf vielfältige Weise die Tätigkeiten vermuteter Gegner des Staates, dem sie dienten, zu erforschen versuchten. So sei bekannt, dass auch der Verfassungsschutz in dieser Richtung aktiv sei. Dass in diesem Zusammenhang mit informellen Mitarbeitern gearbeitet worden sei, liege im Wesen von Geheimdiensten. Auch der Verfassungsschutz beobachte Großveranstaltungen nicht mit Beamten, die entsprechend gekennzeichnet seien. Ob die jeweiligen Personen nun im internen Sprachgebrauch als "IM" oder als "V-Männer" bezeichnet würden, ändere am Kern der Sache nichts. Der Kläger ist darüber hinaus der Ansicht, dass es zumindest an seiner persönlichen Mitwirkung an etwaigen Verstößen fehle. Aus dem Vermerk, dass der Kläger bei den fraglichen Beratungen des Kollegiums anwesend gewesen sei, könne nicht geschlossen werden, dass der Kläger bei den fraglichen Beschlüssen auch anwesend, aufmerksam und wach gewesen sei. Ob er sich während des Verlaufs der Sitzung aus menschlichen oder anderen Gründen vorübergehend entfernt habe, könne er nach einem solchen Zeitablauf selbst nicht mehr sagen, aber die Beklagte könne es auch nicht ausschließen. Die Art der Protokollierung sei auf solche Details nicht ausgerichtet. Nach der Lebenserfahrung könne auch davon ausgegangen werden, dass einige Teilnehmer sich vorübergehend von solchen Sitzungen entfernen würden. Bei den strittigen Beschlüssen handele es sich nicht um Gebiete, für die der Kläger zuständig gewesen sei. Er habe dabei nicht zuhören müssen. Es sei vom Kläger nicht erwartet worden, dass er sich zu Fragen der Jugendpolitik oder Grenzsicherung äußere. Soweit es die Verurteilung durch das OLG D am 27. Mai 1997 anbelangt, könne damit gleichfalls kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begründet werden. Dies gelte unter anderem wegen des lange zurückliegenden Zeitraums der Fälle. Im Übrigen habe es sich dabei um typische geheimdienstliche Begleitdelinquenz gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Straffreiheit der innerdeutschen Spionage von DDR-Bürgern dürften diese Fälle bei der Bewertung nach § 5 ERG nicht herangezogen werden. Im Übrigen ist der Kläger der Ansicht, dass die Vorschrift des § 5 ERG verfassungswidrig ist. Die Begriffe der Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit seien zu unbestimmt, so dass ein Verstoß gegen Artikel 20 Grundgesetz vorliege. Der Kläger macht weiter geltend, dass die Dauer des Verfahrens gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Der Entzug der Entschädigungsrente verstoße zudem auch wegen des lange zurückliegenden Zeitraumes der fraglichen Handlungen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Der Kläger beantragt sinngemäß, den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2003 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, dass ihre Entscheidung den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Das Kollegium sei das kollektive und zentrale Entscheidungsgremium im MfS gewesen. Seine Beschlüsse hätten zur Erhöhung der Effizienz des menschenrechtswidrigen Grenzsicherungssystems der DDR beigetragen. Zudem hätten sie zur Ausschaltung oppositioneller Bestrebungen unter Jugendlichen mit rechtsstaatswidrigen Mitteln geführt. Angesichts der Schwere der Verletzungen sei die vollständige Aberkennung der Rente angemessen. Die Kommission trägt unter anderem vor, der Kläger sei Teil der Führungselite des Ministeriums für Staatssicherheit und faktischer Machtinhaber gewesen. Nicht ausschließlich Minister M habe den gewaltigen Apparat des Ministeriums für Staatssicherheit beherrschen und leiten können. Der Kläger habe gemeinsam mit dem Kollegium des MfS die Grundlage für die Bespitzelung und Verfolgung Andersdenkender sowie zur Unterbindung von Fluchtversuchen geschaffen. Auch in die Maßnahmen der Grenzsicherung sei das Ministerium für Staatssicherheit erheblich mit eingebunden gewesen. Das Grenzsicherungssystem zur BRD und Westberlin sei darauf gerichtet gewesen, Fluchtversuche von DDR-Bürgern, denen ihr elementares Recht auf Freiheit und Freizügigkeit verwehrt worden sei, zu unterbinden und Fluchtwillige angesichts der Lebensgefahr abzuschrecken. Dabei seien elementare Menschenrechte faktisch in ihrem Kern vernichtet worden.

Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage am 26. Mai 2004 mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat zu dem Inhalt der Beschlüsse 4/66, 5/66 und 9/66 unter anderem Folgendes ausgeführt: Wenn ich überhaupt in solchen Sitzungen etwas beigetragen habe, dann habe ich beispielsweise zu einem politischen Vorgang in der Bundesrepublik referiert. Ich habe berichtet über NATO-Manöver oder über die Notstandsplanung in der Bundesrepublik. Ich erinnere mich nicht, dass ich etwas zu den Punkten gesagt habe, die in den hier streitigen Bescheiden beschrieben sind. Frage: Können Sie sich an die Sitzung des Kollegiums vom 25. April 1966 erinnern? Antwort: Ich habe daran keine Erinnerungen. Ich bin erst durch die Bescheide der Beklagten daran erinnert worden. Frage: Was ist unter dem Tagesordnungspunkt 4 "Maßnahmen zur operativen Sicherung der Staatsgrenze" zu verstehen? Antwort: Daran habe ich im Einzelnen keine Erinnerungen. Ich weiß nicht, was zu diesem Punkt vorgetragen wurde. Was grundsätzlich unter diesem Begriff zu verstehen ist, das ist ja allgemein bekannt. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinweisen: Da, wo an der Grenze geschossen wurde, das war nicht Aufgabe der Staatssicherheit. Das MfS sollte vielmehr im Rahmen seiner Möglichkeiten Erkenntnisse sammeln, um zu verhindern, dass Menschen versuchen, die Grenze zu durchbrechen. Es sollte also vorbeugend tätig sein. In diesem Zusammenhang sehe ich den Tagesordnungspunkt auch so, dass es um solche vorbeugenden Maßnahmen ging. Frage: War Ihre Abteilung speziell auch mit sogenannten Schleusern befasst? Antwort: Wir waren dafür nicht zuständig, sondern ein besonderer Bereich: Die Hauptabteilung 20. Welche Abteilung es genau war, kann ich heute jedoch nicht mehr sagen. Aber wenn bei uns Informationen von unseren Quellen eingingen, die mit Schleusungen zu tun hatten, dann wurde das an die zuständige Abteilung weitergegeben. Natürlich gehört auch das zum Thema Sicherung der Staatsgrenze. Es könnte gewesen sein, dass auch so etwas in diesen Tagesordnungspunkt eingeflossen ist. Aber ich weiß es nicht. Frage: Was ist unter dem Tagesordnungspunkt 5 zu verstehen "politisch-operative Maßnahmen zur Bekämpfung feindlicher Einflüsse unter Kreisen von Jugendlichen"? Antwort: Da kann ich nichts dazu sagen. Dazu ist mir nichts in Erinnerung. Zum Beschluss 9/66 hat der Kläger unter anderem ausgeführt: Ich kann das zu diesem Punkt und zu diesem Fall nicht sagen. Ich kann nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass von mir und meiner Abteilung jedenfalls kein gesonderter Bericht für diesen Tagesordnungspunkt abgegeben worden ist ... Auf Frage der Beigeladenenvertreterin: Die Todesschüsse an der Mauer waren niemals Gegenstand von Beratungen des Kollegiums. Sie fielen im Übrigen in die Zuständigkeit des Ministeriums für nationale Verteidigung. Frage der Beigeladenenvertreterin: War die Ausbildung von Terroristen in der DDR Gegenstand von Kollegiumssitzungen? Antwort: Nein. Das war niemals Gegenstand des Kollegiums. Frage: Waren die Schüsse an der Mauer und die Einrichtung von Schießanlagen jeweils Gegenstand von Kollegiumssitzungen? Antwort: Nein. Frage der Beigeladenenvertreterin: Als Sie Kenntnis über die Beherbergung und Ausbildung der Terroristen erlangt haben und als Sie Kenntnis von den Minenanlagen und Todesschüssen an der Mauer erlangt haben - Was haben Sie dagegen unternommen? Haben Sie das mitgetragen oder haben Sie Beanstandungen gegenüber dem Minister vorgetragen? Antwort: Über die Ausbildung von RAF-Terroristen hatte ich zur Zeit meiner Tätigkeit im MfS keine Kenntnisse. Was die Grenzanlagen angeht, diese Frage hat zu dem Gegenstand, über den wir sprechen, keinen Bezug. Der Kläger hat zur Arbeitsweise und der Art der Beschlussfassung in den Sitzungen des MfS-Kollegiums unter anderem Folgendes ausgeführt: Die Feststellung der Beklagten trifft nicht zu, dass es sich bei dem Kollegium um ein beschließendes Gremium gehandelt habe. Das Kollegium war ein beratendes Organ. Alle Entscheidungen traf der Minister. Viele entscheidende Fragen der operativen Tätigkeit des MfS waren niemals Gegenstand einer Beratung im Kollegium. Etwaige Beschlüsse des Kollegiums waren eine reine Formsache. Das Kollegium war, wie auch in anderen Staaten, ein beratendes Organ des Ministers. Es ging dort um grundsätzliche Fragen und nicht um Einzelmaßnahmen gegen konkrete Personen. Die Sitzungen des Kollegiums waren in der Regel vom Apparat des Ministers vorbereitet. Es war die zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe. Von dort kam eine schriftliche Vorlage. Der Minister hielt noch einen mündlichen Vortrag. Dann fand eine Aussprache statt. Das war eine formale Angelegenheit, wo jeder von seinem Zuständigkeitsbereich etwas dazu beigetragen hat. Es gab nie eine kontroverse Diskussion. Am Schluss wurde dann vom Sekretär des Kollegiums festgehalten: Beschluss = Zustimmung zur Vorlage oder zu den Ausführungen des Ministers. Solche Beschlüsse wurden etwa ab Mitte der 60er Jahre gefasst. Vorher gab es gar keine förmlichen Protokolle über den Inhalt der Kollegiumssitzungen ... Das Kollegium war ein förmliches Aushängeschild des Ministers. Es wurde oft lange beraten über förmliche Dinge, etwa protokollarische Fragen, wie ein Jahrestag ablaufen soll oder was mit Auszeichnungen oder Ehrungen zu geschehen habe. Frage: Aus welchem Grund wurden seit Mitte der 60er Jahre förmliche Protokolle und Beschlüsse angefertigt? Antwort: Das weiß ich nicht. Da kann ich nur spekulieren. Vorher gab es den von mir geschilderten Arbeitsapparat des Ministers noch nicht. Frage: Warum hat sich der Minister nach Schaffung dieses Arbeitsapparates nicht auf diese Fachleute verlassen, sondern immer noch das Kollegium einberufen? Antwort: Weil es ein Statut gab, dass beim Ministerium ein Kollegium bestehen muss. Ein solches Kollegium hat ja auch in allen anderen Ministerien getagt und funktioniert. M musste den Nachweis bringen, dass auch sein Ministerium nach den vorgegebenen Prinzipien funktionierte. Es bestand eine Anwesenheitspflicht für die Sitzungen des Kollegiums. Man musste sein Fernbleiben jeweils entschuldigen. Wenn ich nicht Urlaub hatte oder auf Dienstreise war, habe ich immer an den Sitzungen des Kollegiums teilgenommen. Frage: Gab es zumindest in den Anfangszeiten des Kollegiums auch inhaltliche Kontroversen? Antwort: Ja. Ich erinnere mich zum Beispiel an das Jahr 1956, als in der Sowjetunion die Verbrechen Stalins aufgedeckt wurden. Die Kollegiumssitzung, an die ich mich erinnere, war nach dem XX. Parteitag der KPDSU. Es gab vor allem zwischen mir und E M sehr heftige Diskussionen darüber, welche Konsequenzen nun zu ziehen seien im Verhältnis zu den Personen, die stalinistischen Repressionen unterworfen waren. Wir haben dabei keine Einzelfälle besprochen, sondern über die grundsätzliche Frage gestritten, wie eine solche Rehabilitation auszusehen habe. Es gab damals auch andere Fragen, die kontrovers diskutiert wurden, zum Beispiel auch über die Öffentlichkeitsarbeit des MfS ... Was bedeutet die Formulierung im Beschluss 5/66 "grundsätzlich zugestimmt"? Antwort: Ich habe keine Erinnerung und auch keine Unterlagen zu diesem Vorgang. Aber generell bedeutete diese Formulierung: Die Vorlage wurde akzeptiert. Es gab keinen Widerspruch. Frage: Was bedeutet die Formulierung unter Ziffer 4 des Beschlusses 9/66 in der Kollegiumssitzung am 11. November 1966 "zu überprüfen"? Antwort: Was dort im Einzelnen festgelegt wurde, das weiß ich nicht. Dem Kollegium ist mit Sicherheit kein Bericht über die Erfüllung der Dienstanweisung vorgelegt wurden. Wenn überhaupt, dann wurde ein solcher Bericht dem Minister persönlich vorgelegt. Frage: Warum hat dann das Kollegium diese Überprüfung angeordnet? Antwort: Ich kann das zu diesem Punkt und zu diesem Fall nicht sagen. Ich kann nur mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass von mir und meiner Abteilung jedenfalls kein gesonderter Bericht für diesen Tagesordnungspunkt abgegeben worden ist. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass das Kollegium selbst überhaupt nichts festgelegt hat. Alles, was in den Protokollen als Beschluss beschrieben ist, ist tatsächlich eine Zustimmung zu Weisungen und Befehlen des Ministers und nichts anderes. Sofern zustimmende "Beschlüsse" protokolliert wurden, war es tatsächlich auch so, dass im Kollegium keine Einwände gegen die Vorlagen erhoben worden sind. Frage: Warum hat sich das Kollegium dann hinterher noch einmal mit dieser Frage befasst? Antwort: Das kann ich nicht beantworten. Ich wiederhole noch einmal: Der Minister war der Chef. In einigen Fragen hat er - aus welchen Motiven auch immer - die Meinung der verschiedenen Bereiche dazu gehört, bevor er eine Richtlinie, einen Befehl oder eine Dienstanweisung unterschrieben und verabschiedet hat. Es gab im Übrigen viele Befehle und Dienstanweisungen des Ministers, die ohne Anhörung des Kollegiums verabschiedet wurden, obwohl sie wesentliche Vorgänge betrafen. Frage: Wurden im Kollegium grundsätzlich die konsequente Erfüllung und Durchsetzung von Dienstanweisungen besprochen? Antwort: Es gab zu solchen Fragen keine Berichterstattung im Kollegium, definitiv nicht. Kontroll- und Erfüllungsberichte waren grundsätzlich direkt an den Minister oder an seinen zuständigen Stellvertreter zu geben. Frage: Wie erklären Sie sich dann die Protokollnotiz vom 11. November 1966? Antwort: Die passt nicht dazu. Wenn es hier nicht stehen würde, würde ich sagen, so etwas hat es nicht gegeben. Ich kann es nicht deuten ... Im MfS gab es keinen demokratischen Zentralismus. Es gab vielmehr eine Einzelbefehlsgewalt. Genauso wie bei der Armee, beim Innenministerium und bei der Polizei. Hier herrschte überall das militärische Führungsprinzip. Daher sind auch die Beschlüsse des Kollegiums nie an die nachgeordneten Stellen bekanntgegeben wurden. Es wurden vielmehr ausschließlich die Befehle und Dienstanweisungen des Ministers bekanntgegeben. Es hieß auch nie: "Auf Beschluss des Kollegiums ist ... durchzuführen", sondern: "Der Minister weist an". Ich will in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich widersprechen, dass wir im Kollegium die Beschlüsse mitgetragen haben. Es war so, dass der Minister dem Kollegium seine Vorlagen vorgetragen hat. Er hat dann gefragt: Wird dem zugestimmt oder nicht? Nachdem das Kollegium zugestimmt hat, hat er seine Weisungen ausgefertigt ... Frage des Beklagtenvertreters: Warum bestand im Kollegium eine Anwesenheitspflicht, wenn es nur ein Diskussionsforum war? Antwort: Es war nicht nur ein Diskussionsforum. Es war ein Organ wie in allen anderen Ministerien, es war ein beratendes Organ des jeweiligen Chefs. So etwas gab es auch im Ministerium für nationale Verteidigung. Auch dort wurden vom Kollegium keine Weisungen gegeben, sondern Vorlagen beraten. Es gab ein Statut für das Kollegium. Frage des Beklagtenvertreters: Sollte die Anwesenheitspflicht die Beschlussfähigkeit des Kollegiums sicherstellen? Antwort: Ich erinnere mich an keine Abstimmungen. Frage: Warum ist dann in den Protokollen von "Beschlüssen" die Rede? Antwort: Die Protokolle wurden nachträglich, also nach der Beratung, gefasst. Sie wurden nachträglich von den Mitgliedern des Kollegiums gegengezeichnet. Durch diese Unterschrift haben wir natürlich dem Inhalt des Protokolls zugestimmt. Frage: Wurden Einwände oder Bedenken von Kollegiumsmitgliedern in das Protokoll aufgenommen? Antwort: Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals Einwände protokolliert wurden. Frage: Gab es denn solche Einwände in den Kollegiumssitzungen? Antwort: Es gab ergänzende Bemerkungen. Die Abstimmung mit den einzelnen Bereichen hat meistens schon vor der Kollegiumssitzung stattgefunden. Frage: Wäre es möglich gewesen, dass man als Kollegiumsmitglied Widerspruch gegen eine Vorlage erhebt? Antwort: Sicher. Frage: Gab es Vorlagen, die vom Kollegium abgelehnt wurden? Antwort: Nein.

Hinsichtlich der weiteren Angaben des Klägers wird auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen des Sachverhalts wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer solchen Entscheidung erklärt haben (§ 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist inzwischen nur noch der Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2003. Damit ist die Frage verbunden, ob der Kläger auch für die Zeit ab 1. Februar 2003 einen Anspruch auf Entschädigungsrente besitzt. Der Kläger hat nach Erlass des Bescheids vom 7. Januar 2003 keinen ausdrücklichen Klageantrag mehr gestellt. Das Gericht ist aber nicht an die wörtliche Fassung der Anträge gebunden (§ 123 Sozialgerichtsgesetz). Gegebenenfalls muss im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. Deshalb sind neben dem Wortlaut der Klageschrift auch sämtliche Schriftsätze der Prozessbeteiligten sowie der Inhalt der Verwaltungsakten heranzuziehen. Daraus ergibt sich, dass der Kläger nunmehr die Aufhebung des Bescheids vom 7. Januar 2003 beansprucht: Nach Erlass dieses Bescheides haben sich die Einwände des Klägers auf diesen Bescheid konzentriert. Das war auch sachgerecht, da sich die früheren Bescheide der Beklagten inzwischen erledigt hatten. Die ursprüngliche Klage vom 6. November 1992 gegen den Bescheid vom 8. Oktober 1992 (vorläufige Aberkennung der Entschädigungsrente) hatte sich bereits durch das stattgebende Urteil des Gerichts vom 16. September 1999 erledigt. Der Bescheid vom 12. Mai 1997 (endgültige Aberkennung der Entschädigungsrente) war aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz Gegenstand des laufenden Gerichtsverfahrens geworden. Auch dieser Bescheid hat sich inzwischen erledigt, da er durch den Bescheid vom 7. Januar 2003 ersetzt worden ist. Die Rechtswirkungen aus dem Bescheid vom 12. Mai 1997 sind entfallen. Der Kläger hat eine Nachzahlung über die Entschädigungsrente bis einschließlich Januar 2003 erhalten. II. Die Klage gegen den Bescheid vom 7. Januar 2003 ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zum Sozialgericht und nicht etwa zum Verwaltungsgericht eröffnet (§ 51 Absatz 4 SGG in Verbindung mit § 6 Absatz 4 ERG). Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 7. Januar 2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte war berechtigt, die Entschädigungsrente für die Zeit ab 1. Februar 2003 abzuerkennen. III. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die nach § 24 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung wirksam erfolgt. Bereits die Kommission hat dem Kläger die Gelegenheit gegeben, sich zu den für ihren Beschluss erheblichen Tatsachen zu äußern und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beizutragen: Die Kommission hat dem Kläger mit Schreiben vom 15. April 2002 mitgeteilt, dass sie einen erneuten Entscheidungsvorschlag über die Kürzung oder Aberkennung der Entschädigungsrente unterbreiten wolle. Die Kommission hat dem Kläger gleichzeitig mitgeteilt, welchen Sachverhalt sie dabei für relevant hält. Dem Kläger wurde angeboten, hierzu Stellung zu nehmen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anhörung durch die Beklagte ebenfalls ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, dem Beschluss der Kommission vom 1. November 2002 zu folgen. Die Beklagte hat dem Kläger gleichzeitig mitgeteilt, dass der erneute Aberkennungsbescheid zum einen auf die bereits dem Beschluss der Kommission vom 19. Februar 1997 und dem Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 1997 zugrunde liegenden Tatsachen gestützt werden solle ("die hiermit ausdrücklich zum Gegenstand der Anhörung gemacht werden") sowie zusätzlich auf die weiteren im Beschluss der Kommission vom 1. November 2002 genannten Tatsachen (Mitwirkung in den Fällen C.T., W.T. und U.S. sowie G.A.). Der Kläger erhielt Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat damit die Maßstäbe eingehalten, die vom Bundessozialgericht für eine solche Anhörung nach dem ERG aufgestellt worden sind (vergleiche die bereits zitierte Entscheidung vom 31. Oktober 2002, Aktenzeichen: B 4 RA 15/01). Das Bundessozialgericht hat dazu unter anderem ausgeführt: Wenn das Bundesversicherungsamt ... auf derselben Tatsachengrundlage entscheiden will, welche die Kommission ihrem Beschluss zu Grunde gelegt hat, und wenn feststeht, dass diese dem Betroffenen alle aus der Sicht des BVA entscheidungserheblichen Haupttatsachen bereits bekannt gemacht hat, genügt zur Erfüllung der dem BVA selbst durch § 24 Absatz 1 SGB X gebotenen Handlung Folgendes: Es muss den Betroffenen darauf hinweisen, dass es die Tatsachen, die ihm bereits die Kommission bekannt gemacht hatte, zur Grundlage einer Entziehungs- oder Minderungsentscheidung über das Recht auf Entschädigungsrente machen will. Ferner muss das BVA dem Betroffenen eine angemessene Frist von regelmäßig 14 Tagen zur Äußerung setzen, wenn dieser nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden ist oder mitteilt, er wolle sich nicht mehr äußern. Nimmt der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme, so muss das BVA sein Vorbringen zur Kenntnis nehmen und die beabsichtigte Entscheidung daraufhin überprüfen, ob weitere Ermittlungen erforderlich sind oder ob der Entscheidungsinhalt zu verändern ist. Dieser gesamte Vorgang kann zügig und formfrei durchgeführt werden, muss aber für das BVA, das insoweit im späteren Gerichtsverfahren die Darlegungs- und objektive Beweislast trägt, belegbar sein. Dieser Rechtsauffassung des Bundessozialgericht schließt sich die Kammer an. Aus dieser Rechtslage ergibt sich, dass die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nicht daran gehindert war, auf derselben Tatsachengrundlage zu entscheiden, welche die Kommission ihrem Beschluss zu Grunde gelegt hat. Die Beklagte hat den Kläger ordnungsgemäß darauf hingewiesen, dass sie die Absicht hat, auf derselben Tatsachengrundlage zu entscheiden, welche die Kommission ihrem Beschluss zu Grunde gelegt hatte. Die Beklagte hat die Antwort des Klägers (Schreiben vom 17. Dezember 2002) zum Anlass genommen, die beabsichtigte Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob weitere Ermittlungen erforderlich sind oder ob der Entscheidungsinhalt zu verändern ist. So hat sich die Beklagte mit dem Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Strafverfolgungshindernis für Spionage-Taten (dem so genannten Spionage-Privileg) auseinander gesetzt. Die Beklagte ist auch auf den Vorwurf des Klägers eingegangen, das der Entzug der Entschädigungsrente gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoße.

Der Bescheid leidet auch im Übrigen nicht an formellen Mängeln. b) Er beruht insbesondere auf einem hinreichend konkreten Vorschlag der Kommission. Der Vorschlag der Kommission vom 1. November 2002 lautet wörtlich, "den Bescheid über die Aberkennung der Entschädigungsrente vom 12. Mai 1997 durch einen neuen Aberkennungsbescheid gemäß § 96 SGG aus nachfolgenden Gründen zu ersetzen". Bereits nach dem Wortlaut des Vorschlags ist klar, dass die Kommission die Aberkennung der Entschädigungsrente vorschlägt und nicht etwa nur eine anteilige Kürzung. Die Kommission ist bei dieser Wortwahl der gesetzlichen Regelung in § 5 ERG gefolgt, wo ausdrücklich dahingehend differenziert wird, dass Entschädigungsrenten ggf. zu "kürzen" oder "abzuerkennen" sind. Diese Wortwahl wird auch vom Bundessozialgericht praktiziert, etwa im Urteil vom 23. Oktober 2003 (Aktenzeichen: B 4 RA 52/02 R: "Kürzung um 100 vH; damit sind zugleich auch die Voraussetzungen für eine Aberkennung gegeben"). Im Übrigen wäre die Beschlussformel der Kommission ohnehin einer Auslegung zugänglich, vergleichbar mit der Regelung eines Verwaltungsakts oder dem Tenor eines gerichtlichen Urteils. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann beispielsweise ein Urteilstenor unter Heranziehung des Tatbestands, der Entscheidungsgründe und des Beteiligtenvortrags ausgelegt werden (zitiert bei Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Randnummer 5c zu § 136). Aus der Begründung des Beschlusses lässt sich ebenfalls der Vorschlag entnehmen, die Entschädigungsrente des Klägers vollständig abzuerkennen. c) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 7. Januar 2003 ihre gesetzliche Entscheidungsbefugnis rechtmäßig ausgeübt. Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 7. Januar 2003 unter anderem ausgeführt, dass sie von dem Vorschlag der Kommission nur dann abweichen dürfe, "wenn besondere Gründe dies rechtfertigen". Die Beklagte ist damit von der Rechtslage ausgegangen, wie sie vom Bundessozialgericht im Urteil vom 31. Oktober 2002 festgestellt worden ist (Aktenzeichen: B 4 RA 43/01 R, Fundstelle: elektronische Entscheidungssammlung juris). Danach muss die Beklagte die Bundesrechtskonformität des Vorschlags der Kommission prüfen und darf aus besonderen Gründen, insbesondere soweit dies auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles durch das Übermaßverbot geboten ist, auch dem Vorschlag nicht folgen oder einen minderschweren Eingriff vornehmen. Die Beklagte hat dies bei ihrer Entscheidung beachtet, indem sie unter anderem ausgeführt hat: Im Rahmen unserer Prüfung haben wir nicht feststellen können, dass dem Rechtsanwendungsvorschlag der Kommission ein unzutreffendes Verständnis der rechtlichen Vorgaben des ERG zugrunde gelegen hat. Vielmehr teilen wir die Auffassung der Kommission, dass Sie gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 5 Absatz 1 ERG verstoßen haben. Die Beklagte hat damit eine konkrete Entscheidung darüber getroffen, dass aus ihrer Sicht keine besonderen Gründe vorliegen, um von der Kommissionsentscheidung abzuweichen. Die Beklagte hat an anderer Stelle des Bescheids außerdem geprüft, ob die vorgeschlagene Regelung im konkreten Fall des Klägers dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vergleiche Seite 12 des Bescheids). IV. Der Bescheid vom 7. Januar 2003 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 5 Absatz 1 ERG sind erfüllt. Gemäß § 5 Absatz 1 ERG sind Entschädigungsrenten zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist der Ermächtigungstatbestand dann erfüllt, wenn der Inhaber eines Rechts auf Entschädigungsrente nach dem ERG a. durch sein Verhalten (Handeln oder Unterlassen) b. einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit herbeigeführt hat, oder einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet hat, dass andere diesen Erfolg herbeiführten. c. Er muss in Ausübung ihm übertragener oder eingeräumter Gewalt gehandelt haben. d. Ferner muss er die Tatsachen gekannt haben, aus denen sich die Unvereinbarkeit seines Verhaltens mit den Grundsätzen der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit ergab e. und er muss zurechnungsfähig gewesen sein im Sinne der zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 104 Nr. 2, 827 Bürgerliches Gesetzbuch) Die Kammer schließt sich nach eigener Überprüfung dieser Rechtsprechung an (vergleiche bereits das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 1997, Aktenzeichen: 4 RA 23/96, Fundstelle: elektronische Entscheidungssammlung juris). a) Die Aberkennung der Entschädigungsrente kann nur auf ein Verhalten gestützt werden, das räumlich und zeitlich eingegrenzt und dem Beweis zugänglich ist. Im vorliegenden Fall ist die vollständige Aberkennung der Entschädigungsrente bereits durch das folgende Verhalten des Klägers gerechtfertigt: • die Zustimmung des Klägers zu dem Beschluss 5/66 in der Sitzung des Kollegiums des MfS am 25. April 1966 (Ziffer 1: "den Vorlagen über Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen wird grundsätzlich zugestimmt") • die Zustimmung des Klägers zu dem Beschluss 9/66 in der Sitzung des Kollegiums des MfS am 11. November 1966 (Ziffer 4: " ... die DA 4/66 über die operativen Maßnahmen zur Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR ... sind hinsichtlich ihrer Erfüllung und konsequenten Durchsetzung zu überprüfen"). Es handelt sich hierbei um einen konkreten, sachlich und zeitlich eingegrenzten Sachverhalt, der dem Beweis zugänglich ist. Die Teilnahme des Klägers an beiden Sitzungen ist bewiesen durch die Anwesenheitsliste des jeweiligen Sitzungsprotokolls. Aus den eigenen Angaben des Klägers im Erörterungstermin ergibt sich, dass für ihn wie für alle anderen Mitglieder des MfS-Kollegiums eine Anwesenheitspflicht für die gesamte Sitzung bestand und nicht etwa nur für Punkte aus dem Bereich der eigenen Hauptabteilung. Der Kläger musste jedes Fernbleiben von der Sitzung nach eigenen Angaben ausdrücklich entschuldigen. Dementsprechend ist im Sitzungsprotokoll vom 11. November 1966 ausdrücklich vermerkt, dass das Fernbleiben des Genossen Generalmajor W entschuldigt war. Selbst der Entschuldigungsgrund ("z.Zt. Kur") ist im Protokoll vermerkt. Die Teilnahme an diesen beiden Sitzungen wird vom Kläger auch nicht bestritten. Die Zustimmung des Klägers zu den beiden Beschlüssen ergibt sich ebenfalls aus den Sitzungsprotokollen. Daraus ergibt sich, dass das Kommission in seiner Gesamtheit, also alle Mitglieder, den jeweiligen Beschluss gefasst hat. Für die rechtliche Bewertung dieser Vorgänge ist es nicht entscheidend, ob in der Sitzung des Kollegiums jeweils eine förmliche Abstimmung stattgefunden hat. Der Kläger hat im Erörterungstermin unter anderem angegeben: Ich erinnere mich an keine Abstimmungen. Frage: Warum ist dann in den Protokollen von "Beschlüssen" die Rede? Antwort: Die Protokolle wurden nachträglich, also nach der Beratung, gefasst. Sie wurden nachträglich von den Mitgliedern des Kollegiums gegengezeichnet. Durch diese Unterschrift haben wir natürlich dem Inhalt des Protokolls zugestimmt ... Alles, was in den Protokollen als Beschluss beschrieben ist, ist tatsächlich eine Zustimmung zu Weisungen und Befehlen des Ministers und nichts anderes. Sofern zustimmende "Beschlüsse" protokolliert wurden, war es tatsächlich auch so, dass im Kollegium keine Einwände gegen die Vorlagen erhoben worden sind. Der Kläger bestätigt damit selbst, dass die Kollegiumsmitglieder jeweils eine Zustimmung erteilt haben. Es ist dabei unerheblich, ob diese Zustimmung im Wege einer nachträglichen Unterschrift unter das Protokoll dokumentiert wurde, oder, wie der Kläger an anderer Stelle im Erörterungstermin geschildert hat, unmittelbar in der Sitzung: Ich will in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich widersprechen, dass wir im Kollegium die Beschlüsse mitgetragen haben. Es war so, dass der Minister dem Kollegium seine Vorlagen vorgetragen hat. Er hat dann gefragt: Wird dem zugestimmt oder nicht? Nachdem das Kollegium zugestimmt hat, hat er seine Weisungen ausgefertigt. Zu den konkreten Beschlüssen besaß der Kläger im Erörterungstermin nach eigenen Angaben keine konkrete Erinnerung. Er hat jedoch auch das Protokoll von der Sitzung am 25. April 1966 im vorgenannten Sinne interpretiert: Frage: Was bedeutet die Formulierung im Beschluss 5/66 "grundsätzlich zugestimmt"? Antwort: Ich habe keine Erinnerung und auch keine Unterlagen zu diesem Vorgang. Aber generell bedeutete diese Formulierung: Die Vorlage wurde akzeptiert. Es gab keinen Widerspruch. Daraus ergibt sich, dass auch der Kläger der Vorlage nicht widersprochen, sondern zugestimmt hat. Der Kläger selbst hat im Übrigen im gerichtlichen Verfahren nicht behauptet, dass er gegen diesen Beschluss gestimmt hat. Er hat auch nicht konkret behauptet, gerade an der Zustimmung zu den Punkten 5/66 (Sitzung vom 25. April 1966) und 9/66 (Sitzung vom 11. November 1966) nicht teilgenommen zu haben. Der Kläger führt selbst aus, dass er keine Erinnerung mehr an diesen Vorgang habe. Den Mutmaßungen seines Bevollmächtigten, dass er möglicherweise ausgerechnet zum Zeitpunkt einer Beschlussfassung einem "menschlichen Bedürfnis nachgegangen" sei, war daher nicht weiter nachzugehen. Es handelt sich lediglich um eine Behauptung "ins Blaue hinein", ohne dass ein konkreter Anhaltspunkt für einen solchen Geschehensablauf erkennbar wäre. b) Durch die Zustimmung zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 hat der Kläger gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen. • Der Grundsatz der Menschlichkeit schützt die Würde und die unveräußerlichen Menschenrechte eines jeden in einem Gemeinwesen. Es ist also jedem Machthaber sowie dem Machtsystem, dem er angehört, untersagt, die Würde des Menschen zu missachten oder seine Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit anderen "Werten" soweit unterzuordnen, dass sie im Kern vernichtet werden. • Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit schützt alle Personen vor einer willkürlichen Behandlung durch die Machtinhaber. Insbesondere darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat, seiner Herkunft, seines Glaubens oder seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Das Kollegium und damit auch der Kläger persönlich hatten "den Vorlagen über Maßnahmen zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen" grundsätzlich zugestimmt. Auf der Grundlage dieses Beschlusses erließ der Minister des MfS, E M, am 15. Mai 1966 die Dienstanweisung (DA) 4/66 "zur Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR". Die Kammer teilt nicht die Rechtsauffassung des Klägers, dass die Dienstanweisung lediglich "der Schilderung der Jugendpolitik gewidmet war" oder etwa der "Absicherung von Großveranstaltungen, Laienmusikgruppen u.ä." diente. Die Dienstanweisung war auch nicht auf die Bekämpfung der allgemeinen Jugendkriminalität ausgerichtet. Allgemeinen Delikte wie Einbruch oder Brandstiftung werden im Rahmen der Dienstanweisung in den Zusammenhang mit der "psychologischen Kriegsführung" durch den "Bonner Staatsapparat, westliche Geheimdienste und Zentren der ideologischen Diversion" gestellt (Seite 4). Die Dienstanweisung verurteilt bereits folgende Vorgänge als "Mittel und Hauptmethoden zur Zersetzung der Jugend in der DDR": "Einschleusung westlicher Zeitungen, Schallplatten", "Verherrlichung der westlichen Lebensweise", "postalische Verbindungen zu (kirchlichen) Patengemeinden, zu Film- und Starclubs, zu westlichen Sendern und zu westlichen Film- und Schlagerstars sowie auf privater Ebene". Bereits der "Unglaube an unsere gesellschaftliche Entwicklung" oder die "Übernahme von bestimmten Erscheinungsformen der westlichen Dekadenz in Lebensauffassungen, Kleidung und Auftreten verschiedener Jugendlicher" wird als Nachweis für den Erfolg der "Feindtätigkeiten" definiert. Diese "Einschätzung der politisch-operativen Situation unter jugendlichen Personenkreisen und den gegenwärtigen Erscheinungsformen der Feindtätigkeit" führt zu schwerwiegenden Eingriffen in die Menschenrechte der Jugendlichen der DDR sowie ihrer Erzieher. Die Dienstanweisung ordnet zunächst die "verstärkte Werbung von inoffiziellen Mitarbeitern" unter den Jugendlichen der DDR an. "Alle operativen Linien des MfS ... haben bei den Werbungen davon auszugehen, dass vor allem solche IM geworben werden, die in der Lage sind, in die Konspiration des Gegners einzudringen und die aufgezeigten politisch-operativen Schwerpunkte und Gruppierungen zu bearbeiten. Die Kandidaten sind vorrangig unter Kreisen Haftentlassener, Rückkehrer und Neuzuziehender, politisch Schwankender, jugendlicher Studenten, Anhänger westlicher Dekadenz, gefährdeter und krimineller Gruppierungen jugendlicher Personen und kirchlich gebundener Jugendlicher auszuwählen." (Seite 11 f.) Das Ziel der Dienstanweisung ist die großflächige Bespitzelung der Jugendlichen in der DDR. Die Mitarbeiter des MfS werden beispielsweise angewiesen, alle Jugend-Treffpunkte "operativ aufzuklären und durch den Einsatz geeigneter IM abzusichern: "bestimmte Gaststätten, Bahnhöfe, Parkanlagen, Zeltplätze und Clubs" (Seite 18). Das Ziel ist dabei auch die Bespitzelung Minderjähriger. Die Dienstanweisung ordnet ausdrücklich an, "auch solche Personen (als IM) zu werben, die guten Kontakt zu jugendlichen Personen unter 18 Jahren haben bzw. herstellen können" (Seite 12). Eine "ständige Übersicht" des MfS wurde auch "über Oberschulen, Betriebsberufsschulen, Klubhäuser, Fachschulen usw." angeordnet (Seite 13). Für die vom Kläger zitierten "Laienmusikgruppen" wurde angeordnet, dass "weder sektiererische noch liberalistische Abweichungen geduldet" werden dürften. Und: "Durch zielgerichtete Werbungen unter Mitgliedern der westlich orientierten Musikgruppen und ihrer Anhängerschaft ist eine ständige operative Kontrolle zu sichern." (Seite 19 f.) Unter dem Stichpunkt "studentische Jugend" wird angeordnet: "Durch geeignete Maßnahmen ist, insbesondere durch eine qualitative und quantitative Erweiterung des IM-Netzes unter Kreisen der schwankenden sowie unter negativem Einfluss stehenden Studenten zu sichern, dass politisch-operative Schwerpunkte, wie negative Konzentrationen, Kontakte, Gruppenbildungen, feindliche ideologische Plattformen und das Wirken der westlichen Dekadenz festgestellt, bearbeitet bzw. in Verbindung mit den staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organen beseitigt werden." (Seite 24) "Schwankende" Jugendliche und "kirchlich Gebundene" waren ständig mit "operativen Mitteln" "aufzuklären" und zu "bearbeiten". Auch Lehrkräfte und Erzieher waren von dieser Dienstanweisung betroffen: Sobald durch die Bespitzelung ein "negativer Einfluss" im Sinne der Dienstanweisung festgestellt wurde, waren sie von ihrer Tätigkeit zu "entbinden" bzw. "zu bearbeiten". Bereits der bloße Briefwechsel zu "republikflüchtig gewordenen" Jugendlichen oder zu Starclubs war "regelmäßig auszuwerten und zu unterbinden": "Durch die Möglichkeiten der Abteilung M und durch Ausnutzung der Zollfahndung, Postzollämter sowie Zusammenarbeit der HPF mit den Grenzzollämtern im grenzüberschreitenden Personenverkehr und andere operative Möglichkeiten sind postalische und andere Verbindungen Jugendlicher zu Zentren der politisch-ideologischen Diversion (Rundfunk, Fernsehen, Film- und Starclubs sowie Rückverbindungen republikflüchtig gewordener Jugendlicher) festzustellen, regelmäßig auszuwerten und zu unterbinden." (Seite 16 f.) Für "negative Gruppierungen jugendlicher Personen" befahl die Dienstanweisung "Maßnahmen zur kurzfristigen Zersetzung und Auflösung einzuleiten" (Seite 14). Die Kammer teilt nicht die Rechtsauffassung des Klägers, dass die Anwerbung und der Einsatz von IM im Rahmen dieser Dienstanweisung "im Wesen der Geheimdienste" lag und mit dem Einsatz von V-Leuten in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar sei. Der Einsatz der IM galt nicht der Bekämpfung schwerwiegender Straftaten, sondern richtete sich, wie die genannten Auszüge aus der Dienstanweisung ergeben, gegen Verhaltensweisen von Jugendlichen, die grundsätzlich auch unter dem Schutz der DDR-Verfassung standen: Artikel 9 der seinerzeit geltenden Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 lautet beispielsweise: Alle Bürger haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich zu diesem Zweck friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Diese Freiheit wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt; niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht. Eine Pressezensur findet nicht statt. Artikel 12 Alle Bürger haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden. Artikel 41 Jeder Bürger genießt volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung steht unter dem Schutz der Republik. Einrichtungen von Religionsgemeinschaften, religiöse Handlungen und der Religionsunterricht dürfen nicht für verfassungswidrige oder parteipolitische Zwecke missbraucht werden. Jedoch bleibt das Recht der Religionsgemeinschaften, zu den Lebensfragen des Volkes von ihrem Standpunkt aus Stellung zu nehmen, unbestritten. Artikel 42 ... Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren ... Der Befehl missachtete die Würde der betroffenen Jugendlichen und Erzieher in ihrem Kernbereich. Die persönliche Würde der betroffenen Jugendlichen wurde in einem besonders schweren Ausmaß bereits dadurch verletzt, dass sie in Schule / Beruf und Freizeit einer umfassenden Bespitzelung ausgesetzt waren. Da gezielt inoffizielle Mitarbeiter aus ihrem höchstpersönlichen Umfeld angeworben wurden, konnten selbst Minderjährige kein Vertrauen mehr zu den Personen in ihrer Umgebung fassen, sondern mussten stets damit rechnen, dass sie einer Ausspähung durch das MfS ausgesetzt waren. Bereits die Entwicklung eines persönlichen Musikgeschmacks und erst recht die Entwicklung einer persönlichen politischen Meinung setzte sie dem Verdacht aus, sich "vom sozialistischen Erziehungsprozess zu isolieren" oder dem "Unglauben an unsere gesellschaftliche Entwicklung" verfallen zu sein – mit der Gefahr von "Zersetzungs"-Maßnahmen" des MfS und der "Unterbindung" der Ausübung ihrer Freiheitsrechte durch das MfS oder andere staatliche Organe. Auch ihr Recht auf Meinungsfreiheit sowie Religions- und Gewissensfreiheit wurde damit im Kern missachtet. Den Erziehern drohte neben diesen Eingriffen zusätzlich die "Entbindung" vom Beruf. c) Mit der Zustimmung zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 hat der Kläger in Ausübung ihm übertragener oder eingeräumter Gewalt gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Der Kläger hat eingewandt, dass das Kollegium des MfS "kein Entscheidungsgremium" gewesen sei. Etwaige Beschlüsse des Kollegiums seien jedenfalls nicht kausal für die von Minister M befohlene Dienstanweisung 4/66. Die Kammer stimmt dem Kläger darin zu, dass das Kollegium nicht "die" Dienstanweisung beschlossen hat in dem Sinne, dass durch den Beschluss des Kollegiums bereits eine rechtswirksame Anweisung an alle Mitarbeiter des MfS ins Leben gerufen wurde. Diese Rechtswirkung erlangte die Dienstanweisung vielmehr durch den entsprechenden Befehl von Minister M, der nach dem Prinzip der Einzelleitung innerhalb der militärischen Hierarchie des MfS zum Erlass dieser Dienstanweisung befugt war. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit liegt aber nicht nur dann vor, wenn jemand den Verstoß "eigenhändig" ausgeführt hat, beispielsweise indem er persönlich Befehle zur Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit erteilt hat. Es reicht aus, wenn er einen derartigen konkret festgestellten Verstoß anderer durch Rat und Tat oder durch sonstige Handlungen im Rahmen der ihm eingeräumten Gewalt oder seiner Dienststellung gefördert hat. Die Kammer schließt sich zur Auslegung des Begriffs "Verstoß" in § 5 ERG der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, wie sie etwa im Urteil vom 23. Oktober 2003 Ausdruck gefunden hat (Aktenzeichen: B 4 RA 52/02 R): Als Mitglied des MfS-Kollegiums hat der Kläger durch seine Zustimmung zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 die genannten Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit jedenfalls durch Rat oder Tat gefördert. Die Beschlüsse des MfS-Kollegiums waren entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keinesfalls eine bedeutungslose "Formsache". Das ergibt sich bereits aus den allgemeinen Regelungen des DDR-Systems. Die Regierung der DDR hatte bereits am 17. Juli 1952 eine Verordnung über die Bildung von Kollegien erlassen (Ministerialblatt der DDR vom 23. Juli 1952). Nach § 1 waren alle Ministerien ausnahmslos verpflichtet, Kollegien zu bilden. Der Aufgabenbereich des Kollegiums wurde in § 2 festgelegt. Danach war das Kollegium "ein beratendes Organ beim Minister ... Es berät ihn in allen wichtigen Fragen." Sofern der Kläger vorträgt, dass das MfS von Minister M nach dem Prinzip der Einzelleitung hierarchisch geführt wurde, steht dieser Umstand nicht im Widerspruch zu Funktion des Kollegiums. Vielmehr galt in der DDR für alle Ministerien grundsätzlich das Prinzip der Einzelleitung. Das bedeutete, dass der Minister "die volle persönliche Verantwortung für seine Entscheidungen trug und das Recht zur Durchsetzung dieser Entscheidungen mit Hilfe von Weisungen besaß". Der Kläger hat insoweit zutreffend auf eine entsprechende Beschreibung im "Handbuch der DDR" verwiesen (DDR-Handbuch, Stichwort Einzelleitung, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 32: Enzyklopädie der DDR, S. 2034 [vgl. DDR-HB, S. 344 ff.]). Allerdings weist das Handbuch der DDR ausdrücklich darauf hin, dass die Einzelleitung gerade in den Ministerien "durch die kollektive Beratung der Entscheidungen ergänzt" wurde. Dementsprechend regelte auch § 2 der bereits zitierten Kollegiums-Verordnung die Pflicht eines jeden Ministers, wichtige Fragen mit dem Kollegium zu beraten. Der Einfluss der Kollegien ging so weit, dass der Minister nach § 6 Absatz 2 der Kollegiums-Verordnung verpflichtet war, bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Kollegium den Ministerrat hiervon in Kenntnis zu setzen. Auch die Mitglieder des Kollegiums waren ihrerseits berechtigt, "im Falle eines Nichteinverständnisses mit der Anweisung des Ministers ihrerseits den Ministerrat hiervon in Kenntnis zu setzen". Auch im Ministerium für Staatssicherheit besaß das Kollegium diese in der Verordnung beschriebenen Funktionen. Der Kläger hat ausdrücklich bestätigt, dass Minister M jedenfalls ab Mitte der 60er Jahre darauf bedacht war, "den Nachweis bringen, dass auch sein Ministerium nach den vorgegebenen Prinzipien funktionierte." Innerhalb des MfS bestand nach Angaben des Klägers ein förmliches "Statut, dass beim Ministerium ein Kollegium bestehen muss". Auch die weiteren Schilderungen des Klägers im Erörterungstermin zeigen, dass dass die Regelungen der Kollegiums-Verordnung im Ministerium für Staatssicherheit im streitigen Zeitraum praktiziert wurden: Das Kollegium setzte sich aus den hochrangigen Generälen des MfS zusammen (das entsprach § 3 der Kollegiums-Verordnung), die Vorbereitung des Materials erfolgte durch die entsprechend verantwortlichen Mitarbeiter des Ministeriums durch eine schriftliche Vorlage (das entsprach § 5 Absatz 2), über jede Sitzung wurde ein Protokoll angefertigt (§ 5 Absatz 3), für die Mitglieder bestand Anwesenheitspflicht, es wurden förmliche Beschlüsse gefasst. Die Anwesenheitspflicht für alle Mitglieder des Kollegiums spricht für die hohe Bedeutung dieses Gremiums innerhalb des MfS. Es handelte sich gerade nicht um eine zwanglose Runde, bei der, wie der Kläger vorgetragen hat, nur pro Forma bestimmte Tagesordnungspunkte abgehandelt wurden ("protokollarische Fragen, wie ein Jahrestag ablaufen soll oder was mit Auszeichnungen oder Ehrungen zu geschehen habe"). Die Teilnahme an der Sitzung war vielmehr auch nach eigenen Angaben des Klägers eine Dienstpflicht. Diese Dienstpflicht betraf nicht etwa untergeordnete Sachbearbeiter, die zu einer ggf. belanglosen Routinesitzung zusammengerufen wurden. Sie betraf die ranghöchsten Generäle sowie einige weitere Spitzenfunktionäre des MfS. Der Umstand, dass praktisch die Führungselite des MfS regelmäßig zu diesen Zusammenkünften verpflichtet wurde und dass über den Ablauf dieser Zusammenkunft auch ein Protokoll angefertigt wurde, dessen Inhalt wiederum von den Mitgliedern des Gremiums gegengezeichnet werden musste, spricht dagegen, dass dem Gremium nicht einmal eine beratende Funktion für den Minister des MfS zukam. Im Übrigen hat auch der Kläger selbst im Erörterungstermin ausgeführt: "Es (das Kollegium) war nicht nur ein Diskussionsforum. Es war ein Organ wie in allen anderen Ministerien, es war ein beratendes Organ des jeweiligen Chefs. So etwas gab es auch im Ministerium für nationale Verteidigung. Auch dort wurden vom Kollegium keine Weisungen gegeben, sondern Vorlagen beraten." Die Sitzungsprotokolle vom 25. April 1966 und vom 11. November 1966 bestätigen, dass sich die Mitglieder des Kollegiums des MfS auch im Zusammenhang mit den Beschlüssen 5/66 oder 9/66 nach diesen Grundsätzen verhalten haben. Das Ergebnis der Beratung 25. April 1966 wird in dem Beschluss 5/66 zusammengefasst. Dem Minister wurde darin nicht etwa der Rat gegeben, von den geplanten Menschenrechtsverstöße Abstand zu nehmen. Die Mitglieder des Kollegiums haben nicht einmal Bedenken gegen das Vorhaben angemeldet. Der Vorlage des Ministers wurde vielmehr "grundsätzlich zugestimmt". Das bedeutete, dass dem Minister der Rat gegeben wurde, das Anliegen weiter zu verfolgen und umzusetzen. Neben diesem grundsätzlichen Ratschlag gaben die Mitglieder des Kollegiums dem Minister noch konkrete "Anregungen" und erfüllten somit auch durch diese Verbesserungsvorschläge ihre Beratungsfunktion. Diesem Ratschlag hat sich der Kläger – unabhängig von einem konkreten Redebeitrag in der Sitzung – jedenfalls dadurch angeschlossen, dass er dem Beschluss zustimmte. Der Folgebeschluss 9/66 vom 11. November 1966 zeigt, dass die Mitglieder des Kollegiums die Reaktion des Ministers auf ihre Ratschläge im Beschluss 5/66 nicht unbeteiligt zur Kenntnis nahmen. Den Mitgliedern des Kollegiums war der Inhalt der Dienstanweisung 4/66 keineswegs gleichgültig. Vielmehr berieten sie erneut über den Vorgang, nachdem die Dienstanweisung in Kraft getreten war. Das Verhalten des Kollegiums in der Sitzung am 11. November 1966 zeigt, dass die Mitglieder des Kollegiums den konkreten Inhalt der Dienstanweisung billigten. Das Protokoll enthält nämlich keine "Anregung" zur inhaltlichen Überarbeitung. Im Gegenteil: Das Kollegium drängte den Minister durch einen ausdrücklichen Beschluss, die "Erfüllung und konsequente Durchsetzung zu überprüfen". Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folgt, dass Beschlüsse dieser Art keine verbindliche Anweisung an den Minister bedeuteten, so dokumentiert der Beschluss jedenfalls den Umstand, dass die Mitglieder des Kollegiums den Minister bei der Frage berieten, wie die Dienstanweisung am effektivsten umgesetzt werden konnte – und damit auch die darin befohlenen Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit. Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, dass die Dienstanweisung 4/66 auch Bereiche berührte, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der vom Kläger geleiteten Hauptverwaltung Aufklärung fielen. Nach § 3 der bereits zitierten Kollegiums-Verordnung waren die Kollegien aller Ministerien mit den Vertretern der unterschiedlichsten Zuständigkeitsbereiche besetzt. Die Mitwirkung der Mitglieder war nicht auf ihren Zuständigkeitsbereich beschränkt. Nach § 6 musste der Minister zu allen Fragen die Meinung jedes Mitglieds des Kollegiums hören und nicht nur des zuständigen Fachvertreters. Es bestand somit für jedes Mitglied die Möglichkeit, sich zu allen Fragen zu melden und damit auf die Beratung Einfluss zu nehmen. Beschlüsse wurden ebenfalls von allen Mitgliedern des Kollegiums gefasst und nicht nur vom Mitglied des zuständigen Fachbereichs. Entsprechend dieser allgemeinen Regelung setzte sich auch das Kollegium des MfS aus Mitgliedern der verschiedenen Aufgabenbereichen zusammen. Das hat der Kläger im Erörterungstermin bestätigt. Dies entsprach dem Sinn und Zweck des MfS-Kollegiums, der darin bestand, die Erfahrungen aus der Leitungsebene verschiedener Fachbereiche für die Beratung des Ministers zu nutzen. Dementsprechend war die Mitgliedschaft des Klägers im Kollegium des MfS nicht auf Fragen der Hauptverwaltung Aufklärung beschränkt. Er war für die gesamte Sitzung des Kollegiums zur Anwesenheit verpflichtet und nicht nur für den Zeitraum, in welchem Fragen aus dem Bereich der Hauptverwaltung Aufklärung behandelt wurden. Mit dem Amt des Klägers als Kollegiumsmitglied war die Beratung von sämtlichen dort behandelten Vorgängen verbunden. Dementsprechend hat der Kläger im Erörterungstermin auch eine persönliche Auseinandersetzung mit Minister M im Kollegium geschildert, die nicht den Zuständigkeitsbereich der Auslandsaufklärung betraf: Ich erinnere mich zum Beispiel an das Jahr 1956, als in der Sowjetunion die Verbrechen Stalins aufgedeckt wurden. Die Kollegiumssitzung, an die ich mich erinnere, war nach dem XX. Parteitag der KPdSU. Es gab vor allem zwischen mir und E M sehr heftige Diskussionen darüber, welche Konsequenzen nun zu ziehen seien im Verhältnis zu den Personen, die stalinistischen Repressionen unterworfen waren. Wir haben dabei keine Einzelfälle besprochen, sondern über die grundsätzliche Frage gestritten, wie eine solche Rehabilitation auszusehen habe. Es gab damals auch andere Fragen, die kontrovers diskutiert wurden, zum Beispiel auch über die Öffentlichkeitsarbeit des MfS. Ausweislich der Protokolle hat "das" Kollegium die Beschlüsse 5/66 und 9/66 gefasst und nicht nur einzelne Mitglieder. Es haben somit alle anwesenden Mitglieder und damit auch der Kläger ihre Beratungsfunktion ausgeübt, die ihnen durch ihre Mitgliedschaft im Kollegium des MfS übertragen war. d) Unabhängig von seiner sachlichen Zuständigkeit kannte der Kläger die Tatsachen, aus denen sich die Unvereinbarkeit seines Verhaltens mit den Grundsätzen der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit ergab. Der Kläger war bereits seit Jahren im MfS tätig. Zum streitigen Zeitpunkt war er im Rang eines Generalleutnants Leiter einer Hauptabteilung und stellvertretender Minister für Staatssicherheit. Daher besaß der Kläger ausreichende Kenntnisse über die Arbeitsweise des Ministeriums für Staatssicherheit, um sich vor Augen führen zu können, dass die Dienstanweisung 4/66 in der oben festgestellten Weise gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstieß. Auch die vom Kläger geschilderte Kontroverse mit Minister M aus dem Jahr 1956 zeigt, dass dem Kläger die Verwicklung des MfS in "stalinistische Repressionen" und damit in schwerste Unrechtshandlungen bekannt war. Im Übrigen beschrieb bereits der Wortlaut der Dienstanweisung ausführlich und unmissverständlich die Tatsachen, aus denen sich die Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit ergab. e) Es sind keine Umstände ersichtlich, die die Zurechnungsfähigkeit des Klägers oder seine Fähigkeit zur freien Willensbetätigung in diesen Sitzungen ausgeschlossen hätten. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers vorträgt, der Kläger habe möglicherweise in der Sitzung des Kollegiums "geschlafen", handelt es sich wiederum um eine Behauptung ins Blaue hinein, der aus diesem Grund nicht weiter nachzugehen ist. Der Kläger war durch keine Zwangslage zu den festgestellten Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit genötigt. Das ergibt sich nicht zuletzt aus seinen eigenen Angaben im Erörterungstermin: Frage: Wäre es möglich gewesen, dass man als Kollegiumsmitglied Widerspruch gegen eine Vorlage erhebt? Antwort: Sicher. V. Diese festgestellten Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit rechtfertigen eine vollständige Aberkennung der Entschädigungsrente. Bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang das Recht auf eine Entschädigungsrente abzuerkennen oder sein Wert zu kürzen ist, sind Schwere und Intensität der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung, der Unwert der Verletzungshandlung und der individuelle Tatbeitrag hierzu sowie der Grad der Vorwerfbarkeit zu würdigen. Beurteilungsmaßstäbe sind einerseits das objektive Ausmaß an Verantwortlichkeit und Gestaltungsmöglichkeiten des Berechtigten im staatlichen System der DDR und andererseits die Schwere des ihn persönlich treffenden Schuldvorwurfs (vergleiche die Entscheidung des BSG vom 23. Oktober 2003, Aktenzeichen: B 4 RA 52/02 R). Die Schwere und Intensität der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung ist im vorliegenden Fall besonders hoch anzusetzen, da der Kläger durch sein Verhalten mit dazu beigetragen hat, dass ein Großteil der Jugendlichen der DDR den festgestellten Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit ausgesetzt war (siehe dazu die Feststellungen des Gerichts unter IV.b). Bei der Bemessung der objektiven Verantwortlichkeit des Klägers ist entsprechend der eben zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts die Stellung des Handelnden im Machtapparat mit einzubeziehen, also die Verantwortungsebene, auf der er tätig war. Denn je größer die Verantwortung und damit die Machtbefugnisse des Einzelnen waren, umso schwerer wiegt im Regelfall sein Tatbeitrag. Für Personen, die beruflich im Dienst des Staates (DDR) standen (Staatsrat, Regierung, Volkskammer, Verwaltung, Gerichte, sogenannte bewaffnete Organe etc.), ist nach Ausbildung und Aufgabenkreis zwischen fünf Verantwortungsebenen zu unterscheiden, bei denen im Regelfall folgende Kürzungen und ggf. auch die Aberkennung geboten sind: 1. Ebene: einfacher Dienst, Kürzung um 20 vH 2. Ebene: mittlerer Dienst, Kürzung um 40 vH 3. Ebene: gehobener Dienst, Kürzung um 60 vH 4. Ebene: höherer Dienst, Kürzung um 80 vH 5. Ebene: Leitende Funktionen im Ministerialdienst und höher, Kürzung um 100 vH; damit sind zugleich auch die Voraussetzungen für eine Aberkennung gegeben. Bei einer Beschäftigung oder Tätigkeit des Verletzers in Parteien, staatlichen Einrichtungen oder gesellschaftlichen Organisationen ist entsprechend auf dieses Verantwortungsgefüge abzustellen. Bei den sog bewaffneten Organen der DDR ist, soweit dort wie beim MfS militärische Dienstgrade verwandt wurden, zwischen Mannschaftsdienstgraden (1. Ebene), Unteroffiziersgraden (2. Ebene), Offiziersgraden (3. Ebene), Stabsoffizieren (4. Ebene) und der Generalität sowie übergeordneten Stellen (5. Ebene) zu unterscheiden und im Regelfall die oben angegebene angegebene Kürzung entsprechend vorzunehmen. Innerhalb einer Verantwortungsebene erfolgen keine weiteren Unterteilungen und keine entsprechenden zusätzlichen abgestuften Kürzungen. Denn die Ebenen spiegeln jeweils vergleichbare Verantwortlichkeiten wider, sodass Nuancen außer Betracht bleiben können. Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, da die Verwendung eines solchen, der groben Orientierung dienenden Rasters eine Gleichbehandlung der Betroffenen sichert. Ausgehend von diesem Maßstab ist der Kläger als Stellvertreter des Ministers und einer der ranghöchsten Generäle des MfS auf der obersten 5. Ebene anzusiedeln. Da letztlich jedoch der individuelle ethische Schuldvorwurf das Ausmaß des Eingriffs begründen und begrenzen muss, sind auch im Rahmen dieses groben Rasters immer zusätzlich die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten. Im vorliegenden Fall sind keine Umstände erkennbar, die zu einer Kürzung auf niedrigerer Ebene oder sogar zum Ausschluss einer Kürzung führen könnten. Der Kläger hat insbesondere keine Sachverhalte benannt, in denen er persönlich konkret zur Minderung des Unrechts beigetragen hätte. VI. Die vollständige Aberkennung ist auch nicht aus sonstigen Gründen rechtswidrig. a) Der Vorgang fällt entgegen der Auffassung des Klägers nicht unter das so genannte "Spionage-Privileg". Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 1995 die Voraussetzungen dieses speziellen Strafverfolgungshindernisses unter anderem wie folgt definiert (Az: 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206/91, 2 BvR 1584/91, 2 BvR 2601/93, Fundstelle: elektronische Entscheidungssammlung juris): Die Strafbarkeit der Spionage weist eine Eigentümlichkeit auf, die sie von anderen strafbaren Delikten unterscheidet: Im allgemeinen ahndet der Staat mit dem Strafrecht Handlungen, die einem ethischen Minimum widersprechen. Spionagehandlungen sind demgegenüber rechtlich ambivalent: Dem aufklärenden Staat nützen sie; für ihn stellen sie eine erlaubte Tätigkeit dar, ohne dass er an dieser Bewertung durch allgemeine, international anerkannte Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder der Menschenrechte gehindert wird. Dem ausgespähten Staat schadet die Spionage; für ihn ist sie strafbares Unrecht. Da er selbst Spionage betreibt, rechtfertigt sich sein Strafanspruch gegenüber ausländischen Spionen nicht aus einem allgemeinen sozial-ethischen Unwerturteil über die Spionagehandlungen als solche, sondern allein aus dem - freilich sozialethisch nicht indifferenten - Schutz des eigenen Staates: Diese Eigentümlichkeit haftet auch der Spionage an, die von der ehemaligen DDR gegen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Verbündeten betrieben wurde ... Wegen der bei der strafrechtlichen Verfolgung des ausschließlich aus dem Staatsgebiet der früheren DDR heraus operierenden Täterkreises innewohnenden besonderen Schärfe ist die Strafverfolgung der betroffenen DDR-Spione unangemessen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gleichzeitig festgestellt: Andere aus Anlass der oder im Zusammenhang mit der Spionagetätigkeit verwirklichte eigenständige Straftatbestände bleiben unberührt. Die Zustimmung des Klägers zu den Beschlüssen 5/66 und 9/66 war nicht mit der rechtlichen Ambivalenz behaftet, wie sie vom Bundesverfassungsgericht beschrieben wird. Der Kläger hat vielmehr, wie bereits ausgeführt (siehe IV.b), gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen und damit gegen das ethischen Minimum im Sinne der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Für solche Handlungen besteht daher auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keine irgendwie geartete Privilegierung. b) Die Aberkennung der Entschädigungsrente ist auch nicht mit Blick auf die Dauer des Verfahrens unzulässig. Soweit der Kläger Rechtsnachteile durch die Dauer der juristischen Auseinandersetzung um die Gewährung seiner Entschädigungsrente erlitten hatte, sind diese inzwischen beseitigt. Der Kläger hat eine Nachzahlung der Entschädigungsrente bis zum 31. Januar 2003 erhalten. Das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren des Klägers, seine Klage gegen die vorläufige Aberkennung der Entschädigungsrente, hatte sich bereits durch das Urteil des Gerichts vom 16. September 1999 endgültig erledigt. Die nachfolgenden Bescheide der Beklagten und damit auch der aktuell streitige Bescheid vom 7. Januar 2003 wurden lediglich aus Gründen der Prozessökonomie Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens. Der streitige Leistungszeitraum des vorliegenden Gerichtsverfahrens beginnt vor etwas mehr als zwei Jahren am 1. Februar 2003 und umfasst daher keinen unzumutbar langen Zeitraum. c) Die Kammer hat keine Zweifel an der Wirksamkeit von § 5 ERG. Insbesondere ist der Tatbestand der Vorschrift entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ausreichend bestimmt. Die Rechtsbegriffe "Grundsätze der Menschlichkeit" und "Rechtsstaatlichkeit" sind in vergleichbarer Weise im Grundgesetz enthalten sowie in der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen von 1948 und in der Menschenrechtskonvention des Europarates von 1952. Ihre Definition bzw. Auslegung ist durch eine umfassende Rechtssprechung konkretisiert. § 5 ERG verstößt auch nicht aus sonstigen Gründen gegen das Grundgesetz oder gegen den Einigungsvertrag. Bereits nach dem Einigungsvertrag wurden die Ansprüche auf Ehrenpensionen nur noch unter Vorbehalt gewährt. Laut Einigungsvertrag waren die Ehrenpensionen aus DDR-Recht nur noch bis 1991 zu zahlen (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 5). Für die anschließende Zeit war von vornherein ein einheitliches Gesetz für die gesamte Bundesrepublik Deutschland vorgesehen. Das entsprechende Entschädigungsrentengesetz (ERG) trat dann 1992 in Kraft, ohne dass der Einigungsvertrag für diesen Zeitraum noch eine inhaltliche Vorgabe gemacht hätte. § 5 ERG verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz. Artikel 3 Grundgesetz verbietet es, dass ein Mensch willkürlich behandelt wird oder dass er auf Grund seiner politischen Überzeugung benachteiligt wird. Bereits nach dem Wortlaut des § 5 ERG ist die persönliche politische Überzeugung des Klägers unbeachtlich für die Frage der Aberkennung der Entschädigungsrente. Die Kriterien für die Aberkennung (Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit) sind auch nicht willkürlich, sondern sachlich begründet. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts an, wie sie in der Entscheidung vom 30. Januar 1997 zum Ausdruck gekommen ist. Darin heißt es unter anderem: Aus der Sicht des an die Menschenwürde gebundenen Staates wäre es wertungswidersprüchlich, denjenigen NS-Opfern, die selbst in Ausübung von Macht die Menschenwürde und die Menschenrechte anderer verletzt und elementare rechtsstaatliche Grundsätze missachtet haben, (gleiche) Entschädigungsrechte wie den anderen NS-Opfern zuzuerkennen, die ausschließlich Opfer menschenverachtender Gewalt waren. Es würde ebenso Treu und Glauben widersprechen, wenn ein solches NS-Opfer von der Bundesrepublik Deutschland forderte, sie möge die von ihm erlittenen Menschenrechtsverletzungen gemäß den grundlegenden Anforderungen der Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit wiedergutmachen, diese Grundsätze aber zugleich hinsichtlich der vom Opfer (in Ausübung obrigkeitlicher Funktionen) begangenen Menschenrechtsverletzungen unbeachtet lassen. Deswegen verbietet - entgegen der Ansicht des Klägers - der in der verfassungsmäßigen Ordnung des GG begründete "Wiedergutmachungsgedanke" geradezu, staatliche Wiedergutmachung solchen früheren Opfern des NS-Regimes - ungeschmälert - zu belassen, die in Ausübung von Macht in einer Staatspartei oder in dem von dieser dirigierten Staatsgebilde gerade diese Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit selbst missachtet haben (vgl BVerfGE 22, 387, 418 f; 12, 264, 271). Es ist die Achtung vor den Opfern menschenverachtender Gewaltherrschaft, die es dem Rechtsstaat grundsätzlich nicht erlaubt, die Sachwalter einer derartigen totalitären Gewaltherrschaft, obwohl sie selbst auch Opfer der NS-Verfolgung waren, schlechthin in jeder Hinsicht denjenigen wiedergutmachungsrechtlich gleichzustellen, die ausschließlich Opfer waren. Es geht somit bei § 5 Abs 1 ERG nicht um "Bestrafung", "Diskriminierung" oder "Vergeltung", sondern darum, die Treu und Glauben widersprechende Inanspruchnahme von Wiedergutmachungsleistungen (und damit eine Privilegierung) zu beseitigen. VII. Da die vollständige Aberkennung der Entschädigungsrente bereits aus den genannten Gründen rechtmäßig ist, war die Zustimmung des Klägers zum Beschluss 4/66 im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Nicht entscheidungserheblich war daher auch das Verhalten des Klägers, das zur Verurteilung durch das Oberlandesgericht D (Urteil vom 27. Mai 1997 – Aktenzeichen ... ) geführt hat. VIII. Aus § 193 Sozialgerichtsgesetz ergibt sich, dass die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu fällen ist. Dabei sind der Ausgang des Verfahrens und weitere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hinsichtlich der erfolgreichen Klage gegen den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 8. Oktober 1992 (vorläufige Aberkennung der Entschädigungsrente) hat der Kläger bereits eine volle Kostenerstattung im abgetrennten Verfahren erhalten (Aktenzeichen des Sozialgerichts Berlin S 35 RA 3631/92 W97-1). Gegenstand der vorliegenden Kostenentscheidung ist somit die Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 1997, der dann durch den Bescheid vom 7. Januar 2003 ersetzt wurde. Der Bescheid vom 12. Mai 1997 war formal rechtswidrig, da der Kläger vor dem Erlass des Bescheids nicht im notwendigen Umfang angehört worden war. Die Klage wäre daher erfolgreich gewesen, wenn sie sich nicht bereits durch die Ersetzung des Bescheids erledigt hätte. Der Bescheid vom 7. Januar 2003 war jedoch rechtmäßig. Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, dass die Beklagte die Hälfte der notwendigen Aufwendungen zu tragen hat.
Rechtskraft
Aus
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