Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 185/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Schulden der Antragsstellerin gegenüber der Firma RWE Rhein-Ruhr-AG aus der Stromlieferung in Höhe von 831,00 Euro vorläufig darlehensweise zu übernehmen und den Betrag direkt an die Firma RWE Rhein-Ruhr-AG auszuzahlen.
Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsgegner trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Im Streit ist die Übernahme von rückständigen Stromkosten für Stromlieferungen der RWE Rhein-Ruhr-AG für den Zeitraum von Februar 2007 bis September 2007.
Die Antragstellerin lebt mit ihrem Lebensgefährten K. K. und dessen Mutter St. K.l in einer 130 qm großen Wohnung. Sie verfügt über ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung i.H.v. 400,- EUR monatlich. Der Lebensgefährte geht einer selbständigen Tätigkeit nach, für die von der Agentur für Arbeit W. ein Existenzgründungszuschuss i.H.v. 240,- EUR monatlich bzw. ab Juli 2007 i.H.v. 120,- EUR monatlich gezahlt wird. Die unter Betreuung stehende, am 20.05.1926 geborene St. K. erhält eine Witwenrente i.H.v. 682, 23 EUR monatlich und Pflegegeld nach der Pflegestufe I i.H.v. 205,- EUR monatlich.
Die alle zwei Monate an das Stromversorgungsunternehmen RWE Rhein-Ruhr-AG zu zahlenden Abschlagzahlungen betragen 224,- EUR. Die Abschlagszahlungen für März, Juli und September 2007 wurden von der Antragstellerin nicht gezahlt, während die Abschlagszahlung für Mai 2007 durch Überweisung vom 13.06.2007 erfolgte. Bis zum 18.09.2007 sind rückständige Stromkosten einschließlich Mahn- und Inkassokosten i.H.v. 831,57 EUR entstanden. Nachdem das Stromversorgungsunternehmen im Juli 2007 über seinen Außendienst vergeblich versucht hatte, Zugang zu den Messeinrichtungen zu erlangen, um die Energielieferung zu unterbrechen, erwirkte es ein Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 12.09.2007, mit dem die Antragstellerin verurteilt wurde, den Zutritt zu den Zählern zu gestatten, um den Stromzähler zum Zwecke der Einstellung der Stromversorgung auszubauen und mitzunehmen. Mit Schreiben des Obergerichtsvollziehers S. vom 25.09.2007 wurde angekündigt, dass das Urteil des Amtsgerichts Geldern am 09.10.2007 durch Wegnahme des Gegenstandes vollstreckt würde.
Am 17.07.2007 beantragte die Antragstellerin für sich und ihren Lebensgefährten Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Aus der vorgelegten Einkommenüberschussrechnung ergaben sich für die Monate Mai und Juli 2007 keine Betriebseinnahmen des Herrn K. und für den Monat Juni 2007 Betriebseinnahmen i.H.v. 325,56 EUR.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 23.08.2007 wurden der Antragstellerin und Herrn K. für den Bewilligungszeitraum 01.07.2007 bis 31.12.2007 monatliche Leistungen i.H.v. 455,33 EUR bewilligt. Für die Antragstellerin ergab sich unter Berücksichtigung ihres Einkommen bzw. sonstiger Leistungen ein Bedarf i.H.v. 17,67 EUR, für Herrn K. ein Bedarf i.H.v. 437,66 EUR, der sich aus der Regelleistung i.H.v. 312,- EUR und anteiligen Unterkunftskosten i.H.v. 125,66 EUR zusammensetzt.
Am 14.09.2007 wurde die Antragstellerin bei dem Antragsgegner vorstellig und beantragte die Begleichung der Rechnung der RWE-Rhein-Ruhr-AG, da sie momentan zur Bezahlung der Rechnung nicht in der Lage seien. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie den Betrag in Raten zurück überweisen würden. Ferner wies sie darauf hin, dass Frau St. K. ein Notrufgerät benutzen würde, dass im Falle des Stromentzuges nicht mehr einsatzfähig sei.
Darüber hinaus legte die Antragstellerin eine aktuelle Einnahmeüberschussrechnung für den Monat August 2007 vor, aus der sich für Herrn K. K. Betriebseinnahmen i.H.v. 1.000,- Euro ergaben.
Am 26.09.2007 erging ein Bescheid des Antragsgegners, mit dem der Antrag auf Übernahme der Stromkosten als Darlehn abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kosten für Energieversorgung Bestandteil der Regelleistung seien und die Übernahme der Kosten als Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II einen unabweisbaren Bedarf voraussetzen würde. Im Falle der Antragstellerin bestünde jedoch die Möglichkeit, mit dem Versorgungsunternehmen eine ratenweise Zahlung der aufgelaufenen Stromkosten zu vereinbaren. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte seien aufgrund ihres Erwerbseinkommens in der Lage gewesen, die fälligen Abschlagszahlungen an das Versorgungsunternehmen zu zahlen. Zudem habe auch die zum Haushalt gehörende St. K. einen angemessenen Beitrag zu den Stromkosten leisten können. Ferner seien bereits früher rückständige Stromkosten als Darlehen übernommen worden, ohne dass bis heute eine Rückzahlung erfolgt sei.
Am 27.09.2007 erging ein weiterer Bescheid des Antragsgegners, mit dem festgestellt wurde, dass für den Monat Oktober 2007 kein Anspruch auf Leistungen bestehen würde. Dabei wurde bei Herrn K. ein Einkommen i.H.v. 915,50 EUR zugrunde gelegt. Gleichzeitig wurde ausgeführt, dass sich für den Monat September 2007 eine Überzahlung i.H.v. 455,32 EUR ergeben habe, die zurückzufordern sei, und dass aus diesem Grund im Oktober 2007 zunächst keine Gewährung von Leistungen erfolgen würde.
Die Antragsstellerin hat am 27.09.2007 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der sie die Übernahme der rückständigen Stromkosten in Höhe von 831,-Euro begehrt. Zur Begründung führt sie aus, dass am 09.10.2007 der Strom abgeschaltet werden solle und sie finanziell nicht in der Lage seien, die rückständigen Stromkosten zu begleichen. Die Mutter ihres Lebensgefährten sei mehrmals in der Woche etwa 6 1/2 Stunden alleine zu Hause und in dieser Zeit auf die Benutzung eines Notrufes angewiesen, der sie mit der Caritas bzw. der Diakonie verbinde. Das Notrufgerät werde mit dem Haushaltsstrom betrieben. Das früher von dem Antragsgegner gewährte Darlehen hätten sie nicht zurückgezahlt, weil sie hierzu nicht schriftlich aufgefordert worden seien.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, die rückständigen Stromkosten i.H.v. 831,- EUR zu zahlen, hilfsweise darlehnsweise zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Übernahme der rückständigen Stromkosten sei zurecht abgelehnt worden. Die Antragstellerin und Herr K. seien unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse in der Lage gewesen, die zweimonatlichen Abschläge an den Stromversorger zu zahlen. Da der Haushaltsstrom in der Regelleistung enthalten sei, hätte der Anteil dafür ab Juli 2007 an den Stromversorger weitergeleitet werden können. Zudem hätte Herr K. das von ihm erzielte Einkommen in Höhe von 1.000,- EUR für die Begleichung der Forderung des Energieversorgungsunternehmens verwenden können. Darüber hinaus verfüge er über einen Existenzgründungszuschuss. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass bereits am 21.04.2006 darlehensweise ein Stromrückstand i.H.v. 675,47 EUR gewährt worden sei, der bisher nicht getilgt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet, soweit die Antragstellerin die darlehensweise Übernahme der Schulden aus der Stromlieferung geltend gemacht hat.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. eines materiell-rechtlichen Leistungsanspruches, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und die damit verbundene Unzumutbarkeit, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern dass eine Wechselwirkung derart besteht, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG § 86 b Rn 27 und 29 mwN). Ist die Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt zugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 Aktenzeichen 1BvR 569/05). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerin insoweit zu entsprechen, als der Antragsgegner vorläufig zur darlehensweisen Übernahme der rückständigen Stromkosten zu verpflichten war.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der unmittelbar bevorstehenden Sperrung der Energiezufuhr durch die RWE Rhein-Ruhr-AG, die durch den Obergerichtsvollzieher S. für den 09.10.2007 angekündigt worden ist. Die Belieferung des Haushaltes mit elektrischer Energie gehört angesichts des Zuschnitts nahezu aller privaten Haushalte nach den heutigen Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss v. 19.08.2005 Aktenzeichen L 7 AS 182/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 22.06.2006 Aktenzeichen L 25 B 459/06 AS ER mwN). Insoweit sind grundrechtliche Belange der Antragstellerin betroffen und es drohen ihr durch die bevorstehende Stromsperre wesentliche und schwerwiegende Nachteile im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Dabei richtet sich der Anspruch der Antragstellerin auf darlehensweise Übernahme der Forderung der RWE-Rhein-Ruhr-AG nicht - wie von dem Antragsgegner angenommen - nach § 23 Abs. 1 SGB II, sondern nach § 22 Abs. 5 SGB II. Die Übernahme von Schulden, die infolge mangelnder Abschlagszahlungen entstanden sind, dient nicht der Deckung eines unabweisbaren Bedarfes im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. LSG NRW v. 29.06.2007 Aktenzeichen L 19 B 83/07 AS; Berlit in LPK SGB II § 22 Rn 117 mwN). Vielmehr kommt die Übernahme von Schulden nach § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 16/688 Seite 14) soll die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II hinsichtlich der Übernahme von Miet- und/oder Energieschulden sicherstellen, dass diese Leistungen nun unmittelbar SGB II und nicht mehr durch den Verweis auf Leistungen des SGB XII geregelt sind und Doppelzuständigkeiten verhindern (LSG NRW v. 30.10.2006 Aktenzeichen L 20 B 205/06 AS ER).
Eine vergleichbare Notlage im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Belieferung des Haushaltes mit Energie in Frage gestellt wird, also eine Sperre der Stromversorgung wegen vorhandener Schulden oder anderer offener Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Energieversorungsunternehmen droht oder bereits eingetreten ist (vgl. LSG NRW v. 20.10.2006 - Az. L 9 B 103/06 AS ER; LSG NRW v. 30.10.2006 - Az. L 20 B 205/06 AS ER). Da die regelmäßige Versorgung eines Haushaltes mit Energie nach den Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört, stellt die Unterbrechung der Stromversorgung eine dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 21.06.2006 Az. L 25 B 459/06 AS ER unter Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum früheren BSHG).
Dem Anordnungsanspruch der Antragstellerin steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner für den Monat Oktober 2007 überhaupt keine Leistungen mehr und damit auch keine Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht hat. Der Antragsgegner hat mit Bescheid vom 23.08.2007 dem Grunde nach für den Bewilligungszeitraum 01.07.2007 bis zum 31.12.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich anteiliger Leistungen für Unterkunft bewilligt und für die Monate Juli, August und September 2007 einen Zahlungsanspruch zuerkannt. Somit wurden zum Zeitpunkt der Beantragung der Übernahme der Stromkosten (14.09.2007) und der Erteilung des Bescheides (26.09.2007) Leistungen für Unterkunft tatsächlich erbracht. Im übrigen ist eine den Anforderungen des § 48 SGB X gerecht werdende Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 23.08.2007 für den Monat September 2007 bisher nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es erst recht nicht zulässig wäre, bei einer Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 SGB X einen sich daraus ergebenden Rückzahlungsanspruch - wie im Bescheid vom 27.09.2007 geregelt - in vollem Umfang gegen den Leistungsanspruch für den Monat Oktober 2007 aufzurechnen (vgl. § 43 SGB II).
Im Rahmen der im vorliegenden Rechtsschutzverfahren wegen der Dringlichkeit der Entscheidung allein möglichen summarischen Prüfung bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Übernahme der Schulden nicht zur Behebung der Notlage gerechtfertigt ist im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte sind im Hinblick auf den laufenden Bezug nach dem SGB II nicht in der Lage, kurzfristig den entstandenen offenen Betrag i.H.v. 831,- EUR aus ihrem Erwerbseinkommen und aus den gewährten Leistungen nach dem SGB II zu erbringen. Soweit der Lebensgefährte der Antragstellerin eine einmalige Betriebseinnahme i.H.v. 1.000,- EUR erzielt hat, kann dieser Betrag schon deshalb nicht für die Begleichung der Schuld bei dem Energieversorgungsunternehmen herangezogen werden, weil der Antragsgegner unter Berufung auf diese Einnahme die Zahlung von Leistungen zur Grundsicherung unterdessen eingestellt hat, so dass sie für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes verwendet werden muss. Vor diesem Hintergrund konnte dahingestellt bleiben, ob im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Lebensgefährten der Antragstellerin der nach mehreren fast einkommenslosen Monaten ersten nennenswerte Betriebseinnahme i.H.v. 1.000,- EUR nicht Betriebsausgaben gegenüber stehen, die im Rahmen einer Einnahmeüberschussrechnung zu berücksichtigen sind. Insoweit scheint der Vortrag der Antragstellerin glaubhaft, dass mit dem Betrieb verbundene Außenstände entstanden seien, die ebenfalls dringend beglichen werden mussten.
Die Übernahme der Schulden bei dem Energieversorungsunternehmen durch den Antragsgegner ist die Voraussetzung dafür, dass die Wohnung der Antragstellerin mit Strom versorgt und so eine unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebensverhältnisse angemessene Lebensführung gesichert wird, so dass sie zur Behebung der Notlage gerechtfertigt ist. Nach den im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bekannt gewordenen Einzelfallumständen geht das Gericht im Rahmen der insoweit allein möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass angesichts der drohenden Stromsperre jede andere Entscheidung als die Bewilligung ermessensfehlerhaft wäre, so dass das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert ist (vgl. für ähnliche Fallgestaltungen: LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 22.06.2006 - Az. L 25 B 459/06 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss v. 19.08.2005 - Az. L 7 AS 182/05 ER; LSG NRW Beschluss v. 20.10.2006 - Az. L 9 B 103/06 AS ER). Dabei war zu berücksichtigen, dass die Aufrechterhaltung der Stromversorgung nicht nur der Sicherung des anerkannten Mindeststandards für eine angemessene Lebensführung entspricht, sondern auch der Sicherstellung der Versorgung der zeitweise allein im Haushalt lebenden 81-jährigen Mutter des Lebensgefährten der Antragstellerin. Der Vortrag der Antragstellerin, nach dem sich die Mutter ihres Lebensgefährten an mehreren Tagen in der Wochen jeweils über 6 Stunden allein in der Wohnung aufhält und für diese Zeiträume nur über ein stromabhängiges Notrufsystem zur Caritas bzw. zur Diakonie für auftretende Notfälle mit der Außenwelt verbunden und deshalb darauf angewiesen sei, ist vor dem Hintergrund glaubhaft, dass die Antragstellerin einem 400-Euro-Job nachgeht und die Mutter ihres Lebensgefährten nicht nur Pflegegeld erhält, sondern auch in Gesundheitsangelegenheiten, Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten und Behördenangelegenheiten unter Betreuung steht.
Zudem war im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil des Amtsgerichts Geldern, in dem der Anspruch des Versorgungsunternehmens auf Versorgungseinstellung wegen der Zahlungsrückstände der Antragstellerin festgestellt und die Antragstellerin zur Zutrittsgewährung zu ihren Räumlichkeiten zum Zweck des Ausbaues des Stromzählers verurteilt worden ist, keine Selbsthilfemöglichkeiten der Antragstellerin dahingehend erfolgversprechend sind, mit dem Versorgungsunternehmen eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen. Zugunsten der Antragstellerin fällt ferner der Umstand maßgeblich ins Gewicht, dass sie sich bereits im Rahmen der Antragstellung am 14.09.2007 schriftlich gegenüber dem Antragsgegner verpflichtet hat, bei einer Übernahme der Stromschulden den Betrag in Raten an den Antragsgegner zurückzuzahlen. Schließlich war zu würdigen, dass die Antragstellerin noch im Juni 2007, als noch keine Leistungen nach dem SGB II gewährt worden waren, eine vollständige Abschlagszahlung i.H.v. 224,- EUR geleistet hat, was ihr grundsätzliches Bemühen belegt, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Vor diesem Hintergrund war dem Umstand, dass nach den Angaben des Antragsgegners im April 2006 bereits einmal rückständige Stromkosten i.H.v. 675,47 EUR darlehensweise übernommen worden waren, keine so erhebliche Bedeutung beizumessen, dass eine unmittelbar bevorstehende Sperrung der Stromversorgung hinzunehmen und die Rechtfertigung einer nochmaligen Übernahme von rückständigen Stromkosten zu verneinen war.
Allerdings führt der letztgenannte Umstand dazu, dass der Antragsgegner bei einer zukünftigen erneuten Entstehung von Schulden gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen durchaus zu einer anderen Ermessensentscheidung berechtigt sein kann, mit der Folge, dass eine nochmalige Übernahme von Stromschulden trotz drohender Stromsperre in rechtmäßiger Weise abgelehnt werden kann. Um dies zu vermeiden, liegt es nahe, dass die Antragstellerin und der Antragsgegner vereinbaren, dass bei Weitergewährung von Leistungen zur Grundsicherung die jeweils fällig werdenden Abschlagszahlungen unmittelbar an den Stromversorger gezahlt werden. Zu dieser Vorgehensweise hat sich die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage des Gerichts vom 08.10.2007 ausdrücklich bereit erklärt.
Unter Berücksichtigung dieser abwägungsrelevanten Umstände ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen mit der Folge, dass ein vorläufiger Anspruch auf Übernahme der Energiekosten i.H.v. 831,- EUR besteht. Um sicherzustellen, dass das Darlehen für die Erfüllung der Forderung des Energieversorgungsunternehmens verwendet wird, hat das Gericht die Auszahlung unmittelbar an die RWE-Rhein-Ruhr-AG angeordnet.
Soweit die Gewährung von rückständigen Stromkosten als Zuschuss und nicht als Darlehen beantragt worden ist, war der Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsgrundlage abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsgegner trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Im Streit ist die Übernahme von rückständigen Stromkosten für Stromlieferungen der RWE Rhein-Ruhr-AG für den Zeitraum von Februar 2007 bis September 2007.
Die Antragstellerin lebt mit ihrem Lebensgefährten K. K. und dessen Mutter St. K.l in einer 130 qm großen Wohnung. Sie verfügt über ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung i.H.v. 400,- EUR monatlich. Der Lebensgefährte geht einer selbständigen Tätigkeit nach, für die von der Agentur für Arbeit W. ein Existenzgründungszuschuss i.H.v. 240,- EUR monatlich bzw. ab Juli 2007 i.H.v. 120,- EUR monatlich gezahlt wird. Die unter Betreuung stehende, am 20.05.1926 geborene St. K. erhält eine Witwenrente i.H.v. 682, 23 EUR monatlich und Pflegegeld nach der Pflegestufe I i.H.v. 205,- EUR monatlich.
Die alle zwei Monate an das Stromversorgungsunternehmen RWE Rhein-Ruhr-AG zu zahlenden Abschlagzahlungen betragen 224,- EUR. Die Abschlagszahlungen für März, Juli und September 2007 wurden von der Antragstellerin nicht gezahlt, während die Abschlagszahlung für Mai 2007 durch Überweisung vom 13.06.2007 erfolgte. Bis zum 18.09.2007 sind rückständige Stromkosten einschließlich Mahn- und Inkassokosten i.H.v. 831,57 EUR entstanden. Nachdem das Stromversorgungsunternehmen im Juli 2007 über seinen Außendienst vergeblich versucht hatte, Zugang zu den Messeinrichtungen zu erlangen, um die Energielieferung zu unterbrechen, erwirkte es ein Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 12.09.2007, mit dem die Antragstellerin verurteilt wurde, den Zutritt zu den Zählern zu gestatten, um den Stromzähler zum Zwecke der Einstellung der Stromversorgung auszubauen und mitzunehmen. Mit Schreiben des Obergerichtsvollziehers S. vom 25.09.2007 wurde angekündigt, dass das Urteil des Amtsgerichts Geldern am 09.10.2007 durch Wegnahme des Gegenstandes vollstreckt würde.
Am 17.07.2007 beantragte die Antragstellerin für sich und ihren Lebensgefährten Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Aus der vorgelegten Einkommenüberschussrechnung ergaben sich für die Monate Mai und Juli 2007 keine Betriebseinnahmen des Herrn K. und für den Monat Juni 2007 Betriebseinnahmen i.H.v. 325,56 EUR.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 23.08.2007 wurden der Antragstellerin und Herrn K. für den Bewilligungszeitraum 01.07.2007 bis 31.12.2007 monatliche Leistungen i.H.v. 455,33 EUR bewilligt. Für die Antragstellerin ergab sich unter Berücksichtigung ihres Einkommen bzw. sonstiger Leistungen ein Bedarf i.H.v. 17,67 EUR, für Herrn K. ein Bedarf i.H.v. 437,66 EUR, der sich aus der Regelleistung i.H.v. 312,- EUR und anteiligen Unterkunftskosten i.H.v. 125,66 EUR zusammensetzt.
Am 14.09.2007 wurde die Antragstellerin bei dem Antragsgegner vorstellig und beantragte die Begleichung der Rechnung der RWE-Rhein-Ruhr-AG, da sie momentan zur Bezahlung der Rechnung nicht in der Lage seien. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie den Betrag in Raten zurück überweisen würden. Ferner wies sie darauf hin, dass Frau St. K. ein Notrufgerät benutzen würde, dass im Falle des Stromentzuges nicht mehr einsatzfähig sei.
Darüber hinaus legte die Antragstellerin eine aktuelle Einnahmeüberschussrechnung für den Monat August 2007 vor, aus der sich für Herrn K. K. Betriebseinnahmen i.H.v. 1.000,- Euro ergaben.
Am 26.09.2007 erging ein Bescheid des Antragsgegners, mit dem der Antrag auf Übernahme der Stromkosten als Darlehn abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kosten für Energieversorgung Bestandteil der Regelleistung seien und die Übernahme der Kosten als Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II einen unabweisbaren Bedarf voraussetzen würde. Im Falle der Antragstellerin bestünde jedoch die Möglichkeit, mit dem Versorgungsunternehmen eine ratenweise Zahlung der aufgelaufenen Stromkosten zu vereinbaren. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte seien aufgrund ihres Erwerbseinkommens in der Lage gewesen, die fälligen Abschlagszahlungen an das Versorgungsunternehmen zu zahlen. Zudem habe auch die zum Haushalt gehörende St. K. einen angemessenen Beitrag zu den Stromkosten leisten können. Ferner seien bereits früher rückständige Stromkosten als Darlehen übernommen worden, ohne dass bis heute eine Rückzahlung erfolgt sei.
Am 27.09.2007 erging ein weiterer Bescheid des Antragsgegners, mit dem festgestellt wurde, dass für den Monat Oktober 2007 kein Anspruch auf Leistungen bestehen würde. Dabei wurde bei Herrn K. ein Einkommen i.H.v. 915,50 EUR zugrunde gelegt. Gleichzeitig wurde ausgeführt, dass sich für den Monat September 2007 eine Überzahlung i.H.v. 455,32 EUR ergeben habe, die zurückzufordern sei, und dass aus diesem Grund im Oktober 2007 zunächst keine Gewährung von Leistungen erfolgen würde.
Die Antragsstellerin hat am 27.09.2007 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der sie die Übernahme der rückständigen Stromkosten in Höhe von 831,-Euro begehrt. Zur Begründung führt sie aus, dass am 09.10.2007 der Strom abgeschaltet werden solle und sie finanziell nicht in der Lage seien, die rückständigen Stromkosten zu begleichen. Die Mutter ihres Lebensgefährten sei mehrmals in der Woche etwa 6 1/2 Stunden alleine zu Hause und in dieser Zeit auf die Benutzung eines Notrufes angewiesen, der sie mit der Caritas bzw. der Diakonie verbinde. Das Notrufgerät werde mit dem Haushaltsstrom betrieben. Das früher von dem Antragsgegner gewährte Darlehen hätten sie nicht zurückgezahlt, weil sie hierzu nicht schriftlich aufgefordert worden seien.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, die rückständigen Stromkosten i.H.v. 831,- EUR zu zahlen, hilfsweise darlehnsweise zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Übernahme der rückständigen Stromkosten sei zurecht abgelehnt worden. Die Antragstellerin und Herr K. seien unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse in der Lage gewesen, die zweimonatlichen Abschläge an den Stromversorger zu zahlen. Da der Haushaltsstrom in der Regelleistung enthalten sei, hätte der Anteil dafür ab Juli 2007 an den Stromversorger weitergeleitet werden können. Zudem hätte Herr K. das von ihm erzielte Einkommen in Höhe von 1.000,- EUR für die Begleichung der Forderung des Energieversorgungsunternehmens verwenden können. Darüber hinaus verfüge er über einen Existenzgründungszuschuss. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass bereits am 21.04.2006 darlehensweise ein Stromrückstand i.H.v. 675,47 EUR gewährt worden sei, der bisher nicht getilgt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet, soweit die Antragstellerin die darlehensweise Übernahme der Schulden aus der Stromlieferung geltend gemacht hat.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. eines materiell-rechtlichen Leistungsanspruches, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und die damit verbundene Unzumutbarkeit, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern dass eine Wechselwirkung derart besteht, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteiles (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG § 86 b Rn 27 und 29 mwN). Ist die Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt zugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 Aktenzeichen 1BvR 569/05). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerin insoweit zu entsprechen, als der Antragsgegner vorläufig zur darlehensweisen Übernahme der rückständigen Stromkosten zu verpflichten war.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der unmittelbar bevorstehenden Sperrung der Energiezufuhr durch die RWE Rhein-Ruhr-AG, die durch den Obergerichtsvollzieher S. für den 09.10.2007 angekündigt worden ist. Die Belieferung des Haushaltes mit elektrischer Energie gehört angesichts des Zuschnitts nahezu aller privaten Haushalte nach den heutigen Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss v. 19.08.2005 Aktenzeichen L 7 AS 182/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 22.06.2006 Aktenzeichen L 25 B 459/06 AS ER mwN). Insoweit sind grundrechtliche Belange der Antragstellerin betroffen und es drohen ihr durch die bevorstehende Stromsperre wesentliche und schwerwiegende Nachteile im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Dabei richtet sich der Anspruch der Antragstellerin auf darlehensweise Übernahme der Forderung der RWE-Rhein-Ruhr-AG nicht - wie von dem Antragsgegner angenommen - nach § 23 Abs. 1 SGB II, sondern nach § 22 Abs. 5 SGB II. Die Übernahme von Schulden, die infolge mangelnder Abschlagszahlungen entstanden sind, dient nicht der Deckung eines unabweisbaren Bedarfes im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. LSG NRW v. 29.06.2007 Aktenzeichen L 19 B 83/07 AS; Berlit in LPK SGB II § 22 Rn 117 mwN). Vielmehr kommt die Übernahme von Schulden nach § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 16/688 Seite 14) soll die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II hinsichtlich der Übernahme von Miet- und/oder Energieschulden sicherstellen, dass diese Leistungen nun unmittelbar SGB II und nicht mehr durch den Verweis auf Leistungen des SGB XII geregelt sind und Doppelzuständigkeiten verhindern (LSG NRW v. 30.10.2006 Aktenzeichen L 20 B 205/06 AS ER).
Eine vergleichbare Notlage im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Belieferung des Haushaltes mit Energie in Frage gestellt wird, also eine Sperre der Stromversorgung wegen vorhandener Schulden oder anderer offener Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem Energieversorungsunternehmen droht oder bereits eingetreten ist (vgl. LSG NRW v. 20.10.2006 - Az. L 9 B 103/06 AS ER; LSG NRW v. 30.10.2006 - Az. L 20 B 205/06 AS ER). Da die regelmäßige Versorgung eines Haushaltes mit Energie nach den Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört, stellt die Unterbrechung der Stromversorgung eine dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 21.06.2006 Az. L 25 B 459/06 AS ER unter Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum früheren BSHG).
Dem Anordnungsanspruch der Antragstellerin steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner für den Monat Oktober 2007 überhaupt keine Leistungen mehr und damit auch keine Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht hat. Der Antragsgegner hat mit Bescheid vom 23.08.2007 dem Grunde nach für den Bewilligungszeitraum 01.07.2007 bis zum 31.12.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich anteiliger Leistungen für Unterkunft bewilligt und für die Monate Juli, August und September 2007 einen Zahlungsanspruch zuerkannt. Somit wurden zum Zeitpunkt der Beantragung der Übernahme der Stromkosten (14.09.2007) und der Erteilung des Bescheides (26.09.2007) Leistungen für Unterkunft tatsächlich erbracht. Im übrigen ist eine den Anforderungen des § 48 SGB X gerecht werdende Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 23.08.2007 für den Monat September 2007 bisher nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es erst recht nicht zulässig wäre, bei einer Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 SGB X einen sich daraus ergebenden Rückzahlungsanspruch - wie im Bescheid vom 27.09.2007 geregelt - in vollem Umfang gegen den Leistungsanspruch für den Monat Oktober 2007 aufzurechnen (vgl. § 43 SGB II).
Im Rahmen der im vorliegenden Rechtsschutzverfahren wegen der Dringlichkeit der Entscheidung allein möglichen summarischen Prüfung bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Übernahme der Schulden nicht zur Behebung der Notlage gerechtfertigt ist im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte sind im Hinblick auf den laufenden Bezug nach dem SGB II nicht in der Lage, kurzfristig den entstandenen offenen Betrag i.H.v. 831,- EUR aus ihrem Erwerbseinkommen und aus den gewährten Leistungen nach dem SGB II zu erbringen. Soweit der Lebensgefährte der Antragstellerin eine einmalige Betriebseinnahme i.H.v. 1.000,- EUR erzielt hat, kann dieser Betrag schon deshalb nicht für die Begleichung der Schuld bei dem Energieversorgungsunternehmen herangezogen werden, weil der Antragsgegner unter Berufung auf diese Einnahme die Zahlung von Leistungen zur Grundsicherung unterdessen eingestellt hat, so dass sie für die Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes verwendet werden muss. Vor diesem Hintergrund konnte dahingestellt bleiben, ob im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Lebensgefährten der Antragstellerin der nach mehreren fast einkommenslosen Monaten ersten nennenswerte Betriebseinnahme i.H.v. 1.000,- EUR nicht Betriebsausgaben gegenüber stehen, die im Rahmen einer Einnahmeüberschussrechnung zu berücksichtigen sind. Insoweit scheint der Vortrag der Antragstellerin glaubhaft, dass mit dem Betrieb verbundene Außenstände entstanden seien, die ebenfalls dringend beglichen werden mussten.
Die Übernahme der Schulden bei dem Energieversorungsunternehmen durch den Antragsgegner ist die Voraussetzung dafür, dass die Wohnung der Antragstellerin mit Strom versorgt und so eine unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebensverhältnisse angemessene Lebensführung gesichert wird, so dass sie zur Behebung der Notlage gerechtfertigt ist. Nach den im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bekannt gewordenen Einzelfallumständen geht das Gericht im Rahmen der insoweit allein möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass angesichts der drohenden Stromsperre jede andere Entscheidung als die Bewilligung ermessensfehlerhaft wäre, so dass das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert ist (vgl. für ähnliche Fallgestaltungen: LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 22.06.2006 - Az. L 25 B 459/06 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss v. 19.08.2005 - Az. L 7 AS 182/05 ER; LSG NRW Beschluss v. 20.10.2006 - Az. L 9 B 103/06 AS ER). Dabei war zu berücksichtigen, dass die Aufrechterhaltung der Stromversorgung nicht nur der Sicherung des anerkannten Mindeststandards für eine angemessene Lebensführung entspricht, sondern auch der Sicherstellung der Versorgung der zeitweise allein im Haushalt lebenden 81-jährigen Mutter des Lebensgefährten der Antragstellerin. Der Vortrag der Antragstellerin, nach dem sich die Mutter ihres Lebensgefährten an mehreren Tagen in der Wochen jeweils über 6 Stunden allein in der Wohnung aufhält und für diese Zeiträume nur über ein stromabhängiges Notrufsystem zur Caritas bzw. zur Diakonie für auftretende Notfälle mit der Außenwelt verbunden und deshalb darauf angewiesen sei, ist vor dem Hintergrund glaubhaft, dass die Antragstellerin einem 400-Euro-Job nachgeht und die Mutter ihres Lebensgefährten nicht nur Pflegegeld erhält, sondern auch in Gesundheitsangelegenheiten, Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten und Behördenangelegenheiten unter Betreuung steht.
Zudem war im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil des Amtsgerichts Geldern, in dem der Anspruch des Versorgungsunternehmens auf Versorgungseinstellung wegen der Zahlungsrückstände der Antragstellerin festgestellt und die Antragstellerin zur Zutrittsgewährung zu ihren Räumlichkeiten zum Zweck des Ausbaues des Stromzählers verurteilt worden ist, keine Selbsthilfemöglichkeiten der Antragstellerin dahingehend erfolgversprechend sind, mit dem Versorgungsunternehmen eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen. Zugunsten der Antragstellerin fällt ferner der Umstand maßgeblich ins Gewicht, dass sie sich bereits im Rahmen der Antragstellung am 14.09.2007 schriftlich gegenüber dem Antragsgegner verpflichtet hat, bei einer Übernahme der Stromschulden den Betrag in Raten an den Antragsgegner zurückzuzahlen. Schließlich war zu würdigen, dass die Antragstellerin noch im Juni 2007, als noch keine Leistungen nach dem SGB II gewährt worden waren, eine vollständige Abschlagszahlung i.H.v. 224,- EUR geleistet hat, was ihr grundsätzliches Bemühen belegt, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Vor diesem Hintergrund war dem Umstand, dass nach den Angaben des Antragsgegners im April 2006 bereits einmal rückständige Stromkosten i.H.v. 675,47 EUR darlehensweise übernommen worden waren, keine so erhebliche Bedeutung beizumessen, dass eine unmittelbar bevorstehende Sperrung der Stromversorgung hinzunehmen und die Rechtfertigung einer nochmaligen Übernahme von rückständigen Stromkosten zu verneinen war.
Allerdings führt der letztgenannte Umstand dazu, dass der Antragsgegner bei einer zukünftigen erneuten Entstehung von Schulden gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen durchaus zu einer anderen Ermessensentscheidung berechtigt sein kann, mit der Folge, dass eine nochmalige Übernahme von Stromschulden trotz drohender Stromsperre in rechtmäßiger Weise abgelehnt werden kann. Um dies zu vermeiden, liegt es nahe, dass die Antragstellerin und der Antragsgegner vereinbaren, dass bei Weitergewährung von Leistungen zur Grundsicherung die jeweils fällig werdenden Abschlagszahlungen unmittelbar an den Stromversorger gezahlt werden. Zu dieser Vorgehensweise hat sich die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage des Gerichts vom 08.10.2007 ausdrücklich bereit erklärt.
Unter Berücksichtigung dieser abwägungsrelevanten Umstände ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen mit der Folge, dass ein vorläufiger Anspruch auf Übernahme der Energiekosten i.H.v. 831,- EUR besteht. Um sicherzustellen, dass das Darlehen für die Erfüllung der Forderung des Energieversorgungsunternehmens verwendet wird, hat das Gericht die Auszahlung unmittelbar an die RWE-Rhein-Ruhr-AG angeordnet.
Soweit die Gewährung von rückständigen Stromkosten als Zuschuss und nicht als Darlehen beantragt worden ist, war der Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsgrundlage abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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