L 3 U 13/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 U 82/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 13/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2004 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV, weil die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nach den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden P. nicht Folge einer beruflichen Einwirkung seien. Der entgegenstehenden Auffassung des Orthopäden/Chirurgen/Sozialmediziners Dr. B. könne nicht gefolgt werden, denn er stütze seine Beurteilung im Wesentlichen nur auf das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass das Sozialgericht dem Gutachten von P. folge und zu dem Ergebnis komme, der Ursachenzusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung an der Lendenwirbelsäule sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Belastung zurückzuführen. Bereits 1973 sei eine Gefügestörung im lumbosacralen Übergangsbereich festgestellt worden. 1997 sei eine schwere osteochondrotische Discopathie L 5/S 1 festgestellt worden. Beide Gesichtspunkte hätten im Gutachten von P. keine Berücksichtigung gefunden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Klagabweisung durch das Sozialgericht für zutreffend.

Im Berufungsverfahren hat der Orthopäde Dr. N. nach Untersuchung des Klägers im Gutachten vom 29. September 2006 ausgeführt, dass bei dem Kläger u. a. Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule vorliegen. Es fänden sich chronisch-rezidivierende Lumbalgien bei Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose L5/S1, eine geringgradige Spondylarthrose L4/L5, eine Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule, eine Osteopenie, ein chronisch-rezidivierendes Cervicalsyndrom mit Cervicobrachialgien bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule im Sinne der Osteochondrose, Spondylose und Uncarthrose sowie geringfügige degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule. Keine dieser Gesundheitsstörungen sei durch die berufliche Belastung verursacht. Zwar handele es sich im medizinischen Sinne um eine bandscheibenbedingte Erkrankung, jedoch könne ein kausaler Zusammenhang nicht bejaht werden. Der bei dem Kläger vorliegende isolierte Bandscheibenschaden L5/S1 ohne Nachweis degenerativer Veränderungen im Bereich der übrigen lumbalen Bewegungssegmente mache einen Kausalzusammenhang eher unwahrscheinlich. Hinzu komme, dass die Veränderungen in zwei Bewegungssegmenten der unteren Halswirbelsäulen mit Beschwerden und Funktionsstörungen vergleichbar mit den Veränderungen im Lendenwirbelsäulenbereich seien, so dass ein Vorauseilen des durch Heben und Tragen besonders belasteten Wirbelsäulenabschnitts nicht feststellbar sei. Außerdem sei der degenerative Bandscheibenschaden L5/S1 bereits 1973 röntgenologisch festgestellt worden, als der Kläger 33 Jahre alt war. Zwar werde die sog. Linksverschiebung gefordert, jedoch spreche ein so frühes Auftreten des Verschleißes für eine anlagebedingte Minderwertigkeit des Bandscheibengewebes L5/S1. Weiter zeigten Bilddokumente und Befundbeschreibungen keine relevante Veränderung unter der jahrzehntelangen beruflichen Exposition, sondern bis 1997 weitgehende Beschwerdefreiheit und zumindest keine Behandlungsbedürftigkeit. Trotz des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei daher ein Kausalzusammenhang zu verneinen.

Der Kläger hält das Gutachten nicht für überzeugend. Dr. N. lehne einen Kausalzusammenhang hauptsächlich mit der Begründung ab, es liege ein monosegmentaler Bandscheibenschaden vor. Offensichtlich sei ihm nicht bekannt, dass ein solcher auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Anerkennung als Berufskrankheit nicht ausschließe. Deswegen könne sein Gutachten nicht die Ausführungen von Dr. B. widerlegen.

Der Sachverständige Dr. N. ist in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2007 ergänzend gehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2007 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind weder formell noch materiell zu beanstanden.

Auf den Rechtsstreit finden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Anwendung, weil der Versicherungsfall, der geltend gemacht wird, nach dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1997 eingetreten ist (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

Der Anspruch auf Entschädigung setzt das Vorliegen einer Berufskrankheit voraus. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Dies bedeutet, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit-) verursacht haben muss. Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus. Zu den Berufskrankheiten zählen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch der Senat hält die Ausführungen des Orthopäden P. für überzeugend, während dem Gutachten von Dr. B. aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen nicht gefolgt werden kann.

Diese Einschätzung hat sich durch die weitere Beweiserhebung im Berufungsverfahren bestätigt. Der Senat folgt dabei den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden Dr. N. in seinem schriftlichen Gutachten, ergänzt durch die Äußerungen im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2007. Danach spricht außer der beruflichen Belastung selbst nichts für einen Ursachenzusammenhang zwischen den Veränderungen im Lendenwirbelsäulenbereich und der ausgeübten beruflichen Tätigkeit. Gegen einen solchen Zusammenhang spricht hingegen, dass ein isolierter Bandscheibenschaden L5/S1 ohne Nachweis degenerativer Veränderungen im Bereich der übrigen Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule vorliegt, der deswegen nicht dem zu erwartenden Schadensbild bei einer Schädigung durch schweres Heben und Tragen entspricht. Außerdem zeigte sich ein Bandscheibenschaden L5/S1 bereits 1973 röntgenologisch, also zu einem Zeitpunkt, als Auswirkungen der beruflichen Tätigkeit noch nicht zu erwarten waren, so dass eher von einer anlagebedingten Minderwertigkeit des Bandscheibengewebes auszugehen ist. Diese Auffälligkeit im Röntgenbild machte über mehrere Jahrzehnte trotz der beruflichen Belastung keine behandlungsbedürftigen Beschwerden, entwickelte sich also nicht entsprechend der beruflichen Belastung weiter. Erst 1997, also zu einem Zeitpunkt, als aufgrund des Alters des Klägers nicht mehr von einem vorzeitigen Verschleiß der Lendenwirbelsäule ausgegangen werden kann, traten behandlungsbedürftige Beschwerden auf. Hinzu kommt, dass sich bei dem Kläger auch Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule mit Beschwerden und Funktionsstörungen finden, die mit den Veränderungen im Lendenwirbelsäulenbereich vergleichbar sind. Jeder dieser genannten Punkte spricht gegen einen Ursachenzusammenhang, so dass – ohne dass es darauf ankommt, ob das Vorliegen eines isolierten Bandscheibenschadens den Kausalzusammenhang auszuschließen vermag – jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges nicht bejaht werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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