L 1 KR 1/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 457/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 1/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Anspruch eines gesetzlich Krankenversicherten im Ausland (Ukraine) nach der Methode Kozijavkin behandelt zu werden.
I. Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Dresden vom 20. Februar 2002 und 02. Dezember 2002 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten von Auslandsbehandlungen.

Der 1973 geborene Kläger, der bei der beklagten Krankenkasse versichert ist, leidet unter einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Tetraparese. Im Jahr 1998 wurde er erstmals im Rehabilitationszentrum des Neurologen und Manualtherapeuten Prof. Dr. K1 in der Ukraine behandelt. Dessen Therapiekonzept ist darauf ausgerichtet, in jeweils etwa zweiwöchigen Behandlungszyklen unter Beteiligung ärztlicher und nichtärztlicher Fachkräfte eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten von zerebralparetischen Kindern und Erwachsenen herbeizuführen – unter anderem unter Einsatz von Akupressur, Akupunktur, Wärmebehandlung mit Bienenwachs, Reflextherapie, Manualtherapie, Krankengymnastik. Den Kern der Therapie bildet eine Behandlung der Wirbelsäule mit Techniken der Manualtherapie. An diese Intensivphase schließt eine drei- bis zwölfmonatige Stabilisationsphase an, der wiederum eine zweiwöchige Intensivbehandlung folgt.

Am 09.07.2001 beantragten die Eltern des Klägers die Übernahme der Kosten für den fünften Behandlungszyklus und am 21.03.2002 die Übernahme der Kosten für den sechsten Behandlungszyklus im Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1. Die Beklagte lehnte dies jeweils mit der Begründung ab, über Wirksamkeit und Risiken der Kozijavkin-Methode lägen keine zuverlässigen und wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen vor (Bescheid vom 12.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2001 und Bescheid vom 27.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2002).

Der Kläger hat mit seinen am 06.12.2001 und am 05.09.2002 beim Sozialgericht Dresden (SG) getrennt erhobenen Klagen die Erstattung der Kosten für Behandlung, Unterkunft und Reise (einschl. Begleitpersonen) begehrt, die in Höhe von 9.438,63 DM (= 4.825,89 EUR) für den fünften Behandlungszyklus (17.08.2001 bis 30.08.2001) bzw. in Höhe von 5.079,40 EUR für den sechsten Behandlungszyklus (01.05.2002 bis 15.05.2002) entstanden sind.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten die Klagen mit Gerichtsbescheiden vom 20.02.2002 und 02.12.2002 abgewiesen. Die Erstattung der Kosten der Auslandsbehandlung komme nicht Betracht, weil die Kozijavkin-Methode nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche.

Mit seinen am 22.03.2002 und 03.01.2003 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufungen verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Senat hat mit Beschluss vom 16.05.2007 die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zu der Kozijavkin-Methode haben dem Senat insbesondere folgende Unterlagen vorgelegen: die vom LSG Niedersachsen eingeholten Gutachten des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Prof. Dr. M1 , vom 08.04.2002, des Chefarztes der Klinik für Manuelle Therapie H. , Dr. H1 , vom 22.04.2002 und des Ärztlichen Direktors im Kinderzentrum M , Prof. Dr. Dr. V1, vom 06.08.2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 03.09.2002, das von Dr. K2 für den Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Kranken-kassen (MDS) erstellte Grundsatzgutachten vom 08.05.2002 sowie das Ergän-zungsgutachten hierzu vom 01.06.2004 und das Gutachten des Ärztlichen Direktors im Kinderzentrum M , Prof. Dr. Dr. V1 , vom 17.06.2005.

Der Kläger trägt vor, obwohl er erstmals im Erwachsenenalter nach der Kozijavkin-Methode behandelt worden sei, habe er erhebliche Fortschritte gemacht. Es hätten sich bei ihm folgende Fähigkeiten entwickelt: Aufstehen aus dem Sitz zum Stand, Aufrichten aus der Rückenlage zum Sitzen, eigenhändiges zielgerichtetes Bewegen des Faltrollstuhls, An-fassen eines vor den Körper gehaltenen Stabes mit beiden Händen. Einzelne Elemente der Behandlung seien zwar auch in Deutschland anerkannt. Als Komplex werde sie jedoch nur in der Ukraine durchgeführt. Eine in Deutschland durchgeführte Rehabilitation sei vom Therapieangebot her gut und zufriedenstellend gewesen, nur die Manipulation der Wirbel-säule habe gefehlt. Die Kozijavkin-Methode sei nicht nur in der Ukraine anerkannt, sondern habe weltweit Akzeptanz erfahren; in Publikationen und auf Ärztekongressen habe Prof. Dr. K1 über seine Arbeit berichtet.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 20. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Juli 2001 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2001 zu verurteilen, dem Kläger die für die Behandlung im Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 in der Zeit vom 17. August 2001 bis zum 30. August 2001 entstandenen Kosten in Höhe von 9.438,63 DM zu erstatten, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes einen neuen Bescheid zu erteilen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 02. Dezember 2002 aufzu-heben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2002 zu verurteilen, dem Kläger die für die Behandlung im Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 in der Zeit vom 01. Mai 2002 bis zum 15. Mai 2002 entstandenen Kosten in Höhe von 5.079,40 EUR zu erstatten, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes einen neuen Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Die Kozijavkin-Methode entspreche nach wie vor nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Etwas anderes lasse sich auch dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. V1 vom 17.06.2005 nicht entnehmen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Klägers sind unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klagen abgewiesen.

Die vom Kläger angegriffenen Bescheide vom 12.07.2001 und vom 27.03.2002 (jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2001 bzw. vom 06.08.2002), mit denen die Behandlungen in der Ukraine im August 2001 und im Mai 2002 abgelehnt wurden, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Fehlen eines Leistungsanspruchs folgt nicht bereits daraus, dass der Kläger diese Behandlungen in der Ukraine in Anspruch genommen hat, mit der keine zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Gewährung von Krankenversicherungsleistungen bestehen (vgl. http://www.bmg.bund.de/nn 603218/DE/Gesetze-und-Verordnungen/Zwischenstaatliche-Abkommen/Gemeinschafts¬rechtliche-Regel-5185.html), und nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) der Anspruch auf Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ruht, solange sich der Versicherte im Ausland aufhält. Denn nach der Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V kann die Krankenkasse in einem solchen Fall die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Die Regelung ermöglicht als Rechtsfolge nicht nur eine Kostenübernahme, sondern auch – nach entsprechender vorheriger Antragstellung und Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse – die hier begehrte Kostenerstattung (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 Rn. 17; Urteil vom 17.02.2004 - B 1 KR 5/02 R - BSGE 92, 164 = SozR 4-2500 § 18 Nr. 2, jeweils Rn. 7; Urteil vom 03.09.2003 - B 1 KR 34/01 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 1 Rn. 8).

Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind indessen nicht erfüllt. Dies ergibt sich allerdings schon nicht daraus, dass die Eltern des Klägers die Behandlungen im Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 vorfinanziert haben. Zwar setzt der Kostenerstattungsanspruch nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V – nicht anders als derjenige nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V – voraus, dass dem Betroffenen durch die Selbstbeschaffung der Leistung tatsächlich eigene Kosten entstanden sind, wofür dieser einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt sein muss (siehe nur BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 11/04 R - BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 4 jeweils Rn. 17; Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 21/99 R - BSGE 86, 66, 75 ff. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 21). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch nicht, obwohl die Rechnungen für die hier streitigen Auslandsbehandlungen durch die Eltern des Klägers beglichen wurden. Denn damit sollten – wie diese in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2007 klargestellt ha-ben – allein im Interesse des Klägers die Behandlungen vorfinanziert werden, nicht aber die Beklagte entlastet werden. Diese Vorfinanzierung ändert nichts daran, dass dem Kläger für seine Behandlung im Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 Kosten entstanden sind. Ohnehin führt die Übernahme der Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung durch Angehörige im Rahmen der familiären Fürsorge nicht dazu, dass der Versicherte die Erstattung dieser Kosten von der Krankenkasse nicht mehr beanspruchen könnte (BSG, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R - BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7, jeweils Rn. 7 f.).

Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V für die Erstattung der 2001 und 2002 im Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 erfolgten Auslandsbehandlungen liegen deshalb nicht vor, weil die dabei in der Ukraine angewandte Methode von ihrem Konzept her nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Ent-sprechend dem Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V ist dies nur dann der Fall, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftlicher) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Ge-genstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht (BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 Rn. 22; Urteil vom 14.02.2001 - B 1 KR 29/00 R - SozR 3-2500 § 18 Nr. 6 S. 23 f.; Urteil vom 16.06.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 96 = SozR 3-2500 § 18 Nr. 4). Unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der wissenschaftlichen Anerkennung ist die Möglichkeit, die Behand-lung an anderer Stelle und durch andere Ärzte zu wiederholen und ihre Ergebnisse über-prüfbar zu machen (BSG, Urteil vom 16.06.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr. 4). Daher ist in aller Regel erforderlich, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen (BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 Rn. 22; Urteil vom 16.06.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 96 = SozR 3-2500 § 18 Nr. 4). Dabei entspricht es dem Wissenschaftlichkeitsgebot, die Erkenntnisse des internationalen wissenschaftlichen Diskurses zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 Rn. 29). Anstel-le eines Wirksamkeitsnachweises reicht die tatsächliche Verbreitung einer Methode in der ärztlichen Praxis und der wissenschaftlichen Diskussion nicht aus (BSG, Urteil vom 16.06.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 96 f. = SozR 3-2500 § 18 Nr. 4).

Für die Kozijavkin-Methode kann in den maßgeblichen Behandlungszeiträumen (August 2001 und Mai 2002) der erforderliche Wirksamkeitsnachweis nicht geführt werden.

Eine – bevorzugt vorzunehmende (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 Rn. 31) – Auswertung der international verfügbaren Literatur und Forschungsergebnisse zur Kozijavkin-Methode, die diese Erkenntnisse nach dem Grad ihrer wissenschaftlichen Evidenz gewichtet, hat allein Dr. K2 in den MDS-Gutachten vom 08.05.2003 und 01.06.2004 vorgenommen. Gegen kontrollierte randomisierte prospektive Studien können – wie Dr. K2 in dem MDS-Gutachten vom 08.05.2003 dargelegt hat (S. 26 f.) – keine Einwände erhoben werden. Zwar erscheint ein Vergleich der Kozijavkin-Methode mit einem echten Placeboregime, d.h. einer "Nulltherapie", aufgrund der Erkrankungssituation bei infantilen Zerebralparesen aus ethischen Gründen nicht vertretbar. Gegen einen Vergleich mit den üblichen Behandlungsmethoden spricht jedoch nichts. Angesichts von über 50.000 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit unterschiedlichen Ausprägungen einer Zerebralparese allein in Deutschland kann auch nicht die Rede davon sein, dass der Verbreitungsgrad der Erkrankung der Durchführung von Studien entgegen-stünde (a.a.O. S. 46). Wie Dr. K2 in dem MDS-Gutachten vom 08.05.2003 im Einzelnen dargelegt hat, standen jedenfalls bis zur Erstellung dieses Gutachtens zu dem Therapiever-fahren nach Kozijavkin keine Studien aus hochwertigen Evidenzkategorien zur Verfügung. Statt kontrollierter prospektiver Studien konnten allenfalls retrospektive Studien identifiziert werden. Dabei wurden Daten zu dem Therapieverfahren nur von Prof. Dr. K1 selbst publiziert; andere Behandler- oder Forschergruppen hatten die Methode nicht untersucht. Die Daten wurden ausschließlich retrospektiv erhoben. Zudem ließ die Darstellung der retrospektiv erhobenen Daten zu wünschen übrig, weil sie meist nur in Prozentangaben ohne Nennung der Grundgesamtheit bestand. Überdies überlappten sich die Patientengruppen, die in den einzelnen Veröffentlichungen dargestellt wurden. Insgesamt lagen nur we-nige nachprüfbare und mit unzureichender Methodik präsentierte retrospektiv erhobene Daten vor, aus denen sich zum damaligen Zeitpunkt (2003) ein indikationsbezogener Wirksamkeitsnachweis nicht ableiten ließ (a.a.O. S. 44 ff.).

Auch mit den beigezogenen Gutachten von Prof. Dr. M1 vom 08.04.2002, Dr. H1 vom 22.04.2002 und Prof. Dr. Dr. V1 vom 06.08.2002, die vom LSG Niedersachsen in dem Verfahren eingeholt wurden, über das das BSG mit Urteil vom 13.12.2005 (B 1 KR 21/04 R - SozR 4-2500 § 18 Nr. 5) entschieden hat, kann der erforderliche Wirksamkeitsnachweis nicht geführt werden. Prof. Dr. M1 hat in seinem Gutachten vom 08.04.2002 die Akzeptanz der Kozijavkin-Methode in Fachkreisen eindeutig verneint. Dr. H1 und Prof. Dr. Dr. V1 führen in ihren Gutachten vom 22.04.2002 bzw. 06.08.2002 im Grunde nur aus, warum sie selbst den Einsatz dieser Methode auf der Grundlage der von ihnen gewonnenen Erkenntnisse befürworten; sie berufen sich dazu im Wesentlichen nur auf Vorträge bzw. Veröffentlichungen von Prof. Dr. K1 bzw. auf solche aus dessen Umfeld sowie auf eigene Beobachtungen bei den Patienten. Aus ihren befürwortenden gutachtlichen Stellung-nahmen wird jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise deutlich, welchen Widerhall die Methode tatsächlich in der breiten Fachöffentlichkeit gefunden hat. Dr. H1 differenziert in seinem Gutachten zwischen Orthopäden und Kinderorthopäden sowie Chirotherapeuten einerseits, bei denen die Akzeptanz groß sei, und den Pädiatern und Neuropädiatern andererseits, bei denen dies deutlich geringer der Fall sei (S. 4). Ohne Belege hierfür zu präsentieren, verbleibt diese Aussage eher auf einer spekulativen Ebene (so auch Dr. K2 in dem MDS-Gutachten vom 01.06.2004, S. 11). Hinzu kommt, dass es Dr. H1 ablehnt, von einer Kozijavkin-Methode zu sprechen, und nur allgemein zu manualtherapeutischen Methoden Stellung nimmt. Prof. Dr. Dr. V1 gibt in seinem Gutachten vom 06.08.2002 zur Akzeptanz in Fachkreisen an, dass sowohl Kinderärzte als auch Krankengymnasten bei einem Großteil der Patienten positive Veränderungen nach der Behandlung bestätigten (S. 12). Dazu, in welchem Maße dies der Fall ist, d.h. wie dies zahlenmäßig und gewichtungsmäßig einzuschätzen ist, äußert er sich aber nicht. Ähnliches ist den Ausführungen zu der Frage zu entnehmen, seit wann die Methode in Deutschland anerkannt ist; auch dazu wird nur davon berichtet, dass zunehmend Kinderärzte, Sozialpädiater, Krankengymnasten und Neuropädiater positive Entwicklungsveränderungen bzw. Entwicklungsfortschritte bestätigten (S. 18). Die Wirksamkeit der Methode geht nach Einschätzung von Prof. Dr. Dr. V1 aus der aus dem Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 stammenden Analyse von Behand-lungsdaten hervor (S. 12 ff.). Hiergegen hat jedoch Dr. K2 in dem MDS-Gutachten vom 01.06.2004 eingewandt, dass Prof. Dr. Dr. V1 lediglich die bereits in dem MDS-Gutachten vom 08.05.2003 bewertete Datengrundlage referiert habe, ohne darzulegen, wie hiermit unter Berücksichtigung welcher Bewertungskriterien die Wirksamkeit nachgewie-sen werden könne (S. 14 ff.). Von einem verlässlichen Wirksamkeitsnachweis scheint auch Prof. Dr. Dr. V1 nicht ausgegangen zu sein, betont er doch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 03.09.2002, dass ein solcher Nachweis bei der Zerebralparese auch für keine etablierte Methode erbracht worden sei. Vor diesem Hintergrund sind auch die Aus-führungen von Prof. Dr. Dr. V1 in einer Veröffentlichung des "Internationalen Fördervereins für medizinische Rehabilitation nach Kozijavkin" (IFRK spezial vom 14.06.2003 - http://www.ifrk.org/index 1/Fra¬mes/Neurointen¬siv Stellungnahme v Voss.pdf) verständlich, in der es unter anderem heißt, Therapiewirksamkeitsstudien zur infantilen Zerebralpa-rese müssten weltweit eingefordert werden; die Arbeitsgruppe Kozijavkin habe sich mutig auf den Weg gemacht, für Kinder und Jugendliche mit infantiler Zerebralparese therapeuti-sches Neuland zu betreten; man werde gespannt sein dürfen, welche Behandlungsdaten sie dereinst vorlegen werden. Hieraus wird deutlich, dass auch Prof. Dr. Dr. V1 die bisherigen Erkenntnisse zur Kozijavkin-Methode mit gewisser Zurückhaltung und dem Wunsch nach einer stärkeren wissenschaftlichen Untermauerung gewürdigt hat.

Dies spiegelt sich auch in dem vom Senat bei Prof. Dr. Dr. V1 eingeholten Gutachten vom 17.06.2005 wieder. Darin heißt es, die Frage, ob bezogen auf den Behandlungszeitpunkt zu einer Behandlung von Erwachsenen mit infantiler Zerebralparese nach der Kozijavkin-Methode wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode vorlägen, könne nicht umfassend beantwortet werden. Es sei allerdings bekannt, dass das Rehabilitationszentrum von Prof. Dr. K1 Da-ten zu Erwachsenen in einem Ausmaß und einer Präzision habe, wie sie anderen Therapiezentren nicht zur Verfügung stünden (S. 12). Auf die Frage, ob die in einem Aufsatz (KG-Intern 3/2002, Sonderdruck. S. 7) angekündigte Wirksamkeitsstudie zur Kozijavkin-Methode inzwischen durchgeführt worden sei, teilt Prof. Dr. Dr. V1 in seinem Gutachten vom 17.06.2005 mit, dass deren Planung noch nicht abgeschlossen sei (S. 14). Von einem verlässlichen Wirksamkeitsnachweis kann demnach noch immer nicht die Rede sein – und zwar gerade auch in Bezug auf Erwachsene, die an infantiler Zerebralparese leiden. Selbst wenn man der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. V1 folgt, dass Erwachsene mit in-fantiler Zerebralparese in gleicher Weise wie Kinder und Jugendliche mit dieser Krankheit von dem integrativen Behandlungskonzept der Kozijavkin-Methode profitieren, so ändert dies nichts daran, dass in den hier maßgeblichen Behandlungszeitpunkten der Nachweis der Wirksamkeit dieser Methode nicht erbracht werden kann.

Mangels sicherer wissenschaftlicher Aussagen zur Wirksamkeit der Kozijavkin-Methode, kann nicht festgestellt werden, dass die beim Kläger in den Jahren 2001 und 2002 durch-geführten Behandlungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprachen. Schon aus diesem Grunde scheidet eine Kostenerstattung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V aus, ohne dass noch zu prüfen wäre, ob eine Erfolg versprechende Behand-lung auch im Inland möglich gewesen wäre.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht § 18 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buches Sozialge-setzbuch (SGB IX). Zwar können danach Sachleistungen auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher aus-geführt werden können. Dies gilt aber nur, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt (§ 7 Satz 1 SGB IX). Dies ist bei dem für die beklagte Krankenkasse geltenden SGB V der Fall. Dem § 18 SGB IX gehen die §§ 16 - 18 SGB V vor; nur unter den in § 18 Abs. 1 bis 3 SGB V ausgeführten Voraussetzungen besteht Anspruch auf Übernahme oder Erstattung von Kosten, die für die Erbringung von Sachleistungen im Ausland entstanden sind (Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 11. Aufl. 2005, § 18 Rn. 4). Aus diesem Grunde kann offen bleiben, ob der Begriff der Sachleistung in § 18 Satz 1 SGB IX eng zu verstehen ist und sich nur auf körperlicher Gegenstände bezieht (so Brodkorb, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 18 Rn. 3, Stand: August 2003) oder ob er weit zu verstehen ist und auch Dienstleistungen umfasst (so Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 18 Rn. 7).

Ebenso ergibt sich aus § 15 Abs. 1 SGB IX wegen § 7 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 18 SGB V keine Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsan-spruch.

Schließlich kann der Kläger auch aus dem Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX, insbesondere aus der in § 9 Abs. 2 SGB IX vorgesehenen Möglichkeit der Ersetzung von Sach- durch Geldleistungen, keine weitergehenden Ansprüche ableiten. Abgesehen davon, dass § 9 SGB IX nicht zur Abweichung von den §§ 16 - 18 SGB V ermächtigt, sind auch die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben. Denn bei den stati-onären Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um Leistungen, die in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind, die zudem zur Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten zugelassen sind (§ 40 Abs. 2 i.V.m. § 111 SGB V). Eine Geldleistung, d.h. Kostenerstattung, lässt § 9 Abs. 2 SGB IX aber nur bei Sach-leistungen zu, die nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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