Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 RJ 1777/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1171/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung (EM) für die Zeit ab 01. Februar 2001.
Die 1950 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hatte keine Berufsausbildung absolviert und arbeitete seit ihrer Übersiedlung nach Deutschland als Gartenarbeiterin, Packerin und zuletzt vom 01. August 1979 bis 30. Juni 1998 als Montiererin bei der B T G in B; das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung. Die Klägerin bezog anschließend Leistungen von der Bundesanstalt bzw. der Bundesagentur für Arbeit, und zwar Arbeitslosengeld vom 01. Juli 1998 bis 12. Mai 2000 sowie Anschluss-Arbeitslosenhilfe vom 13. Mai 2000 bis 31. Dezember 2004, unterbrochen durch den Bezug von Krankengeld vom 16. November 2000 bis 04. Dezember 2000 und vom 14. Januar 2003 bis 07. Februar 2003. Seit 01. Januar 2005 erhält die Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt aufgrund folgender Leiden: seelisches Leiden, Funktionseinschränkung und neuromuskuläre Reizerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie im Bereich der Ellenbogengelenke, Fußfehlform beidseits, Kniegelenksarthrose beidseits, chronische Bronchitis, Bluthochdruck, Adipositas, Magenleiden (Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 26. September 2003).
Im Verlauf eines sich an den ersten Rentenantrag der Klägerin vom November 1998 anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens (SG Berlin – S 23 RJ 1577/99; LSG Berlin – L 6 RJ 1/01 –) verglichen sich die Beteiligten dahingehend, dass die Klägerin ihre Berufung zurücknahm und die Beklagte sich verpflichtete, den in der Berufungsschrift vom 05. Januar 2001 enthaltenen Neuantrag auf Gewährung von EM-Rente zu bescheiden. Die Beklagte ließ die Klägerin hierauf durch die Ärztin für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Dr. B und die Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. S-B untersuchen und begutachten. Diese Ärztinnen bescheinigten der Klägerin noch ein tägliches Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr im Rahmen leichter körperlicher Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten, überwiegend im Sitzen, unter Beachtung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen (Bluthochdruck, Halswirbelsäulenschmerzsyndrom bei Steilstellung und altersentsprechenden Verschleißerscheinungen mit leichter Funktionsminderung, schmerzhafte Einschränkung der Beugung des linken Kniegelenkes nach arthroskopischem Eingriff bei Meniskopathie 12/02, Zustand nach Meniskusoperation im rechten Knie 1990, chronische Sehnenansatzreizung am linken Ellenbogen ohne Funktionsstörung, Übergewicht, chronische Gastritis, anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit hypochondrischen Anteilen; Gutachten vom 02. April 2003 und 08. Mai 2003). Mit Bescheid vom 13. Mai 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese Atteste ihres behandelnden Orthopäden und Chirurgen Dr. R vom 08. Mai 2003 und des Allgemeinmediziners Dr. S vom 11. Juli 2003 vorlegte, veranlasste die Beklagte noch ein chirurgisch-sozialmedizinisches Fachgutachten durch Dipl.-Med. P. Dieser Arzt hielt die Klägerin in seinem Gutachten vom 29. August 2003 noch für sechs Stunden und mehr einsetzbar in leichten bis mittelschweren Arbeiten überwiegend im Sitzen unter Beachtung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen (Gonalgie beidseits bei Zustand nach arthroskopischer Operation rechts 1989, links 2002, rezidivierende Dorsolumbalgie, Cervicalneuralgie). Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Volle bzw. teilweise EM würden nicht vorliegen.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von Dr. R vom 17. Mai 2004, von Dr. S vom 27. Juni 2004 und von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie K vom 27. Mai 2004. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie R als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 07. Dezember 2004 (Untersuchung am 05. Oktober 2004) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: Somatisierungsstörung mit depressiven Reaktionen, Kopfschmerzen und wirbelsäulenabhängigen Beschwerden, Magenschleimhautentzündungen, Ängste. Die Klägerin könne vollschichtig und regelmäßig körperlich leichte Arbeiten – unter Beachtung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen – verrichten. In ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit sei sie nicht beeinträchtigt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ferner ein neurologisches Sachverständigengutachten von Dr. M-P erstatten lassen. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 30. September 2005 (Untersuchung am 16. September 2005) bei der Klägerin auf ihrem Fachgebiet eine chronische somatoforme Schmerzstörung, eine mittelgradige depressive Störung und einen Verdacht auf sensibles Karpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert. Bei der Klägerin bestehe kein verbliebenes Leistungsvermögen mehr. Sie sei auch in Begleitung nicht in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in jeweils 20 Minuten zurückzulegen oder zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Im Gegensatz zur Einschätzung des Sachverständigen R sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin ihrer Krankheit und damit ihrer so genannten Fehlhaltung nicht bewusst sei und dass die Fehlhaltung aufgrund der langen Chronifizierung auch bei größter Willensanspannung nicht überwunden werden könne. Es könne auch hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten nur von einem für alle Arbeiten geltenden aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin ausgegangen werden. Auf Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Beklagten (Facharzt für Psychiatrie G, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S) hat sich Frau Dr. M-P ergänzend geäußert; hierauf wird Bezug genommen (Stellungnahme vom 24. Januar 2006). Zu der Beurteilung von Dr. M-P hat sich der Sachverständige R mit Stellungnahme vom 22. April 2006 ebenfalls ergänzend geäußert; hierauf wird verwiesen.
Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hat das SG die "ausgehend von einem mit Stellen des letzten Rentenantrages eingetretenen Leistungsfall" auf Gewährung von Rente wegen EM gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen EM nach § 43 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) und auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit (BU) nach § 240 SGB VI. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verfüge die Klägerin noch über ein mindestens sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf die sie sozial zumutbar verweisbar sei. Das Gericht folge dem überzeugenden Gutachten des Arztes R und der damit übereinstimmenden Beurteilung der im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen. Das Gutachten von Dr. M-P sei nicht geeignet, die Überzeugungskraft des Gutachtens des Arztes R zu erschüttern. Dr. M-P habe ihre Einschätzung im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin gestützt, ohne diese kritisch zu hinterfragen bzw. die Klägerin mit ihren zum Teil widersprüchlichen Angaben gegenüber dem Vorgutachter zu konfrontieren. Die von der Klägerin geschilderten sozialen Aktivitäten seien mit der Diagnose einer chronischen somatoformen Schmerzstörung und einer Depression in einem Ausprägungsgrad, dass diese die Aufhebung des beruflichen Leistungsvermögens zur Folge hätten, nicht zu vereinbaren. Hierauf habe der Sachverständige R in seiner ergänzenden Stellungnahme schlüssig hingewiesen. Auch eine eingeschränkte Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht feststellbar.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin (nur) noch ihr Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller EM weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei die Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. M-P zutreffend und überzeugend. Die Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens stehe nicht in Kontrast zu den Angaben dieser Sachverständigen zu Stimmung und Affekt. Die von ihr geschilderten Schmerzen würden in einer das Leistungsvermögen vollständig aufhebenden Intensität auch tatsächlich erlebt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. Februar 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme für zutreffend.
Der Senat hat die Ärztin für Psychiatrie G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 03. Juli 2007 (Untersuchung am 25. Juni 2007) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: mittelschwere depressive Episode, lumbalgieformes Schmerzsyndrom, cervicales Schmerzsyndrom, Verdacht auf Polyneuropathie, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus, Epicondylitis humeri links, Knieschaden beidseits. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen ausführen. Sie sei lediglich in der Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten eingeschränkt. Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung – wie von Dr. M-P diagnostiziert – sei nicht feststellbar. Die diagnostischen Kriterien hierfür seien nicht erfüllt. Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Auch ein sehr hoher sekundärer Krankheitsgewinn sei bei der Klägerin feststellbar. Den von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen sei zuzustimmen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen des Arztes R, von Dr. M-P und der Ärztin G Bezug genommen.
Die Arbeitslosengeld II-Akten des JobCenters Neukölln, die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Berlin Süd, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten (zwei Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin, mit der diese nur noch einen Anspruch auf Rente wegen voller EM unter Verzicht auf die Geltendmachung eines Anspruches auf Rente wegen teilweiser EM bzw. teilweiser EM bei BU weiterverfolgt, ist nicht begründet. Die Klägerin hat aufgrund ihres Antrages vom Januar 2001 für die Zeit ab 01. Februar 2001 keinen Anspruch auf Rente wegen voller EM gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI. Sie war und ist ab 01. Februar 2001 nicht voll erwerbsgemindert.
Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. § 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle EM vorliegen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sei kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin war und ist in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab 01. Februar 2001 nicht voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn sie verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und leichte geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derartiges Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den vorliegenden Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetzten Ärzte Dr. B, Dr. S-B und Dipl.-Med. P sowie der im Klage- und Berufungsverfahren bestellten Gerichtssachverständigen R und G. Denn alle diese Ärzte haben der Klägerin übereinstimmend ein derartiges vollschichtiges bzw. mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend seit dem 01. Februar 2001.
Das vollschichtige bzw. mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen der Klägerin war und ist nach den von diesen Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Die Klägerin kann zwar nach den von den genannten Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mit dem regelmäßigen Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf Kilogramm im Wechsel der Haltungsarten bzw. auch überwiegend im Sitzen verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter Einfluss von extremen klimatischen Bedingungen, Arbeiten mit einseitigen Belastungen und Zwangshaltungen, in festgelegtem Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen und in Wechsel- oder Nachtschicht.
Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – veröffentlicht in juris). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinaus gehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit, bestimmte äußere Einwirkungen wie Hitze und Kälte zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21). Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen, wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen und mit einseitiger körperlicher Belastung, bei Hitze und Kälte bzw. unter sonstigen extremen klimatischen Bedingungen, unter Zeitdruck, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen und in Wechsel- oder Nachtschicht zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1 bis 4/95 – GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der nur geringfügig eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine nennenswerten Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen – dem bisherigen beruflichen Niveau der Klägerin entsprechenden – Arbeitsplatz erkennen lassen; nur eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die vorliegend nicht erkennbar ist, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104, 117). Auch die Beschränkung auf Lastgewichte bis zu fünf Kilogramm erscheint nicht als geeignet, das Feld leichter körperlicher Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Regelmäßig zählt zwar die Beschränkung auf zehn Kilogramm zum Bereich leichter Arbeiten. Dies reicht aber nicht aus, ein der Klägerin noch verbleibendes ausreichendes Arbeitsfeld zu verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1997 – B 13 RJ 87/96 – veröffentlicht in juris). Insgesamt betreffen die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleineren Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt. So konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten ausführen. Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen R und Gjedenfalls für derart leichte Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Beschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestanden und bestehen, konnte und kann die Klägerin auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten vollwertig verrichten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. M-P, die der Klägerin ein aufgehobenes Leistungsvermögen bescheinigt hat, nicht zu folgen. Die von dieser Sachverständigen abgegebene Beurteilung des Restleistungsvermögens ist nicht überzeugend, weil sie nicht aus den erhobenen objektiven Befunden und den damit einhergehenden funktionalen Beeinträchtigungen nachvollziehbar und schlüssig hergeleitet werden kann. Wie die Sachverständige G plausibel ausgeführt hat, ist die von Dr. M-P erhobene Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einer hieraus resultierenden gänzlichen Aufhebung des Leistungsvermögens nicht stimmig und widerspruchsfrei zu begründen. Ein mit einer derartigen Störung typischerweise verbundener emotionaler oder psychosozialer Konflikt der Klägerin ist von Dr. M-P nicht beschrieben bzw. herausgearbeitet worden und auch im Übrigen nicht erkennbar. Vielmehr ist gerade aufgrund der Schilderungen der Klägerin bei den verschiedenen Gutachtern weiterhin von einer bestehenden sozialen Integration und sogar von einem – erheblichen - sekundären Krankheitsgewinn innerhalb der Familie auszugehen. Ein sozialer Rückzug ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht einmal ansatzweise erkennbar, worauf sowohl der Sachverständige R als auch die von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen übereinstimmend hinweisen. Zudem fehlt im Gutachten von Dr. M-P auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben der Klägerin, die sich teilweise, z.B. im Hinblick auf den behaupteten Medikamentenkonsum, als unzutreffend bzw. widersprüchlich erwiesen haben. Auch der bisherige Behandlungsverlauf untermauert nicht das Vorliegen einer schweren und anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Entgegen der Auffassung von Dr. M-P ist das depressive Leiden der Klägerin, worauf die Sachverständige G hingewiesen hat, durchaus einer gegebenenfalls geänderten medikamentösen Behandlung zugänglich und bei konsequenter Behandlung auch besserungsfähig. Die Sachverständige G hat sämtliche bekannten Diagnosen und Leiden der Klägerin bei ihrer Beurteilung berücksichtigt und unter kritischer Würdigung sämtlicher Vorgutachten eine uneingeschränkt nachvollziehbare und damit überzeugende Einschätzung des Restleistungsvermögens der Klägerin abgegeben. Einwendungen in der Sache hat die Klägerin im Übrigen gegen das Gutachten der Ärztin G auch nicht erhoben.
Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung somit nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Für die Klägerin in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.
Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhalten kann, kommt es – wie bereits erwähnt – nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmerinnen wie die Klägerin derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EM – wie der Gesetzgeber klargestellt hat – unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung (EM) für die Zeit ab 01. Februar 2001.
Die 1950 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hatte keine Berufsausbildung absolviert und arbeitete seit ihrer Übersiedlung nach Deutschland als Gartenarbeiterin, Packerin und zuletzt vom 01. August 1979 bis 30. Juni 1998 als Montiererin bei der B T G in B; das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung. Die Klägerin bezog anschließend Leistungen von der Bundesanstalt bzw. der Bundesagentur für Arbeit, und zwar Arbeitslosengeld vom 01. Juli 1998 bis 12. Mai 2000 sowie Anschluss-Arbeitslosenhilfe vom 13. Mai 2000 bis 31. Dezember 2004, unterbrochen durch den Bezug von Krankengeld vom 16. November 2000 bis 04. Dezember 2000 und vom 14. Januar 2003 bis 07. Februar 2003. Seit 01. Januar 2005 erhält die Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt aufgrund folgender Leiden: seelisches Leiden, Funktionseinschränkung und neuromuskuläre Reizerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie im Bereich der Ellenbogengelenke, Fußfehlform beidseits, Kniegelenksarthrose beidseits, chronische Bronchitis, Bluthochdruck, Adipositas, Magenleiden (Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 26. September 2003).
Im Verlauf eines sich an den ersten Rentenantrag der Klägerin vom November 1998 anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens (SG Berlin – S 23 RJ 1577/99; LSG Berlin – L 6 RJ 1/01 –) verglichen sich die Beteiligten dahingehend, dass die Klägerin ihre Berufung zurücknahm und die Beklagte sich verpflichtete, den in der Berufungsschrift vom 05. Januar 2001 enthaltenen Neuantrag auf Gewährung von EM-Rente zu bescheiden. Die Beklagte ließ die Klägerin hierauf durch die Ärztin für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Dr. B und die Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. S-B untersuchen und begutachten. Diese Ärztinnen bescheinigten der Klägerin noch ein tägliches Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr im Rahmen leichter körperlicher Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten, überwiegend im Sitzen, unter Beachtung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen (Bluthochdruck, Halswirbelsäulenschmerzsyndrom bei Steilstellung und altersentsprechenden Verschleißerscheinungen mit leichter Funktionsminderung, schmerzhafte Einschränkung der Beugung des linken Kniegelenkes nach arthroskopischem Eingriff bei Meniskopathie 12/02, Zustand nach Meniskusoperation im rechten Knie 1990, chronische Sehnenansatzreizung am linken Ellenbogen ohne Funktionsstörung, Übergewicht, chronische Gastritis, anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit hypochondrischen Anteilen; Gutachten vom 02. April 2003 und 08. Mai 2003). Mit Bescheid vom 13. Mai 2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Auf den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese Atteste ihres behandelnden Orthopäden und Chirurgen Dr. R vom 08. Mai 2003 und des Allgemeinmediziners Dr. S vom 11. Juli 2003 vorlegte, veranlasste die Beklagte noch ein chirurgisch-sozialmedizinisches Fachgutachten durch Dipl.-Med. P. Dieser Arzt hielt die Klägerin in seinem Gutachten vom 29. August 2003 noch für sechs Stunden und mehr einsetzbar in leichten bis mittelschweren Arbeiten überwiegend im Sitzen unter Beachtung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen (Gonalgie beidseits bei Zustand nach arthroskopischer Operation rechts 1989, links 2002, rezidivierende Dorsolumbalgie, Cervicalneuralgie). Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Volle bzw. teilweise EM würden nicht vorliegen.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von Dr. R vom 17. Mai 2004, von Dr. S vom 27. Juni 2004 und von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie K vom 27. Mai 2004. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie R als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 07. Dezember 2004 (Untersuchung am 05. Oktober 2004) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: Somatisierungsstörung mit depressiven Reaktionen, Kopfschmerzen und wirbelsäulenabhängigen Beschwerden, Magenschleimhautentzündungen, Ängste. Die Klägerin könne vollschichtig und regelmäßig körperlich leichte Arbeiten – unter Beachtung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen – verrichten. In ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit sei sie nicht beeinträchtigt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ferner ein neurologisches Sachverständigengutachten von Dr. M-P erstatten lassen. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 30. September 2005 (Untersuchung am 16. September 2005) bei der Klägerin auf ihrem Fachgebiet eine chronische somatoforme Schmerzstörung, eine mittelgradige depressive Störung und einen Verdacht auf sensibles Karpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert. Bei der Klägerin bestehe kein verbliebenes Leistungsvermögen mehr. Sie sei auch in Begleitung nicht in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern in jeweils 20 Minuten zurückzulegen oder zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Im Gegensatz zur Einschätzung des Sachverständigen R sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin ihrer Krankheit und damit ihrer so genannten Fehlhaltung nicht bewusst sei und dass die Fehlhaltung aufgrund der langen Chronifizierung auch bei größter Willensanspannung nicht überwunden werden könne. Es könne auch hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten nur von einem für alle Arbeiten geltenden aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin ausgegangen werden. Auf Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Beklagten (Facharzt für Psychiatrie G, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S) hat sich Frau Dr. M-P ergänzend geäußert; hierauf wird Bezug genommen (Stellungnahme vom 24. Januar 2006). Zu der Beurteilung von Dr. M-P hat sich der Sachverständige R mit Stellungnahme vom 22. April 2006 ebenfalls ergänzend geäußert; hierauf wird verwiesen.
Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hat das SG die "ausgehend von einem mit Stellen des letzten Rentenantrages eingetretenen Leistungsfall" auf Gewährung von Rente wegen EM gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen EM nach § 43 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) und auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit (BU) nach § 240 SGB VI. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verfüge die Klägerin noch über ein mindestens sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf die sie sozial zumutbar verweisbar sei. Das Gericht folge dem überzeugenden Gutachten des Arztes R und der damit übereinstimmenden Beurteilung der im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen. Das Gutachten von Dr. M-P sei nicht geeignet, die Überzeugungskraft des Gutachtens des Arztes R zu erschüttern. Dr. M-P habe ihre Einschätzung im Wesentlichen auf die Angaben der Klägerin gestützt, ohne diese kritisch zu hinterfragen bzw. die Klägerin mit ihren zum Teil widersprüchlichen Angaben gegenüber dem Vorgutachter zu konfrontieren. Die von der Klägerin geschilderten sozialen Aktivitäten seien mit der Diagnose einer chronischen somatoformen Schmerzstörung und einer Depression in einem Ausprägungsgrad, dass diese die Aufhebung des beruflichen Leistungsvermögens zur Folge hätten, nicht zu vereinbaren. Hierauf habe der Sachverständige R in seiner ergänzenden Stellungnahme schlüssig hingewiesen. Auch eine eingeschränkte Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht feststellbar.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin (nur) noch ihr Begehren auf Gewährung von Rente wegen voller EM weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei die Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. M-P zutreffend und überzeugend. Die Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens stehe nicht in Kontrast zu den Angaben dieser Sachverständigen zu Stimmung und Affekt. Die von ihr geschilderten Schmerzen würden in einer das Leistungsvermögen vollständig aufhebenden Intensität auch tatsächlich erlebt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. Februar 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme für zutreffend.
Der Senat hat die Ärztin für Psychiatrie G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 03. Juli 2007 (Untersuchung am 25. Juni 2007) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: mittelschwere depressive Episode, lumbalgieformes Schmerzsyndrom, cervicales Schmerzsyndrom, Verdacht auf Polyneuropathie, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus, Epicondylitis humeri links, Knieschaden beidseits. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen ausführen. Sie sei lediglich in der Ausübung schwieriger geistiger Arbeiten eingeschränkt. Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung – wie von Dr. M-P diagnostiziert – sei nicht feststellbar. Die diagnostischen Kriterien hierfür seien nicht erfüllt. Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Auch ein sehr hoher sekundärer Krankheitsgewinn sei bei der Klägerin feststellbar. Den von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen sei zuzustimmen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen des Arztes R, von Dr. M-P und der Ärztin G Bezug genommen.
Die Arbeitslosengeld II-Akten des JobCenters Neukölln, die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Berlin Süd, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten (zwei Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin, mit der diese nur noch einen Anspruch auf Rente wegen voller EM unter Verzicht auf die Geltendmachung eines Anspruches auf Rente wegen teilweiser EM bzw. teilweiser EM bei BU weiterverfolgt, ist nicht begründet. Die Klägerin hat aufgrund ihres Antrages vom Januar 2001 für die Zeit ab 01. Februar 2001 keinen Anspruch auf Rente wegen voller EM gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI. Sie war und ist ab 01. Februar 2001 nicht voll erwerbsgemindert.
Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. § 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle EM vorliegen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sei kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin war und ist in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab 01. Februar 2001 nicht voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn sie verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und leichte geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derartiges Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den vorliegenden Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetzten Ärzte Dr. B, Dr. S-B und Dipl.-Med. P sowie der im Klage- und Berufungsverfahren bestellten Gerichtssachverständigen R und G. Denn alle diese Ärzte haben der Klägerin übereinstimmend ein derartiges vollschichtiges bzw. mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend seit dem 01. Februar 2001.
Das vollschichtige bzw. mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen der Klägerin war und ist nach den von diesen Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Die Klägerin kann zwar nach den von den genannten Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mit dem regelmäßigen Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf Kilogramm im Wechsel der Haltungsarten bzw. auch überwiegend im Sitzen verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter Einfluss von extremen klimatischen Bedingungen, Arbeiten mit einseitigen Belastungen und Zwangshaltungen, in festgelegtem Arbeitsrhythmus, unter Zeitdruck, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen und in Wechsel- oder Nachtschicht.
Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – veröffentlicht in juris). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinaus gehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit, bestimmte äußere Einwirkungen wie Hitze und Kälte zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21). Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen, wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen und mit einseitiger körperlicher Belastung, bei Hitze und Kälte bzw. unter sonstigen extremen klimatischen Bedingungen, unter Zeitdruck, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen und in Wechsel- oder Nachtschicht zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1 bis 4/95 – GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der nur geringfügig eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine nennenswerten Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen – dem bisherigen beruflichen Niveau der Klägerin entsprechenden – Arbeitsplatz erkennen lassen; nur eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die vorliegend nicht erkennbar ist, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104, 117). Auch die Beschränkung auf Lastgewichte bis zu fünf Kilogramm erscheint nicht als geeignet, das Feld leichter körperlicher Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Regelmäßig zählt zwar die Beschränkung auf zehn Kilogramm zum Bereich leichter Arbeiten. Dies reicht aber nicht aus, ein der Klägerin noch verbleibendes ausreichendes Arbeitsfeld zu verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1997 – B 13 RJ 87/96 – veröffentlicht in juris). Insgesamt betreffen die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleineren Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt. So konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten ausführen. Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen R und Gjedenfalls für derart leichte Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Beschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestanden und bestehen, konnte und kann die Klägerin auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten vollwertig verrichten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. M-P, die der Klägerin ein aufgehobenes Leistungsvermögen bescheinigt hat, nicht zu folgen. Die von dieser Sachverständigen abgegebene Beurteilung des Restleistungsvermögens ist nicht überzeugend, weil sie nicht aus den erhobenen objektiven Befunden und den damit einhergehenden funktionalen Beeinträchtigungen nachvollziehbar und schlüssig hergeleitet werden kann. Wie die Sachverständige G plausibel ausgeführt hat, ist die von Dr. M-P erhobene Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einer hieraus resultierenden gänzlichen Aufhebung des Leistungsvermögens nicht stimmig und widerspruchsfrei zu begründen. Ein mit einer derartigen Störung typischerweise verbundener emotionaler oder psychosozialer Konflikt der Klägerin ist von Dr. M-P nicht beschrieben bzw. herausgearbeitet worden und auch im Übrigen nicht erkennbar. Vielmehr ist gerade aufgrund der Schilderungen der Klägerin bei den verschiedenen Gutachtern weiterhin von einer bestehenden sozialen Integration und sogar von einem – erheblichen - sekundären Krankheitsgewinn innerhalb der Familie auszugehen. Ein sozialer Rückzug ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht einmal ansatzweise erkennbar, worauf sowohl der Sachverständige R als auch die von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen übereinstimmend hinweisen. Zudem fehlt im Gutachten von Dr. M-P auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben der Klägerin, die sich teilweise, z.B. im Hinblick auf den behaupteten Medikamentenkonsum, als unzutreffend bzw. widersprüchlich erwiesen haben. Auch der bisherige Behandlungsverlauf untermauert nicht das Vorliegen einer schweren und anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Entgegen der Auffassung von Dr. M-P ist das depressive Leiden der Klägerin, worauf die Sachverständige G hingewiesen hat, durchaus einer gegebenenfalls geänderten medikamentösen Behandlung zugänglich und bei konsequenter Behandlung auch besserungsfähig. Die Sachverständige G hat sämtliche bekannten Diagnosen und Leiden der Klägerin bei ihrer Beurteilung berücksichtigt und unter kritischer Würdigung sämtlicher Vorgutachten eine uneingeschränkt nachvollziehbare und damit überzeugende Einschätzung des Restleistungsvermögens der Klägerin abgegeben. Einwendungen in der Sache hat die Klägerin im Übrigen gegen das Gutachten der Ärztin G auch nicht erhoben.
Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung somit nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Für die Klägerin in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.
Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhalten kann, kommt es – wie bereits erwähnt – nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmerinnen wie die Klägerin derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EM – wie der Gesetzgeber klargestellt hat – unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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