L 1 R 1263/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 839/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 1263/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 25 476,04 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit zwischen den Beteiligten ist, ob die Beklagte dem Kläger zu Unrecht entrichtete Beiträge zur Rentenversicherung (Arbeitnehmeranteile) zu erstatten hat, obwohl der Kläger aus diesen Leistungen in Anspruch genommen hat.

Der 1960 geborene Kläger zahlte als Geschäftsführer der B GmbH von Januar 1996 bis mindestens September 2003 zunächst Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung, was in mehreren Prüfungen bestätigt worden war.

Im April 2003 erkrankte der Kläger und wurde im C Klinikum C behandelt. Nach der Entlassung beantragte er im Mai 2003 bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, welche mit Bescheid vom 27. Mai 2003 bewilligt und vom 25. Juni 2003 bis zum 16. Juli 2003 durchgeführt wurde.

Mit Schreiben vom 16. September 2003 forderte die Beklagte vom Kläger Unterlagen zur Prüfung seiner Tätigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer auf Sachverhalte der Versicherungspflicht an. Die Beklagte gelangte zu der Auffassung, trotz wechselnder Geschäftsanteile innerhalb der Familie des Klägers handele es sich um eine Familien GmbH und der Kläger sei keinem Direktionsrecht anderer Familienangehöriger unterworfen gewesen, so dass er als Selbständiger anzusehen sei und nicht der Versicherungspflicht unterliege.

Die Beklagte stellte daraufhin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 27. November 2003 fest, dass der Kläger vom 01. Januar 1996 an nicht der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Sozialversicherung unterlegen habe.

Daraufhin beantragte der Kläger am 09. Dezember 2003 die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge auch zur Rentenversicherung für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2003 sowie für die Monate August, September und Oktober 2003. Mit Bescheid vom 04. Mai 2004 lehnte die Beklagte die Erstattung von Beiträgen ab, da dem Kläger aus ihnen Leistungen, nämlich die Reha Maßnahme, bewilligt worden seien.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 04. Juni 2004, der damit begründet wurde, die nicht bestehende Versicherungspflicht sei der Beklagten schon vor Bewilligung der Reha Maßnahme bekannt gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04. Oktober 2004, beim Kläger eingegangen am 12. Oktober 2004, zurück.

Hiergegen hat sich die am 10. November 2004 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, in der der Kläger beantragt hat,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Oktober 2004 zu verurteilen, die für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2001 zu Unrecht entrichteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich hierzu auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. Juni 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Verfallklausel des § 26 Abs. 2, 1. Halbsatz SGB IV erfasst damit sämtliche vor der Leistungsgewährung entrichteten, ihrer Art nach leistungsbegründenden Beiträge unabhängig davon, ob die Beiträge der Dauer und Höhe nach notwendige Voraussetzungen für die Leistung zur medizinischen Rehabilitation waren (siehe nur Baier, in: Kraußkopf, § 26 SGB IV Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 29. Januar 1998, Az.: B 12 KR 11/97 R).

Auf die Kenntnis vom Nichtvorliegen der Versicherungspflicht oder auch nur ein diesbezügliches Kennenmüssen der Beklagten kommt es nach der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung dagegen nicht an. Im Übrigen hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, im Zeitpunkt der Bewilligung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beziehungsweise der Teilnahme des Klägers an der entsprechenden Maßnahme eine gegenläufige Erkenntnisse besessen zu haben. Dies überzeugt die Kammer auch insofern, als der Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige bei ihr erst am 24. September 2003 eingegangen war und der Bescheid über die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung des Klägers als Geschäftsführer einer Familien GmbH der Einzugsstelle sogar erst unter dem 27. November 2003 datiert.

Ob die Beklagte dagegen nach Durchführung der Betriebsprüfung vom 12. Dezember 2000 bis 15. Dezember 2000 für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 beziehungsweise durch Bescheid vom 15. Dezember 2000 den Rechtsschein gesetzt habe, der Kläger unterliege als Geschäftsführer der B GmbH der Versicherungspflicht, ist gleichfalls irrelevant. Dies folgert die Kammer aus dem Zweck der Betriebsprüfung. Nach der feststehenden Rechtsprechung des BSG bezweckt die Betriebsprüfung nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198), sondern dient unmittelbar nur dem Interesse der Versicherungsträger und mittelbar nur dem Interesse der Versicherten die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern (BSG, Urteil vom 14. Juli 2004, Az.: B 12 KR 1/04 R).

Schließlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Unabhängig davon, dass die konkreten Umstände, die zur Anmeldung des Klägers zur Sozialversicherung und Entrichtung der Beiträge unter anderem zur Rentenversicherung ab 01. Juli beziehungsweise 01. Oktober 1997 geführt haben, nicht mehr aufklärbar waren und der Kläger darum für einen eventuellen Beratungsfehler der Beklagten oder - was der Beklagten gegebenenfalls zuzurechnen wäre - der Einzugsstelle beweisfällig geblieben wäre, könnte der Kläger selbst unter Zugrundelegung eines fehlerhaften Verhaltens eines am Beitragseinzug Beteiligten keine Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen. Denn die Folgen einer unrechtmäßigen Beitragsentrichtung sind hinsichtlich der Beitragserstattung in § 26 Abs. 2 SGB IV abschließend geregelt (BSG, Urteil vom 29. Januar 1998, Az.: B 12 KR 11/97 R).

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 14. August 2006. Er vertritt die Auffassung, da die Beklagte zumindest von allen für die Beurteilung der Versicherungspflicht relevanten Tatsachen vor Bewilligung der Reha Maßnahme Kenntnis hatte, handele sie missbräuchlich, wenn sie dann eine Leistung bewillige, um anschließend mit dieser Begründung die Erstattung der Beiträge zu verweigern.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juni 2006 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Oktober 2004 zu verurteilen, die für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 2001 zu Unrecht entrichteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten zur Versicherungsnummer verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Über sie konnte der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten überstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 155 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Beiträgen, da dies durch § 26 Abs. 2 SGB IV ausgeschlossen ist. Die angefochtenen Bescheide und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts Cottbus verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab, um bloße Wiederholungen zu vermeiden, und verweist auf die Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung, die er sich zu Eigen macht (§ 153 Abs. 3 SGG).

Lediglich ergänzend sei der Kläger auf Folgendes hingewiesen.

Die Vorschrift des § 26 Abs. 2 SGB IV ist eindeutig und damit nicht auslegungsfähig. Die Auslegung von gesetzlichen Normen ist erst dann eröffnet, wenn sich über das, was mit dem Gesetz gemeint und gewollt ist, Zweifel ergeben. Dies ist hier nicht der Fall. Allerdings kann eine verfassungskonforme Auslegung vorgenommen werden, wenn das Haften am Wortlaut der Norm zu einem Ergebnis führte, das mit dem Grundgesetz nicht in Übereinstimmung steht.

Dies ist jedoch hier nicht zu erkennen. Dem Gesetzgeber ist in Bezug darauf, wie und wann er Leistungen, also auch Erstattungen, in der Gesetzlichen Sozialversicherung gewährt, ein weiter Spielraum eingeräumt und es ist nicht Aufgabe der Gerichte, sich an seine Stelle zu setzen. Lediglich wenn die Norm sich als willkürlich erweist, ist insoweit eine Korrektur möglich. Dies ist hier zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Es entspricht dem Versicherungsprinzip, dass der Beitragsleistung nicht eine entsprechende gleichwertige Gegenleistung entgegenstehen muss, sondern dass es ausreicht, wenn tatsächlich irgendeine Leistung in Anspruch genommen wurde, der Versicherungsschutz also dem Grunde nach realisiert wurde.

Dass die Beklagte hier im Einzelfall missbräuchlich gehandelt hat, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorträgt, lässt sich aus dem Akteninhalt nicht ersehen. Vielmehr hat zunächst die Reha Abteilung der Beklagten, die völlig getrennt von den Teilen der Beklagten arbeitet, die zur Feststellung der Versicherungspflicht zuständig sind, die Reha Angelegenheit bearbeitet und die Leistung bewilligt und ist erst anschließend, nämlich mit Verfügung vom 01. September 2003, nachdem der Vorgang an die hierfür zuständige Stelle gelangt war, ist sie zu der Auffassung gelangt, die Versicherungspflicht sei zu prüfen. Somit liegt nicht der Fall vor, dass dem Versicherungsträger die Rechtswidrigkeit der Leistungserbringung wegen fehlender Beitragspflicht im Zeitpunkt der Erbringung der Leistung bekannt war (vgl. BSG SozR 3 2400 § 26 Nr. 7).

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 154, 162 Verwaltungsgerichtsordnung zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus dem Erstattungsbetrag, den der Kläger begehrt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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