Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 184/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 177/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 163/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnbereg vom 14.03.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 18.392,13 EUR.
Der 1952 geborene Kläger bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit 01.01.2005. Er wohnte und wohnt in einer abbezahlten Eigentumswohnung, die nach dem Tod der Mutter der Vater und nach dessen Tod am 28.11.2005 der Kläger geerbt hatte (Verkehrswert nach Angaben des Klägers ca. 90.000,- EUR; lt. Nachlassverzeichnis - Kaufpreis 1998: 217.000,- DM). Zuletzt am 02.11.2006 beantragte der Kläger die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten (Nachlassverbindlichkeiten nach dem Tod der Mutter, die auf den Vater als Alleinerben übergegangen sind, Friedhofsgebühren, Traueranzeige, Sargbukett, Heimkosten des Vaters; Hausgeld, Grundsteuer, Heizkosten und Stromkosten - entstanden bis zum Tod des Vaters -, Apothekerkosten und Auflösung des Girokontos des Vaters etc.).
Mit Bescheid vom 22.12.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten ab. Die für einmaligen Leistungen geltenden Regelungen §§ 20 bis 23 SGB II sähen keine Übernahme der Schulden vor.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug der Kläger vor, es bestehe die Gefahr, dass die Wohnung von Nachlassgläubigern gepfändet werde, es drohe Wohnungslosigkeit. Schulden, die zur Wohnungslosigkeit führen könnten, sollten jedoch gemäß § 34 Abs 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), § 5 SGB II aF, § 22 SGB II nF übernommen werden. Dadurch würde die Unterkunft dauerhaft gesichert werden. Zudem seien die §§ 73 und 74 SGB XII über § 5 SGB II anwendbar.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 zurück. In der Regelleistung von 345,- EUR seien auch die Kosten für sonstige Dienstleistungen enthalten. Eine Zahlung von Nachlassverbindlichkeiten sei daher nicht möglich. Auch nach § 23 SGB II sei eine Übernahme von Schulden nicht möglich.
Die zum SG erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 14.03.2007 unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen. Es sei nicht Aufgabe des SGB II, zur Vermögensbildung beizutragen. Der Kläger habe auch das Erbe ausschlagen können. Zudem drohe keine Wohnungslosigkeit; die Eigentumswohnung könne belastet werden.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Nachlassverbindlichkeiten seien zu übernehmen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden und die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Durch Ausschlagung des Erbes hätte er auf eine angemessene Unterkunft verzichtet. Eine Belastung der Wohnung sei nahezu unmöglich. Bei der Wohnung handle es sich um eine kostengünstige Unterkunft.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.03.2007 sowie den Bescheid vom 22.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 18.392,13 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 22.12.2006 idG des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten nach seinem Vater.
Streitig sind dabei allein Nachlassverbindlichkeiten, d.h. Erblasser- und Erbfallschulden. Das Erbe des Klägers bestand aus der Eigentumswohnung mit einem Wert von ca. 90.000,- EUR und aus den sich bis dahin angehäuften Schulden des Vaters sowie den Kosten des Erbfalles (u.a. Beerdigungskosten).
Diese Verbindlichkeiten sind gemäß § 23 Abs 1 SGB II nicht zu erstatten. Hiernach erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfsbedürftigen ein entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen noch nach § 12 Abs 2 Nr 4 (SGB II) noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Die Nachlassverbindlichkeiten sind kein von den Regelleistungen, die der Kläger erhält, umfasster Bedarf. Bei den sogenannten Erblasserschulden handelt es sich vielmehr um einen Bedarf des verstorbenen Vaters. Die Erbfallschulden (z.B. Beerdigungskosten) sind kein Bedarf, der im Rahmen der Regelleistung berücksichtigt worden ist.
Auch gemäß § 22 Abs 5 SGB II in der ab 01.04.2006 geänderten Fassung - § 5 Abs 2 SGB VI in der bis 31.03.2006 geltenden Fassung iVm § 34 Abs 1 SGB XII ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar und kann daher nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden (vgl. LSG Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2006 - L 15 B 84/06 SO ER -, Beschluss vom 22.06.2006 - L 25 B 459/06 AS ER) - besteht kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten nach seinem Vater.
Nach § 22 Abs 5 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 1 (SGB II) ist vorrangig anzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
§ 22 Abs 5 SGB II betrifft von seinem Sinn und Zweck her lediglich Schulden, die sich aus dem Miet- und Eigentumsverhältnis ergeben. Eine allgemeine Verschuldung genügt nicht (vgl. Schmidt in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 22 SGB II RdNr 141). § 22 Abs 5 SGB II stellt insoweit eine Sonderregelung für Miet- und Energieschulden dar (Kalhorn in Hauck/Noftz SGB II § 22 RdNr 72, vgl. auch BT-Drs 16/688 S 14), nicht jedoch eine Regelung zur Übernahme allgemeiner Schulden. Mietschulden stellen allenfalls die Nachzahlung bzgl. der Betriebskosten dar. Mit der Übernahme allein dieser Schulden (ca. 1.192,- EUR lt. Aufstellung des Klägers) kann jedoch die Unterkunft nicht dauerhaft gesichert werden, denn der bei weitem größte Teil der Schulden ergibt sich aus anderen Bereichen. Es handelt sich nämlich um Nachlassverbindlichkeiten nach dem Tod des Vaters des Klägers. Zum Teil gehen diese Schulden auf Verbindlichkeiten, die vor dem Tod oder durch den Tod der Mutter entstanden sind, zurück. Diesen Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 18.392,13 EUR standen im Erbfall Aktiva in Form der ererbten Eigentumswohnung in Höhe von mindestens 90.000,- EUR gegenüber. Es sind keine Schulden des Klägers im Rahmen seiner Unterkunftskosten. Dabei gehörte die Wohnung im Zeitpunkt des Erbfalles nicht zum Schonvermögen des Klägers, vielmehr hat er als Alleinerbe das Erbe, bestehend aus Aktiva und Passiva, erhalten. Es ist nicht Aufgabe des SGB II dafür zu sorgen, dass Erben lediglich das positive Erbvermögen erhalten, während die Schulden durch die Allgemeinheit zu tragen sind. Eine Rechtfertigung der Übernahme der bestehenden Schulden ergibt sich aber insbesondere auch deshalb nicht, weil der Kläger durch Belastung der abbezahlten Eigentumswohnung und Aufnahme eines Kredites die bestehenden Schulden begleichen kann.
Unabhängig davon, dass es sich vorliegend weder um Schulden aus dem Miet- und Eigenumtsverhältnis handelt, noch die Übernahme rückständiger Nebenkosten nicht zur dauerhaften Sicherung der Unterkunft führt, ist auch eine vergleichbare Notlage nicht gegeben. Diese Notlage muss sich nämlich ihrem Inhalt und Wesen nach mit der Gefährdung der Unterkunft vergleichen lassen, auch wenn es sich nicht auf die Unterkunft selbst bezieht. Sie muss den Existenzbereich des Hilfebedürftigen betreffen, etwa die Energieversorgung oder die Wohnraumausstattung, die durch Übernahme der Schulden erhalten werden kann (vgl. VGH BaWü Urteil vom 13.01.1993 - 6 S 2619/91). Dies ist hier nicht der Fall.
Im Übrigen steht es dem Kläger frei, diese Eigentumswohnung zu verkaufen, die Schulden zu bezahlen und sich eine günstigere Wohnung vom Restgeld zu kaufen oder in eine Mietwohnung zu ziehen. Die Gefahr von Obdachlosigkeit im Sinne des § 22 Abs 5 S 2 SGB II besteht daher ebenfalls nicht. Der Kläger kann sich aus der von ihm angenommenen Notlage durch Einsatz seiner Vermögenswerte - auch wenn es sich bei der Eigentumswohnung um Schonvermögen handelt - befreien. Er hatte und hat hierzu ausreichend zeitlichen Spielraum. Eine Zwangsräumung der Wohnung steht weder unmittelbar bevor noch ist diese absehbar. Nachdem kein direkter Zusammenhang zwischen den Schulden und der Wohnung besteht - eine Vollstreckung durch Gläubiger bedarf erst weiterer Handlungen - und auch Obdachlosigkeit nicht konkret droht - Vollstreckungsmaßnahmen, die einen Auszug des Klägers als unmittelbar bevorstehend erscheinen lassen, sind noch nicht durchgeführt worden -, sind die Schulden des Klägers im Rahmen des § 22 Abs 5 SGB II nicht zu übernehmen.
Ansprüche gemäß §§ 73, 74 SGB XII bzw. § 34 SGB XII richten sich nicht gegen die Beklagte.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 18.392,13 EUR.
Der 1952 geborene Kläger bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit 01.01.2005. Er wohnte und wohnt in einer abbezahlten Eigentumswohnung, die nach dem Tod der Mutter der Vater und nach dessen Tod am 28.11.2005 der Kläger geerbt hatte (Verkehrswert nach Angaben des Klägers ca. 90.000,- EUR; lt. Nachlassverzeichnis - Kaufpreis 1998: 217.000,- DM). Zuletzt am 02.11.2006 beantragte der Kläger die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten (Nachlassverbindlichkeiten nach dem Tod der Mutter, die auf den Vater als Alleinerben übergegangen sind, Friedhofsgebühren, Traueranzeige, Sargbukett, Heimkosten des Vaters; Hausgeld, Grundsteuer, Heizkosten und Stromkosten - entstanden bis zum Tod des Vaters -, Apothekerkosten und Auflösung des Girokontos des Vaters etc.).
Mit Bescheid vom 22.12.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten ab. Die für einmaligen Leistungen geltenden Regelungen §§ 20 bis 23 SGB II sähen keine Übernahme der Schulden vor.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug der Kläger vor, es bestehe die Gefahr, dass die Wohnung von Nachlassgläubigern gepfändet werde, es drohe Wohnungslosigkeit. Schulden, die zur Wohnungslosigkeit führen könnten, sollten jedoch gemäß § 34 Abs 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), § 5 SGB II aF, § 22 SGB II nF übernommen werden. Dadurch würde die Unterkunft dauerhaft gesichert werden. Zudem seien die §§ 73 und 74 SGB XII über § 5 SGB II anwendbar.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 zurück. In der Regelleistung von 345,- EUR seien auch die Kosten für sonstige Dienstleistungen enthalten. Eine Zahlung von Nachlassverbindlichkeiten sei daher nicht möglich. Auch nach § 23 SGB II sei eine Übernahme von Schulden nicht möglich.
Die zum SG erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 14.03.2007 unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen. Es sei nicht Aufgabe des SGB II, zur Vermögensbildung beizutragen. Der Kläger habe auch das Erbe ausschlagen können. Zudem drohe keine Wohnungslosigkeit; die Eigentumswohnung könne belastet werden.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Nachlassverbindlichkeiten seien zu übernehmen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden und die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Durch Ausschlagung des Erbes hätte er auf eine angemessene Unterkunft verzichtet. Eine Belastung der Wohnung sei nahezu unmöglich. Bei der Wohnung handle es sich um eine kostengünstige Unterkunft.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.03.2007 sowie den Bescheid vom 22.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 18.392,13 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 22.12.2006 idG des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten nach seinem Vater.
Streitig sind dabei allein Nachlassverbindlichkeiten, d.h. Erblasser- und Erbfallschulden. Das Erbe des Klägers bestand aus der Eigentumswohnung mit einem Wert von ca. 90.000,- EUR und aus den sich bis dahin angehäuften Schulden des Vaters sowie den Kosten des Erbfalles (u.a. Beerdigungskosten).
Diese Verbindlichkeiten sind gemäß § 23 Abs 1 SGB II nicht zu erstatten. Hiernach erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfsbedürftigen ein entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen noch nach § 12 Abs 2 Nr 4 (SGB II) noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Die Nachlassverbindlichkeiten sind kein von den Regelleistungen, die der Kläger erhält, umfasster Bedarf. Bei den sogenannten Erblasserschulden handelt es sich vielmehr um einen Bedarf des verstorbenen Vaters. Die Erbfallschulden (z.B. Beerdigungskosten) sind kein Bedarf, der im Rahmen der Regelleistung berücksichtigt worden ist.
Auch gemäß § 22 Abs 5 SGB II in der ab 01.04.2006 geänderten Fassung - § 5 Abs 2 SGB VI in der bis 31.03.2006 geltenden Fassung iVm § 34 Abs 1 SGB XII ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar und kann daher nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden (vgl. LSG Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2006 - L 15 B 84/06 SO ER -, Beschluss vom 22.06.2006 - L 25 B 459/06 AS ER) - besteht kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten nach seinem Vater.
Nach § 22 Abs 5 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 1 (SGB II) ist vorrangig anzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
§ 22 Abs 5 SGB II betrifft von seinem Sinn und Zweck her lediglich Schulden, die sich aus dem Miet- und Eigentumsverhältnis ergeben. Eine allgemeine Verschuldung genügt nicht (vgl. Schmidt in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 22 SGB II RdNr 141). § 22 Abs 5 SGB II stellt insoweit eine Sonderregelung für Miet- und Energieschulden dar (Kalhorn in Hauck/Noftz SGB II § 22 RdNr 72, vgl. auch BT-Drs 16/688 S 14), nicht jedoch eine Regelung zur Übernahme allgemeiner Schulden. Mietschulden stellen allenfalls die Nachzahlung bzgl. der Betriebskosten dar. Mit der Übernahme allein dieser Schulden (ca. 1.192,- EUR lt. Aufstellung des Klägers) kann jedoch die Unterkunft nicht dauerhaft gesichert werden, denn der bei weitem größte Teil der Schulden ergibt sich aus anderen Bereichen. Es handelt sich nämlich um Nachlassverbindlichkeiten nach dem Tod des Vaters des Klägers. Zum Teil gehen diese Schulden auf Verbindlichkeiten, die vor dem Tod oder durch den Tod der Mutter entstanden sind, zurück. Diesen Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 18.392,13 EUR standen im Erbfall Aktiva in Form der ererbten Eigentumswohnung in Höhe von mindestens 90.000,- EUR gegenüber. Es sind keine Schulden des Klägers im Rahmen seiner Unterkunftskosten. Dabei gehörte die Wohnung im Zeitpunkt des Erbfalles nicht zum Schonvermögen des Klägers, vielmehr hat er als Alleinerbe das Erbe, bestehend aus Aktiva und Passiva, erhalten. Es ist nicht Aufgabe des SGB II dafür zu sorgen, dass Erben lediglich das positive Erbvermögen erhalten, während die Schulden durch die Allgemeinheit zu tragen sind. Eine Rechtfertigung der Übernahme der bestehenden Schulden ergibt sich aber insbesondere auch deshalb nicht, weil der Kläger durch Belastung der abbezahlten Eigentumswohnung und Aufnahme eines Kredites die bestehenden Schulden begleichen kann.
Unabhängig davon, dass es sich vorliegend weder um Schulden aus dem Miet- und Eigenumtsverhältnis handelt, noch die Übernahme rückständiger Nebenkosten nicht zur dauerhaften Sicherung der Unterkunft führt, ist auch eine vergleichbare Notlage nicht gegeben. Diese Notlage muss sich nämlich ihrem Inhalt und Wesen nach mit der Gefährdung der Unterkunft vergleichen lassen, auch wenn es sich nicht auf die Unterkunft selbst bezieht. Sie muss den Existenzbereich des Hilfebedürftigen betreffen, etwa die Energieversorgung oder die Wohnraumausstattung, die durch Übernahme der Schulden erhalten werden kann (vgl. VGH BaWü Urteil vom 13.01.1993 - 6 S 2619/91). Dies ist hier nicht der Fall.
Im Übrigen steht es dem Kläger frei, diese Eigentumswohnung zu verkaufen, die Schulden zu bezahlen und sich eine günstigere Wohnung vom Restgeld zu kaufen oder in eine Mietwohnung zu ziehen. Die Gefahr von Obdachlosigkeit im Sinne des § 22 Abs 5 S 2 SGB II besteht daher ebenfalls nicht. Der Kläger kann sich aus der von ihm angenommenen Notlage durch Einsatz seiner Vermögenswerte - auch wenn es sich bei der Eigentumswohnung um Schonvermögen handelt - befreien. Er hatte und hat hierzu ausreichend zeitlichen Spielraum. Eine Zwangsräumung der Wohnung steht weder unmittelbar bevor noch ist diese absehbar. Nachdem kein direkter Zusammenhang zwischen den Schulden und der Wohnung besteht - eine Vollstreckung durch Gläubiger bedarf erst weiterer Handlungen - und auch Obdachlosigkeit nicht konkret droht - Vollstreckungsmaßnahmen, die einen Auszug des Klägers als unmittelbar bevorstehend erscheinen lassen, sind noch nicht durchgeführt worden -, sind die Schulden des Klägers im Rahmen des § 22 Abs 5 SGB II nicht zu übernehmen.
Ansprüche gemäß §§ 73, 74 SGB XII bzw. § 34 SGB XII richten sich nicht gegen die Beklagte.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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