S 23 AS 298/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 298/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 95/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Es wird festgestellt, dass das Verfahren S 23 AS 15/06 erledigt ist. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Verfahrens S 23 AS 15/06.

Gegenstand des Rechtsstreits S 23 AS 15/06 ist eine Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 11.08.2005 und des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2005 begehrte. Mit diesen hatte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II) und Sozialgeld nach §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 ff., 28 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II in Höhe von 926,00 Euro aufgehoben bzw. zurückgenommen und die Klägerin zur Erstattung eines entsprechenden Betrages aufgefordert.

Anlässlich eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten am 22.09.2006 schlossen die Beteiligten auf Anregung des Gerichts einen Vergleich, nach dem die Beklagte die Bescheide abänderte, die Erstattungsforderung auf einen Betrag von 400,00 Euro reduzierte und der Klägerin die Möglichkeit einräumte, diesen ab dem Monat Januar 2007 in monatlichen Raten von 15,00 Euro zurückzuzahlen. Die Klägerin erklärte sich hiermit einverstanden und betrachtete den Rechtsstreit als erledigt. Der Termin hatte um 10:44 Uhr begonnen und endete um 11:36 Uhr.

Das Verfahren wurde als durch gerichtlichen Vergleich erledigt ausgetragen.

Am 27.09.2006 erklärte die Klägerin, ihr sei keine ausreichende Gelegenheit gegeben worden, die relevanten Sachverhalte darzustellen. Auch habe der Beklagtenvertreter zugegeben, dass eine falsche Sachbearbeitung vorgenommen worden sei. Sie wolle das Angebot, nur noch einen Betrag in Höhe von 400,00 Euro erstatten zu müssen, offen lassen, bis in einem Protokoll die Gründe für die fehlerhafte Bearbeitung der Beklagten dokumentiert würden. Im Übrigen bitte sie um Verbindung des Verfahrens mit dem Verfahren S 23 SO 61/06. Dessen Gegenstand ist eine Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 13.04.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 begehrt. Mit diesen hatte die Stadt O die Bewilligung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 01.07.2004 bis 31.10.2004 in Höhe von 187,00 Euro zurückgenommen und die Klägerin zur Erstattung eines entsprechenden Betrages aufgefordert.

Aufgrund der Erklärung der Klägerin vom 27.09.2006 ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 23 AS 298/06 neu eingetragen worden. Das Gericht hat den Beteiligten mitgeteilt, dass es die Ausführungen der Klägerin als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens werte.

Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, die Angelegenheiten würden vermischt. Sie bitte um eine gemeinsame Verhandlung beider Verfahren.

Anlässlich eines gemeinsamen Termins zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten in dem Verfahren S 23 AS 298/06 sowie zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten und zur Beweisaufnahme in dem Verfahren S 23 SO 61/06 am 17.04.2007 hat die Klägerin wiederum die Auffassung vertreten, dass beide Verfahren in einem Zusammenhang stünden und verbunden werden müssten. Auch sei die Erstattungsforderung der Beklagten bereits teilweise beglichen. Sie könne auch nicht akzeptieren, dass die Beklagte und die Stadt O wegen derselben Angelegenheit zweimal Erstattungen von ihr verlangten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass das Verfahren S 23 AS 15/06 nicht erledigt ist.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und keine ergänzenden Ausführungen gemacht.

Mit Schreiben vom 24.04.2007 hat das Gericht der Klägerin mitgeteilt, dass es das Verfahren S 23 AS 15/06 aufgrund des Vergleichs vom 22.09.2006 als beendet und erledigt ansehe. Der Vergleich sei weder aus prozessrechtlichen noch aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam. Eine Unwirksamkeit ergebe sich weder aus § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch aus § 779 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Vergleich sei auch nicht gemäß §§ 119 ff. BGB anfechtbar. Das Gericht hat seine Absicht erklärt, den Rechtsstreit gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und festzustellen, dass das Verfahren S 23 AS 15/06 erledigt sei. Die Klägerin hat ebenso wie die Beklagte, der eine Durchschrift des Schreibens erhalten hat, Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22.05.2007 erhalten.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.05.2007 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt.

Die Klägerin hat am 22.05.2007 erklärt, sie halte an ihrer Auffassung fest, dass der Gegenstand der anhängigen Verfahren der gleiche sei. Im Übrigen sei ihr dem Verfahren S 23 AS 15/06 zugrundeliegendes Begehren vom Gericht nur unzureichend behandelt worden. Es existiere noch ein Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 13.04.2006, der erst nach Klageerhebung erteilt worden sei. Die Klägerin hat einen Vorschlag zur Beendigung aller Verfahren in Aussicht gestellt und angekündigt, diesen handschriftlich nachzutragen. Sie hat um Fristverlängerung bis zum 29.05.2007 gebeten.

Das Gericht hat die Klägerin unter dem 15.06.2007, 10.07.2007 und 14.08.2007 vergeblich an die ergänzenden Ausführungen erinnert. Mit weiterem Schreiben vom 26.09.2007, das der Klägerin am 01.10.2007 zugestellt worden ist, hat es die Klägerin letztmalig an die Einreichung der am 22.05.2007 angekündigten ergänzenden Ausführungen erinnert und ihr eine Frist bis zum 22.10.2007 eingeräumt. Das Gericht hat mitgeteilt, dass es nach Ablauf der Frist beabsichtige, gemäß seinem Schreiben vom 24.04.2007 durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Die Klägerin hat am 25.10.2007 einen weiteren Schriftsatz eingereicht und geltend gemacht, dass die gegenwärtige Beklagte bei Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 noch nicht existiert habe. Krankheit habe sie daran gehindert, ihrer Erklärung vom 23.05.2007 weitere Ausführungen hinzuzufügen.

Das Gericht hat zu dem Verfahren die Akte des Verfahrens S 23 SO 61/06 beigezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten und der Stadt O Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.

Die nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderliche Anhörung der Beteiligten ist mit dem Schreiben des Gerichts vom 24.04.2007 an beide Beteiligte und mit dem weiteren Schreiben des Gerichts vom 26.09.2007 an die Klägerin erfolgt.

Beide Beteiligte haben von der Gelegenheit zur Stellungnahme Gebrauch gemacht.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.05.2007 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt.

Die Klägerin hat am 23.05.2007 die Ansicht geäußert, dass das Verfahren S 23 AS 15/06 mit dem Verfahren S 23 SO 61/06 in einem Zusammenhang stehe, der eine gemeinsame Verhandlung gebiete. Auch sei ihr dem Verfahren S 23 AS 15/06 zugrundeliegendes Begehren nur unzureichend gewürdigt worden und habe nicht durch Vergleich erledigt werden können. Die Klägerin hat weitere Ausführungen angekündigt, die trotz dreier Erinnerungen des Gerichts bis zum Ablauf der im Schreiben vom 26.09.2007 gesetzten Frist nicht eingegangen sind. Lediglich mit dem am 25.10.2007 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin reagiert und ergänzend darauf abgestellt, dass die gegenwärtige Beklagte nicht Verfasserin des aufgehobenen bzw. zurückgenommenen Bewilligungsbescheides für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 gewesen sei, da sie noch nicht existiert habe.

Die Einwände hindern das Gericht nicht an einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Denn das Anhörungserfordernis bezweckt lediglich, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, Gründe für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorzubringen oder Beweisanträge zu stellen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 105 Rdn. 10). Diese Möglichkeit ist den Beteiligten eröffnet worden.

§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt weiter voraus, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Zu berücksichtigen ist, dass das Begehren der Klägerin als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu werten ist. Denn es handelt es sich um einen Streit über die Wirksamkeit einer verfahrensbeendenden Erklärung, aufgrund dessen die Rechtshängigkeit des Verfahrens rückwirkend wieder auflebt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.06.2006, L 4 B 1/06 R).

Die Beteiligten haben anlässlich des Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 22.09.2006 einen Vergleich geschlossen. Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Bescheid vom 11.08.2005 und den Widerspruchsbescheid vom 16.12.2005 abgeändert und ihre Erstattungsforderung auf einen Betrag in Höhe von 400,00 Euro reduziert. Die Klägerin hat sich hiermit einverstanden erklärt und den Rechtsstreit als erledigt betrachtet.

Daraufhin hat die Klägerin am 27.09.2006 erklärt, dass sie den Vergleich als nicht bindend ansehe, sondern offen lassen wolle.

Der Antrag der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Verfahren S 23 AS 15/06 ist durch den Vergleich vom 22.09.2006 erledigt.

Dieser ist weder aus prozessrechtlichen noch aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam.

Die Beteiligten waren hinsichtlich des Gegenstandes der Klage gemäß § 101 SGG verfügungsberechtigt. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs die örtlich zuständige Trägerin der Leistungen nach dem SGB II, deren Bewilligung mit den streitgegenständlichen Bescheiden aufgehoben bzw. zurückgenommen und deren Erstattung verlangt worden waren. Dass sie lediglich im Wege der Rechtsnachfolge an die Stelle der die Bewilligung aussprechenden Behörde getreten ist, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich.

Der Vergleich ist auch nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Danach ist ein Vergleich unwirksam, wenn der als feststehend zugrundegelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Die Beteiligten sind von einem feststehenden Sachverhalt ausgegangen, der zutreffend war. Streitig war, ob die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bewilligung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hatte. Entgegen der Behauptung der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass die Erstattungsforderung der Beklagten bereits beglichen ist. Sofern die Klägerin auf einen nach Klageerhebung, die am 16.01.2006 stattgefunden hatte, erteilten Bescheid vom 13.04.2006 Bezug nimmt, ist dieser nicht Gegenstand des Verfahrens.

Der Vergleich ist auch nicht nach §§ 119 ff BGB anfechtbar. Die Klägerin beruft sich allein auf einen unbeachtlichen Motivirrtum. Sie hat nachträglich eingewandt, dass ihr im Rahmen des Termins keine ausreichende Gelegenheit gegeben worden sei, die relevanten Sachverhalte darzustellen. Dagegen spricht die Dauer des Termins von 10:44 Uhr bis 11:36 Uhr. Sofern die Klägerin andeuten will, dass ihr das Wort abgeschnitten worden sei, ist dies nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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