L 7 SO 5078/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 5209/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5078/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kostenerstattung; Bagatellgrenze; Verjährung
Könnte ein Kostenerstattungsanspruch zwischen verschiedenen Trägern der Sozialhilfe wegen im Übrigen eingetretener Verjährung nur noch in einer Höhe von unter 2.560,00 € geltend gemacht werden, scheitert er an der so genannten Bagtellgrenze. Maßgeblich ist im Rahmen dieser Kostengrenze (hier: § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG) nur der rechtlich realisierbare und nicht der tatsächlich aufgewendete Kostenbetrag. Auf die Gesamthöhe der Aufwendungen innerhalb des maßgeblichen Jahreszeitraums kommt es nicht an.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Kostenerstattung nach § 107 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) mit Blick auf die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG.

Die hilfesuchenden S.K. (im Folgenden: S.K.) und ihre minderjährigen Töchter V. , N. und L. (geb. 1994, 1996 und 1998) wohnten ab Mitte Februar 1998 bis zu ihrem am 1. Oktober 1999 erfolgten Umzug in den Bereich der klagenden Stadt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, wo sie durch die Außenstelle K. des Kreissozialamts Sozialhilfe erhielten. In der Zeit ab 6. Oktober 1999 bis zum erneuten Umzug (Dezember 2003) leistete die Klägerin - mit Unterbrechungen - Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen in Form laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU), einmaliger Beihilfen sowie Krankenhilfe für S.K. und ihre drei Töchter sowie für das im April 2001 geborene vierte Kind A ...

Mit Schreiben vom 6. April 2000 (Eingang beim Beklagten am 12. April 2000) beantragte die Klägerin Kostenerstattung für die vier Hilfeempfängerinnen gemäß § 107 BSHG für die Zeit ab 1. Oktober 1999 für die Dauer von zwei Jahren. Schließlich bezifferte die Klägerin den nunmehr für die Zeit von Oktober 1999 bis Mai 2001 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch in einem weiteren Schreiben vom 21. Mai 2002 (Eingang 24. Mai 2002) mit 12.012,25 Euro und legte hierzu Kostenaufstellungen bei. Hierauf sowie auf die Erinnerungsschreiben vom 14. November 2002, 18. Oktober und 8. Dezember 2005 erhielt die Klägerin keine Antwort vom Beklagten.

Am 22. Dezember 2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie die Erstattung eines Betrags von 2.172,79 Euro zuzüglich Zinsen gefordert hat. Sie hat vorgebracht, dass mit der Klage nur noch die Aufwendungen vom 1. Januar bis 31. Mai 2001 in der vorgenannten Höhe geltend gemacht würden, weil die Kosten für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 31. Dezember 2000 verjährt seien. Die für diese Zeit eingetretene Verjährung sei hinsichtlich der allein noch verlangten Kostenerstattung für den übrigen Zeitraum mit Blick auf den Bagatellgrenzbetrag rechtlich unerheblich; maßgeblich sei vielmehr, dass dieser Grenzbetrag bereits in den ersten zwölf Monaten der Leistungsgewährung überschritten gewesen sei. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten; eine Erstattung sei ausgeschlossen, weil ein Teilbetrag der Kostenerstattungsforderung verjährt sei und hinsichtlich des übrigen Zeitraums die Bagatellgrenze von 2.560 Euro unterschritten sei. Mit Urteil vom 19. Mai 2006 hat das SG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.172,79 Euro nebst 4 v.H. Jahreszinsen hieraus ab 22. Dezember 2005 zu zahlen; die Berufung hat es nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Vorschrift des § 111 Abs. 2 BSHG sei so zu verstehen, dass Kosten unterhalb der Grenze von 2.560 Euro von vornherein nicht zu erstatten seien; der Anspruch nach § 107 BSHG entstehe in diesen Fällen schon gar nicht. Die Bagatellgrenze lasse sich jedoch nicht mit der Einrede der Verjährung vergleichen oder gar in ihren Vorteilen kombinieren; vielmehr bleibe es trotz der von der Klägerin berücksichtigten Verjährung dabei, dass die Bagatellgrenze bezogen auf den Zeitraum der Leistungsgewährung überschritten gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das dem Beklagten am 22. Juni 2006 zugestellte Urteil verwiesen.

Auf die vom Beklagten am 19. Juli 2006 beim Landessozialgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 4. Oktober 2006 (L 7 SO 3623/06 NZB) zugelassen. Das Verfahren ist sodann als Berufungsverfahren fortgesetzt worden (L 7 SO 5078/06).

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten von Klägerin und Beklagtem, die Klageakte des SG (S 4 SO 5209/05) sowie die Senatsakten (L 7 SO 3623/06 NZB und L 7 SO 5078/06) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingeleitete Rechtsmittelverfahren war nach Zulassung der Berufung durch den Senat (Beschluss vom 4. Oktober 2006) als Berufungsverfahren fortzusetzen, ohne dass es einer Berufungseinlegung durch den Beklagten bedurft hat (vgl. § 145 Abs. 5 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Der Klägerin steht ein im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) durchsetzbarer, auf § 107 BSHG gestützter Kostenerstattungsanspruch nicht zu, weil mit dem Erstattungsbetrag von 2.172,79 Euro die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG nicht erreicht ist.

Nach der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des § 107 Abs. 1 BSHG, die hier mangels übergangsrechtlicher Vorschriften noch anwendbar ist, weil die Hilfegewährung an S.K. und ihre drei minderjährigen Töchter im Zeitpunkt des Inkrafttretens des - eine vergleichbare Regelung nicht mehr enthaltenden - Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) am 1. Januar 2005 bereits abgeschlossen war (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 10), ist der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nach dem Umzug einer Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Die Verpflichtung nach Abs. 1 entfällt, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war; sie endet spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel (§ 107 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BSHG). Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Nach der hier zu beachtenden Bestimmung des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG (in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983)) sind Kosten unter 2.560 Euro, bezogen auf einen Zeitraum der Leistungsgewährung von zwölf Monaten, außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungsgewährung nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG nicht zu erstatten. Die Begrenzung auf 2.560 Euro gilt, wenn die Kosten für die Mitglieder eines Haushalts im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BSHG zu erstatten sind, abweichend von Satz 1 für die Mitglieder des Haushalts zusammen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG).

Die Voraussetzung des § 107 Abs. 1 BSHG ist vorliegend gegeben, denn S.K. und ihre drei Töchter, deren Hilfebedürftigkeit auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, haben nach ihrem zum 1. Oktober 1999 erfolgten Umzug aus dessen Zuständigkeitsbereich bei der Klägerin am 6. Oktober 1999 Sozialhilfe beantragt und diese seinerzeit in Form der HLU sowie einer einmaligen Bekleidungsbeihilfe, in den folgenden Monaten auch in Form der Krankenhilfe sowie weiterer Einmalhilfen erhalten. Die Klägerin hat ferner den Unterbrechungstatbestand des § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG beachtet und deshalb in ihrem Schreiben vom 21. Mai 2002 mit Blick darauf, dass für die Hilfesuchenden für die Monate Juni und Juli 2001 keine Hilfen erbracht worden sind, für die Zeit ab August 2001 von vornherein sowie für S.K., die bereits seit Dezember 1999 keine HLU und einmalige Beihilfen, sondern nur noch Krankenhilfe erhalten hatte, schon für die Zeit nach April 2000 keine Kostenerstattung mehr verlangt. Die Klägerin hat außerdem ihren Erstattungsanspruch mit dem - am 12. April 2000 beim Beklagten eingegangenen - Schreiben vom 6. April 2000 über die nach § 37 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) anwendbare Vorschrift des § 111 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X - (in der vor Inkrafttreten der Neufassung durch das 4. Euro-Einführungsgesetz bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; vgl. zum Übergangsrecht Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1300 § 111 Nr. 1; BVerwG Buchholz 435.12 § 111 SGB X Nr. 3) ausreichend geltend gemacht (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 9; BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 - B 2 U 29/03 R - (juris)); die Ausschlussfrist des § 111 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist mithin gewahrt. Dennoch scheidet ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin vorliegend aus. Dem Erstattungsanspruch steht die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG entgegen, die als materiellrechtliche Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs (vgl. BVerwG Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 10) von Amts wegen zu beachten ist.

Dabei kommt es hier nicht darauf an, dass die Bagatellgrenze unter Einbeziehung aller vier Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft (S.K. und ihre drei minderjährigen Töchter) bereits im ersten Jahr der Hilfegewährung schon ohne die Einzelhilfen (zur Zusammenrechnung aller Aufwendungen vgl. aber W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Auflage, § 111 Rdnr. 31; W. Schellhorn in W. Schellhorn/H. Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 110 Rdnr. 26 (jeweils unter Verweis auf BSGE 60, 195 = SozR 1300 § 110 Nr. 1)) überschritten gewesen sein dürfte (zur Festlegung des maßgeblichen Zeitraums vgl. BVerwGE 112, 294; BVerwG Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 7). Offenbleiben kann ferner, ob von der Ausdehnung der Bagatellgrenze (§ 111 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG) nur die laufende HLU an die Mitglieder des Haushalts, nicht jedoch auch andere Hilfearten erfasst werden (so W. Schellhorn/H. Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 30; W. Schellhorn in W. Schellhorn/H. Schellhorn/Hohm, a.a.O., Rdnr. 25; Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII K § 110 Rdnr. 13; a.A. Schoch in LPK-BSHG, 6. Auflage, § 111 Rdnr. 30; ders. in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 110 Rdnr. 27). Denn mit dem von der Klägerin bereits mit der Klageschrift nur noch begehrten Erstattungsbetrag für den Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 2.172,79 Euro - mehr hatte sie gerichtlich wegen angenommener Verjährung des Anspruchs auf Erstattung der Aufwendungen für den übrigen Zeitraum (Oktober 1999 bis Dezember 2000) von vornherein nicht verlangt - ist die Bagatellgrenze von 2.560 Euro nicht erreicht; die Einrede der Verjährung hat der Beklagte überdies im Schriftsatz vom 30. Januar 2006 auch wirksam erhoben.

Die Auffassung der Beteiligten zur Verjährung des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum von Oktober 1999 bis Dezember 2000 ist im Übrigen zutreffend. Zwar enthielt das BSHG nur bis 30. Juni 1983 in § 113 BSHG eine eigene Regelung zur Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen (vgl. aber jetzt wieder § 111 SGB XII); über § 37 SGB I unmittelbar anzuwenden war indes ab 1. Juli 1983 die durch Gesetz vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450) eingeführte und in dieser Fassung bis 31. Dezember 2000 geltende Vorschrift des § 113 SGB X, die in Abs. 1 bestimmte, dass Erstattungs- und Rückerstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährten, in dem sie entstanden waren. Im Gefolge der Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X über den Beginn der Ausschlussfrist ist durch das 4. Euro-Einführungsgesetz allerdings auch die Verjährungsregelung des § 113 Abs. 1 SGB X geändert worden; ebenso wie nunmehr § 111 Satz 2 SGB X n.F. stellt auch § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X n.F. für den Beginn der - weiterhin vierjährigen - Verjährungsfrist auf die Kenntnisnahme des erstattungsberechtigten Leistungsträgers von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers ab. Diese Verjährungsregelung war freilich auf die Kostenerstattungsfälle der §§ 103 ff. BSHG nicht zugeschnitten, denn hier trifft nur der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe, nicht jedoch der erstattungspflichtige Sozialhilfeträger eine Verwaltungsentscheidung (i.d.R ein Bewilligungsbescheid; vgl. Kater in Kasseler Kommentar SGB X § 111 Rdnrn. 10 f., § 113 Rdnr. 8); dies hatte zur Folge, dass die Regelung - ausgehend von ihrem Wortlaut - auf die Kostenerstattungsverfahren der Träger der Sozialhilfe nicht mehr unmittelbar angewendet werden konnte. Diese Konsequenz hatte der Gesetzgeber freilich nicht beabsichtigt (vgl. auch Bundestags-Drucksache 15/1514 S. 69 (zu § 100)), sodass eine planwidrige schließungsbedürftige Regelungslücke entstanden war; dies trifft auch auf den vorliegenden Streitfall zu, denn der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin war jedenfalls am 31. Dezember 2000 noch nicht nach § 113 SGB X a.F. verjährt (vgl. zur Übergangsvorschrift des § 120 Abs. 2 SGB X nochmals BSG SozR 4-1300 § 111 Nr. 1; BVerwG Buchholz 435.12 § 111 SGB X Nr. 3). Zu prüfen ist demnach, wie diese Gesetzeslücke zu schließen ist; die Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bieten sich insoweit nicht an, denn bei dem Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, für den in erster Linie im öffentlichen Recht eine vergleichbare Konzeption zu suchen ist. Bei Gleichheit der Wertungen und der Interessenlage mit den den Erstattungsfällen der §§ 102 ff. SGB X zugrunde liegenden Sachverhalten (vgl. hierzu BSG SozR 4-2600 § 225 Nr. 2) ist vielmehr eine Analogie zu § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X n.F. geboten (so auch - soweit ersichtlich - die überwiegende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; vgl. Niedersächs. Oberverwaltungsgericht (OVG), Urteil vom 10. April 2002 - 4 LB 3480/01 - FEVS 54, 64; Niedersächs. OVG, Urteil vom 23. Januar 2003 - 12 LC 527/02 - FEVS 54, 564; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Januar 2004 - 12 A 11823/03.OVG - FEVS 55, 424; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. März 2007 - 3 L 358/04 - (juris); Verwaltungsgericht (VG) Ansbach, Urteil vom 12. Mai 2005 - AN 14 K 02.01929 - (juris); ferner W. Schellhorn/H. Schellhorn, a.a.O., § 113 Rdnr. 6; Mergler/Zink, BSHG, § 111 Rdnr. 21; a.A. Lücking in Hauck/Noftz, a.a.O. K § 111 Rdnr. 3). Bei analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X n.F. entspricht es indes der Intention des Gesetzgebers (vgl. schon § 113 Abs. 1 SGB X a.F. und jetzt wieder § 111 Abs. 1 SGB XII; ferner Niedersächs. OVG, Urteile vom 10. April 2002 und 23. Januar 2003 a.a.O.), für den Beginn der Verjährung auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen, in dem der Anspruch entstanden ist; dies ist der Zeitpunkt, in dem der Träger die Leistung tatsächlich erbracht hat und ihm die tatsächlichen Kosten entstanden sind (vgl. BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 9; BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 a.a.O. (jeweils m.w.N.)). Da die Klägerin die Sozialhilfe regelmäßig zu Monatsanfang geleistet hatte und dies auch im Dezember 2000 der Fall war (vgl. zur HLU und der Weihnachtsbeihilfe für diesen Monat die Anlage zum Bescheid vom 28. November 2000, Bl. 285 ff. der Akte der Klägerin), war der Erstattungsanspruch jeweils mit der Zahlung an die Hilfeempfänger - mithin auch für Dezember 2000 in diesem Monat - entstanden.

Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist mithin für die Zeit von Oktober 1999 bis Dezember 2000 - mangels Vorliegen von Hemmungs- oder Unterbrechungstatbeständen - verjährt. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede; sie hat deshalb bereits mit der Klage - ungeachtet der später wirksam erhobenen Einrede der Verjährung durch den Beklagten - nur noch den unverjährten Teil ihres Erstattungsanspruchs begehrt. Unverjährt ist sonach mit Blick auf die Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung am 22. Dezember 2005 (vgl. § 113 Abs. 2 SGB X (in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 2002 - BGBl. I S. 2167) i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (in der Fassung des Gesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138)) nur der Zeitraum von Januar bis Mai 2001, für den die Klägerin noch Kostenerstattung geltend gemacht hat.

Mit ihrem Verlangen nach Kostenerstattung in Höhe von 2.172,79 Euro für den allein streitbefangenen Zeitraum vermag die Klägerin jedoch nicht durchzudringen, denn dieser Betrag unterschreitet die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG. Entgegen der Auffassung des SG und der Klägerin können die verjährten Kostenerstattungsansprüche bei der Ermittlung der Bagatellgrenze keine Berücksichtigung finden. Denn maßgeblich im Rahmen der Kostengrenze des § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist nur der rechtlich realisierbare und nicht der tatsächlich aufgewendete Kostenbetrag (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juli 2006 - L 7 SO 2100/06 NZB -). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der Regelungen in § 111 Abs. 1 und 2 BSHG, dem Sinn und Zweck der Kostenbegrenzung sowie der historischen Entwicklung der Norm. Wie der Beklagte zu Recht angeführt hat, spricht lediglich § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG von den "aufgewendeten Kosten", während demgegenüber in § 111 Abs. 2 Satz 1 BSHG hinsichtlich des Bagatellbetrags allein auf die "Kosten" abgehoben wird (so im Übrigen auch jetzt wieder § 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB XII); hieraus ist zwanglos zu folgern, dass alle Kosten, deren Erstattung - aus welchem Grunde auch immer - ausgeschlossen ist, in die Berechnung der Bagatellgrenze nicht mit einfließen können. Bereits das BVerwG hat hervorgehoben, dass eine Bagatellgrenzenregelung nur sinnvoll ist, wenn es unterhalb der Grenze keine Erstattung und nur oberhalb der Grenze eine volle Erstattung gibt (vgl. BVerwGE 112, 294). Dies entspricht dem Zweck der Begrenzungsregelung und der Entwicklungsgeschichte der Norm, die der Begrenzung der verwaltungsaufwändigen Kostenerstattungsfälle und der Vereinfachung des Kostenerstattungsverfahrens unter Verringerung der zuvor zahlreichen Konfliktfälle zwischen den Trägern der Sozialhilfe dienen soll (vgl. Bundestags-Drucksache 12/4401 S. 84 (zu Nr. 17); ferner BVerwGE 112, 294; BVerwG Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 7). Dem vorgenannten Ziel der Begrenzung der Kostenerstattung sollte ferner durch die mit Wirkung vom 1. Januar 1994 durch Gesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) erfolgte deutliche Erhöhung der Bagatellgrenze von 400 DM auf 5.000 DM in § 111 Abs. 2 BSHG zusätzlich Rechnung getragen werden (vgl. nochmals Bundestags-Drucksache 12/4401 a.a.O.; zur Gesetzesentwicklung ferner Mergler/Zink, a.a.O., Rdnr. 2).

Dem gesetzgeberischen Ziel der Begrenzung und Vereinfachung der Kostenerstattungsfälle würde es indes zuwiderlaufen, wenn in allen Fällen, in denen der realisierbare Erstattungsbetrag unterhalb der Bagatellgrenze liegt, dennoch geprüft werden müsste, ob die Kostengrenze unter Berücksichtigung weiterer tatsächlicher Aufwendungen, deren Erstattung ausgeschlossen ist, gleichwohl erreicht werden könnte (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2002 - 12 A 11536/01 - FEVS 53, 47). Gerade das Erfordernis normativer Klarheit und Vorhersehbarkeit, das im Rahmen der Bagatellgrenzenregelung zu beachten ist (vgl. nochmals BVerwG Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 7), verlangt eine eindeutige Grenzziehung. Dies bedeutet, dass die Aufwendungen, deren Geltendmachung Umstände wie etwa die Versäumung einer Ausschlussfrist oder die Einrede der Verjährung entgegenstehen oder sonstige Fälle, in denen das Erstattungsverhältnis als abgeschlossen anzusehen ist (vgl. hierzu BVerwG Buchholz 436.0 § 111 BSHG Nr. 10), bei der Ermittlung des Bagatellbetrags nicht berücksichtigt werden können (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juli 2006 a.a.O.; ferner OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2002 a.a.O.; VG Neustadt, Urteil vom 5. Juli 2001 - 4 K 2049/00.NW; VG Magdeburg, Urteil vom 25. Juni 2003 - 6 A 759/02 -; VG des Saarlandes, Urteil vom 8. Mai 2006 - 3 K 178/05 - (alle juris); ebenso wohl Schiefer in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 110 SGB XII Rdnr. 22; a.A. VG Braunschweig, Urteil vom 13. Mai 2004 - 3 A 524/03 - (juris)).

Mit dem von der Klägerin wegen Verjährung ihrer Aufwendungen im Zeitraum von Oktober 1999 bis Dezember 2000 nur noch verlangten Erstattungsbetrag von 2.172,79 Euro wird die Bagatellgrenze von 2.560 Euro nach allem nicht erreicht. Die Berufung des Beklagten hat daher schon aus diesem Grunde Erfolg; auf die Frage der Verzinsungspflicht von Erstattungsansprüchen (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 19. September 2007 - B 1 KR 39/06 R - (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) einerseits; BVerwGE 114, 61 andererseits) kommt es deswegen nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung; von den von der Klägerin zu tragenden Kosten sind neben denjenigen des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens auch diejenigen für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als Bestandteil der Kostenentscheidung umfasst (vgl. BSG SozR 1500 § 193 Nr. 7).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), weil eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berücksichtigung verjährter Kostenerstattungsansprüche im Rahmen der nunmehr auch in § 110 Abs. 2 SGB XII enthaltenen Bagatellgrenzenregelung nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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