Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AY 2794/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 3271/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, den Klägern ab 5. April 2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren erhöhte Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1968 geborene Kläger zu 1 und die 1967 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet und Eltern der 1986, 1989, 1991 und 1996 geborenen Kläger zu 3 bis 6. Die Kläger haben die serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit, stammen aus dem Kosovo und gehören zur Volksgruppe der Roma. Im Jahr 2001 kamen sie als Bürgerkriegsflüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland und stellten am 19. April 2001 Asylanträge. Die Asylverfahren sind seit dem 13. Juli 2004 unanfechtbar negativ abgeschlossen (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Juli 2002); seit dem 13. August 2004 sind die Kläger vollziehbar ausreisepflichtig. Sie sind im Besitz von ausländerrechtlichen Duldungen und beziehen seit dem 19. April 2001 Leistungen nach dem AsylbLG. Zunächst waren die Kläger vom 12. Juni 2001 bis 14. August 2005 in einer Gemeinschaftsunterkunft in Sch. untergebracht, seit 15. August 2005 bewohnen sie eine Individualunterkunft.
Am 5. April 2005 beantragten die Kläger "ab sofort" die Gewährung erhöhter Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Mit Bescheid vom 3. Mai 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Kläger hätten ihre Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, weil eine freiwillige Rückkehr ins Heimatland möglich und auch zumutbar sei. Der ethnischen Minderheit der Roma sei die freiwillige Rückkehr möglich und auch zumutbar. Die Kläger erhoben hiergegen Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2005 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 11. Juli 2005 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Gleichzeitig mit der Klage beantragten die Kläger beim SG einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 20. September 2005 lehnte das SG den Antrag ab (S 3 AY 2796/05 ER). Auf die Beschwerde der Kläger änderte der Senat den Beschluss des SG und verpflichtete den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, den Klägern ab 11. Juli 2005 vorläufig bis zum 11. Januar 2006 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu gewähren. Mit Bescheid vom 21. November 2005 hat der Beklagte den Beschluss des Senats ausgeführt.
Zur Begründung der Klage haben die Kläger vorgetragen, sie hätten die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Zumindest seit den Märzunruhen im Jahr 2004 im Kosovo habe nicht davon ausgegangen werden können, dass Volkszugehörigen der Roma eine freiwillige Rückkehr in den Kosovo zumutbar gewesen sei (unter Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2005 - InfAuslR 2005, 74 ff.). Zwar sollten Abschiebungen auch von Volkszugehörigen der Roma nach einem Schreiben des Innenministeriums vom 23. Mai 2005 grundsätzlich zwischenzeitlich wieder möglich sein, das Innenministerium beschränke die Möglichkeit der Abschiebung jedoch auf Straftäter, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden seien. Auch eine freiwillige Rückkehr von Roma komme nicht in Betracht.
Mit Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2006 hat das SG den Beklagten verurteilt, den Klägern die Asylbewerberleistungen in Höhe der Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG sei schon vom Wortsinn her nur dann gegeben, wenn die Betroffenen ihre Ausreise in vorwerfbarer Weise vereitelten, z.B. durch Vernichtung von Ausweispapieren. Das bloße Gebrauchmachen von einer Duldung erfülle nicht den Tatbestand des Missbrauchs.
Hiergegen richtet sich die am 28. Juni 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Beklagten. Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber nur zwischen denjenigen Ausländern unterscheide, die unverschuldet nicht ausreisen könnten einerseits und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen andererseits. Die Vorschriften, die der Angleichung an europäisches Recht (Richtlinie (RL) 2003/9/EG vom 27. Januar 2003) dienen sollten, seien so zu verstehen, dass auch derjenige "die Dauer des Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst" habe, der nicht ausgereist sei, obgleich er zumutbar hätte ausreisen können. Die rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer sei nicht notwendigerweise eine Steigerung gegenüber der bloßen Nichtbefolgung der Ausreisepflicht, sondern könne schon in einem solchen Verhalten selbst liegen. Der Ausreiseverpflichtung stünden weder tatsächliche noch rechtliche Ausreisehindernisse entgegen. Auch die internationale Zivilverwaltung im Kosovo (UNMIK) halte eine freiwillige Rückkehr der Minderheiten der Ashkali, Ägypter, Roma und Serben in den Kosovo nicht nur für möglich und zumutbar, sondern fördere diese aktiv mit dem ausdrücklichen Ziel der Herstellung eines multiethnischen Kosovo. Es entspreche auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Ausreise aller Roma und nicht nur schwerer Straftäter, rechtlich und tatsächlich möglich sei (unter Hinweis auf VGH München, Urteil vom 29. Juli 2005 - 22 B 01.30739 -; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 13. Mai 2005 - 13 LA 92/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Mai 2005 - 13 A 4539/04.A - (alle juris)).
Nach Ansicht des Beklagten könne die Tatsache, dass die Kläger im Jahr 2001 u.a. mit einem fünf- und neunjährigen Kind ins Bundesgebiet eingereist seien, alleine nicht zu einem Bleiberecht führen bzw. nicht die Voraussetzungen für den Wegfall eines rechtsmissbräuchlichen Aufenthalts schaffen. Wäre dies der Fall, müssten alle geduldeten Ausländer, die Kinder im Bundesgebiet geboren hätten oder mit kleinen Kindern eingereist seien, automatisch auf erhöhte Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylblG umgestellt werden, sobald die 36 Monate Leistungsbezug nach § 3 AsylblG nachgewiesen seien. Soweit die Kläger auf die hervorragend gelungene Integration der Kinder abstellten, werde darauf hingewiesen, dass gegen den Kläger zu 5 am 28. November 2003 Anzeige wegen räuberischer Erpressung und am 3. August 2005 Anzeige wegen Diebstahls erhoben worden sei. Die Verfahren seien eingestellt worden. Nicht ausreichend dürfte auch sein, wenn sich nur die Kinder in Schule und hiesige Lebensverhältnissen integriert hätten. Es sollte auch eine Integration der Eltern erfolgt sein. Der Kläger zu 1 sei während des gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet nie einer Erwerbstätigkeit, auch nicht einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen; er habe sich auch nie um eine solche bemüht. Die Klägerin zu 2 sei von Juni bis Dezember 2002 und Februar bis April 2003 bei einer Bäckerei in Sch. geringfügig beschäftigt gewesen (Nettolohn monatlich 200,00 EUR). Danach habe sie sich nicht mehr um andere Arbeitsstellen bemüht. Solche fehlenden Bemühungen zeigten tendenziell auf, dass die Kläger kaum an einer ernsthaften Integration in die hiesige Gesellschaft interessiert seien. Der Kläger zu 3 sei vom 8. November 2004 bis 21. September 2005 bei einer Firma D. Teil-Endmontagen geringfügig beschäftigt gewesen (Nettolöhne unter 400,00 EUR). Nach Mitteilung der Ausländerbehörde seien darüber hinaus keine weiteren Arbeitsbemühungen ersichtlich, es lägen keine Nachweise vor, wonach einer der Kläger bei einem Kfz-Betrieb eine Ausbildungsstelle hätte antreten können.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach nicht lediglich auf die bloße tatsächliche Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in das Heimatland abzustellen, sondern leistungsrechtlich zu prüfen sei, ob die Ausreise dem betroffenen Ausländer auch zumutbar sei. Nach dem BSG sei die Ausreise nicht erst seit zielstaatsbezogenen Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben, also bei Abschiebungshindernissen im Sinne des § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gegeben, sondern auch weniger gewichtige Gründe könnten die Ausreise unzumutbar machen. Ein solcher Bleibegrund könne die besondere Situation von Ausländern sein, die sich bereits seit mehreren Jahren in Deutschland aufhielten und sich bereits in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert hätten (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R - (juris)). Dies sei vorliegend der Fall. Die Kläger seien im Jahr 2001 als Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland eingereist. Der Kläger zu 6 sei damals gerade fünf Jahre alt, der Kläger zu 5 neun Jahre alt gewesen. Diese beiden hätten im Kosovo nie eine Schule besucht, ihre Schulausbildung habe lediglich in Deutschland stattgefunden. Die Kläger zu 3 und 4 hätten im Kosovo die Schule begonnen, beide hätten ihren Schulabschluss jedoch in Deutschland mit Erfolg gemacht. Der Kläger zu 1 habe sogar bereits eine Ausbildungsstelle in einem Kfz-Betrieb gefunden, habe diese jedoch nicht antreten können, da ihm hierfür keine Arbeitserlaubnis erteilt worden sei. Alle Kinder, insbesondere die Kläger zu 5 und 6 hätten keinerlei Bindungen zum Kosovo mehr. Sie seien in Deutschland aufgewachsen bzw. hätten den wichtigsten und bewussten Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht. Durch den langjährigen Aufenthalt seien sie in die hiesigen Lebensverhältnisse hineingewachsen. Die Kläger zu 3 bis 6 unterhielten sich ausschließlich auf deutsch miteinander, mit den Klägern zu 1 und 2 sprächen sie die Romasprache. Lediglich die Kläger zu 1 und 2 verfügten über bruchstückhafte Albanisch- und Serbischkenntnisse. Die Kläger zu 3 und 4 verstünden zwar albanisch, könnten diese Sprache jedoch weder sprechen noch lesen oder schreiben. Die Kläger zu 5 und 6 hätten keinerlei albanische oder serbische Sprachkenntnisse. Die Kläger bewohnten mittlerweile eine von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Privatwohnung und seien in ihrer Nachbarschaft gut integriert. Vor allem die Kinder hätten deutsche Freunde, mit denen sie einen großen Teil ihrer Freizeit verbrächten. Eine Rückkehr in das Kosovo sei den Klägern, vor allem den Klägern zu 3 bis 6 aufgrund ihrer hervorragend gelungenen Integration nicht zumutbar. Insbesondere für die Kläger zu 5 und 6 hätte dies zur Folge, dass sie einer ihnen völlig entfremdeten und fremdartigen Umgebung ausgesetzt wären. Aus diesem Grund sei auch den Klägern zu 1 und 2 die Ausreise in das Kosovo unzumutbar, weil dies entweder zur Folge hätte, dass sie ihre minderjährigen Kinder in Deutschland zurücklassen oder diese zum unzumutbaren Wechsel in das Kosovo zwingen müssten. Ergänzend haben die Kläger Schulberichte der Grundschule über den Kläger zu 6, eine Halbjahresinformation der Förderschule über den Kläger zu 5 und Abschlusszeugnisse, gleichwertig einem Hauptschulabschluss der Kläger zu 3 und 4 vorgelegt. Der Kläger zu 3 gehe seit dem 15. Juni 2007 einer geringfügigen Beschäftigung in einer Reinigungsfirma nach, er suche derzeit eine Vollzeitbeschäftigung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG, die Berufungsakte des Senats sowie die Akten des SG und des Senats zum Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen für den gesamten Zeitraum ab Antragstellung am 5. April 2005 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Zwar sind Sozialhilfeleistungen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung keine rentenähnlichen Dauerleistungen, sondern Hilfe in einer besonderen Notsituation, die deshalb grundsätzlich nicht über längere, sondern nur für die nächstliegende Zeit bewilligt werden. Die Behörde kann deshalb ihre Entscheidung über ein Hilfebegehren auf einen kurzen Zeitraum beschränken, sie ist aber auch nicht gehindert, den Sozialhilfefall für einen längeren Zeitraum zu regeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 39, 261, 265; 89, 81). Maßgebend ist der erkennbare Regelungswille der Behörde (vgl. zur Annahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung im Bereich des Asylbewerberleistungsrechts: BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 19. Juni 2007 - L 11 AY 59/06 - und 18. September 2007 - L 11 AY 77/06 - (beide juris)). Die Kläger haben vorliegend neben dem Leistungsbezug einen eigenständigen Antrag auf Gewährung höherer Leistungen gestellt, entsprechend hat der Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2005 verfügt: "Es können keine Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt werden. Sie erhalten weiterhin Grundleistungen nach § 3 AsylbLG." Damit hat der Beklagte ausdrücklich neben der aktuellen Leistungsgewährung und unabhängig hiervon eine grundlegende Regelung über die Leistungsberechtigung der Kläger nach § 2 AsylbLG getroffen. Es handelt sich ersichtlich eine Entscheidung mit Dauerwirkung, die nicht auf einen bestimmten Leistungszeitraum beschränkt ist.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, den Klägern dem Grunde nach Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren. Da das SG jedoch den Leistungsbeginn im Tenor der Entscheidung nicht geregelt hat, war die Berufung insoweit mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die beantragten Leistungen ab 5. April 2005 (Antragstellung) zu gewähren sind.
Einer Verurteilung zur Gewährung höherer Leistungen steht nicht die Bestandskraft von Bewilligungsbescheiden über die Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG entgegen. Denn aufgrund der Vorabentscheidung des Beklagten über die Anspruchsberechtigung nach § 2 AsylbLG dem Grunde nach mussten die Kläger nicht gegen jede folgende Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG, die konkludent oder im Wege wiederholender Verfügung die Gewährung höherer Leistungen ablehnt, Widerspruch einlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 5 C 2/97 - FEVS 48, 535). Durch die Vorabentscheidung hat der Beklagte eine grundlegende Entscheidung über die Berechtigung der Kläger zum Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG getroffen und diese Frage damit aus dem Regelungsgehalt der nachfolgenden Zeitabschnittsbewilligungen ausgegliedert. Es handelt sich insoweit um eine eigenständige, von der laufenden Leistungsbewilligung abtrennbare Verfügung. Die gesonderte Regelung und nachfolgende gerichtliche Überprüfbarkeit allein des geltend gemachten Anspruchs auf Leistungen nach § 2 AsylbLG entspricht auch den Interessen der Beteiligten und ist von diesen ausdrücklich gewollt (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstands BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr. 1 Rdnr. 8). Erst bei eindeutiger Neuregelung dieser grundlegenden Frage durch den Beklagten hätte es der erneuten Erhebung eines Widerspruchs bedurft. Eine solche Entscheidung hat der Beklagte jedoch nicht getroffen, hierfür bestand mangels Änderung der für den Beklagten maßgeblichen Umstände auch kein Anlass.
Die Kläger gehören als Besitzer von Duldungen nach § 60a AufenthG zum Kreis der in § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG genannten Leistungsberechtigten. Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 AsylbLG (in der Fassung des Art. 8 Nr. 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 - BGBl. I S. 1950) besteht Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII, wenn die Leistungsberechtigten insgesamt 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer ihrer Aufenthalte in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die ab 28. August 2007 geltende Neufassung der Vorschrift (Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Gesetz vom 19. August 2007 - BGBl. I S. 1970), welche einen Vorbezug von Leistungen über 48 Monate fordert, findet mangels Übergangsvorschrift Anwendung ab ihrem Inkrafttreten. Dies gilt jedoch nicht rückwirkend für bereits abgeschlossene Sachverhalte, das heißt für Fälle, bei denen die Leistungsberechtigten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 28. August 2007 - wie hier - bereits 36 Monate des Vorbezugs von Grundleistungen erfüllt hatten. Minderjährige Kinder, wie die Kläger zu 5 und 6 und für einen Teilzeitraum der Kläger zu 4, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach § 2 Abs. 1 nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Abs. 1 erhält. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Sämtliche Kläger haben über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Sie sind für den gesamten Zeitraum auch hilfebedürftig, wie sich bereits aus dem durchgehenden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG ergibt. Entgegen der Auffassung des Beklagten haben die Kläger die Dauer ihres Aufenthalts auch nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst.
Zwar ist unter rechtsmissbräuchlicher Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer nach der Rechtsprechung des BSG auch eine von der Rechtsordnung missbilligte, subjektiv vorwerfbare und zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechtsposition, die ein Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erlangt hat, zu verstehen. Hierzu zählt der Verbleib eines Ausländers in Deutschland, dem es möglich und zumutbar wäre, auszureisen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.). Wer, wie die Kläger, als Ausländer für den Aufenthalt im Bundesgebiet nicht über einen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 1 AufenthG) verfügt, ist unverzüglich oder bis zum Ablauf einer ihm gesetzten Frist zur Ausreise verpflichtet (§ 50 Abs. 1 und 2 AufenthG). Kommt er dem nicht nach, ist die Ausreise zwangsweise durchzusetzen; der Ausländer wird abgeschoben (§ 58 Abs. 1 AufenthG). Wenn dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, wird die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Die Ausreisepflicht bleibt durch die Duldung jedoch unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Der weitere Verbleib im Bundesgebiet stellt somit nicht nur die Nutzung einer durch die Duldung eingeräumten Rechtsposition dar, sondern diese "Nutzung" ist untrennbar mit einem Verstoß gegen die fortbestehende Ausreisepflicht verbunden, berücksichtigt man den vollstreckungsrechtlichen Charakter einer Duldung (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.).
Allerdings handelten die Kläger vorliegend gleichwohl nicht rechtsmissbräuchlich, da es ihnen nicht zumutbar war und ist auszureisen. Diese negative Anspruchsvoraussetzung ist dann offensichtlich erfüllt, wenn den Leistungsberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. September 2007 - L 15 B 12/07 AY ER - (juris)). Denn dies darf gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG nur erfolgen, wenn Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert sind. Ein Verschulden liegt nach Satz 4 vor, wenn die Ausländer falsche Angaben gemacht, über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt haben. Vorliegend wurde den Klägern - soweit ersichtlich - bisher eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, nach Mitteilung der Prozessbevollmächtigten der Kläger wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG inzwischen beantragt. Nach Abschluss der Asylverfahren war den Klägern die Ausreise jedoch schon wegen der Lage im Kosovo nicht zumutbar, so dass sie insoweit nicht rechtsmissbräuchlich handelten (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2005, a.a.O.). Zwar liegen Gefahren im Sinne von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG bei einer Rückkehr in den Kosovo für Angehörige der Roma im hier streitigen Zeitraum nicht (mehr) vor (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Urteil vom 17. April 2007 - 10 LC 262/05 - (juris)). Denn insgesamt hat sich die allgemeine Sicherheitslage im Kosovo seit März 2005 verbessert (UNHCR-Position von Juni 2006), nachdem aufgrund der pogromartigen Ausschreitungen der albanischen Bevölkerungsmehrheit gegen die Roma im März 2004 die Lage vorübergehend deutlich ungünstiger war (vgl. UNHCR-Position vom 30. März 2004; Senatsbeschluss vom 15. November 2005, a.a.O.).
Unzumutbar ist die Ausreise indes nicht erst bei zielstaatsbezogenen Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben, also bei Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG, sondern auch bei weniger gewichtigen Gründen (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.). Aktuell wird die Rückkehr vom UNHCR nach wie vor nur auf strikt freiwilliger Basis befürwortet. Für die zwangsweise Rückführung verurteilter Straftäter wurde zwischen der internationalen Zivilverwaltung im Kosovo (UNMIK) und der Bundesrepublik Deutschland ein Memorandum of Understanding (MoU) vereinbart, welches die zwangsweise Rückführung von Minderheiten in sehr behutsamer Weise mit einem aufwändigen Verfahren regelt, welches ein individuelles Screeningverfahren der UNMIK beinhaltet (vgl. Kosovo-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15. Februar 2007 - Gz. 508-516.80/3 SRB - S. 25 f.). Tatsächlich wurden in der Zeit von Mai bis September 2005 lediglich 14 straffällig gewordene Roma zurückgeführt (Kosovo-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. Juni 2006 - Gz. 508-516.80/3 SCG - S. 26). Freiwillig kehrten im Jahr 2006 laut UNHCR 1.562 Minderheitenangehörige in den Kosovo zurück, davon 295 Roma. Insgesamt ist der Rückkehrprozess nahezu zum Stillstand gekommen (vgl. Kosovo-Lagebericht vom 15. Februar 2007, a.a.O., S. 17). Ob bereits angesichts der derzeitigen Lage im Kosovo ein Verbleiben der Kläger im Bundesgebiet nicht als rechtsmissbräuchlich zu betrachten wäre, kann letztlich dahingestellt bleiben, denn den Klägern ist die Ausreise aus anderen Gründen nicht zumutbar.
Als weiterer Grund für eine Unzumutbarkeit der Ausreise ist insbesondere eine Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland zu sehen. Liegt eine derartige Integration vor, dass die Ausreise in das Herkunftsland etwa einer Auswanderung nahekäme, mag zwar das Aufenthaltsrecht darauf keine Rücksicht nehmen, falls es gelingt, diese Ausländer eines Tages doch noch abzuschieben. Bis dahin wird dem Ausländer seine Nichtausreise leistungsrechtlich aber nicht vorwerfbar und der weitere - geduldete - Aufenthalt in Deutschland deshalb nicht rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.). Welche Kriterien für die Frage einer ausreichenden Inlandsintegration in Bezug auf die leistungsrechtliche Privilegierung erfüllt sein müssen, ist bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärt. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird in Bezug auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG diskutiert, inwieweit Ausländern, die sich bereits seit längerer Zeit im Bundesgebiet aufhalten, unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Rückkehr in ihr Heimatland zugemutet werden kann (vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Januar 2006 - 13 S 2220/05 - ZAR 2006, 142; Hessischer VGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 7 TG 106/06 - NVwZ-RR 2006, 826; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Februar 2006 - 7 B 10020/06 - InfAuslR 2006, 274; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 1. September 2006 - 8 LA 101/06 - (juris)). Dabei wird unter Rückgriff auf Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, 683, 953/ II 1954, 14 (EMRK)) ausgeführt, dass nach dieser Vorschrift ein Recht auf Achtung des Privatlebens besteht, welches dem Individuum eine Sphäre sichern soll, in der es die Entwicklung und Erfüllung seiner Persönlichkeit anstreben kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 (Sisojeva) - InfAuslR 2005, 349) stellt auch eine Aufenthaltsbeendigung bzw. die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts jedenfalls dann einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Privatleben dar, wenn der Ausländer über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat verfügt. Dies kommt für Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsort verbunden sind, dass sie quasi deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, somit faktisch die Bundesrepublik Deutschland das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit dem Heimatland nur das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2006, a.a.O.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 11 K 5363/03 - InfAuslR 2006, 14). Die mit einem mehrjährigen Aufenthalt regelmäßig einhergehende Gewöhnung an die Verhältnisse im Aufenthaltsstaat kann für sich genommen nicht ausreichen, für erforderlich gehalten werden vielmehr neben einer mehrjährigen Aufenthaltsdauer auch gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, die etwa durch Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, einen festen Wohnsitz, ausreichende Mittel, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, in sozialen Kontakten und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Februar 2006, a.a.O.).
Nach Auffassung des Senats können diese Kriterien, die für die Frage eines Aufenthaltsrechts maßgeblich sind, für die hier allein zu entscheidende Frage, ob Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen besteht, nur eingeschränkt übernommen werden. Insbesondere kann eine wirtschaftliche Integration (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2006, a.a.O.) nicht verlangt werden, denn dann liefe der Anwendungsbereich des § 2 AsylbLG weitgehend leer.
Im vorliegenden Fall kam der Kläger zu 6 als Vierjähriger, der Kläger zu 5 als Zehnjähriger, der Kläger zu 4 als Zwölfjähriger und der Kläger zu 3 als Vierzehnjähriger ins Bundesgebiet. Dem Kläger zu 6 sind somit die Verhältnisse im Heimatland weitgehend unbekannt, der Kläger zu 5 ist aufgrund seines Alters im wesentlichen durch die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sozialisiert, die Kläger zu 3 und 4 haben hier einen wesentlichen Teil ihrer Jugendzeit verbracht und ihre Schulausbildung abgeschlossen. An das Heimatland noch bestehende Bindungen sind bei den Klägern zu 3 bis 6 nicht ersichtlich. Lediglich die Kläger zu 3 und 4 verstehen nach den Angaben der Kläger die albanische Sprache, können diese jedoch weder sprechen noch schreiben oder lesen. Der Kläger zu 3 geht derzeit einer geringfügigen Beschäftigung nach und sucht nach eigenen Angaben eine Vollzeitstelle. Der Kläger zu 4 hat seinen Hauptschulabschluss im Juli 2006 gemacht, seither geht er keiner Beschäftigung nach. Der Kläger zu 5 besucht derzeit die J.-F.-Schule Z. (Förderschule). Soweit gegen ihn nach Mitteilung des Beklagten Anzeige wegen räuberischer Erpressung und Diebstahl erhoben wurde, kann daraus nicht auf eine fehlende Integration geschlossen werden, da keine rechtskräftige Verurteilung erfolgte, sondern die Verfahren eingestellt wurden. Der Kläger zu 6 besucht eine Grundschule. Bezüglich der Kläger zu 3 bis 6 ist der Senat davon überzeugt, dass diese aufgrund ihres inzwischen knapp achtjährigen Aufenthalts in Deutschland hier sprachlich, sozial und schulisch so stark deutsch geprägt worden sind, dass sie bei Übersiedlung in den Kosovo einer ihnen völlig entfremdeten bzw. fremdartigen Umgebung ausgesetzt wären. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Kläger zu 3 bis 6 untereinander deutsch sprechen, sich folglich in dieser Sprache besser ausdrücken können als in der Romasprache und die von der Bevölkerungsmehrheit im Kosovo gesprochene albanische Sprache teilweise überhaupt nicht beherrschen.
Im Gegensatz dazu erscheint dem Senat eine vergleichbare Inlandsintegration der Kläger zu 1 und 2 nicht vorzuliegen. Insoweit ist auch von den Klägern nichts vorgetragen worden. Gleichwohl ist auch ihnen die Ausreise unzumutbar, da sie ansonsten entweder ihre minderjährigen Kinder (aktuell nur noch die Kläger zu 5 und 6) in Deutschland zurücklassen oder zum unzumutbaren Wechsel in das Kosovo zwingen müssten. Zwar folgt nach der Konzeption des Ausländerrechts das Aufenthaltsrecht der Kinder bis zum 16. Lebensjahr dem der Eltern (vgl. §§ 35 Abs. 1 und 80 Abs. 1 AufenthG), womit auch die Integrationsfähigkeit der Kinder in andere Lebensverhältnisse generell unterstellt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2006, a.a.O.; Hessischer VGH, Urteil vom 21. September 1994 - 10 UE 548/94 - NVwZ-RR 1995, 163). Auch insoweit weichen jedoch die Maßstäbe für die hier entscheidende leistungsrechtliche Fragestellung von der ausländerrechtlichen Beurteilung ab; schon die Integration der Kinder führt zu einer Unzumutbarkeit der Ausreise für die Eltern (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.).
Die Kläger haben nach alledem dem Grunde nach Anspruch auf die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die angefochtene Entscheidung des SG ist daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren erhöhte Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1968 geborene Kläger zu 1 und die 1967 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet und Eltern der 1986, 1989, 1991 und 1996 geborenen Kläger zu 3 bis 6. Die Kläger haben die serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit, stammen aus dem Kosovo und gehören zur Volksgruppe der Roma. Im Jahr 2001 kamen sie als Bürgerkriegsflüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland und stellten am 19. April 2001 Asylanträge. Die Asylverfahren sind seit dem 13. Juli 2004 unanfechtbar negativ abgeschlossen (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. Juli 2002); seit dem 13. August 2004 sind die Kläger vollziehbar ausreisepflichtig. Sie sind im Besitz von ausländerrechtlichen Duldungen und beziehen seit dem 19. April 2001 Leistungen nach dem AsylbLG. Zunächst waren die Kläger vom 12. Juni 2001 bis 14. August 2005 in einer Gemeinschaftsunterkunft in Sch. untergebracht, seit 15. August 2005 bewohnen sie eine Individualunterkunft.
Am 5. April 2005 beantragten die Kläger "ab sofort" die Gewährung erhöhter Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Mit Bescheid vom 3. Mai 2005 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Kläger hätten ihre Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, weil eine freiwillige Rückkehr ins Heimatland möglich und auch zumutbar sei. Der ethnischen Minderheit der Roma sei die freiwillige Rückkehr möglich und auch zumutbar. Die Kläger erhoben hiergegen Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2005 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 11. Juli 2005 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Gleichzeitig mit der Klage beantragten die Kläger beim SG einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 20. September 2005 lehnte das SG den Antrag ab (S 3 AY 2796/05 ER). Auf die Beschwerde der Kläger änderte der Senat den Beschluss des SG und verpflichtete den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, den Klägern ab 11. Juli 2005 vorläufig bis zum 11. Januar 2006 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu gewähren. Mit Bescheid vom 21. November 2005 hat der Beklagte den Beschluss des Senats ausgeführt.
Zur Begründung der Klage haben die Kläger vorgetragen, sie hätten die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Zumindest seit den Märzunruhen im Jahr 2004 im Kosovo habe nicht davon ausgegangen werden können, dass Volkszugehörigen der Roma eine freiwillige Rückkehr in den Kosovo zumutbar gewesen sei (unter Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2005 - InfAuslR 2005, 74 ff.). Zwar sollten Abschiebungen auch von Volkszugehörigen der Roma nach einem Schreiben des Innenministeriums vom 23. Mai 2005 grundsätzlich zwischenzeitlich wieder möglich sein, das Innenministerium beschränke die Möglichkeit der Abschiebung jedoch auf Straftäter, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden seien. Auch eine freiwillige Rückkehr von Roma komme nicht in Betracht.
Mit Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2006 hat das SG den Beklagten verurteilt, den Klägern die Asylbewerberleistungen in Höhe der Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG sei schon vom Wortsinn her nur dann gegeben, wenn die Betroffenen ihre Ausreise in vorwerfbarer Weise vereitelten, z.B. durch Vernichtung von Ausweispapieren. Das bloße Gebrauchmachen von einer Duldung erfülle nicht den Tatbestand des Missbrauchs.
Hiergegen richtet sich die am 28. Juni 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Beklagten. Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber nur zwischen denjenigen Ausländern unterscheide, die unverschuldet nicht ausreisen könnten einerseits und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen andererseits. Die Vorschriften, die der Angleichung an europäisches Recht (Richtlinie (RL) 2003/9/EG vom 27. Januar 2003) dienen sollten, seien so zu verstehen, dass auch derjenige "die Dauer des Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst" habe, der nicht ausgereist sei, obgleich er zumutbar hätte ausreisen können. Die rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer sei nicht notwendigerweise eine Steigerung gegenüber der bloßen Nichtbefolgung der Ausreisepflicht, sondern könne schon in einem solchen Verhalten selbst liegen. Der Ausreiseverpflichtung stünden weder tatsächliche noch rechtliche Ausreisehindernisse entgegen. Auch die internationale Zivilverwaltung im Kosovo (UNMIK) halte eine freiwillige Rückkehr der Minderheiten der Ashkali, Ägypter, Roma und Serben in den Kosovo nicht nur für möglich und zumutbar, sondern fördere diese aktiv mit dem ausdrücklichen Ziel der Herstellung eines multiethnischen Kosovo. Es entspreche auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Ausreise aller Roma und nicht nur schwerer Straftäter, rechtlich und tatsächlich möglich sei (unter Hinweis auf VGH München, Urteil vom 29. Juli 2005 - 22 B 01.30739 -; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 13. Mai 2005 - 13 LA 92/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Mai 2005 - 13 A 4539/04.A - (alle juris)).
Nach Ansicht des Beklagten könne die Tatsache, dass die Kläger im Jahr 2001 u.a. mit einem fünf- und neunjährigen Kind ins Bundesgebiet eingereist seien, alleine nicht zu einem Bleiberecht führen bzw. nicht die Voraussetzungen für den Wegfall eines rechtsmissbräuchlichen Aufenthalts schaffen. Wäre dies der Fall, müssten alle geduldeten Ausländer, die Kinder im Bundesgebiet geboren hätten oder mit kleinen Kindern eingereist seien, automatisch auf erhöhte Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylblG umgestellt werden, sobald die 36 Monate Leistungsbezug nach § 3 AsylblG nachgewiesen seien. Soweit die Kläger auf die hervorragend gelungene Integration der Kinder abstellten, werde darauf hingewiesen, dass gegen den Kläger zu 5 am 28. November 2003 Anzeige wegen räuberischer Erpressung und am 3. August 2005 Anzeige wegen Diebstahls erhoben worden sei. Die Verfahren seien eingestellt worden. Nicht ausreichend dürfte auch sein, wenn sich nur die Kinder in Schule und hiesige Lebensverhältnissen integriert hätten. Es sollte auch eine Integration der Eltern erfolgt sein. Der Kläger zu 1 sei während des gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet nie einer Erwerbstätigkeit, auch nicht einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen; er habe sich auch nie um eine solche bemüht. Die Klägerin zu 2 sei von Juni bis Dezember 2002 und Februar bis April 2003 bei einer Bäckerei in Sch. geringfügig beschäftigt gewesen (Nettolohn monatlich 200,00 EUR). Danach habe sie sich nicht mehr um andere Arbeitsstellen bemüht. Solche fehlenden Bemühungen zeigten tendenziell auf, dass die Kläger kaum an einer ernsthaften Integration in die hiesige Gesellschaft interessiert seien. Der Kläger zu 3 sei vom 8. November 2004 bis 21. September 2005 bei einer Firma D. Teil-Endmontagen geringfügig beschäftigt gewesen (Nettolöhne unter 400,00 EUR). Nach Mitteilung der Ausländerbehörde seien darüber hinaus keine weiteren Arbeitsbemühungen ersichtlich, es lägen keine Nachweise vor, wonach einer der Kläger bei einem Kfz-Betrieb eine Ausbildungsstelle hätte antreten können.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach nicht lediglich auf die bloße tatsächliche Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise in das Heimatland abzustellen, sondern leistungsrechtlich zu prüfen sei, ob die Ausreise dem betroffenen Ausländer auch zumutbar sei. Nach dem BSG sei die Ausreise nicht erst seit zielstaatsbezogenen Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben, also bei Abschiebungshindernissen im Sinne des § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gegeben, sondern auch weniger gewichtige Gründe könnten die Ausreise unzumutbar machen. Ein solcher Bleibegrund könne die besondere Situation von Ausländern sein, die sich bereits seit mehreren Jahren in Deutschland aufhielten und sich bereits in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert hätten (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R - (juris)). Dies sei vorliegend der Fall. Die Kläger seien im Jahr 2001 als Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland eingereist. Der Kläger zu 6 sei damals gerade fünf Jahre alt, der Kläger zu 5 neun Jahre alt gewesen. Diese beiden hätten im Kosovo nie eine Schule besucht, ihre Schulausbildung habe lediglich in Deutschland stattgefunden. Die Kläger zu 3 und 4 hätten im Kosovo die Schule begonnen, beide hätten ihren Schulabschluss jedoch in Deutschland mit Erfolg gemacht. Der Kläger zu 1 habe sogar bereits eine Ausbildungsstelle in einem Kfz-Betrieb gefunden, habe diese jedoch nicht antreten können, da ihm hierfür keine Arbeitserlaubnis erteilt worden sei. Alle Kinder, insbesondere die Kläger zu 5 und 6 hätten keinerlei Bindungen zum Kosovo mehr. Sie seien in Deutschland aufgewachsen bzw. hätten den wichtigsten und bewussten Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht. Durch den langjährigen Aufenthalt seien sie in die hiesigen Lebensverhältnisse hineingewachsen. Die Kläger zu 3 bis 6 unterhielten sich ausschließlich auf deutsch miteinander, mit den Klägern zu 1 und 2 sprächen sie die Romasprache. Lediglich die Kläger zu 1 und 2 verfügten über bruchstückhafte Albanisch- und Serbischkenntnisse. Die Kläger zu 3 und 4 verstünden zwar albanisch, könnten diese Sprache jedoch weder sprechen noch lesen oder schreiben. Die Kläger zu 5 und 6 hätten keinerlei albanische oder serbische Sprachkenntnisse. Die Kläger bewohnten mittlerweile eine von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Privatwohnung und seien in ihrer Nachbarschaft gut integriert. Vor allem die Kinder hätten deutsche Freunde, mit denen sie einen großen Teil ihrer Freizeit verbrächten. Eine Rückkehr in das Kosovo sei den Klägern, vor allem den Klägern zu 3 bis 6 aufgrund ihrer hervorragend gelungenen Integration nicht zumutbar. Insbesondere für die Kläger zu 5 und 6 hätte dies zur Folge, dass sie einer ihnen völlig entfremdeten und fremdartigen Umgebung ausgesetzt wären. Aus diesem Grund sei auch den Klägern zu 1 und 2 die Ausreise in das Kosovo unzumutbar, weil dies entweder zur Folge hätte, dass sie ihre minderjährigen Kinder in Deutschland zurücklassen oder diese zum unzumutbaren Wechsel in das Kosovo zwingen müssten. Ergänzend haben die Kläger Schulberichte der Grundschule über den Kläger zu 6, eine Halbjahresinformation der Förderschule über den Kläger zu 5 und Abschlusszeugnisse, gleichwertig einem Hauptschulabschluss der Kläger zu 3 und 4 vorgelegt. Der Kläger zu 3 gehe seit dem 15. Juni 2007 einer geringfügigen Beschäftigung in einer Reinigungsfirma nach, er suche derzeit eine Vollzeitbeschäftigung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG, die Berufungsakte des Senats sowie die Akten des SG und des Senats zum Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen für den gesamten Zeitraum ab Antragstellung am 5. April 2005 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Zwar sind Sozialhilfeleistungen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung keine rentenähnlichen Dauerleistungen, sondern Hilfe in einer besonderen Notsituation, die deshalb grundsätzlich nicht über längere, sondern nur für die nächstliegende Zeit bewilligt werden. Die Behörde kann deshalb ihre Entscheidung über ein Hilfebegehren auf einen kurzen Zeitraum beschränken, sie ist aber auch nicht gehindert, den Sozialhilfefall für einen längeren Zeitraum zu regeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 39, 261, 265; 89, 81). Maßgebend ist der erkennbare Regelungswille der Behörde (vgl. zur Annahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung im Bereich des Asylbewerberleistungsrechts: BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 19. Juni 2007 - L 11 AY 59/06 - und 18. September 2007 - L 11 AY 77/06 - (beide juris)). Die Kläger haben vorliegend neben dem Leistungsbezug einen eigenständigen Antrag auf Gewährung höherer Leistungen gestellt, entsprechend hat der Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2005 verfügt: "Es können keine Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt werden. Sie erhalten weiterhin Grundleistungen nach § 3 AsylbLG." Damit hat der Beklagte ausdrücklich neben der aktuellen Leistungsgewährung und unabhängig hiervon eine grundlegende Regelung über die Leistungsberechtigung der Kläger nach § 2 AsylbLG getroffen. Es handelt sich ersichtlich eine Entscheidung mit Dauerwirkung, die nicht auf einen bestimmten Leistungszeitraum beschränkt ist.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, den Klägern dem Grunde nach Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren. Da das SG jedoch den Leistungsbeginn im Tenor der Entscheidung nicht geregelt hat, war die Berufung insoweit mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die beantragten Leistungen ab 5. April 2005 (Antragstellung) zu gewähren sind.
Einer Verurteilung zur Gewährung höherer Leistungen steht nicht die Bestandskraft von Bewilligungsbescheiden über die Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG entgegen. Denn aufgrund der Vorabentscheidung des Beklagten über die Anspruchsberechtigung nach § 2 AsylbLG dem Grunde nach mussten die Kläger nicht gegen jede folgende Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG, die konkludent oder im Wege wiederholender Verfügung die Gewährung höherer Leistungen ablehnt, Widerspruch einlegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 5 C 2/97 - FEVS 48, 535). Durch die Vorabentscheidung hat der Beklagte eine grundlegende Entscheidung über die Berechtigung der Kläger zum Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG getroffen und diese Frage damit aus dem Regelungsgehalt der nachfolgenden Zeitabschnittsbewilligungen ausgegliedert. Es handelt sich insoweit um eine eigenständige, von der laufenden Leistungsbewilligung abtrennbare Verfügung. Die gesonderte Regelung und nachfolgende gerichtliche Überprüfbarkeit allein des geltend gemachten Anspruchs auf Leistungen nach § 2 AsylbLG entspricht auch den Interessen der Beteiligten und ist von diesen ausdrücklich gewollt (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstands BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr. 1 Rdnr. 8). Erst bei eindeutiger Neuregelung dieser grundlegenden Frage durch den Beklagten hätte es der erneuten Erhebung eines Widerspruchs bedurft. Eine solche Entscheidung hat der Beklagte jedoch nicht getroffen, hierfür bestand mangels Änderung der für den Beklagten maßgeblichen Umstände auch kein Anlass.
Die Kläger gehören als Besitzer von Duldungen nach § 60a AufenthG zum Kreis der in § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG genannten Leistungsberechtigten. Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 AsylbLG (in der Fassung des Art. 8 Nr. 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 - BGBl. I S. 1950) besteht Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII, wenn die Leistungsberechtigten insgesamt 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer ihrer Aufenthalte in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die ab 28. August 2007 geltende Neufassung der Vorschrift (Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 Gesetz vom 19. August 2007 - BGBl. I S. 1970), welche einen Vorbezug von Leistungen über 48 Monate fordert, findet mangels Übergangsvorschrift Anwendung ab ihrem Inkrafttreten. Dies gilt jedoch nicht rückwirkend für bereits abgeschlossene Sachverhalte, das heißt für Fälle, bei denen die Leistungsberechtigten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 28. August 2007 - wie hier - bereits 36 Monate des Vorbezugs von Grundleistungen erfüllt hatten. Minderjährige Kinder, wie die Kläger zu 5 und 6 und für einen Teilzeitraum der Kläger zu 4, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach § 2 Abs. 1 nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Abs. 1 erhält. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Sämtliche Kläger haben über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Sie sind für den gesamten Zeitraum auch hilfebedürftig, wie sich bereits aus dem durchgehenden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG ergibt. Entgegen der Auffassung des Beklagten haben die Kläger die Dauer ihres Aufenthalts auch nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst.
Zwar ist unter rechtsmissbräuchlicher Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer nach der Rechtsprechung des BSG auch eine von der Rechtsordnung missbilligte, subjektiv vorwerfbare und zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechtsposition, die ein Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erlangt hat, zu verstehen. Hierzu zählt der Verbleib eines Ausländers in Deutschland, dem es möglich und zumutbar wäre, auszureisen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.). Wer, wie die Kläger, als Ausländer für den Aufenthalt im Bundesgebiet nicht über einen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 1 AufenthG) verfügt, ist unverzüglich oder bis zum Ablauf einer ihm gesetzten Frist zur Ausreise verpflichtet (§ 50 Abs. 1 und 2 AufenthG). Kommt er dem nicht nach, ist die Ausreise zwangsweise durchzusetzen; der Ausländer wird abgeschoben (§ 58 Abs. 1 AufenthG). Wenn dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, wird die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Die Ausreisepflicht bleibt durch die Duldung jedoch unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Der weitere Verbleib im Bundesgebiet stellt somit nicht nur die Nutzung einer durch die Duldung eingeräumten Rechtsposition dar, sondern diese "Nutzung" ist untrennbar mit einem Verstoß gegen die fortbestehende Ausreisepflicht verbunden, berücksichtigt man den vollstreckungsrechtlichen Charakter einer Duldung (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.).
Allerdings handelten die Kläger vorliegend gleichwohl nicht rechtsmissbräuchlich, da es ihnen nicht zumutbar war und ist auszureisen. Diese negative Anspruchsvoraussetzung ist dann offensichtlich erfüllt, wenn den Leistungsberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. September 2007 - L 15 B 12/07 AY ER - (juris)). Denn dies darf gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG nur erfolgen, wenn Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert sind. Ein Verschulden liegt nach Satz 4 vor, wenn die Ausländer falsche Angaben gemacht, über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt haben. Vorliegend wurde den Klägern - soweit ersichtlich - bisher eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, nach Mitteilung der Prozessbevollmächtigten der Kläger wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG inzwischen beantragt. Nach Abschluss der Asylverfahren war den Klägern die Ausreise jedoch schon wegen der Lage im Kosovo nicht zumutbar, so dass sie insoweit nicht rechtsmissbräuchlich handelten (vgl. Senatsbeschluss vom 15. November 2005, a.a.O.). Zwar liegen Gefahren im Sinne von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG bei einer Rückkehr in den Kosovo für Angehörige der Roma im hier streitigen Zeitraum nicht (mehr) vor (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Urteil vom 17. April 2007 - 10 LC 262/05 - (juris)). Denn insgesamt hat sich die allgemeine Sicherheitslage im Kosovo seit März 2005 verbessert (UNHCR-Position von Juni 2006), nachdem aufgrund der pogromartigen Ausschreitungen der albanischen Bevölkerungsmehrheit gegen die Roma im März 2004 die Lage vorübergehend deutlich ungünstiger war (vgl. UNHCR-Position vom 30. März 2004; Senatsbeschluss vom 15. November 2005, a.a.O.).
Unzumutbar ist die Ausreise indes nicht erst bei zielstaatsbezogenen Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben, also bei Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG, sondern auch bei weniger gewichtigen Gründen (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.). Aktuell wird die Rückkehr vom UNHCR nach wie vor nur auf strikt freiwilliger Basis befürwortet. Für die zwangsweise Rückführung verurteilter Straftäter wurde zwischen der internationalen Zivilverwaltung im Kosovo (UNMIK) und der Bundesrepublik Deutschland ein Memorandum of Understanding (MoU) vereinbart, welches die zwangsweise Rückführung von Minderheiten in sehr behutsamer Weise mit einem aufwändigen Verfahren regelt, welches ein individuelles Screeningverfahren der UNMIK beinhaltet (vgl. Kosovo-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15. Februar 2007 - Gz. 508-516.80/3 SRB - S. 25 f.). Tatsächlich wurden in der Zeit von Mai bis September 2005 lediglich 14 straffällig gewordene Roma zurückgeführt (Kosovo-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. Juni 2006 - Gz. 508-516.80/3 SCG - S. 26). Freiwillig kehrten im Jahr 2006 laut UNHCR 1.562 Minderheitenangehörige in den Kosovo zurück, davon 295 Roma. Insgesamt ist der Rückkehrprozess nahezu zum Stillstand gekommen (vgl. Kosovo-Lagebericht vom 15. Februar 2007, a.a.O., S. 17). Ob bereits angesichts der derzeitigen Lage im Kosovo ein Verbleiben der Kläger im Bundesgebiet nicht als rechtsmissbräuchlich zu betrachten wäre, kann letztlich dahingestellt bleiben, denn den Klägern ist die Ausreise aus anderen Gründen nicht zumutbar.
Als weiterer Grund für eine Unzumutbarkeit der Ausreise ist insbesondere eine Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland zu sehen. Liegt eine derartige Integration vor, dass die Ausreise in das Herkunftsland etwa einer Auswanderung nahekäme, mag zwar das Aufenthaltsrecht darauf keine Rücksicht nehmen, falls es gelingt, diese Ausländer eines Tages doch noch abzuschieben. Bis dahin wird dem Ausländer seine Nichtausreise leistungsrechtlich aber nicht vorwerfbar und der weitere - geduldete - Aufenthalt in Deutschland deshalb nicht rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.). Welche Kriterien für die Frage einer ausreichenden Inlandsintegration in Bezug auf die leistungsrechtliche Privilegierung erfüllt sein müssen, ist bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärt. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird in Bezug auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG diskutiert, inwieweit Ausländern, die sich bereits seit längerer Zeit im Bundesgebiet aufhalten, unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Rückkehr in ihr Heimatland zugemutet werden kann (vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Januar 2006 - 13 S 2220/05 - ZAR 2006, 142; Hessischer VGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 7 TG 106/06 - NVwZ-RR 2006, 826; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Februar 2006 - 7 B 10020/06 - InfAuslR 2006, 274; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 1. September 2006 - 8 LA 101/06 - (juris)). Dabei wird unter Rückgriff auf Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, 683, 953/ II 1954, 14 (EMRK)) ausgeführt, dass nach dieser Vorschrift ein Recht auf Achtung des Privatlebens besteht, welches dem Individuum eine Sphäre sichern soll, in der es die Entwicklung und Erfüllung seiner Persönlichkeit anstreben kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 (Sisojeva) - InfAuslR 2005, 349) stellt auch eine Aufenthaltsbeendigung bzw. die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts jedenfalls dann einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Privatleben dar, wenn der Ausländer über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat verfügt. Dies kommt für Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsort verbunden sind, dass sie quasi deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, somit faktisch die Bundesrepublik Deutschland das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit dem Heimatland nur das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2006, a.a.O.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 11 K 5363/03 - InfAuslR 2006, 14). Die mit einem mehrjährigen Aufenthalt regelmäßig einhergehende Gewöhnung an die Verhältnisse im Aufenthaltsstaat kann für sich genommen nicht ausreichen, für erforderlich gehalten werden vielmehr neben einer mehrjährigen Aufenthaltsdauer auch gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, die etwa durch Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, einen festen Wohnsitz, ausreichende Mittel, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, in sozialen Kontakten und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Februar 2006, a.a.O.).
Nach Auffassung des Senats können diese Kriterien, die für die Frage eines Aufenthaltsrechts maßgeblich sind, für die hier allein zu entscheidende Frage, ob Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen besteht, nur eingeschränkt übernommen werden. Insbesondere kann eine wirtschaftliche Integration (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2006, a.a.O.) nicht verlangt werden, denn dann liefe der Anwendungsbereich des § 2 AsylbLG weitgehend leer.
Im vorliegenden Fall kam der Kläger zu 6 als Vierjähriger, der Kläger zu 5 als Zehnjähriger, der Kläger zu 4 als Zwölfjähriger und der Kläger zu 3 als Vierzehnjähriger ins Bundesgebiet. Dem Kläger zu 6 sind somit die Verhältnisse im Heimatland weitgehend unbekannt, der Kläger zu 5 ist aufgrund seines Alters im wesentlichen durch die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sozialisiert, die Kläger zu 3 und 4 haben hier einen wesentlichen Teil ihrer Jugendzeit verbracht und ihre Schulausbildung abgeschlossen. An das Heimatland noch bestehende Bindungen sind bei den Klägern zu 3 bis 6 nicht ersichtlich. Lediglich die Kläger zu 3 und 4 verstehen nach den Angaben der Kläger die albanische Sprache, können diese jedoch weder sprechen noch schreiben oder lesen. Der Kläger zu 3 geht derzeit einer geringfügigen Beschäftigung nach und sucht nach eigenen Angaben eine Vollzeitstelle. Der Kläger zu 4 hat seinen Hauptschulabschluss im Juli 2006 gemacht, seither geht er keiner Beschäftigung nach. Der Kläger zu 5 besucht derzeit die J.-F.-Schule Z. (Förderschule). Soweit gegen ihn nach Mitteilung des Beklagten Anzeige wegen räuberischer Erpressung und Diebstahl erhoben wurde, kann daraus nicht auf eine fehlende Integration geschlossen werden, da keine rechtskräftige Verurteilung erfolgte, sondern die Verfahren eingestellt wurden. Der Kläger zu 6 besucht eine Grundschule. Bezüglich der Kläger zu 3 bis 6 ist der Senat davon überzeugt, dass diese aufgrund ihres inzwischen knapp achtjährigen Aufenthalts in Deutschland hier sprachlich, sozial und schulisch so stark deutsch geprägt worden sind, dass sie bei Übersiedlung in den Kosovo einer ihnen völlig entfremdeten bzw. fremdartigen Umgebung ausgesetzt wären. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Kläger zu 3 bis 6 untereinander deutsch sprechen, sich folglich in dieser Sprache besser ausdrücken können als in der Romasprache und die von der Bevölkerungsmehrheit im Kosovo gesprochene albanische Sprache teilweise überhaupt nicht beherrschen.
Im Gegensatz dazu erscheint dem Senat eine vergleichbare Inlandsintegration der Kläger zu 1 und 2 nicht vorzuliegen. Insoweit ist auch von den Klägern nichts vorgetragen worden. Gleichwohl ist auch ihnen die Ausreise unzumutbar, da sie ansonsten entweder ihre minderjährigen Kinder (aktuell nur noch die Kläger zu 5 und 6) in Deutschland zurücklassen oder zum unzumutbaren Wechsel in das Kosovo zwingen müssten. Zwar folgt nach der Konzeption des Ausländerrechts das Aufenthaltsrecht der Kinder bis zum 16. Lebensjahr dem der Eltern (vgl. §§ 35 Abs. 1 und 80 Abs. 1 AufenthG), womit auch die Integrationsfähigkeit der Kinder in andere Lebensverhältnisse generell unterstellt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2006, a.a.O.; Hessischer VGH, Urteil vom 21. September 1994 - 10 UE 548/94 - NVwZ-RR 1995, 163). Auch insoweit weichen jedoch die Maßstäbe für die hier entscheidende leistungsrechtliche Fragestellung von der ausländerrechtlichen Beurteilung ab; schon die Integration der Kinder führt zu einer Unzumutbarkeit der Ausreise für die Eltern (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.).
Die Kläger haben nach alledem dem Grunde nach Anspruch auf die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die angefochtene Entscheidung des SG ist daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
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