Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 29104/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin für den Bewilligungsabschnitt Dezember 2007 bis Mai 2008 weitere Leistungen in Höhe von 90,- EUR monatlich im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung nach § 328 SGB III auszuzahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragstellerin (Ast.) bezieht seit Mai 2007 aufstockend zu zwei Nebentätigkeiten mit einem schwankenden Einkommen Alg II. Für den Bewilligungszeitraum Mai bis November 2007 hatte der Antragsgegner (Ag.) im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung ein Durch-schnittseinkommen von 571 EUR Brutto abzüglich eines Freibetrages von 194,20 EUR angerechnet.
Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit dem die Ast. geltend machte, durchschnittlich nur über 475,- EUR Bruttoeinkommen zu verfügen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.10.2007).
Am 13.11.2007 hat die Klägerin Klage auf genaue Einkommensanrechnung und Nachzahlung der zuviel einbehaltenen Sicherheitsabschläge geltend gemacht.
Mit einem zeitgleich anhängig gemachten Eilantrag fordert sie eine Nachzahlung von 212,20 EUR. Sie habe aufgrund der Erwerbstätigkeiten Mehraufwendungen zu bestreiten und infolge der zu gering veranschlagten Alg II-Leistungen ihr Konto mit hohen Zinsforderungen überziehen müssen. Es sei zu erwarten, dass auch künftig zu viel auf das Alg II angerechnet werde.
Mit Bescheid vom 14.11.2007 hat der Ag. für den Folgeabschnitt Dezember 2007 bis Mai 2008 vorläufig 655 EUR Brutto/ 444 EUR Netto angerechnet.
Dem vom Gericht unterbreiteten Vergleichsvorschlag vom 19.11.2007 – Absenkung des Anrechnungsbetrages im künftigen Bewilligungsabschnitt auf 350,- EUR, endgültige Abrechnung des laufenden Bewilligungsabschnitts binnen drei Wochen – hält der Ag. die fehlende Eilbedürftigkeit entgegen. Mittels der Freibeträge stünde der Ast. mehr als das Existenz-minimum zu.
II. Der Eilantrag ist sachdienlich auszulegen als 1) Verpflichtung des Ag. auf unverzüglichen Erlass eines endgültigen Bewilligungsbescheides über den Zeitraum Mai bis Oktober 2007 sowie 2) Verpflichtung auf Erhöhung der vorläufigen Bewilligung im Zeitraum Dezember 2007 bis Mai 2008. Letzterer Antrag ist zulässig, da mit Erlass des Bewilligungsbescheides vom 14.11.2007 das ursprüngliche Anliegen auf vorbeugende Feststellung eines zu hohen Sicherheitseinbehalts ohne weiteres (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG) auf Erhöhung der vorläufig bewilligten Leistungen umgestellt werden konnte.
Der Antrag zu 2) ist auch begründet. Zwar ist der Ag. berechtigt, bei schwankendem Einkommen auf der Grundlage einer vorläufigen Durchschnittsberechnung ein fiktives Einkommen anzurechnen. Hierbei ist jedoch zur Wahrung einer laufenden Bedarfsdeckung darauf zu achten, dass der Durchschnittsbetrag nicht zu hoch angesetzt wird. Das ist hier jedoch geschehen, da bei der Bildung eines Gesamtbrutto mit Abzug der Freibeträge nach §§ 11, 30 SGB II von diesem Brutto übersehen wurde, dass das Einkommen bei der GmbH RV-pflichtig ist und zur Durchschnittsberechnung höhere Verdienste vor Mai 2007 heran-gezogen wurden, die jedoch nicht mehr erzielt werden, weshalb die Ast. ja Alg II zum 9.5.2007 beantragt hatte. Die hatte in einer Bescheinigung von Oktober 2007 angegeben, dass sich der Verdienst in den nächsten 12 Monaten ab Juli 2007 verringert (Bl. 135 L-Akte).
Mit der zuerkannten Beschlussleistung, die auf einem im Zeitraum Juni bis Oktober 2007 errechneten Durchschnitts Brutto von 548 EUR und Durchschnitts Netto von 537 EUR beruht (der Mai weist wegen einer Rückrechnung der Firma N Besonderheiten auf), sichert das Gericht den Anspruch der Ast. auf kontinuierliche Gewährleistung des Existenzminimums, was die Notwendigkeit einschließt, bei Festsetzung des prospektiv geschätzten Abzugsbetrages restriktiv zu verfahren. Denn bei redlichen Leistungsbeziehern, wie hier, gibt es kein schützenswertes Interesse des Ag., über Sicherheitszuschläge einer Überzahlung vorzubeugen; sollte in einem "günstigen" Arbeitsmonat eine Überzahlung eingetreten sein, hat der Ag. die Möglichkeit, den sich aus der endgültigen Einkommensanrechnung ergebenden Erstattungs-betrag mit den Nachzahlungen für ungünstige Arbeitsmonate zu verrechnen. Verbleibende Überzahlungen können über eine Ratenzahlungsvereinbarung eingefordert werden.
Zu Recht macht die Ast. insoweit auch eine besondere Eilbedürftigkeit geltend. Denn für sie als Erwerbstätige ist das Existenzminimum mittels der Freibeträge etwas günstiger ausgestaltet. Dies beruht auf der Annahme, dass erwerbstätige Personen typischerweise höhere Aufwendun-gen haben, die sie mit den Freibeträgen decken sollen. Dass der Fall bei der Ast. anders liegt, ist schon deshalb auszuschließen, weil sie berufsbedingt ein Kfz benötigt, was gerade aktuell mit Kosten verbunden ist, die ein vollarbeitsloser Alg II-Bezieher nicht bestreiten kann.
Der Ansatz zu hoher Abzugsbeträge braucht daher trotz Überschreitung des Mindestbedarfs von 347 EUR plus anerkannter Unterkunftskosten nicht hingenommen zu werden, bis der Ag. eine endgültige Abrechnung vornimmt. Es kommt hinzu, dass wegen Ablehnung des Vergleichs-vorschlags keine rasche Nachzahlung, mit der der finanzielle Engpass kompensiert werden könnte, absehbar ist.
Der zu viel einbehaltene Sicherheitsabschlag von ca. 90 EUR (durchschnittlicher Anrechnungs-betrag = 347 EUR statt 444 EUR) kann auch nicht als Bagatellebetrag gewertet werden.
Dagegen ist dem Ag. darin beizupflichten, dass für vergangene Zeiträume nur in Ausnahme-fällen einer gegenwärtigen Betroffenheit, die ein raschen Handeln erfordert (Mietschulden, drohende Pfändung etc.) eine vorläufige Entscheidung ergehen kann. Eine vergleichbare Not-lage wird allein wegen der Überziehungszinsen nicht begründet. Diese finanzielle Belastung ist allerdings ein weiteres Argument dafür, der Ast. für den bevorstehenden Bewilligungsabschnitt ein Einkommen zu belassen ist, mit dem sie diese Belastung auch tragen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Gründe:
I. Die Antragstellerin (Ast.) bezieht seit Mai 2007 aufstockend zu zwei Nebentätigkeiten mit einem schwankenden Einkommen Alg II. Für den Bewilligungszeitraum Mai bis November 2007 hatte der Antragsgegner (Ag.) im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung ein Durch-schnittseinkommen von 571 EUR Brutto abzüglich eines Freibetrages von 194,20 EUR angerechnet.
Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit dem die Ast. geltend machte, durchschnittlich nur über 475,- EUR Bruttoeinkommen zu verfügen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.10.2007).
Am 13.11.2007 hat die Klägerin Klage auf genaue Einkommensanrechnung und Nachzahlung der zuviel einbehaltenen Sicherheitsabschläge geltend gemacht.
Mit einem zeitgleich anhängig gemachten Eilantrag fordert sie eine Nachzahlung von 212,20 EUR. Sie habe aufgrund der Erwerbstätigkeiten Mehraufwendungen zu bestreiten und infolge der zu gering veranschlagten Alg II-Leistungen ihr Konto mit hohen Zinsforderungen überziehen müssen. Es sei zu erwarten, dass auch künftig zu viel auf das Alg II angerechnet werde.
Mit Bescheid vom 14.11.2007 hat der Ag. für den Folgeabschnitt Dezember 2007 bis Mai 2008 vorläufig 655 EUR Brutto/ 444 EUR Netto angerechnet.
Dem vom Gericht unterbreiteten Vergleichsvorschlag vom 19.11.2007 – Absenkung des Anrechnungsbetrages im künftigen Bewilligungsabschnitt auf 350,- EUR, endgültige Abrechnung des laufenden Bewilligungsabschnitts binnen drei Wochen – hält der Ag. die fehlende Eilbedürftigkeit entgegen. Mittels der Freibeträge stünde der Ast. mehr als das Existenz-minimum zu.
II. Der Eilantrag ist sachdienlich auszulegen als 1) Verpflichtung des Ag. auf unverzüglichen Erlass eines endgültigen Bewilligungsbescheides über den Zeitraum Mai bis Oktober 2007 sowie 2) Verpflichtung auf Erhöhung der vorläufigen Bewilligung im Zeitraum Dezember 2007 bis Mai 2008. Letzterer Antrag ist zulässig, da mit Erlass des Bewilligungsbescheides vom 14.11.2007 das ursprüngliche Anliegen auf vorbeugende Feststellung eines zu hohen Sicherheitseinbehalts ohne weiteres (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG) auf Erhöhung der vorläufig bewilligten Leistungen umgestellt werden konnte.
Der Antrag zu 2) ist auch begründet. Zwar ist der Ag. berechtigt, bei schwankendem Einkommen auf der Grundlage einer vorläufigen Durchschnittsberechnung ein fiktives Einkommen anzurechnen. Hierbei ist jedoch zur Wahrung einer laufenden Bedarfsdeckung darauf zu achten, dass der Durchschnittsbetrag nicht zu hoch angesetzt wird. Das ist hier jedoch geschehen, da bei der Bildung eines Gesamtbrutto mit Abzug der Freibeträge nach §§ 11, 30 SGB II von diesem Brutto übersehen wurde, dass das Einkommen bei der GmbH RV-pflichtig ist und zur Durchschnittsberechnung höhere Verdienste vor Mai 2007 heran-gezogen wurden, die jedoch nicht mehr erzielt werden, weshalb die Ast. ja Alg II zum 9.5.2007 beantragt hatte. Die hatte in einer Bescheinigung von Oktober 2007 angegeben, dass sich der Verdienst in den nächsten 12 Monaten ab Juli 2007 verringert (Bl. 135 L-Akte).
Mit der zuerkannten Beschlussleistung, die auf einem im Zeitraum Juni bis Oktober 2007 errechneten Durchschnitts Brutto von 548 EUR und Durchschnitts Netto von 537 EUR beruht (der Mai weist wegen einer Rückrechnung der Firma N Besonderheiten auf), sichert das Gericht den Anspruch der Ast. auf kontinuierliche Gewährleistung des Existenzminimums, was die Notwendigkeit einschließt, bei Festsetzung des prospektiv geschätzten Abzugsbetrages restriktiv zu verfahren. Denn bei redlichen Leistungsbeziehern, wie hier, gibt es kein schützenswertes Interesse des Ag., über Sicherheitszuschläge einer Überzahlung vorzubeugen; sollte in einem "günstigen" Arbeitsmonat eine Überzahlung eingetreten sein, hat der Ag. die Möglichkeit, den sich aus der endgültigen Einkommensanrechnung ergebenden Erstattungs-betrag mit den Nachzahlungen für ungünstige Arbeitsmonate zu verrechnen. Verbleibende Überzahlungen können über eine Ratenzahlungsvereinbarung eingefordert werden.
Zu Recht macht die Ast. insoweit auch eine besondere Eilbedürftigkeit geltend. Denn für sie als Erwerbstätige ist das Existenzminimum mittels der Freibeträge etwas günstiger ausgestaltet. Dies beruht auf der Annahme, dass erwerbstätige Personen typischerweise höhere Aufwendun-gen haben, die sie mit den Freibeträgen decken sollen. Dass der Fall bei der Ast. anders liegt, ist schon deshalb auszuschließen, weil sie berufsbedingt ein Kfz benötigt, was gerade aktuell mit Kosten verbunden ist, die ein vollarbeitsloser Alg II-Bezieher nicht bestreiten kann.
Der Ansatz zu hoher Abzugsbeträge braucht daher trotz Überschreitung des Mindestbedarfs von 347 EUR plus anerkannter Unterkunftskosten nicht hingenommen zu werden, bis der Ag. eine endgültige Abrechnung vornimmt. Es kommt hinzu, dass wegen Ablehnung des Vergleichs-vorschlags keine rasche Nachzahlung, mit der der finanzielle Engpass kompensiert werden könnte, absehbar ist.
Der zu viel einbehaltene Sicherheitsabschlag von ca. 90 EUR (durchschnittlicher Anrechnungs-betrag = 347 EUR statt 444 EUR) kann auch nicht als Bagatellebetrag gewertet werden.
Dagegen ist dem Ag. darin beizupflichten, dass für vergangene Zeiträume nur in Ausnahme-fällen einer gegenwärtigen Betroffenheit, die ein raschen Handeln erfordert (Mietschulden, drohende Pfändung etc.) eine vorläufige Entscheidung ergehen kann. Eine vergleichbare Not-lage wird allein wegen der Überziehungszinsen nicht begründet. Diese finanzielle Belastung ist allerdings ein weiteres Argument dafür, der Ast. für den bevorstehenden Bewilligungsabschnitt ein Einkommen zu belassen ist, mit dem sie diese Belastung auch tragen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
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