Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ka 1127/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 660/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelung im „Statut zur Strukturpolitik der KV Hessen”, wonach die vorzeitige altersbedingte Praxisübergabe an einen jüngeren „nicht-hessischen” Arzt der Zahlung von Übergangsgeld entgegensteht, verstößt gegen höherrangiges Recht und kann deshalb den Anspruchsausschluß nicht begründen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 1992 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Übergangsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der vom Kläger für die Zeit ab Vollendung des 63. Lebensjahres geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld nach dem "Statut zur Strukturpolitik der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen” (Strukturstatut) streitig.
Der Kläger ist 1929 geboren. Er war ab dem 20. Mai 1959 in E. (C.) als Arzt für Allgemeinmedizin niedergelassen und zur kassenärztlichen Tätigkeit zugelassen.
Seit 1986 bemühte sich der Kläger darum, einen Praxisnachfolger zu finden. Er nahm dazu mit mehreren in Hessen tätigen Krankenhausärzten Kontakt auf, ohne daß indes zunächst eine Praxisübernahme zustande gekommen wäre. Zwei Ärzte, mit denen bereits mündliche Absprachen getroffen worden waren, und die zum Zwecke der Einarbeitung teilweise bereits Wochenendvertretungen übernommen hatten, sagten die vorgesehene Praxisübernahme im Jahre 1988 bzw. 1989 aus persönlichen Gründen wieder ab.
Im Januar 1990 meldete sich beim Kläger mit dem Ziel einer möglichen Praxisübernahme der Arzt R. F. Diese Kontaktaufnahme war auf Vermittlung der Bezirksstelle D. der Beklagten zustande gekommen. Herr F. ist am 22. April 1956 geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger. Sein ärztliches Staatsexamen legte er am 17. April 1984 in T. ab. Die Approbation wurde ihm am 25. April 1984 durch das Regierungspräsidium S. erteilt. Seine klinische Ausbildung durchlief Herr F. nach der Approbation bis September 1989 an der Klinik S. der Bundesknappschaft in S. (S.). Seine anschließende Vorbereitungszeit absolvierte er bei einem niedergelassenen Arzt am gleichen Ort.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1990 wandte sich der Kläger an die Bezirksstelle D. der Beklagten mit der Bitte um Überprüfung, ob ihm bei einer vorzeitigen Praxisübergabe ein Übergangsgeld nach dem Strukturstatut gewährt werden könne. Er schilderte mit diesem Schreiben und einem nachfolgenden Schreiben vom 4. April 1990 die bei ihm eingetretene Situation und sein bisher vergebliches Bemühen, einen hessischen Arzt als Praxisnachfolger zu finden. Er erläuterte, daß er bereit sei, mit Herrn F. eine Praxisübergabe zu vereinbaren, und bat im Hinblick auf den bisherigen Ablauf seiner Bemühungen zu einer Praxisübergabe um die Gewährung des Übergangsgeldes nach dem Strukturstatut unter Anwendung der dort vorgesehenen Ausnahmeregelung. Ein weiteres Zuwarten bei der Praxisübergabe sei ihm nicht mehr zuzumuten. Im Hinblick auf die im Einzugsbereich seiner Praxis kursierenden Gerüchte über eine mögliche Praxisaufgabe habe die Zahl der Behandlungsfälle bereits abgenommen. Dies könne dazu führen, daß eines Tages die Praxis unverkäuflich werde. Auch gesundheitliche Gründe ließen eine baldige Praxisübergabe als geboten erscheinen.
Der Geschäftsausschuß der Bezirksstelle D. empfahl dem Vorstand der Beklagten im Hinblick auf die als nachgewiesen angesehenen vergeblichen Bemühungen des Klägers, eine Praxisübergabe an einen hessischen Arzt vorzunehmen, von der Ausnahmeregelung des Strukturstatus Gebrauch zu machen, und dem Kläger Übergangsgeld zu gewähren.
Noch während des laufenden Verwaltungsverfahrens nahm Herr F. am 1. Juli 1990 in der Praxis des Klägers eine Tätigkeit als dessen Assistent auf. Mit Wirkung vom 1. Februar 1992 wurde von Herrn F. die Praxis des Klägers übernommen. Der Kläger ist seither nicht mehr als Kassen- bzw. Vertragsarzt tätig.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Übergangsgeld lehnte der Vorstand der Beklagten durch die nicht mit Rechtsmittelbelehrungen versehenen Bescheide vom 15. Juni 1990 und vom 7. Dezember 1990 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, Herr F. sei als nicht-hessischer Arzt anzusehen, so daß die Regelungen des Strukturstatus keine Anwendung finden könnten. Aufgrund der Versorgungssituation bei allgemeinärztlich tätigen Ärzten könne auch eine Ausnahmeregelung nicht begründet werden. Von der Ausnahmeregelung sei bisher in der Regel nur bei der Besetzung von Augenarzt- und Hautarztpraxen Gebrauch gemacht worden.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 22. April 1991 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, Herr F. erfülle die Voraussetzungen nach dem Strukturstatut nicht. Dieses sehe vor, daß der die Praxis übernehmende hessische Arzt nicht über 45 Jahre alt sein dürfe, und mindestens 15 Jahre in Hessen ansässig oder die letzten 10 Jahre vor Zulassung in Hessen tätig gewesen sein müsse bzw. dort seine Aus- und Weiterbildung absolviert habe. Zwar könne für eine Übergangszeit bis zum 1. Januar 1994 von dieser Zehn-Jahresgrenze abgesehen werden, wenn der betreffende Arzt mindestens ein Jahr unmittelbar vor dem am 1. Januar 1985 erfolgten Inkrafttreten des Strukturstatuts in Hessen wohnhaft gewesen sei und zumindest einen Teil seiner Aus- und Weiterbildung in Hessen abgeleistet habe. Aber auch diese Voraussetzungen lägen bei Herrn F. nicht vor. Eine Anwendung der Ausnahmebestimmungen sei ebenfalls nicht möglich, da aufgrund der Versorgungssituation bei allgemeinärztlich tätigen Ärzten eine Ausnahmeregelung nicht begründbar sei.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 15. Juni 1990 und vom 7. Dezember 1990 sowie des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1991 dem vom Kläger gestellten Hilfsantrag insoweit entsprochen, als die Beklagte verpflichtet wurde, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei grundsätzlich befugt gewesen, in Satzungsautonomie ein Regelwerk im Sinne des Strukturstatus zu schaffen. Die gesetzliche Grundlage hierfür finde sich für die Zeit ab dem 1. Januar 1989 in § 105 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Vom Wortlaut und Auslegung des Status her sei die Ablehnung der Zahlung von Übergangsgeld zutreffend. Herr F. erfülle nicht die Voraussetzungen des § 2 b des Strukturstatuts, da er nicht mindestens 15 Jahre in Hessen ansässig oder die letzten 10 Jahre vor Zulassung in Hessen tätig gewesen sei bzw. seine ärztliche Aus- und Weiterbildung dort absolviert habe. Auch die Ausnahmeregelung des Strukturstatus könne auf den Kläger nicht zur Anwendung kommen, da von der Beklagten ein Ausnahmefall für die Vergabe einer allgemeinärztlichen Praxis nicht gesehen werde. Diese in Beurteilungsermessen getroffene, im Widerspruchsbescheid auch noch ausreichend dargelegte Entscheidung begegne insoweit keinen rechtlichen Bedenken. Dennoch könnten die Bestimmungen der §§ 1 und 2 des Strukturstatus, soweit sie bundesdeutsche, nicht-hessische Ärzte ausschlössen, keinen Bestand haben und auf den Fall des Klägers deshalb keine Anwendung finden. Denn die einschlägigen Bestimmungen stünden nicht im Einklang mit der Werteordnung des Grundgesetzes und beeinträchtigten deshalb den Kläger in seinen Rechten. Eingegriffen werde insbesondere in die sich aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Positionen des Klägers, indem, wenn auch nur im Wege leistungsgewährender Verwaltung und nur mittelbar über die Begünstigung der "Landeskinder”, aber doch ohne Gründe sachlicher Differenzierung, andere deutsche Staatsangehörige ausgeschlossen würden. Gehe es – wie hier – um einen Nebensachverhalt, der seiner Natur nach über die Ländergrenzen hinausgreife und eine für alle Staatsbürger in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistete Rechtsposition berühre, könnten einseitige Begünstigungen der Einwohner eines Landes eine Ungleichbehandlung anderer Staatsbürger bewirken. Bei einer solchen Fallgestaltung sei zu prüfen, ob sich eine Bevorzugung der Einwohner des Landes im Rahmen der Wertentscheidungen des Grundgesetzes halte oder ob sie nicht zur Entwertung von Grundrechten führen würde, wenn andere Länder ebenso verführen. Angesichts der finanziell lukrativen Gewährung des Übergangsgeldes werde der abgebende Arzt immer bemüht sein – wie dies auch der Kläger versucht habe – eine im Sinne des Statutes "hessischen Arzt” als Nachfolger zu gewinnen. Der Charakter der ausgrenzenden berufslenkenden Maßnahme werde im besonderen deutlich, wenn man sich die Regelung des letzten Absatzes des § 1 des Statutes vor Augen führe. Danach könnten zwar die Voraussetzungen der Bewilligung des Übergangsgeldes als erfüllt angesehen werden, wenn – überhaupt – kein Nachfolger zu finden sei. Sollte dann aber wahrend der Laufzeit der finanziellen Förderung die Praxis von einem Nichtförderungswürdigen – also beispielsweise von einem nicht-"hessischen” Arzt übernommen werden, sei das Übergangsgeld zurückzuzahlen. Unter Beachtung dieser Sach- und Rechtslage sei es geboten, die berufsregelnden Satzungsbestimmungen in Anwendung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 12 und Art. 3 GG darauf zu überprüfen, inwiefern sie von vernünftigen Gründen des Gemeinwohls getragen, dem Verhältnisgrundsatz genügten und sachdienlich, d.h. tauglich im Sinne der Zielsetzung sowie des Verbotes unsachlicher Differenzierung seien. Hierbei sei in erster Linie die Präambel des Strukturstatutes heranzuziehen. Danach sei dieses Statut von der Besorgnis getragen, daß die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die ambulante kassenärztliche Tätigkeit, verbunden mit dem starken Zustrom teilweise nicht ausreichend aus- und weitergebildeter Ärzte die Erhaltung und Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung und die Existenzgrundlage einer freiberuflichen Tätigkeit gefährdeten. Die Präambel spreche insoweit weiterhin davon, daß angesichts des derzeitigen Unvermögens des Gesetzgebers, sachgerechte Lösungen zu schaffen, die den medizinischen Erfordernissen entsprechen, die hessischen Kassenärzte sich veranlaßt sähen, Selbsthilfemaßnahmen zu ergreifen, die geeignet erschienen, die negativen Konsequenzen der bisherigen Politik abzuschwächen. Die Maßnahmen zur kostengünstigen Integrierung junger Ärzte sollten deshalb dem Gesamtinteresse der hessischen Kassenärzte dienen und auf der Mitverantwortung für die junge Generation beruhen. Sie sollten darüber hinaus helfen, die freiberufliche Existenz der Gesamtheit der Kassenärzte zu erhalten. Ausgehend von diesen Intentionen sei nicht zu erkennen, warum der Ausschluß deutscher, nicht-"hessischer” Ärzte von der Förderung sachlich begründet sein könnte. Insbesondere sei es nicht ersichtlich, weshalb ein im Saarland ausgebildeter und tätig gewesener Arzt wie Herr F. nicht die qualitativen Voraussetzungen einer allgemeinärztlich orientierten Arztpraxis haben sollte. Darüber hinaus sei auch nicht zu erkennen, daß im besonderen ein starker Zustrom von Ärzten nach Hessen stattfinde und nicht andererseits sich auch ein Weggang von Hessen in andere Bundesländer vollziehe. Einem solchen Zustrom in einzelne Landesteile wäre im übrigen notwendigenfalls mit Mitteln des übergeordneten Planungsrechts zu begegnen. Überdies sei festzustellen, daß, wenn die freiberufliche Existenz der Kassenärzte postuliert werde, diese gerade unter Regelungen leiden müßten, wie sie hier im Streite stehen. Die Freiheit der Niederlassung bundesdeutscher Bürger über die Landesgrenzen hinaus wäre erheblich beeinträchtigt, ein Sachverhalt der im Vergleich zur Niederlassungsfreiheit ausländischer EG-Angehöriger im EG-Bereich nach Artikel 52 Abs. 2 EWG-Vertrag nicht im Sinne innerstaatlichen Gemeinwohls sein könne, obgleich im vorliegenden Fall keine Prüfung unter Gesichtspunkten des EG-Rechts vorzunehmen gewesen sei, da es sich insoweit um einen rein innerstaatlichen Vorgang handele (Hinweis auf Blumenwitz, NJW 1989, Seite 621 ff.). Nach gliedern werde die Beklagte nunmehr neues verfassungsgemäßes Satzungsrecht zu schaffen haben, wobei ihr allerdings ein breiter Gestaltungsspielraum zuzuerkennen sei und sie dabei auch den Grundsätzen des Vertrauensschutzes Rechnung tragen müsse. Auf der dann geschaffenen Grundlage werde der Kläger erneut zu bescheiden sein. Für den Fall des Klägers sei es der Beklagten jedoch auch unbenommen, im Wege der erneuten Beschlussfassung darüber, ob ein Ausnahmefall im Sinne von § 1 b des Statuts (gemeint wohl § 2 b) zu einer im Lichte des Verfassungsrechts positiven Entscheidung zu kommen.
Gegen das der Beklagten am 23. Juli 1992 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. August 1992 eingegangene Berufung. Die Beklagte ist der Auffassung, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die das Sozialgericht Bezug genommen habe, sei auf die Landeskinderregelung im Statut zur Strukturpolitik der KV Hessen nicht anwendbar. Die vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden gesetzlichen Regelungen seien als absolute Zulassungsschranke im Sinne der verfassungsrechtlichen Stufentheorie anzusehen gewesen. Selbst nach Auffassung des Sozialgerichts sei jedoch das angegriffene Strukturstatut allenfalls eine Berufsausübungsregelung. Der Auffassung des Sozialgerichts, daß diese Berufsausübungsregelung einen so schweren Eingriff darstellen würde, daß sie bereits einer absoluten Zulassungsschranke nahekomme, könne indes nicht gefolgt werden. Zwar dürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Beschrankungen bei der Zulassung zur Ausbildung nicht einer Berufslenkung dienen. Dieser Gedanke sei jedoch bei der Frage einer Subventionsvergabe durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Landesebene nicht übertragbar. Soweit das Bundesverfassungsgericht feststelle, daß im Bereich des Hochschulwesens ein faktisches Monopol des Staates zur Ausbildung in akademischen Berufen bestehe und die Teilnahme daran notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung von Grundrechten sei, lasse sich auch dieser Gedanke auf das Strukturstatut nicht übertragen. Denn mit dem Strukturstatut sollten die betroffenen Ärzte lediglich einen Anreiz dafür bekommen, daß sie freiwillig ihre eigene Praxis zu einem frühzeitigen Zeitpunkt aufgeben. Die Transparenz der zu treffenden Entscheidung sei dabei ihm Rahmen des Strukturstatus ohne weiteres gegeben. Die Zahlungen aus dem Strukturstatut stellten Subventionen dar, auf die die allgemeinen Subventionsgrundsätze Anwendung finden müßten. Mit dem Strukturstatut sollten niedergelassene hessische Kassenärzte ihre Praxis an einen geeigneten Nachfolger übergeben, bevor sie einen Anspruch auf Teilnahme an der Erwetterten Honorarverteilung haben. Dies geschehe durch Zahlung eines verlorenen Zuschusses. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gleiche oder ähnliche Regelungen wie sie im Statut zur Strukturpolitik der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen enthalten seien, gebe es bei anderen Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 1992 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält die sozialgerichtliche Entscheidung für zutreffend. Das Strukturstatut führe zu einer erheblichen unternehmerischen Einschränkung der Dispositions- und Betätigungsfreiheit aller nichthessischen Ärzte, was dem Grundrechtsschutz des Art. 12 GG zuwider laufe. Zugleich sei damit eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeit der Berufsbeendigung zu sehen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, im Ergebnis jedoch unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Soweit der Kläger nach Maßgabe der derzeit in Kraft befindlichen Bestimmungen des Strukturstatuts vom Anspruch auf Übergangsgeld ausgeschlossen wird, verstößt dieser Ausschluß gegen höherrangiges Recht und kann deshalb keinen Bestand haben. Die Beklagte wird vielmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden haben, ob dem Kläger für die Zeit ab Vollendung von dessen 63. Lebensjahr trotz des Umstandes ein Übergangsgeld gewährt werden kann, als die Praxisübergabe nicht an einem im Sinne des Strukturstatuts "hessischen” Arzt übergeben worden ist.
I.
1. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht ist davon auszugehen, daß dem Kläger ein unmittelbarer Anspruch auf Übergangsgeld aus dem Strukturstatut nicht zusteht.
Zwar sieht § 1 des als Anlage zur Satzung der Beklagten von deren Abgeordnetenversammlung beschlossenen Strukturstatuts in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Dezember 1990 (Hessisches Ärzteblatt Nr. 6/91, S. 335) die Zahlung eines Übergangsgeldes für zugelassene hessische Kassenärzte vor, die nach Vollendung des 63. Lebensjahres ihre kassen- und vertragsärztliche Tätigkeit beenden. Übergangsgeld ist auch zu zahlen, wenn die Tätigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres jedoch frühestens nach Vollendung des 61. Lebensjahres beendet wird, wobei der Anspruch auf Übergangsgeld ebenfalls mit Vollendung des 63. Lebensjahres entsteht.
Die Zahlung des Übergangsgeldes ist jedoch daran gebunden, daß die Kassenpraxis "an einen die Zulassungsbedingungen erfüllenden hessischen Arzt” übergeben wird, der nicht älter als 45 Jahre sein darf.
Diese Eigenschaft als "hessischer” Arzt erfüllt Herr F. als übernehmender Arzt nicht. Dieser war nicht im Sinne von § 2 b des Strukturstatuts vor der Praxisübernahme mindestens 15 Jahre in Hessen ansässig oder die letzten 10 Jahre vor Zulassung in Hessen tätig gewesen und hat hier auch nicht seine ärztliche Aus- und Weiterbildung absolviert.
Auch die in § 2 b Satz 3 getroffene Übergangsregelung trifft auf die Praxisübernahme durch Herrn F. nicht zu, da dieser nicht mindestens ein Jahr unmittelbar vor dem am 1. Januar 1985 erfolgten Inkrafttreten des Strukturstatuts in Hessen wohnhaft war und zu diesem Zeitpunkt zumindest einen Teil seiner Aus- oder Weiterbildung in Hessen abgeleistet hatte.
Das Sozialgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß auch aus der in § 2 b Satz 2 des Strukturstatuts getroffenen Regelung ein Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld nicht abgeleitet werden kann. Zwar kann nach dieser Bestimmung in begründeten Ausnahmefällen der Vorstand der Beklagten von den zuvor genannten Voraussetzungen absehen. Unter den im Strukturstatut im übrigen vorgegebenen Prämissen halt es der Senat jedoch nicht für ermessensfehlerhaft, wenn die nicht näher ausgestaltete Ausnahmeregelung im Hinblick auf die Versorgungssituation bei allgemeinärztlich tätigen Ärzten nicht angewendet worden ist.
2. Die ergangenen Bescheide sind dennoch rechtswidrig. Denn das Strukturstatut als untergesetzliches Normgefüge verstößt insoweit, als es die Zahlung des Übergangsgeldes daran bindet, daß die Praxisübergabe an einen "hessischen Arzt” i.S.v. § 2 des Strukturstatuts erfolgen muß, gegen höherrangiges Recht. Die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Übergangsgeld kann deshalb nicht auf die insoweit getroffene Regelung gestützt werden.
a) Regelungen zur Gewährung von Übergangsgeld bei vorzeitiger Praxisaufgabe vor Erreichen der Ansprüche auf Beteiligung an der Erweiterten Honorarverteilung sind an sich zulässig. Die Rechtsgrundlage für die Schaffung eines darauf gerichteten autonomen Satzungsrechts ergibt sich aus § 105 Abs. 3 SGB V. Den kassenärztlichen Vereinigungen ist mit dieser Bestimmung ausdrücklich die Möglichkeit der finanziellen Förderung des freiwilligen Verzichts auf die Zulassung als Kassenarzt – jetzt Vertragsarzt – vom 62. Lebensjahr an eingeräumt worden.
§ 105 Abs. 3 SGB V ist durch das Gesetz zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung vom 19. Dezember 1986 (BGBl. 1986, S. 2593) – damals als § 368 n Abs. 9 RVO – in das Gesetz eingefügt worden. Der Gesetzgeber bestätigte damit die bereits bei einzelnen kassenärztlichen Vereinigungen vorhandenen Satzungsregelungen. Zugleich überließe er damit die nähere Ausgestaltung der finanziellen Zuwendungen ausdrücklich der Selbstverwaltung.
b) Bei der Festlegung der Kriterien für eine solche finanzielle Förderung ist die Selbstverwaltung der Beklagten indes nicht frei. Vielmehr muß sich eine auf § 105 Abs. 3 SGB V beruhende Regelung im Rahmen der weiteren Vorgaben halten, die das Sozialgesetzbuch V aufgestellt hat. Orientierungsmaßstab sind dabei insbesondere die §§ 75 ff. SGB V. Die aufzustellenden Kriterien müssen im übrigen mit der Werteordnung des Grundgesetze in Übereinstimmung stehen.
Mit der Regelung im Strukturstatut, wonach bei einer Praxisübergabe an "nicht-hessische” Ärzte im Sinne des § 2 dieses Statuts ein Anspruch auf Übergangsgeld ausscheidet, hat die Beklagte den ihr insoweit vorgegebenen Rahmen überschritten und damit keine wirksame Rechtsgrundlage für einen Ausschluß des Klägers vom Anspruch auf Übergangsgeld geschaffen.
Den kassenärztlichen Vereinigungen kommt die Aufgabe zu, insbesondere die kassenärztliche Versorgung sicherzustellen und gegenüber den Krankenkassen zu gewährleisten, daß die kassenärztliche Versorgung den, gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 75 Abs. 1 SGB V).
Das Strukturstatut ist von dem Bemühen geprägt, zur Qualitätssicherung der kassenärztlichen Versorgung beizutragen, die der Beklagten im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags aufgegeben ist. In der Präambel zum Statut zur Strukturpolitik der KV Hessen wird dies dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die Erhaltung und Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung und die Existenzgrundlage einer freiberuflichen Tätigkeit als gefährdet angesehen wird und im Hinblick darauf Maßnahmen zu treffen seien, die geeignet erscheinen, dieser Entwicklung durch die kostengünstige Integrierung junger Ärzte und der rationellen Erbringung kassenärztlicher Leistungen durch Kooperation entgegenzuwirken.
Mit der im Strukturstatut getroffenen Regelung wird ein besonderer finanzieller Anreiz dafür geboten, eine vorzeitige Praxisübergabe an Ärzte vorzunehmen, die die Kriterien als "hessische” Ärzte erfüllen. Zugleich schließt das Strukturstatut die nach § 105 Abs. 3 SGB V vom Gesetzgeber ins Auge gefaßte finanzielle Förderung aus, wenn diese Kriterien – trotz ansonsten vorhandener Qualifikation – nicht erfüllt werden. Das Strukturstatut enthält damit ein steuerndes Element, das mit seiner Ausrichtung auf "hessische” Ärzte jedoch weder im SGB V selbst, noch in der darauf beruhenden Zulassungsverordnung, für Kassenärzte – jetzt Vertragsärzte – Niederschlag gefunden hat, und das auch ansonsten in höherrangigem Recht keine Rechtsgrundlage findet.
Insbesondere mit der vom Strukturstatut in Übereinstimmung mit den Regelungen des SGB V angestrebten Qualitätssicherung läßt sich dieser Steuerungsmechanismus, der im Falle des Klägers zu einem Ausschluß der finanziellen Förderung führt, nicht begründen. Denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß ein Arzt, der seine Ausbildung und berufliche Praxis außerhalb des Bundeslandes Hessen durchlaufen hat, weniger qualifiziert wäre, als ein Arzt, bei dem die in § 2 b des Strukturstatuts enthaltenen Voraussetzungen vorliegen.
Für den Senat wird auch nicht erkennbar, daß es durch den im Strukturstatut geschaffenen Anreiz bei der vorzeitigen Übergabe einer Kassenarztpraxis an "außerhessische” Ärzte zu dem in der Präambel angesprochenen starken Zustrom "nicht ausreichend” aus- und weitergebildeter Ärzte kommen könnte, falls die Beschränkung auf "hessische” Praxisübernehmer keinen Bestand haben sollte.
Auch Gründe der Bedarfsplanung (§§ 99 ff. SGB V) vermögen die insoweit im Strukturstatut getroffene Regelung nicht zu rechtfertigen. Durch die Bedarfsplanung soll eine mittel- und langfristige Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung durch eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Ärzten aller Fachgebiete auf alle Planungsbereiche gesorgt werden (Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand September 1993, C 99-1 m.w.N.). Mit dem Sicherstellungsauftrag ist es indes nicht zu vereinbaren, wenn Ärzten – zumindest mittelbar – die Niederlassung allein deshalb erschwert wird, weil sie ihre Aus- und Weiterbildung sowie ihre beruflichen Erfahrungen außerhalb des Bundeslandes Hessen durchlaufen haben, obgleich sie ansonsten die persönlichen Voraussetzungen nach der Zulassungsverordnung erfüllen. Eine solche Berufsausübungsregelung verstößt gegen Art. 12 GG, wie das Sozialgericht ausführlich und überzeugend begründet hat. Der Senat nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Durch eine solchermaßen unzulässige Berufsausübungsregelung wird zugleich gegenüber dem Kläger der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt, indem die Praxisübergabe an "außerhessische” Ärzte erschwert wird, obgleich Gründe für eine sachliche Differenzierung des Ausschlusses der Zahlung von Übergangsgeld bei einer Praxisübergabe an "außerhessische” Ärzte nicht bestehen. Der Senat sieht darin zugleich eine unzulässige Beeinträchtigung des durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechts. Dieses Recht wird bei einer Praxisübergabe entwertet, wenn diese Übergabe nur dann zu einer Übergangsgeld-Zahlung führt, wenn die Praxisübergabe an "hessische” Ärzte erfolgt.
3. Kann das Satzungsrecht im Statut zur Strukturpolitik nach alledem nicht die Rechtsgrundlage für den Ausschluß des Klägers von der Zahlung von Übergangsgeld darstellen, wird die Beklagte die Kriterien für die Förderung einer vorzeitigen Praxisübergabe insoweit neu festzulegen und unter Zugrundelegung dieser Kriterien über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden haben.
Bei der Festlegung dieser Kriterien kommt der Beklagten ein Weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Beklagte wird sich jedoch – wie bereits aufgezeigt – in erster Linie an ihrem Sicherstellungsauftrag nach Maßgabe der §§ 75 ff. SGB V zu orientieren haben. Dabei ist eine Vielzahl sachgerechter Anknüpfungspunkte denkbar. Dem Ziel des § 75 Abs. 3 SGB X am nahesten erscheint dabei insbesondere die Berücksichtigung der Altersstruktur der Ärzte eines Planungsgebietes oder einer Region, aber auch Kriterien wie z.B. die Größe einer Praxis, der erreichte Versorgungsgrad u.v.a.m., können im Einzelfall Kriterien für eine Abgrenzung darstellen. Möglichen Ausnahmeregelungen wird dabei eine besondere Bedeutung zukommen, um zu verhindern, daß der im Strukturstatut vorgesehene und vom SGB V mitgetragene Effekt der vorzeitigen altersbedingten Aufgabe einer Kassen- bzw. Vertragspraxis zu einer unverhältnismäßigen Benachteilung solcher aufgabewilliger Ärzte führt, bei denen die aufgestellten Kriterien aus Gründen nicht eingehalten werden, die nicht in deren Verantwortungsbereich fallen, bei denen aber der gewünschte Effekt trotzdem eintritt, und die qualitätssichernden Kriterien gegeben sind. Erreicht werden könnte dies nicht nur durch eine weit gefaßte Härteregelung, sondern auch – wie dies in § 3 des gegenwärtigen Strukturstatuts in anderem Zusammenhang verwirklicht ist – durch eine abgestufte Höhe des zu zahlenden Übergangsgeldes, ein Mechanismus, bei dem insbesondere verfassungsrechtliche Gesichtspunkte der Art. 3 und 14 GG besondere Berücksichtigung finden können.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen. Bei der vom Kläger beanstandeten Regelung handelt es sich um ein auf das Land Hessen begrenzt geltendes Satzungsrecht, das nicht revisibel ist (BSG, Urteil vom 18. Mai 1983 – 6 RKa 22/80 = SozR 1500 § 162 Nr. 17; Urteil vom 3. September 1987 – 6 RKa 1/87 = SozR 2200 § 368 m Nr. 4).
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der vom Kläger für die Zeit ab Vollendung des 63. Lebensjahres geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld nach dem "Statut zur Strukturpolitik der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen” (Strukturstatut) streitig.
Der Kläger ist 1929 geboren. Er war ab dem 20. Mai 1959 in E. (C.) als Arzt für Allgemeinmedizin niedergelassen und zur kassenärztlichen Tätigkeit zugelassen.
Seit 1986 bemühte sich der Kläger darum, einen Praxisnachfolger zu finden. Er nahm dazu mit mehreren in Hessen tätigen Krankenhausärzten Kontakt auf, ohne daß indes zunächst eine Praxisübernahme zustande gekommen wäre. Zwei Ärzte, mit denen bereits mündliche Absprachen getroffen worden waren, und die zum Zwecke der Einarbeitung teilweise bereits Wochenendvertretungen übernommen hatten, sagten die vorgesehene Praxisübernahme im Jahre 1988 bzw. 1989 aus persönlichen Gründen wieder ab.
Im Januar 1990 meldete sich beim Kläger mit dem Ziel einer möglichen Praxisübernahme der Arzt R. F. Diese Kontaktaufnahme war auf Vermittlung der Bezirksstelle D. der Beklagten zustande gekommen. Herr F. ist am 22. April 1956 geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger. Sein ärztliches Staatsexamen legte er am 17. April 1984 in T. ab. Die Approbation wurde ihm am 25. April 1984 durch das Regierungspräsidium S. erteilt. Seine klinische Ausbildung durchlief Herr F. nach der Approbation bis September 1989 an der Klinik S. der Bundesknappschaft in S. (S.). Seine anschließende Vorbereitungszeit absolvierte er bei einem niedergelassenen Arzt am gleichen Ort.
Mit Schreiben vom 7. Februar 1990 wandte sich der Kläger an die Bezirksstelle D. der Beklagten mit der Bitte um Überprüfung, ob ihm bei einer vorzeitigen Praxisübergabe ein Übergangsgeld nach dem Strukturstatut gewährt werden könne. Er schilderte mit diesem Schreiben und einem nachfolgenden Schreiben vom 4. April 1990 die bei ihm eingetretene Situation und sein bisher vergebliches Bemühen, einen hessischen Arzt als Praxisnachfolger zu finden. Er erläuterte, daß er bereit sei, mit Herrn F. eine Praxisübergabe zu vereinbaren, und bat im Hinblick auf den bisherigen Ablauf seiner Bemühungen zu einer Praxisübergabe um die Gewährung des Übergangsgeldes nach dem Strukturstatut unter Anwendung der dort vorgesehenen Ausnahmeregelung. Ein weiteres Zuwarten bei der Praxisübergabe sei ihm nicht mehr zuzumuten. Im Hinblick auf die im Einzugsbereich seiner Praxis kursierenden Gerüchte über eine mögliche Praxisaufgabe habe die Zahl der Behandlungsfälle bereits abgenommen. Dies könne dazu führen, daß eines Tages die Praxis unverkäuflich werde. Auch gesundheitliche Gründe ließen eine baldige Praxisübergabe als geboten erscheinen.
Der Geschäftsausschuß der Bezirksstelle D. empfahl dem Vorstand der Beklagten im Hinblick auf die als nachgewiesen angesehenen vergeblichen Bemühungen des Klägers, eine Praxisübergabe an einen hessischen Arzt vorzunehmen, von der Ausnahmeregelung des Strukturstatus Gebrauch zu machen, und dem Kläger Übergangsgeld zu gewähren.
Noch während des laufenden Verwaltungsverfahrens nahm Herr F. am 1. Juli 1990 in der Praxis des Klägers eine Tätigkeit als dessen Assistent auf. Mit Wirkung vom 1. Februar 1992 wurde von Herrn F. die Praxis des Klägers übernommen. Der Kläger ist seither nicht mehr als Kassen- bzw. Vertragsarzt tätig.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Übergangsgeld lehnte der Vorstand der Beklagten durch die nicht mit Rechtsmittelbelehrungen versehenen Bescheide vom 15. Juni 1990 und vom 7. Dezember 1990 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, Herr F. sei als nicht-hessischer Arzt anzusehen, so daß die Regelungen des Strukturstatus keine Anwendung finden könnten. Aufgrund der Versorgungssituation bei allgemeinärztlich tätigen Ärzten könne auch eine Ausnahmeregelung nicht begründet werden. Von der Ausnahmeregelung sei bisher in der Regel nur bei der Besetzung von Augenarzt- und Hautarztpraxen Gebrauch gemacht worden.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 22. April 1991 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, Herr F. erfülle die Voraussetzungen nach dem Strukturstatut nicht. Dieses sehe vor, daß der die Praxis übernehmende hessische Arzt nicht über 45 Jahre alt sein dürfe, und mindestens 15 Jahre in Hessen ansässig oder die letzten 10 Jahre vor Zulassung in Hessen tätig gewesen sein müsse bzw. dort seine Aus- und Weiterbildung absolviert habe. Zwar könne für eine Übergangszeit bis zum 1. Januar 1994 von dieser Zehn-Jahresgrenze abgesehen werden, wenn der betreffende Arzt mindestens ein Jahr unmittelbar vor dem am 1. Januar 1985 erfolgten Inkrafttreten des Strukturstatuts in Hessen wohnhaft gewesen sei und zumindest einen Teil seiner Aus- und Weiterbildung in Hessen abgeleistet habe. Aber auch diese Voraussetzungen lägen bei Herrn F. nicht vor. Eine Anwendung der Ausnahmebestimmungen sei ebenfalls nicht möglich, da aufgrund der Versorgungssituation bei allgemeinärztlich tätigen Ärzten eine Ausnahmeregelung nicht begründbar sei.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 15. Juni 1990 und vom 7. Dezember 1990 sowie des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1991 dem vom Kläger gestellten Hilfsantrag insoweit entsprochen, als die Beklagte verpflichtet wurde, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei grundsätzlich befugt gewesen, in Satzungsautonomie ein Regelwerk im Sinne des Strukturstatus zu schaffen. Die gesetzliche Grundlage hierfür finde sich für die Zeit ab dem 1. Januar 1989 in § 105 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Vom Wortlaut und Auslegung des Status her sei die Ablehnung der Zahlung von Übergangsgeld zutreffend. Herr F. erfülle nicht die Voraussetzungen des § 2 b des Strukturstatuts, da er nicht mindestens 15 Jahre in Hessen ansässig oder die letzten 10 Jahre vor Zulassung in Hessen tätig gewesen sei bzw. seine ärztliche Aus- und Weiterbildung dort absolviert habe. Auch die Ausnahmeregelung des Strukturstatus könne auf den Kläger nicht zur Anwendung kommen, da von der Beklagten ein Ausnahmefall für die Vergabe einer allgemeinärztlichen Praxis nicht gesehen werde. Diese in Beurteilungsermessen getroffene, im Widerspruchsbescheid auch noch ausreichend dargelegte Entscheidung begegne insoweit keinen rechtlichen Bedenken. Dennoch könnten die Bestimmungen der §§ 1 und 2 des Strukturstatus, soweit sie bundesdeutsche, nicht-hessische Ärzte ausschlössen, keinen Bestand haben und auf den Fall des Klägers deshalb keine Anwendung finden. Denn die einschlägigen Bestimmungen stünden nicht im Einklang mit der Werteordnung des Grundgesetzes und beeinträchtigten deshalb den Kläger in seinen Rechten. Eingegriffen werde insbesondere in die sich aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Positionen des Klägers, indem, wenn auch nur im Wege leistungsgewährender Verwaltung und nur mittelbar über die Begünstigung der "Landeskinder”, aber doch ohne Gründe sachlicher Differenzierung, andere deutsche Staatsangehörige ausgeschlossen würden. Gehe es – wie hier – um einen Nebensachverhalt, der seiner Natur nach über die Ländergrenzen hinausgreife und eine für alle Staatsbürger in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistete Rechtsposition berühre, könnten einseitige Begünstigungen der Einwohner eines Landes eine Ungleichbehandlung anderer Staatsbürger bewirken. Bei einer solchen Fallgestaltung sei zu prüfen, ob sich eine Bevorzugung der Einwohner des Landes im Rahmen der Wertentscheidungen des Grundgesetzes halte oder ob sie nicht zur Entwertung von Grundrechten führen würde, wenn andere Länder ebenso verführen. Angesichts der finanziell lukrativen Gewährung des Übergangsgeldes werde der abgebende Arzt immer bemüht sein – wie dies auch der Kläger versucht habe – eine im Sinne des Statutes "hessischen Arzt” als Nachfolger zu gewinnen. Der Charakter der ausgrenzenden berufslenkenden Maßnahme werde im besonderen deutlich, wenn man sich die Regelung des letzten Absatzes des § 1 des Statutes vor Augen führe. Danach könnten zwar die Voraussetzungen der Bewilligung des Übergangsgeldes als erfüllt angesehen werden, wenn – überhaupt – kein Nachfolger zu finden sei. Sollte dann aber wahrend der Laufzeit der finanziellen Förderung die Praxis von einem Nichtförderungswürdigen – also beispielsweise von einem nicht-"hessischen” Arzt übernommen werden, sei das Übergangsgeld zurückzuzahlen. Unter Beachtung dieser Sach- und Rechtslage sei es geboten, die berufsregelnden Satzungsbestimmungen in Anwendung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 12 und Art. 3 GG darauf zu überprüfen, inwiefern sie von vernünftigen Gründen des Gemeinwohls getragen, dem Verhältnisgrundsatz genügten und sachdienlich, d.h. tauglich im Sinne der Zielsetzung sowie des Verbotes unsachlicher Differenzierung seien. Hierbei sei in erster Linie die Präambel des Strukturstatutes heranzuziehen. Danach sei dieses Statut von der Besorgnis getragen, daß die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die ambulante kassenärztliche Tätigkeit, verbunden mit dem starken Zustrom teilweise nicht ausreichend aus- und weitergebildeter Ärzte die Erhaltung und Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung und die Existenzgrundlage einer freiberuflichen Tätigkeit gefährdeten. Die Präambel spreche insoweit weiterhin davon, daß angesichts des derzeitigen Unvermögens des Gesetzgebers, sachgerechte Lösungen zu schaffen, die den medizinischen Erfordernissen entsprechen, die hessischen Kassenärzte sich veranlaßt sähen, Selbsthilfemaßnahmen zu ergreifen, die geeignet erschienen, die negativen Konsequenzen der bisherigen Politik abzuschwächen. Die Maßnahmen zur kostengünstigen Integrierung junger Ärzte sollten deshalb dem Gesamtinteresse der hessischen Kassenärzte dienen und auf der Mitverantwortung für die junge Generation beruhen. Sie sollten darüber hinaus helfen, die freiberufliche Existenz der Gesamtheit der Kassenärzte zu erhalten. Ausgehend von diesen Intentionen sei nicht zu erkennen, warum der Ausschluß deutscher, nicht-"hessischer” Ärzte von der Förderung sachlich begründet sein könnte. Insbesondere sei es nicht ersichtlich, weshalb ein im Saarland ausgebildeter und tätig gewesener Arzt wie Herr F. nicht die qualitativen Voraussetzungen einer allgemeinärztlich orientierten Arztpraxis haben sollte. Darüber hinaus sei auch nicht zu erkennen, daß im besonderen ein starker Zustrom von Ärzten nach Hessen stattfinde und nicht andererseits sich auch ein Weggang von Hessen in andere Bundesländer vollziehe. Einem solchen Zustrom in einzelne Landesteile wäre im übrigen notwendigenfalls mit Mitteln des übergeordneten Planungsrechts zu begegnen. Überdies sei festzustellen, daß, wenn die freiberufliche Existenz der Kassenärzte postuliert werde, diese gerade unter Regelungen leiden müßten, wie sie hier im Streite stehen. Die Freiheit der Niederlassung bundesdeutscher Bürger über die Landesgrenzen hinaus wäre erheblich beeinträchtigt, ein Sachverhalt der im Vergleich zur Niederlassungsfreiheit ausländischer EG-Angehöriger im EG-Bereich nach Artikel 52 Abs. 2 EWG-Vertrag nicht im Sinne innerstaatlichen Gemeinwohls sein könne, obgleich im vorliegenden Fall keine Prüfung unter Gesichtspunkten des EG-Rechts vorzunehmen gewesen sei, da es sich insoweit um einen rein innerstaatlichen Vorgang handele (Hinweis auf Blumenwitz, NJW 1989, Seite 621 ff.). Nach gliedern werde die Beklagte nunmehr neues verfassungsgemäßes Satzungsrecht zu schaffen haben, wobei ihr allerdings ein breiter Gestaltungsspielraum zuzuerkennen sei und sie dabei auch den Grundsätzen des Vertrauensschutzes Rechnung tragen müsse. Auf der dann geschaffenen Grundlage werde der Kläger erneut zu bescheiden sein. Für den Fall des Klägers sei es der Beklagten jedoch auch unbenommen, im Wege der erneuten Beschlussfassung darüber, ob ein Ausnahmefall im Sinne von § 1 b des Statuts (gemeint wohl § 2 b) zu einer im Lichte des Verfassungsrechts positiven Entscheidung zu kommen.
Gegen das der Beklagten am 23. Juli 1992 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. August 1992 eingegangene Berufung. Die Beklagte ist der Auffassung, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die das Sozialgericht Bezug genommen habe, sei auf die Landeskinderregelung im Statut zur Strukturpolitik der KV Hessen nicht anwendbar. Die vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden gesetzlichen Regelungen seien als absolute Zulassungsschranke im Sinne der verfassungsrechtlichen Stufentheorie anzusehen gewesen. Selbst nach Auffassung des Sozialgerichts sei jedoch das angegriffene Strukturstatut allenfalls eine Berufsausübungsregelung. Der Auffassung des Sozialgerichts, daß diese Berufsausübungsregelung einen so schweren Eingriff darstellen würde, daß sie bereits einer absoluten Zulassungsschranke nahekomme, könne indes nicht gefolgt werden. Zwar dürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Beschrankungen bei der Zulassung zur Ausbildung nicht einer Berufslenkung dienen. Dieser Gedanke sei jedoch bei der Frage einer Subventionsvergabe durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Landesebene nicht übertragbar. Soweit das Bundesverfassungsgericht feststelle, daß im Bereich des Hochschulwesens ein faktisches Monopol des Staates zur Ausbildung in akademischen Berufen bestehe und die Teilnahme daran notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung von Grundrechten sei, lasse sich auch dieser Gedanke auf das Strukturstatut nicht übertragen. Denn mit dem Strukturstatut sollten die betroffenen Ärzte lediglich einen Anreiz dafür bekommen, daß sie freiwillig ihre eigene Praxis zu einem frühzeitigen Zeitpunkt aufgeben. Die Transparenz der zu treffenden Entscheidung sei dabei ihm Rahmen des Strukturstatus ohne weiteres gegeben. Die Zahlungen aus dem Strukturstatut stellten Subventionen dar, auf die die allgemeinen Subventionsgrundsätze Anwendung finden müßten. Mit dem Strukturstatut sollten niedergelassene hessische Kassenärzte ihre Praxis an einen geeigneten Nachfolger übergeben, bevor sie einen Anspruch auf Teilnahme an der Erwetterten Honorarverteilung haben. Dies geschehe durch Zahlung eines verlorenen Zuschusses. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gleiche oder ähnliche Regelungen wie sie im Statut zur Strukturpolitik der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen enthalten seien, gebe es bei anderen Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 1992 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält die sozialgerichtliche Entscheidung für zutreffend. Das Strukturstatut führe zu einer erheblichen unternehmerischen Einschränkung der Dispositions- und Betätigungsfreiheit aller nichthessischen Ärzte, was dem Grundrechtsschutz des Art. 12 GG zuwider laufe. Zugleich sei damit eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeit der Berufsbeendigung zu sehen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, im Ergebnis jedoch unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Soweit der Kläger nach Maßgabe der derzeit in Kraft befindlichen Bestimmungen des Strukturstatuts vom Anspruch auf Übergangsgeld ausgeschlossen wird, verstößt dieser Ausschluß gegen höherrangiges Recht und kann deshalb keinen Bestand haben. Die Beklagte wird vielmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden haben, ob dem Kläger für die Zeit ab Vollendung von dessen 63. Lebensjahr trotz des Umstandes ein Übergangsgeld gewährt werden kann, als die Praxisübergabe nicht an einem im Sinne des Strukturstatuts "hessischen” Arzt übergeben worden ist.
I.
1. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht ist davon auszugehen, daß dem Kläger ein unmittelbarer Anspruch auf Übergangsgeld aus dem Strukturstatut nicht zusteht.
Zwar sieht § 1 des als Anlage zur Satzung der Beklagten von deren Abgeordnetenversammlung beschlossenen Strukturstatuts in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Dezember 1990 (Hessisches Ärzteblatt Nr. 6/91, S. 335) die Zahlung eines Übergangsgeldes für zugelassene hessische Kassenärzte vor, die nach Vollendung des 63. Lebensjahres ihre kassen- und vertragsärztliche Tätigkeit beenden. Übergangsgeld ist auch zu zahlen, wenn die Tätigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres jedoch frühestens nach Vollendung des 61. Lebensjahres beendet wird, wobei der Anspruch auf Übergangsgeld ebenfalls mit Vollendung des 63. Lebensjahres entsteht.
Die Zahlung des Übergangsgeldes ist jedoch daran gebunden, daß die Kassenpraxis "an einen die Zulassungsbedingungen erfüllenden hessischen Arzt” übergeben wird, der nicht älter als 45 Jahre sein darf.
Diese Eigenschaft als "hessischer” Arzt erfüllt Herr F. als übernehmender Arzt nicht. Dieser war nicht im Sinne von § 2 b des Strukturstatuts vor der Praxisübernahme mindestens 15 Jahre in Hessen ansässig oder die letzten 10 Jahre vor Zulassung in Hessen tätig gewesen und hat hier auch nicht seine ärztliche Aus- und Weiterbildung absolviert.
Auch die in § 2 b Satz 3 getroffene Übergangsregelung trifft auf die Praxisübernahme durch Herrn F. nicht zu, da dieser nicht mindestens ein Jahr unmittelbar vor dem am 1. Januar 1985 erfolgten Inkrafttreten des Strukturstatuts in Hessen wohnhaft war und zu diesem Zeitpunkt zumindest einen Teil seiner Aus- oder Weiterbildung in Hessen abgeleistet hatte.
Das Sozialgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß auch aus der in § 2 b Satz 2 des Strukturstatuts getroffenen Regelung ein Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld nicht abgeleitet werden kann. Zwar kann nach dieser Bestimmung in begründeten Ausnahmefällen der Vorstand der Beklagten von den zuvor genannten Voraussetzungen absehen. Unter den im Strukturstatut im übrigen vorgegebenen Prämissen halt es der Senat jedoch nicht für ermessensfehlerhaft, wenn die nicht näher ausgestaltete Ausnahmeregelung im Hinblick auf die Versorgungssituation bei allgemeinärztlich tätigen Ärzten nicht angewendet worden ist.
2. Die ergangenen Bescheide sind dennoch rechtswidrig. Denn das Strukturstatut als untergesetzliches Normgefüge verstößt insoweit, als es die Zahlung des Übergangsgeldes daran bindet, daß die Praxisübergabe an einen "hessischen Arzt” i.S.v. § 2 des Strukturstatuts erfolgen muß, gegen höherrangiges Recht. Die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Übergangsgeld kann deshalb nicht auf die insoweit getroffene Regelung gestützt werden.
a) Regelungen zur Gewährung von Übergangsgeld bei vorzeitiger Praxisaufgabe vor Erreichen der Ansprüche auf Beteiligung an der Erweiterten Honorarverteilung sind an sich zulässig. Die Rechtsgrundlage für die Schaffung eines darauf gerichteten autonomen Satzungsrechts ergibt sich aus § 105 Abs. 3 SGB V. Den kassenärztlichen Vereinigungen ist mit dieser Bestimmung ausdrücklich die Möglichkeit der finanziellen Förderung des freiwilligen Verzichts auf die Zulassung als Kassenarzt – jetzt Vertragsarzt – vom 62. Lebensjahr an eingeräumt worden.
§ 105 Abs. 3 SGB V ist durch das Gesetz zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung vom 19. Dezember 1986 (BGBl. 1986, S. 2593) – damals als § 368 n Abs. 9 RVO – in das Gesetz eingefügt worden. Der Gesetzgeber bestätigte damit die bereits bei einzelnen kassenärztlichen Vereinigungen vorhandenen Satzungsregelungen. Zugleich überließe er damit die nähere Ausgestaltung der finanziellen Zuwendungen ausdrücklich der Selbstverwaltung.
b) Bei der Festlegung der Kriterien für eine solche finanzielle Förderung ist die Selbstverwaltung der Beklagten indes nicht frei. Vielmehr muß sich eine auf § 105 Abs. 3 SGB V beruhende Regelung im Rahmen der weiteren Vorgaben halten, die das Sozialgesetzbuch V aufgestellt hat. Orientierungsmaßstab sind dabei insbesondere die §§ 75 ff. SGB V. Die aufzustellenden Kriterien müssen im übrigen mit der Werteordnung des Grundgesetze in Übereinstimmung stehen.
Mit der Regelung im Strukturstatut, wonach bei einer Praxisübergabe an "nicht-hessische” Ärzte im Sinne des § 2 dieses Statuts ein Anspruch auf Übergangsgeld ausscheidet, hat die Beklagte den ihr insoweit vorgegebenen Rahmen überschritten und damit keine wirksame Rechtsgrundlage für einen Ausschluß des Klägers vom Anspruch auf Übergangsgeld geschaffen.
Den kassenärztlichen Vereinigungen kommt die Aufgabe zu, insbesondere die kassenärztliche Versorgung sicherzustellen und gegenüber den Krankenkassen zu gewährleisten, daß die kassenärztliche Versorgung den, gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 75 Abs. 1 SGB V).
Das Strukturstatut ist von dem Bemühen geprägt, zur Qualitätssicherung der kassenärztlichen Versorgung beizutragen, die der Beklagten im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags aufgegeben ist. In der Präambel zum Statut zur Strukturpolitik der KV Hessen wird dies dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die Erhaltung und Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung und die Existenzgrundlage einer freiberuflichen Tätigkeit als gefährdet angesehen wird und im Hinblick darauf Maßnahmen zu treffen seien, die geeignet erscheinen, dieser Entwicklung durch die kostengünstige Integrierung junger Ärzte und der rationellen Erbringung kassenärztlicher Leistungen durch Kooperation entgegenzuwirken.
Mit der im Strukturstatut getroffenen Regelung wird ein besonderer finanzieller Anreiz dafür geboten, eine vorzeitige Praxisübergabe an Ärzte vorzunehmen, die die Kriterien als "hessische” Ärzte erfüllen. Zugleich schließt das Strukturstatut die nach § 105 Abs. 3 SGB V vom Gesetzgeber ins Auge gefaßte finanzielle Förderung aus, wenn diese Kriterien – trotz ansonsten vorhandener Qualifikation – nicht erfüllt werden. Das Strukturstatut enthält damit ein steuerndes Element, das mit seiner Ausrichtung auf "hessische” Ärzte jedoch weder im SGB V selbst, noch in der darauf beruhenden Zulassungsverordnung, für Kassenärzte – jetzt Vertragsärzte – Niederschlag gefunden hat, und das auch ansonsten in höherrangigem Recht keine Rechtsgrundlage findet.
Insbesondere mit der vom Strukturstatut in Übereinstimmung mit den Regelungen des SGB V angestrebten Qualitätssicherung läßt sich dieser Steuerungsmechanismus, der im Falle des Klägers zu einem Ausschluß der finanziellen Förderung führt, nicht begründen. Denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß ein Arzt, der seine Ausbildung und berufliche Praxis außerhalb des Bundeslandes Hessen durchlaufen hat, weniger qualifiziert wäre, als ein Arzt, bei dem die in § 2 b des Strukturstatuts enthaltenen Voraussetzungen vorliegen.
Für den Senat wird auch nicht erkennbar, daß es durch den im Strukturstatut geschaffenen Anreiz bei der vorzeitigen Übergabe einer Kassenarztpraxis an "außerhessische” Ärzte zu dem in der Präambel angesprochenen starken Zustrom "nicht ausreichend” aus- und weitergebildeter Ärzte kommen könnte, falls die Beschränkung auf "hessische” Praxisübernehmer keinen Bestand haben sollte.
Auch Gründe der Bedarfsplanung (§§ 99 ff. SGB V) vermögen die insoweit im Strukturstatut getroffene Regelung nicht zu rechtfertigen. Durch die Bedarfsplanung soll eine mittel- und langfristige Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung durch eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Ärzten aller Fachgebiete auf alle Planungsbereiche gesorgt werden (Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand September 1993, C 99-1 m.w.N.). Mit dem Sicherstellungsauftrag ist es indes nicht zu vereinbaren, wenn Ärzten – zumindest mittelbar – die Niederlassung allein deshalb erschwert wird, weil sie ihre Aus- und Weiterbildung sowie ihre beruflichen Erfahrungen außerhalb des Bundeslandes Hessen durchlaufen haben, obgleich sie ansonsten die persönlichen Voraussetzungen nach der Zulassungsverordnung erfüllen. Eine solche Berufsausübungsregelung verstößt gegen Art. 12 GG, wie das Sozialgericht ausführlich und überzeugend begründet hat. Der Senat nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Durch eine solchermaßen unzulässige Berufsausübungsregelung wird zugleich gegenüber dem Kläger der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt, indem die Praxisübergabe an "außerhessische” Ärzte erschwert wird, obgleich Gründe für eine sachliche Differenzierung des Ausschlusses der Zahlung von Übergangsgeld bei einer Praxisübergabe an "außerhessische” Ärzte nicht bestehen. Der Senat sieht darin zugleich eine unzulässige Beeinträchtigung des durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechts. Dieses Recht wird bei einer Praxisübergabe entwertet, wenn diese Übergabe nur dann zu einer Übergangsgeld-Zahlung führt, wenn die Praxisübergabe an "hessische” Ärzte erfolgt.
3. Kann das Satzungsrecht im Statut zur Strukturpolitik nach alledem nicht die Rechtsgrundlage für den Ausschluß des Klägers von der Zahlung von Übergangsgeld darstellen, wird die Beklagte die Kriterien für die Förderung einer vorzeitigen Praxisübergabe insoweit neu festzulegen und unter Zugrundelegung dieser Kriterien über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden haben.
Bei der Festlegung dieser Kriterien kommt der Beklagten ein Weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Beklagte wird sich jedoch – wie bereits aufgezeigt – in erster Linie an ihrem Sicherstellungsauftrag nach Maßgabe der §§ 75 ff. SGB V zu orientieren haben. Dabei ist eine Vielzahl sachgerechter Anknüpfungspunkte denkbar. Dem Ziel des § 75 Abs. 3 SGB X am nahesten erscheint dabei insbesondere die Berücksichtigung der Altersstruktur der Ärzte eines Planungsgebietes oder einer Region, aber auch Kriterien wie z.B. die Größe einer Praxis, der erreichte Versorgungsgrad u.v.a.m., können im Einzelfall Kriterien für eine Abgrenzung darstellen. Möglichen Ausnahmeregelungen wird dabei eine besondere Bedeutung zukommen, um zu verhindern, daß der im Strukturstatut vorgesehene und vom SGB V mitgetragene Effekt der vorzeitigen altersbedingten Aufgabe einer Kassen- bzw. Vertragspraxis zu einer unverhältnismäßigen Benachteilung solcher aufgabewilliger Ärzte führt, bei denen die aufgestellten Kriterien aus Gründen nicht eingehalten werden, die nicht in deren Verantwortungsbereich fallen, bei denen aber der gewünschte Effekt trotzdem eintritt, und die qualitätssichernden Kriterien gegeben sind. Erreicht werden könnte dies nicht nur durch eine weit gefaßte Härteregelung, sondern auch – wie dies in § 3 des gegenwärtigen Strukturstatuts in anderem Zusammenhang verwirklicht ist – durch eine abgestufte Höhe des zu zahlenden Übergangsgeldes, ein Mechanismus, bei dem insbesondere verfassungsrechtliche Gesichtspunkte der Art. 3 und 14 GG besondere Berücksichtigung finden können.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen. Bei der vom Kläger beanstandeten Regelung handelt es sich um ein auf das Land Hessen begrenzt geltendes Satzungsrecht, das nicht revisibel ist (BSG, Urteil vom 18. Mai 1983 – 6 RKa 22/80 = SozR 1500 § 162 Nr. 17; Urteil vom 3. September 1987 – 6 RKa 1/87 = SozR 2200 § 368 m Nr. 4).
Rechtskraft
Aus
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