L 7 AS 3054/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 2979/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 3054/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 16. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927) Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind vorliegend nicht gegeben. Dem Begehren des Antragstellers fehlt es an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Dabei kann letztlich offenbleiben, ob der Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558); vgl. jetzt § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (in der Fassung durch Art. Abs. 6 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970); zum Recht der Sozialhilfe § 23 Abs. 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2670)) hier greift, obwohl manches dagegen sprechen könnte. Insoweit kann wiederum dahinstehen, ob die vorgenannte Bestimmung mit dem Recht der Europäischen Union überhaupt nicht (vgl. hierzu Strick, NJW 2005, 2182, 2184 f.; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 19; A. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 7 Rdnr.21) oder nur bei einschränkender Auslegung unter Beachtung des Diskriminierungsverbots des Art. 12 des EG-Vertrags - EGV - (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 17. September 2007 - L 7 SO 3970/07 ER-B - (juris) und vom 27. September 2007 - L 7 AS 4509/07 ER-B -; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 AS ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. Juli 2007 - L 6 AS 444/07 ER - (beide juris); Schreiber, ZESAR 2006, 423, 430; a.A. Hess. LSG, Beschluss vom 13. September 2007 - L 9 AS 44/07 ER-B - (juris); Hackethal in Adolph in Linhart/Adolph, SGB II§ 7 Rdnrn. 42 f.) europarechtskonform wäre. Denn ungeachtet dessen dürfte zu überprüfen sein, ob der Antragsteller nicht jedenfalls mit Blick auf die zum 1. Juni 2007 bei seinem Bruder A. P. aufgenommene Tätigkeit, welche er in der Prozesskostenhilfe-Erklärung vom 29. Oktober 2007 als die einer "Aushilfe" angegeben hat, als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EGV anzusehen wäre (vgl. hierzu LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 14. November 2006 - L 14 B 963/06 AS ER (juris); Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 23. März 2004 - C-138/02 - (Collins) Slg. I 2004, 2703 Rdnr. 26; Urteil vom 7. September 2004 - C-456/02 (Trojani) Slg. I 2004, 7573 Rdnrn. 21 f. (beide m.w.N.)) und ob im Falle der Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft der zur Wahrung der Arbeitnehmerrechte erforderliche Zusammenhang trotz Unterbrechung der Tätigkeit in der Zeit vom 11. bis 31. Juli 2007 sowie im August 2007 (in diesem Monat seinem Vorbringen zufolge wegen Betriebsurlaubs) erhalten geblieben wäre (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 23. März 2004 (Collins) a.a.O. Rdnrn. 27 ff. m.w.N.). Wäre der Antragsteller als Arbeitnehmer im vorgenannten Sinne anzusehen, so dürfte ihm die Leistungsausschlussregelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. SGB II a.F. (jetzt § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II n.F.) zumindest seit 1. Juni 2007 nicht mehr entgegengehalten werden können, weil der vorbezeichnete Ausschlussgrund sich nur auf solche Personen bezieht, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche herleiten (vgl. Bundestags-Drucksachen 16/688 S. 13 (zu Nr. 2 Buchst. a) und 16/5065 S. 234 (zu Nr. 2)). Das wird im Hauptsacheverfahren vor dem SG (S 20 AS 2908/07) ggf. weiter aufzuklären sein. Beim derzeitigen Erkenntnisstand im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erscheint es ferner nicht angezeigt, näher darauf einzugehen, ob dem Antragsteller, der als niederländischer Staatsangehöriger am 27. Oktober 1957 im Bundesgebiet geboren und hier aufgewachsen ist, hier ausweislich des Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 19. März 2007 zuletzt bis zu seiner Festnahme am 6. September 1999 versicherungspflichtig beschäftigt war und bis zu seiner Abschiebung am 21. Oktober 2002 seinen Wohnsitz hatte, dessen Mutter und Bruder hier leben und deutsche Staatsangehörige sind und dessen Wiedereinreisesperre nach der Ausweisung durch Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. April 2005 wohl mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ermessensausweisung bei Unionsbürgern (vgl. Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 30/02 - BVerwGE 121, 297) nachträglich auf den 20. Oktober 2005 befristet worden war, unmittelbar aus Art. 18 Abs. 1 EGV in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein Aufenthaltsrecht herleiten könnte (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-413/99 (Baumbast) Slg. I 2002, 7091 Rdnrn. 91 ff.; Urteil vom 23. März 2004 (Collins) a.a.O. Rdnr. 66; Urteil vom 7. September 2004 (Trojani) a.a.O. Rdnrn. 39 ff.).

Dem Beschwerdebegehren ist nämlich deswegen der Erfolg zu versagen, weil der Antragsteller seine derzeitige Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II) als Anordnungsvoraussetzung nicht glaubhaft gemacht hat (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Es fehlt sonach am Anordnungsanspruch, aber auch am Anordnungsgrund, d.h. an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug im Sinne der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens; dies darf der Senat nicht unbeachtet lassen. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris)). Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - a.a.O.; ferner Krodel, NZS 2007, 20, 21 (m.w.N. aus der Rechtsprechung) ). Einen derartigen Nachholbedarf hat der Antragsteller indessen ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 2. August 2007 ist vorgetragen, dass sich das Arbeitsverhältnis auch über den 11. Juli 2007 fortgesetzt habe. Weiter ergibt sich aus der zu den Akten gereichten Lohnsteuerbescheinigung für 2007 sowie der Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge, dass der Antragsteller in der Zeit vom 1. Juni bis 10. Juli 2007 bei A. P. beschäftigt war und daraus ein Bruttogehalt von insgesamt 866,87 Euro bezogen hat; nach der schriftlichen Mitteilung des A. P. vom 20. September 2007 hat sich hierbei die Arbeitszeit im Juni auf 130 Stunden und im Juli auf 43 Stunden belaufen. Der vom Antragsteller am 29. Oktober 2007 unterzeichneten Prozesskostenhilfeerklärung ist des Weiteren zu entnehmen, dass er auch im September 2007 gearbeitet hat, wobei er - freilich ohne dies zu belegen - einen Verdienst von 250,00 Euro bei einem Stundenlohn von 5,00 Euro gehabt haben soll. Auf die wiederholten Aufforderungen des Senats (vgl. nur Verfügungen vom 18. September, 15. und 23. Oktober sowie 14. November 2007, ferner das Ferngespräch der Berichterstatterin mit dem Antragsteller-Bevollmächtigten am 24. September 2007) sind keine weiteren Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers eingegangen. Damit kann aber nicht einmal summarisch überprüft werden, ob dem Bedarf des Antragstellers ausreichend eigene Mittel zur Bedarfsdeckung gegenüberstehen. Jedenfalls dürfte seine in Stuttgart angemietete Wohnung schon in Anbetracht der Wohnfläche von 68 m² unangemessen sein (vgl. zur Angemessenheit der Wohnungsgröße in Anlehnung an die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnrn. 24 ff.; SozR a.a.O. Nr. 3 Rdnrn. 199 ff.). Da der Antragsteller jedoch keinerlei Angaben über sein Einkommen seit Oktober 2007 gemacht und noch nicht einmal seinen im September 2007 erzielten Verdienst belegt hat, vermag der Senat auch nicht annähernd festzustellen, ob bei ihm die gesetzlich geforderte Hilfebedürftigkeit für den erhobenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegeben ist.

Der Beschwerde konnte sonach nicht stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Aus den oben genannten Gründen hat auch das Prozesskostenhilfegesuch der Antragsteller keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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