L 6 U 3587/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2984/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3587/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. Oktober 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2001 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um zumindest 40 vom Hundert (v.H.) zusteht.

Der 1959 geborene Kläger erlitt am 04. Januar 1999 im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit einen Arbeitsunfall. Seinerzeit war er ausweislich seiner am 20. Januar 1999 bei der Beklagten eingegangenen Unfallmeldung sowie nach den Angaben im H-Arztbericht des Orthopäden und Rheumatologen Dr. v. C. vom 27. Januar 1999 als freier Handelsvertreter tätig. Während einer geschäftlichen Besprechung war der Kläger an einer Türschwelle gestolpert und auf den rechten Arm bzw. die rechte Hand gestürzt.

Am 05. Januar 1999 stellte sich der Kläger bei Dr. v. C. vor, der als Befund eine traumatische eigroße Bursitis olecrani rechts mit Hämatombildung in den angrenzenden Weichteilen sowie eine schmerzhafte Distorsion des Daumensattelgelenks rechts mit Kapselschwellung bei intaktem Bandapparat beschrieb. Nach dem Röntgenergebnis schloss er eine knöcherne Verletzung aus. Dr. v. C. erachtete den Kläger für arbeitsunfähig bis auf weiteres. Mit Schreiben vom 03. März 1999 berichtete Dr. v. C. dann von einer als Folge des Unfalls entstandenen Sudeck’schen Erkrankung, die den Verlauf kompliziere. Naturgemäß sei dadurch mit einem längeren Krankheitsverlauf zu rechnen, dessen Ende zur Zeit nicht absehbar sei. Im Hinblick auf den verzögerten Heilungsverlauf schlug der von der Beklagten hinzugezogene Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. S. unter dem 15. März 1999 eine stationäre Behandlung vor, die vom 23. März bis 15. April 1999 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. durchgeführt wurde. In seinem Zwischenbericht vom 26. April 1999 berichtete Prof. Dr. G., Chefarzt der Abteilung für Verbrennungen, Plastische und Handchirurgie, dass sich beim Kläger das Bild einer beginnenden symphatischen Reflexdystrophie gezeigt habe und es unter der Behandlung zu einer Besserung des klinischen Bildes sowie des Schmerzempfindens und der Kraft gekommen sei. Wegen zwischenzeitlich aufgetretenen Missempfindungen im Bereich des Nervus Ulnaris-Gebietes rechts habe eine neurologische Konsiliaruntersuchung stattgefunden, die bis auf eine rein sensible Nervus Ulnaris-Irritation ohne bleibendes neurologisches und elektrophysiologisches Defizit keinen pathologischen Befund erbracht habe. Bei Entlassung habe noch keine vollständige Beschwerdefreiheit, aber schon eine gute Funktion der Hand bestanden. Nachdem der Kläger sich am 06. Juli 1999 zunächst zur Nachuntersuchung bei Prof. Dr. G. vorgestellt hatte, der in seinem Zwischenbericht vom selben Tag von einer leicht gebesserten Symptomatik berichtete, gab der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., den der Kläger in der Folgezeit aufgesucht hatte, in seinem Arztbrief vom 30. Juli 1999 an, der Kläger habe über zunehmende Dysästhesien ulnar rechts, insbesondere im Bereich der Finger V und IV, und über eine Druckschmerzhaftigkeit des Epicondylus medialis rechts geklagt. Diagnostisch beschrieb Dr. H. ein sekundäres posttraumatisches beginnendes Sulcus Ulnaris-Rinnensyndrom rechts. Nach einem Therapieversuch zog er ein operatives Vorgehen in Betracht. Nachdem sich in der Folgezeit ein neurologisch nachweisbares Sulcus Ulnarissyndrom mit klinischer Ausprägung entwickelte, wurde im Rahmen einer stationären Behandlung vom 07. bis 09. März 2000 operativ eine Neurolyse des rechten Nervus ulnaris durchgeführt (Bericht des Prof. Dr. G. vom 13. März 2000). Bei der Wiedervorstellung am 04. April 2000 berichtete der Kläger über diffuse Schmerzen im Bereich des rechten Unterarms und der Hand sowie über Kribbelparästhesien des ersten, vierten und fünften Fingers der rechten Hand. Im Ellbogengelenk fand sich bei der Untersuchung ein Streckdefizit von 20°. Da die unter dem dringenden Verdacht einer sympathischen Reflexdystrophie versuchte medikamentöse Therapie keine Verbesserung der Schmerz- und Bewegungssymptomatik brachte (Bericht vom 05. April 2000), wurde der Kläger sodann vom 10. April bis 11. Mai 2000 stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. intensiv mit Physio- und Ergotherapie behandelt (Zwischenbericht vom 17. Mai 2000). Am Entlassungstag betrug das aktive Bewegungsmaß nach der Neutral-Null-Methode 0-20-90°. Die Schmerzsymptomatik bestand nach den Angaben des Klägers weiter. Prof. Dr. G. ging davon aus, dass beim Kläger eine MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß verbleiben werde.

Auf Veranlassung der Beklagten stellte sich der Kläger am 08. Juni 2000 bei Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie im Klinikum L., vor, der über eine erhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks für die Streckung und Beugung mit 0-30-60° und eine auffällige deutliche Hyperpathie der gesamten Ellenbogenregion rechts berichtete. Prof. Dr. H. ging vom Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit aus, sowie davon, dass eine MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß sicherlich verbleiben werde (Zwischenbericht vom 14. Juni 2000). Am 05. Juli 2000 stellte sich der Kläger bei Prof. Dr. L., Chefarzt der Klinik für Handchirurgie B. N., vor, der im Hinblick auf die chronische Schmerzhaftigkeit und die nach wie vor bestehende Bewegungseinschränkung zur Reduktion der Schmerzschwelle eine Schmerztherapie unter stationären Bedingungen und danach eine großzügige Ventralverlagerung des Nervus ulnaris vorschlug (Zwischenbericht vom 11. Juli 2000). Zur Einholung eines weiteren Therapievorschlags stellte sich der Kläger am 18. und 25. Juli 2000 dann in der Klinik für Plastische Chirurgie des M.hospitals S., vor. Prof. Dr. G. beschrieb in seinem Bericht vom 02. August 2000 eine erhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Ellbogens auf 0-20-80 und riet dem Kläger, dem Vorschlag des Prof. Dr. L. zu folgen. Hierzu konnte sich der Kläger jedoch nicht entschließen, obwohl auch Prof. Dr. H., bei dem er sich am 04. Dezember 2000 im Hinblick auf das weitere Vorgehen vorgestellt hatte, gleichfalls zu einer Verlagerung des Nervus ulnaris geraten hatte.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2001 die laufende Verletztengeldzahlung mit dem 05. August 2001 eingestellt hatte, legte Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Klinik im K.hospital S., das bereits zuvor zur Feststellung einer Verletztenrente veranlasste Gutachten vom 31. Juli 2001 vor. Der Gutachter beschrieb bei der aktiven Bewegungsprüfung eine Einschränkung auf 0-20-80°, ohne Krafteinbußen im Bereich der Hände. Insgesamt sah Prof. Dr. H. im Vergleich zu den zahlreichen Voruntersuchungen eine gewisse Besserung der Beschwerden und der Bewegungsfähigkeit im Ellbogengelenk. Orientiert an den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), Ausgabe 1996, sei bei den gegebenen Befunden seines Erachtens noch eine MdE um 20 v.H. zu rechtfertigen.

Mit Bescheid vom 27. August 2001 anerkannte die Beklagte als Folge des Versicherungsfalls "Bewegungseinschränkung und Missempfindungen im rechten Ellenbogen und Missempfindungen am rechten Kleinfinger nach Prellung des rechten Ellenbogens, Missempfindungen am rechten Daumenballen nach Distorsion des rechten Daumensattelgelenks, Zustand nach abgelaufenem Morbus Sudeck, Neurolyse des rechten Nervus ulnaris" und bewilligte dem Kläger ab 06. August 2001 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger im Rahmen ausführlicher Darlegungen im Wesentlichen geltend, die festgesetzte MdE trage dem Ausmaß seiner Beeinträchtigungen als Folge des Unfalls nicht hinreichend Rechnung. Die Beklagte holte die Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. S. vom 28. September 2001 ein, der auf unfallchirurgischem Fachgebiet bei der angegebenen Bewegungseinschränkung bereits eine MdE von 30 v.H. sah und anregte, das vorliegende Gutachten noch von neurologischer Seite zu überprüfen. Daraufhin holte die Beklagte die Stellungnahme des Priv. Doz. Dr. R., Chefarzt a. D. der Neurologischen Klinik im Klinikum L., vom 29. Oktober 2001 ein. Dieser sah auf neurologischem Fachgebiet eine geringe Schädigung des Nervus ulnaris als hinreichend gesichert an und bewertete die als Folge der hieraus resultierenden Hyperalgesie an der Hand bedingte Funktionsbeeinträchtigung mit einer MdE um (allenfalls) 10 v.H. Da die wesentliche Unfallfolge jedoch unfallchirurgisch zu bewerten sei, schlug er zur Bestimmung der Gesamt-MdE eine nochmalige Vorlage an Dr. S. vor. Dieser äußerte sich unter dem 11. November 2001 dahingehend, dass unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Priv. Doz. Dr. R. eine Gesamt-MdE um 30 v.H. gerechtfertigt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2001 änderte die Beklagte den Bescheid vom 27.August 2001 daraufhin ab und bewilligte dem Kläger anstelle der vorläufigen Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. ab 06. August 2001 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner am 07. Dezember 2001 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage, mit der er eine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 30 v.H. begehrte. Er machte geltend, bei ihm liege eine Versteifung des Ellbogens in ungünstiger Stellung vor, die eine MdE von 40 bis 50 v.H. rechtfertige; zusätzlich sei ein Morbus Sudeck zu berücksichtigen, der als Stoffwechselerkrankung in Analogie zu den entzündlichen rheumatischen Erkrankungen der Gelenke zusätzlich eine MdE um 40 v.H. rechtfertige. Unberücksichtigt gelassen habe die Beklagte im Übrigen eine mittlerweile nachgewiesene Folgeschädigung im linken Ellbogenbereich. Aufgrund der Funktionsuntauglichkeit des rechten Armes habe sich zwangsläufig nämlich eine Überbeanspruchung des linken Armes entwickelt. Zudem sei eine besondere berufliche Betroffenheit zu berücksichtigen. Er legte verschiedene medizinische Unterlagen vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie verwies insbesondere darauf, dass beim Kläger keine Totalversteifung des rechten Ellenbogengelenks vorliege. Zu dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. S. legte sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Priv. Doz. Dr. R. vom 14. Dezember 2002 sowie die Stellungnahme des Dr. S. vom 12. Januar 2003 vor und machte geltend, nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und der Literatur sei es nicht mehr vertretbar, bei der Ermittlung der MdE nach Links- und Rechtshändigkeit zu trennen. Die von dem Sachverständigen für die Bewertung der MdE herangezogene zwischenzeitlich nicht mehr aktuelle Literatur berücksichtige dies noch nicht. Allein auf chirurgischem Fachgebiet könne die Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk daher lediglich mit 20 v.H. bewertet werden.

Das SG erhob das Gutachten (Eingang beim SG am 18. November 2002) des Dr. S., Oberarzt in der Orthopädischen Klinik M., das dieser aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 15. August 2002 und unter Berücksichtigung der MRT-Untersuchung vom 14. Oktober 2002 sowie der neurophysiologischen Zusatzuntersuchung vom 21. Oktober 2002 erstattete. Dr. S. bewertete die Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks mit einer MdE um 30 v.H. Für die sensiblen Reizerscheinungen im Bereich des Nervus ulnaris bzw. das schmerzhafte Krankheitsbild nach einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) im Bereich des rechten Unterarmes sei eine MdE anzusetzen, die einerseits geringer sein müsse, als für eine totale Lähmung des Nervus ulnaris, die mit 20 v.H. zu bewerten sei, andererseits jedoch auch der chronischen Schmerzsymptomatik gerecht werde. Unter Berücksichtigung dessen schätzte der Sachverständige die Gesamt-MdE für die Unfallfolgen auf 40 v.H. Im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, bei der Bemessung der MdE sei nicht nach Rechts- und Linkshändigkeit zu unterscheiden, äußerte sich Dr. S. unter dem 17. Februar 2003 ergänzend dahingehend, dass er unter Berücksichtigung der neueren Literatur für die Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Ellenbogens lediglich noch eine MdE um 20 v.H., mithin insgesamt eine MdE von 30 v.H. für angemessen erachte. Mit Urteil vom 09. Oktober 2003 wies das SG die Klage gestützt auf die Einschätzung des Priv. Doz. Dr. R. und des Sachverständigen Dr. S. mit der Begründung ab, im Hinblick auf das Bewegungsvermögen des rechten Ellenbogens rechtfertige sich eine MdE um 20 v.H., die sich im Hinblick auf die sensiblen Reizerscheinungen im Bereich des Nervus ulnaris auf 30 v.H. erhöhe. Diese MdE sei im Hinblick auf die geltend gemachte besondere berufliche Betroffenheit nicht zu erhöhen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2003 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 15. Dezember 2003 beim Landessozialgericht (LSG) mit dem Begehren Berufung eingelegt, ihm Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 40 v.H. zu gewähren. Dieses zunächst unter dem Aktenzeichen L 7 U 5100/03 geführte Verfahren wurde im Hinblick auf das am 09. Januar 2004 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers (Beschluss des Amtsgerichts L. vom 09. Januar 2004) unterbrochen und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (Beschluss des Amtsgerichts L. vom 05. April 2006) fortgeführt. Der Kläger macht geltend, im Hinblick auf seine Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogen bei einem Bewegungsmaß von 0-20-80° sei das SG zu Unrecht von einer günstigen Gebrauchsstellung ausgegangen. Soweit Rompe und Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 3. Auflage, 1998 von einer günstigen Gebrauchsstellung bei einer Beugung von 90° ausgehe, weil aus dieser Stellung heraus beispielsweise das Essen mit Besteck möglich sei, liege diese Konstellation bei ihm gerade nicht vor, da er lediglich eine Beugung von 80° erreiche, was somit als ungünstig einzustufen sei. Im Übrigen werde in der Literatur für eine leichte Teilversteifung mit einem Bewegungsmaß von 0-30-90° eine MdE von 30 v.H. zugrunde gelegt. Im Hinblick auf die Irritation des Nervus ulnaris, die mit einer Teil-MdE um 10 bis 20 v.H. zu bewerten sei, sei diese MdE nochmals zu erhöhen. Zu Unrecht sei zudem der Überlastungsschaden im Bereich des linken Armes nicht berücksichtigt worden. Nach seiner Operation im März 2000 habe er den rechten Arm nicht mehr in gewohnter Weise gebrauchen können und sei deshalb darauf angewiesen gewesen, alle Verrichtungen mit dem gesunden linken Arm durchzuführen. Demnach habe er nicht nur die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern auch seine Telefonate zur Unterrichtung seines über Jahre hinweg aufgebauten Kundenstamms mit links erledigen müssen. Dass sich eine daraus resultierende Überlastung nicht sofort, sondern erst im Laufe der Zeit zu manifestieren beginne, sei medizinisch erwiesen. Insoweit bezieht sich der Kläger auf Ausführungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit zu der Berufskrankheit Nr. 2106 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung und macht umfangreiche Ausführungen zu den arbeitsbedingten Nervenschädigungen. Zu Unrecht habe das SG im Übrigen seine besondere berufliche Betroffenheit verneint. Es sei fehlerhafter Weise davon ausgegangen, dass er als freier Handelsvertreter tätig gewesen sei. Er sei jedoch Unternehmensberater gewesen, wobei er sich aufbauend auf seinen erlernten Beruf des Bankkaufmanns im Laufe der Jahre besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in dieser Eigenschaft erworben habe. Diese hätten ihn zu einem kompetenten Ansprechpartner in den Rechtsabteilungen verschiedener Kreditinstitute gemacht, zumal er sich auf die Beratung von Existenzgründern einerseits und auf die Sanierung von Unternehmen andererseits spezialisiert gehabt habe. Letztlich sei die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass für ihn berufliche Rehabilitationsmaßnahmen nicht in Betracht gekommen seien. Vielmehr sei er rehabilitierbar gewesen, während er durch das Fehlverhalten der Beklagten nunmehr ins berufliche, soziale und gesellschaftliche Abseits geraten sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2001 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 40 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass sich der Sachverständige Dr. S. im Rahmen seines Gutachtens mit der Diagnose eines Sulcus ulnaris Syndroms links auseinander gesetzt habe, dieses jedoch nicht rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 04. Januar 1999 zurückgeführt habe. Für die Beurteilung einer besonderen beruflichen Betroffenheit komme es im Übrigen nicht wesentlich darauf an, ob der Kläger als Handelsvertreter oder als Unternehmensberater tätig gewesen sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist auch zum Teil begründet.

Das SG hätte die Klage nicht in vollem Umfang abweisen dürfen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2001 ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Verletztenrente für die Folgen des Unfalls vom 04. Januar 1999 ab 06. August 2001 nicht nach einer MdE um 40 v.H. bemessen hat, sondern lediglich nach einer solchen um 30 v.H. Die beim Kläger als Unfallfolge verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen nämlich eine Bemessung mit dem genannten höheren Wert.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt und die beim Kläger verbliebenen Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Januar 1999 zutreffend aufgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Auch der Senat geht davon aus, dass beim Kläger im Bereich des rechten Ellenbogengelenks in erster Linie eine deutliche Bewegungseinschränkung bei einem Bewegungsmaß von 0-20-80° verblieben ist sowie darüber hinaus ein Schmerzsyndrom nach abgelaufenem Morbus Sudeck. Ferner ist im Hinblick auf eine geringe Dysästhesie und leichte Minderung der Sensibilität im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris von einer leichten Schädigung des Nervus ulnaris auszugehen. Insoweit besteht im Wesentlichen auch Übereinstimmung zwischen den am Verfahren beteiligten Gutachtern und Sachverständigen. Auch der Kläger selbst hat seiner Beurteilung bezüglich der Unfallfolgen im Bereich des rechten Arms das beschriebene Schadensbild zugrunde gelegt.

Was die Bewertung dieser Beeinträchtigungen anbelangt, besteht zwischen dem Sachverständigen Dr. S. und dem nervenärztlichen Beratungsarzt der Beklagten, Priv. Doz. Dr. R., darüber hinaus auch insoweit Einigkeit, als die verbliebene Reststörung des Nervus ulnaris keine Bewertung mit einer MdE von mehr als 10 v.H. zulässt, die hieraus resultierenden Folgen jedoch ausgehend von der Bewertung der Bewegungseinschränkung im Ellbogengelenk eine Erhöhung um 10 v.H. rechtfertigen. Diese Beurteilung hält auch der Senat für sachgerecht, da eine komplette Lähmung des Nervus ulnaris eine MdE um 25 bis 30 v.H. rechtfertigt und ausgehend hiervon eine Teillähmung nur entsprechend geringer bewertet werden kann. Für die Ermittlung der Gesamt-MdE kommt der Bewertung der Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk damit maßgebliche Bedeutung zu. Diese Bewegungseinschränkung hat der Sachverständige Dr. S. im Rahmen seines Gutachtens zunächst mit 30 v.H. bewertet, diese Einschätzung auf den Einwand des Beratungsarztes der Beklagten Dr. S., der darauf hingewiesen hatte, dass nach neuerer Auffassung im Schrifttum eine Höherbewertung nach Rechts- oder Linkshändigkeit nicht mehr vorzunehmen sei, aber wieder korrigiert und sich gestützt auf das von Dr. S. bezeichnete neuere Schrifttum dessen Einschätzung angeschlossen.

Der Senat teilt die ursprüngliche Einschätzung des Sachverständigen Dr. S., der die MdE auf der Grundlage des beim Kläger ermittelten Bewegungsmaßes von 0-20-80° mit 30 v.H. bewertet hat. Dies entspricht auch dem Vorschlag, wie er zwischenzeitlich wieder in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003 enthalten ist. Dort wird für eine Bewegungseinschränkung von 0-30-90° eine MdE von 30 v.H. vorgeschlagen und die noch in der 6. Auflage (1998) vertretene Einschätzung mit 20 v.H., auf die sich der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S. gestützt hat, nicht mehr aufrecht erhalten. Auch für die Versteifung des Ellenbogengelenks in Funktionsstellung 0-90-90, für die gleichfalls noch in der 6. Auflage eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen wurde, wird in der neueren 7. Auflage nunmehr eine MdE von 30 v.H. (bei freier Unterarmdrehung) postuliert und bei Verlust der Unterarmdrehung sogar 50 v.H. im Vergleich zu dem zuvor noch vertretenen Wert von 30 v.H. Zu der funktionellen Wertigkeit ist in Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Auflage, S. 609 ausgeführt, bei einer Bewegungseinschränkung auf 90° Beugung könne das Gesicht mit der Hand nur bei normaler Beweglichkeit im Handgelenk und in der Halswirbelsäule erreicht werden, bei Beugungsstellung über 90° sei das Tragen von Lasten erschwert. Das normale Bewegungsmaß des Ellenbogens betrage für die Beugung 145°, für die Streckung 0°, wobei für die meisten Tätigkeiten des täglichen Lebens lediglich die Scharnierbewegungen im Ellenbogen zwischen 30° und 130° benützt würden. Dabei behinderten Streckdefizite weniger als Beugedefizite. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen hält der Senat die dargestellte Neubewertung der Einschränkungen im Ellenbogengelenk in Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Auflage für nachvollziehbar und sachgerecht und legt diese seiner Einschätzung zugrunde.

Soweit Dr. S. im Rahmen seiner Stellungnahme vom 12. Januar 2003 zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen MdE von 20 v.H. darauf hingewiesen hat, dass Versicherte im allgemeinen Erwerbsleben heute auf das Benutzen beider Hände stärker angewiesen seien als früher, weshalb es nicht mehr gerechtfertigt sei, einen Unterschied zwischen rechter und linker Seite vorzunehmen, teilt der Senat zwar diese Auffassung, nicht aber die von dem Gutachter gleichzeitig gezogene Schlussfolgerung, wonach die MdE ohne seitendifferente Einschätzung nach Gebrauchs- und Hilfshand nicht mehr mit 30 v.H., sondern lediglich noch mit 20 v.H. bewertet werden könne. Denn wenn früher lediglich die Haupthand mit einer MdE um 30 v.H. bewertet wurde, die MdE für die Hilfshand jedoch lediglich eine Bewertung mit 20 v.H. gerechtfertigt hat, so erschließt sich dem Senat nicht, weshalb unter der Annahme, dass Versicherte im Berufsleben nunmehr stärker auf beidhändiges Arbeiten angewiesen sind, beide Hände - entsprechend der früheren Terminologie - lediglich noch als Hilfshand, nicht aber als Haupthand bewertet werden sollen. Denn mit dem Erfordernis, im Erwerbsleben verstärkt beide Hände gleichermaßen einsetzen zu müssen, geht einher, dass der bisher als nachgeordnet bewerteten Seite nunmehr eine größere Bedeutung zuzuschreiben ist als zuvor. Demgegenüber kann die in den Vordergrund getretene Notwendigkeit des beidhändigen Arbeitens, wie dies beispielsweise beim Bedienen von Computern erforderlich ist, kaum dazu führen, der Funktionsfähigkeit von Armen und Händen im Berufsleben nunmehr insgesamt nur noch eine geringere Bedeutung beizumessen als bisher. Gerade auch im Hinblick darauf folgt der Senat der von Schönberger/ Mehrtens/ Valentin in der 7. Auflage vorgenommen MdE-Bewertung, mit der die Autoren bei der in Rede stehenden Bewegungseinschränkung wieder die zuvor schon in der 5. Auflage vertretene Einschätzung mit einer MdE von 30 v.H. vorschlagen. Der Senat verkennt nicht, dass sich bei der Bewertung der in Rede stehenden Bewegungseinschränkung in der einschlägigen Literatur ein uneinheitliches Bild zeigt, das zum Teil noch dadurch gekennzeichnet ist, dass Neuauflagen Änderungen von bisherigen Bewertungen enthalten, ohne diese als solche kenntlich zu machen oder eine entsprechende Begründung dafür zu geben. So haben beispielsweise ähnlich wie Schönberger/ Mehrtens/ Valentin in der 5. bis 7. Auflage auch Mehrhoff, Muhr in der 10. Auflage (1999) des Werks "Unfallbegutachtung" für die Restbewegungsmöglichkeit im Ellenbogen von 0/30/90 Grad noch eine MdE von 30 v.H. vorgeschlagen, während sie in der 11. Auflage (2005) ihres Werkes (jetzt: Mehrhoff, Meindl, Muhr) nunmehr lediglich noch einen Wert von 20 v.H. angeben, ohne zu dokumentieren, wodurch sie diese Änderung für begründet erachten. Auch in Rompe, Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Auflage (2004) wird insoweit eine MdE von 20 v.H. vorgeschlagen, ohne dass deutlich würde, weshalb die MdE abweichend von den Beurteilungen in den seinerzeit jeweils aktuellen Auflagen der Werke von Schönberger/ Mehrtens/ Valentin und Mehrhoff, Muhr beurteilt wird.

Der Sachverständige Dr. S. ist darüber hinaus auch zutreffend davon ausgegangen, dass die beim Kläger vorliegende Bewegungseinschränkung von 0-20-80°, die sich für die Streckung geringfügig besser, allerdings für die Beugung geringfügig schlechter darstellt als die herangezogenen Vergleichswerte, mit einer MdE um 30 v.H. zu bewerten ist. Denn die höhere MdE von 40 v.H. rechtfertigt sich insoweit noch nicht. Zwar ist der Kläger mit der bei ihm bestehenden Beugefähigkeit von 80° geringfügig stärker beeinträchtigt als bei dem herangezogenen Vergleichsmaß mit 90°, wobei Beugedefizite von vorneherein stärker behindern als Streckdefizite. Jedoch kommt die Funktionseinschränkung beim Kläger in ihrer Wertigkeit nicht der Einschränkung gleich, wie sie bei einer Versteifung des Ellenbogens bei dem Maß von 0-30-30 vorliegen würde. Erst eine derart schwerwiegende Funktionsstörung würde eine MdE um 40 v.H. rechtfertigen.

Nach alledem rechtfertigen die Verletzungsfolgen des Klägers im Bereich des rechten Armes eine MdE um 40 v.H.

Linksseitige Unfallfolgen hat die Beklagte darüber hinaus zutreffend nicht anerkannt. Insoweit hat das SG zu Recht dargelegt, dass Unfallfolgen in Form eines Sulcus Ulnaris-Syndroms im Bereich des linken Arms nicht anzuerkennen sind, da eine Mehrbelastung des linken Armes im Rahmen der täglichen Verrichtungen nicht geeignet ist, ein Sulcus Ulnaris-Syndrom hervorzurufen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Auch der Hinweis des Klägers im Berufungsverfahren, wonach er im Anschluss an die im März 2000 durchgeführte operative Behandlung Telefonate mit Kunden zu führen gehabt habe, um diese über seine gesundheitliche Situation und seine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn nach Überzeugung des Senats waren mit den vom Kläger angegebenen Telefonaten keine Belastungen verbunden, die zur einer Minderdurchblutung und erhöhten Druckbelastung des entsprechenden Nerven geführt haben, wie dies beispielsweise bei Tätigkeiten in ausgeprägter Beugehaltung des Armes oder auf Arbeitsplätzen der Fall sein kann, die eine ständige maximale Beugung im Ellenbogengelenk erfordern. Zwar können entsprechende Haltungen auch bei langem Telefonieren eingenommen werden. Jedoch vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Kläger während seiner bestehenden Arbeitsunfähigkeit ab März 2000 über einen längeren Zeitraum und über tägliche Arbeitsschichten hinweg gehalten gewesen ist, mit Kunden Telefonate zu führen, um diese über das Fortbestehen seiner Arbeitsunfähigkeit zur unterrichten.

Letztlich rechtfertigt auch die vom Kläger geltend gemachte besondere berufliche Betroffenheit keine Erhöhung der MdE. Dies hat das SG gleichfalls zutreffend entschieden, weshalb auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen wird. Dass das SG im Rahmen seiner Begründung von dem Beruf des freien Handelsvertreters ausgegangen ist, wie dies in der UnfalL.eige des Klägers und im Durchgangsarztbericht des Dr. v. C. vom 27. Januar 1999 angegeben war, und nicht von der Tätigkeit als Unternehmensberater, wie vom Kläger im Berufungsverfahren nunmehr geltend gemacht, ist dabei ohne Bedeutung. Denn die vom SG dargelegten Gesichtspunkte gelten für die Tätigkeit eines Unternehmensberaters gleichermaßen. Denn die hier einschlägige, im Sinne einer Härteklausel zu verstehende Regelung kommt nur in Fällen zur Anwendung, in denen die Versicherten ihre verbliebenen Fähigkeiten nur unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs verwerten können, weil sie einen sehr spezifischen Beruf mit einem relativ engen Bereich ausgeübt haben, wobei dessen Ausübung dem Versicherten nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt haben muss, die die Stellung im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben. Einen derartigen Einzelfall hat die Rechtsprechung beispielsweise bei einem Geiger mit einer Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit oder einer Akrobatin, die ihren Beruf nicht mehr ausüben kann, bejaht. Die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt der Kläger weder unter Zugrundelegung einer Tätigkeit als Handelsvertreter noch als Unternehmensberater. Auch der Umstand, dass der Kläger aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden war, führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers lediglich insoweit Erfolg haben, als die MdE statt mit 30 mit 40 v.H. zu bewerten ist. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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