Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 1157/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 4536/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) mit der Begründung, durch die Höhe der ihnen bewilligten Leistungen würden sie in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Die 1955 geborene Klägerin zu 1 und der 1948 geborene Kläger zu 2 sind miteinander verheiratet und wohnen gemeinsam in einer 62 qm großen Zwei-Zimmer-Wohnung. In der im hier streitigen Zeitraum anfallenden Gesamtmiete in Höhe von 530 EUR monatlich ( Kaltmiete 412 EUR einschließlich 8 EUR für einen Stellplatz) sind neben Heizkosten und weiteren Nebenkosten auch Kosten für Warmwasser (16 EUR) enthalten. Die Klägerin zu 1 bezog Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 230 EUR monatlich, während der Kläger zu 2, der bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe erhielt, ohne Einkommen war.
Im September 2004 beantragten die Kläger beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24.11.2004 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen in Höhe von 976,99 EUR monatlich. Dabei ging er von folgendem monatlichen Bedarf der Kläger aus:
Klägerin zu 1 Kläger zu 2
Lebensunterhalt (Regelleistung) 311,00 EUR 311,00 EUR abzüglich Einkommen 71,14 EUR 71,13 EUR Bedarf für Lebensunterhalt 239,86 EUR 239,87 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung 248,64 EUR 248,62 EUR Gesamtbedarf 488,50 EUR 488,49 EUR
Das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2 ermittelte er wie folgt:
Einkommen (Brutto = Netto) 230,08 EUR./. Versicherungen (pauschal, § 3 Nr. 1 Alg II-V a.F. 30,00 EUR./. Kfz.-Versicherung 17,38 EUR Zwischensumme 167,37 EUR./. 15 vH der Zwischensumme (§ 3 Nr. 2 Alg II-V a.F.) iVm § 30 Nr. 1 SGB II a.F. 25,10 EUR zu berücksichtigendes Einkommen 142,27 EUR
Dagegen legten die Kläger am 17.01.2005 Widerspruch ein und machten höhere Leistungen nach dem SGB II geltend. Sie wandten sich gegen die Anrechnung des Einkommens der Klägerin zu 1. und brachten insbesondere vor, die Höhe der ihnen bewilligten Regelleistungen sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen die Artikel 3 und 6 des Grundgesetzes (GG), da sie durch die Anrechnung der Einkünfte der Klägerin zu 1 in gleichheitswidriger Weise schlechter gestellt seien als andere, die weit aus mehr dazu verdienen dürften, und weil es nicht dem im GG verankerten besonderen Schutz von Ehe und Familie entspreche, wenn getrennt lebende Hilfebedürftige Anspruch auf 345 EUR, sie als Eheleute aber nur auf 311 EUR monatlich hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Sowohl die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als auch die Kosten der Unterkunft einschließlich Heizung, sowie das zu berücksichtigende monatliche Einkommen der Klägerin zu 1. seien korrekt ermittelt worden. Er sei als Teil der vollziehenden Gewalt an die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen gebunden und dürfe von den im Gesetz festgelegten pauschalierten Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht abweichen.
Am 29.03.2005 (Dienstag nach Ostern) erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie wiederholten ihr Widerspruchsvorbringen und trugen vor, auch sie hätten einen Anspruch auf eine Regelleistung von jeweils 345 EUR sowie darauf, dass Einkommen - wie bei anderen - bis zu 450 EUR monatlich nicht angerechnet werde. Als verheiratetes Ehepaar seien sie mit einer Regelleistung von jeweils 311 EUR monatlich schlechter gestellt als Homosexuelle, Lesben und Alleinstehende. Auch dürften Ehefrauen von Millionären 450 EUR dazu verdienen. Es läge daher ein Verstoß gegen die Artikel 3 und 6 des GG vor. Die Hartz-Gesetze verletzten in eklatanter Weise die Verfassung, insbesondere die Artikel 1, 3, 5, 6, 12 und 56.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und brachte vor, die Bestimmungen des SGB II verstießen seiner Ansicht nach nicht gegen Artikel des GG und der EU-Charta.
Mit Urteil vom 29.06.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Beklagte habe den Bedarf der Kläger richtig berechnet und auch zutreffend das Netto-Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 angerechnet. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen des SGB II seien entgegen der Auffassung der Kläger nicht verfassungswidrig und verletzten auch nicht europarechtliche Vorschriften. Dass die Kläger als volljährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft jeweils nur 90 % des für Alleinstehende vorgesehenen Regelsatzes erhielten, verstoße nicht gegen das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie (Artikel 6 Abs. 1 GG), sondern beruhe auf der zutreffenden Wertung, dass durch eine gemeinsame Haushaltsführung, insbesondere durch die gemeinsame Nutzung der Energieversorgung und der Haushaltsgegenstände, ein deutlich sparsameres Wirtschaften möglich sei. Demnach stelle die betreffende Regelung des § 20 Abs. 3 SGB II keine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Alleinstehenden dar, sondern verhindere lediglich eine Bevorzugung zu zweit Lebender gegenüber Alleinstehenden. Dass nur nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) als Bedarfgemeinschaften berücksichtigt würden, nicht aber auch andere Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern , die nicht Lebenspartner nach dem LPartG sind, stelle ebenfalls keinen Verfassungsverstoß, insbesondere gegen Artikel 3 Abs. 1 GG, dar. Aber selbst wenn eine entsprechende Gleichbehandlung der sonstigen Gemeinschaften mit nicht dauernd getrennt lebenden Ehepaaren von Verfassungs wegen geboten wäre, hätte das Begehren der Kläger keinen Erfolg. Eine Gleichbehandlung der sonstigen Gemeinschaften mit Ehepaaren könnte nämlich nur im Wege der Einbeziehung auch dieser Gemeinschaften in die Regelung des § 20 Abs. 3 SGB II erfolgen, so dass dann auch diese Gemeinschaften als Bedarfsgemeinschaften angesehen würden. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Regelleistungen in der für Alleinstehende vorgesehenen Höhe von 345 EUR monatlich sei deshalb so nicht begründbar. Die hier erfolgte Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin zu 1 sei ebenfalls nicht verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die von den Klägern herangezogene Steuerfreibetragsregelung, die einen Freibetrag von 450 EUR vorsehe, beurteile sich nach grundlegend anderen Kriterien. Ein Verstoß gegen die EU-Grundrechte-Charta sei gleichfalls nicht anzunehmen, zumal nicht ersichtlich sei, dass die dort formulierten Grundrechte über die entsprechenden Grundrechte des GG hinausgingen.
Dagegen haben die Kläger am 05.09.2006 - das angefochtene Urteil wurde am 04.08.2006 zwecks Zustellung an sie zur Post gegeben - Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Begehren festhalten. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens machen sie geltend, die gesetzlichen Regelungen des SGB II verstießen gegen das GG, die Landesverfassung von Baden-Württemberg und die vom Parlament anerkannte EU-Charta. Das GG garantiere die Menschenwürde, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Berufsfreiheit, das Verbot der Zwangsarbeit (1-Euro-Job), die Unverletzlichkeit der Wohnung, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, die Tarifautonomie und die Vertragsfreiheit. Ehe und Familie stünden nach dem GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Es liege auch ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz vor. Aufgrund ihrer sexuellen Veranlagung würden sie gegenüber Homosexuellen finanziell diskriminiert. Sie forderten die rechtliche Gleichstellung mit homosexuellen Lebensgemeinschaften.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2006 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 24. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2005 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Regelsatzes von jeweils 345 EUR monatlich und ohne Anrechnung des erzielten Erwerbseinkommens zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften seien verfassungskonform.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Kläger, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Kläger haben wegen der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II zwar Anspruch auf eine monatliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 977 EUR. Der Beklagte hat aber im Schriftsatz vom 11.10.2007 angeboten, den Klägern - wenn diese dies wünschen - den Differenzbetrag von insgesamt 3 Cent auszuzahlen. Diese Frage ist daher zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Im Übrigen hat das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht zu. Es ist insbesondere nicht verfassungswidrig, dass ihnen als Ehegatten lediglich eine monatliche Regelleistung von jeweils 311 EUR bewilligt und das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 als Einnahmen berücksichtigt worden ist.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 24.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2005, mit dem der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 976,99 EUR monatlich bewilligt hat. Streitgegenstand sind nicht die Kosten der Unterkunft einschließlich der Heizung und sonstige Nebenkosten für den genannten Zeitraum. Insoweit machen die Kläger keine Ansprüche geltend. Streitig ist demnach allein, ob den Klägern - wie von ihnen geltend gemacht - eine Regelleistung in Höhe von jeweils 345 EUR monatlich zusteht und ob das von der Kläger zu 1 erzielte Erwerbseinkommen nicht auf den Bedarf anzurechnen ist. Beides verneint der Senat.
Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung). Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II betrug im hier streitigen Zeitraum die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend sind, in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) 345 EUR. Für volljährige Partner einer Bedarfsgemeinschaft - wie die Kläger - ergibt sich nach § 20 Abs. 3 SGB II eine Regelleistung in Höhe von 90 v.H. der Regelleistung nach Abs. 2.
Hiervon ausgehend standen den Klägern eine monatliche Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von jeweils 311 EUR zu. Dieser gesetzlichen Festlegung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid Rechnung getragen. Dass die Kläger zu dem Personenkreis gehören, der nach § 21 SGB II Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt hatte, ist nicht ersichtlich und wird von ihnen auch nicht geltend gemacht. Nicht geltend gemacht wird von ihnen ebenfalls, dass die Entscheidung der Beklagten nicht den geltenden gesetzlichen Regelungen entspräche. Vielmehr stützen sie die von ihnen erhobenen Ansprüche allein darauf, dass die Regelungen des SGB II mit höherrangigem Recht (GG), Landesverfassung, EU-Charta) nicht vereinbar seien. Diese Ansicht teilt der Senat nicht.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Urteil vom 23.11.2006 (B 11b AS 1/06 R) eingehend zur Vereinbarkeit des SGB II mit dem Grundgesetz Stellung genommen und dabei auch klargestellt, dass die gemäß § 20 Abs. 3 SGB II nur zu 90 % berücksichtigte Regelleistung in Höhe von 311 EUR keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Der erkennende Senat schließt sich in vollem Umfang dieser Beurteilung an und sieht daher von weiteren Ausführungen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit ab. Auch in späteren Urteilen hat das BSG die Verfassungsmäßigkeit der hier zu beurteilenden gesetzlichen Regelungen bejaht. Es bestehen auch im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltpunkte für die Annahme, bei den Klägern könnte eine individuelle Sondersituation gegeben sein, die eine andere Beurteilung erfordern würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) mit der Begründung, durch die Höhe der ihnen bewilligten Leistungen würden sie in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Die 1955 geborene Klägerin zu 1 und der 1948 geborene Kläger zu 2 sind miteinander verheiratet und wohnen gemeinsam in einer 62 qm großen Zwei-Zimmer-Wohnung. In der im hier streitigen Zeitraum anfallenden Gesamtmiete in Höhe von 530 EUR monatlich ( Kaltmiete 412 EUR einschließlich 8 EUR für einen Stellplatz) sind neben Heizkosten und weiteren Nebenkosten auch Kosten für Warmwasser (16 EUR) enthalten. Die Klägerin zu 1 bezog Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 230 EUR monatlich, während der Kläger zu 2, der bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe erhielt, ohne Einkommen war.
Im September 2004 beantragten die Kläger beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24.11.2004 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen in Höhe von 976,99 EUR monatlich. Dabei ging er von folgendem monatlichen Bedarf der Kläger aus:
Klägerin zu 1 Kläger zu 2
Lebensunterhalt (Regelleistung) 311,00 EUR 311,00 EUR abzüglich Einkommen 71,14 EUR 71,13 EUR Bedarf für Lebensunterhalt 239,86 EUR 239,87 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung 248,64 EUR 248,62 EUR Gesamtbedarf 488,50 EUR 488,49 EUR
Das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2 ermittelte er wie folgt:
Einkommen (Brutto = Netto) 230,08 EUR./. Versicherungen (pauschal, § 3 Nr. 1 Alg II-V a.F. 30,00 EUR./. Kfz.-Versicherung 17,38 EUR Zwischensumme 167,37 EUR./. 15 vH der Zwischensumme (§ 3 Nr. 2 Alg II-V a.F.) iVm § 30 Nr. 1 SGB II a.F. 25,10 EUR zu berücksichtigendes Einkommen 142,27 EUR
Dagegen legten die Kläger am 17.01.2005 Widerspruch ein und machten höhere Leistungen nach dem SGB II geltend. Sie wandten sich gegen die Anrechnung des Einkommens der Klägerin zu 1. und brachten insbesondere vor, die Höhe der ihnen bewilligten Regelleistungen sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen die Artikel 3 und 6 des Grundgesetzes (GG), da sie durch die Anrechnung der Einkünfte der Klägerin zu 1 in gleichheitswidriger Weise schlechter gestellt seien als andere, die weit aus mehr dazu verdienen dürften, und weil es nicht dem im GG verankerten besonderen Schutz von Ehe und Familie entspreche, wenn getrennt lebende Hilfebedürftige Anspruch auf 345 EUR, sie als Eheleute aber nur auf 311 EUR monatlich hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Sowohl die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als auch die Kosten der Unterkunft einschließlich Heizung, sowie das zu berücksichtigende monatliche Einkommen der Klägerin zu 1. seien korrekt ermittelt worden. Er sei als Teil der vollziehenden Gewalt an die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen gebunden und dürfe von den im Gesetz festgelegten pauschalierten Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht abweichen.
Am 29.03.2005 (Dienstag nach Ostern) erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie wiederholten ihr Widerspruchsvorbringen und trugen vor, auch sie hätten einen Anspruch auf eine Regelleistung von jeweils 345 EUR sowie darauf, dass Einkommen - wie bei anderen - bis zu 450 EUR monatlich nicht angerechnet werde. Als verheiratetes Ehepaar seien sie mit einer Regelleistung von jeweils 311 EUR monatlich schlechter gestellt als Homosexuelle, Lesben und Alleinstehende. Auch dürften Ehefrauen von Millionären 450 EUR dazu verdienen. Es läge daher ein Verstoß gegen die Artikel 3 und 6 des GG vor. Die Hartz-Gesetze verletzten in eklatanter Weise die Verfassung, insbesondere die Artikel 1, 3, 5, 6, 12 und 56.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und brachte vor, die Bestimmungen des SGB II verstießen seiner Ansicht nach nicht gegen Artikel des GG und der EU-Charta.
Mit Urteil vom 29.06.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Beklagte habe den Bedarf der Kläger richtig berechnet und auch zutreffend das Netto-Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 angerechnet. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen des SGB II seien entgegen der Auffassung der Kläger nicht verfassungswidrig und verletzten auch nicht europarechtliche Vorschriften. Dass die Kläger als volljährige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft jeweils nur 90 % des für Alleinstehende vorgesehenen Regelsatzes erhielten, verstoße nicht gegen das Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie (Artikel 6 Abs. 1 GG), sondern beruhe auf der zutreffenden Wertung, dass durch eine gemeinsame Haushaltsführung, insbesondere durch die gemeinsame Nutzung der Energieversorgung und der Haushaltsgegenstände, ein deutlich sparsameres Wirtschaften möglich sei. Demnach stelle die betreffende Regelung des § 20 Abs. 3 SGB II keine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Alleinstehenden dar, sondern verhindere lediglich eine Bevorzugung zu zweit Lebender gegenüber Alleinstehenden. Dass nur nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) als Bedarfgemeinschaften berücksichtigt würden, nicht aber auch andere Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern , die nicht Lebenspartner nach dem LPartG sind, stelle ebenfalls keinen Verfassungsverstoß, insbesondere gegen Artikel 3 Abs. 1 GG, dar. Aber selbst wenn eine entsprechende Gleichbehandlung der sonstigen Gemeinschaften mit nicht dauernd getrennt lebenden Ehepaaren von Verfassungs wegen geboten wäre, hätte das Begehren der Kläger keinen Erfolg. Eine Gleichbehandlung der sonstigen Gemeinschaften mit Ehepaaren könnte nämlich nur im Wege der Einbeziehung auch dieser Gemeinschaften in die Regelung des § 20 Abs. 3 SGB II erfolgen, so dass dann auch diese Gemeinschaften als Bedarfsgemeinschaften angesehen würden. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Regelleistungen in der für Alleinstehende vorgesehenen Höhe von 345 EUR monatlich sei deshalb so nicht begründbar. Die hier erfolgte Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin zu 1 sei ebenfalls nicht verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die von den Klägern herangezogene Steuerfreibetragsregelung, die einen Freibetrag von 450 EUR vorsehe, beurteile sich nach grundlegend anderen Kriterien. Ein Verstoß gegen die EU-Grundrechte-Charta sei gleichfalls nicht anzunehmen, zumal nicht ersichtlich sei, dass die dort formulierten Grundrechte über die entsprechenden Grundrechte des GG hinausgingen.
Dagegen haben die Kläger am 05.09.2006 - das angefochtene Urteil wurde am 04.08.2006 zwecks Zustellung an sie zur Post gegeben - Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Begehren festhalten. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens machen sie geltend, die gesetzlichen Regelungen des SGB II verstießen gegen das GG, die Landesverfassung von Baden-Württemberg und die vom Parlament anerkannte EU-Charta. Das GG garantiere die Menschenwürde, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Berufsfreiheit, das Verbot der Zwangsarbeit (1-Euro-Job), die Unverletzlichkeit der Wohnung, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, die Tarifautonomie und die Vertragsfreiheit. Ehe und Familie stünden nach dem GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Es liege auch ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz vor. Aufgrund ihrer sexuellen Veranlagung würden sie gegenüber Homosexuellen finanziell diskriminiert. Sie forderten die rechtliche Gleichstellung mit homosexuellen Lebensgemeinschaften.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2006 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 24. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2005 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Regelsatzes von jeweils 345 EUR monatlich und ohne Anrechnung des erzielten Erwerbseinkommens zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften seien verfassungskonform.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Kläger, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Kläger haben wegen der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II zwar Anspruch auf eine monatliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 977 EUR. Der Beklagte hat aber im Schriftsatz vom 11.10.2007 angeboten, den Klägern - wenn diese dies wünschen - den Differenzbetrag von insgesamt 3 Cent auszuzahlen. Diese Frage ist daher zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Im Übrigen hat das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht zu. Es ist insbesondere nicht verfassungswidrig, dass ihnen als Ehegatten lediglich eine monatliche Regelleistung von jeweils 311 EUR bewilligt und das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 als Einnahmen berücksichtigt worden ist.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 24.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2005, mit dem der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 976,99 EUR monatlich bewilligt hat. Streitgegenstand sind nicht die Kosten der Unterkunft einschließlich der Heizung und sonstige Nebenkosten für den genannten Zeitraum. Insoweit machen die Kläger keine Ansprüche geltend. Streitig ist demnach allein, ob den Klägern - wie von ihnen geltend gemacht - eine Regelleistung in Höhe von jeweils 345 EUR monatlich zusteht und ob das von der Kläger zu 1 erzielte Erwerbseinkommen nicht auf den Bedarf anzurechnen ist. Beides verneint der Senat.
Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung). Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II betrug im hier streitigen Zeitraum die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend sind, in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) 345 EUR. Für volljährige Partner einer Bedarfsgemeinschaft - wie die Kläger - ergibt sich nach § 20 Abs. 3 SGB II eine Regelleistung in Höhe von 90 v.H. der Regelleistung nach Abs. 2.
Hiervon ausgehend standen den Klägern eine monatliche Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von jeweils 311 EUR zu. Dieser gesetzlichen Festlegung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid Rechnung getragen. Dass die Kläger zu dem Personenkreis gehören, der nach § 21 SGB II Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt hatte, ist nicht ersichtlich und wird von ihnen auch nicht geltend gemacht. Nicht geltend gemacht wird von ihnen ebenfalls, dass die Entscheidung der Beklagten nicht den geltenden gesetzlichen Regelungen entspräche. Vielmehr stützen sie die von ihnen erhobenen Ansprüche allein darauf, dass die Regelungen des SGB II mit höherrangigem Recht (GG), Landesverfassung, EU-Charta) nicht vereinbar seien. Diese Ansicht teilt der Senat nicht.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Urteil vom 23.11.2006 (B 11b AS 1/06 R) eingehend zur Vereinbarkeit des SGB II mit dem Grundgesetz Stellung genommen und dabei auch klargestellt, dass die gemäß § 20 Abs. 3 SGB II nur zu 90 % berücksichtigte Regelleistung in Höhe von 311 EUR keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Der erkennende Senat schließt sich in vollem Umfang dieser Beurteilung an und sieht daher von weiteren Ausführungen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit ab. Auch in späteren Urteilen hat das BSG die Verfassungsmäßigkeit der hier zu beurteilenden gesetzlichen Regelungen bejaht. Es bestehen auch im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltpunkte für die Annahme, bei den Klägern könnte eine individuelle Sondersituation gegeben sein, die eine andere Beurteilung erfordern würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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