L 8 RA 2/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 5072/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 2/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung von Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Der Kläger ist 1937 geboren worden und hat sein Berufsleben bis zum 2. Oktober 1990 in der DDR zurückgelegt. Am 31. Juli 1962 erwarb er den Titel eines Meisters der Volkseigenen Industrie für Elektrotechnik. Ab 1. Juli 1968 war er über den 30. Juni 1990 hinaus im damaligen VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb, Betriebsteil Berlin –, später VEB Robotron Vertrieb Berlin, beziehungsweise deren Rechtsnachfolger beschäftigt. Mit Urkunde der Ingenieurschule E vom 31. Juli 1973 war ihm nach erfolgreichem Abschluss des Studiums das Recht zuerkannt worden, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Bis Ende 1973 bekleidete er – wie vor dem Studienabschluss – die Position eines Fachbereichsleiters, von 1974 bis 1977 die eines Abteilungsleiters, von 1978 bis 1980 die eines Objektingenieurs und ab 1980 die des "Leiters BfN" (Büro für Neuererwesen). Seit 1. Januar 1975 gehörte er der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung an und entrichtete zu ihr Beiträge bis zur Höhe des doppelten Verdienstes in der Sozialpflichtversicherung. Seit dem 1. Oktober 1999 bezieht er eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Seinen Antrag vom Mai 2000, "gemäß BSG-Urteil" Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in der Zeit der Zugehörigkeit tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2001 ab. Eine Versorgungszusage sei zu DDR-Zeiten nicht erteilt worden. Es habe aber auch kein Anspruch auf Einbeziehung in die Versorgung bestanden: Vor August 1973 habe der Kläger nicht über eine Qualifikation verfügt, die den Zugang zu dem Versorgungssystem öffne. Ab August 1973 entspreche die ausgeübte Beschäftigung zwar der technischen Qualifikation, sei aber nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb. ausgeübt worden. Der VEB Robotron Vertrieb sei eine Handelseinrichtung gewesen, die mit der eigentlichen Produktion nichts zu tun gehabt habe. Mit der Klage hat der Kläger begehrt, die Beschäftigungszeiten vom 1. Juli 1968 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen. Die Voraussetzungen dafür seien erfüllt. Ab 1. Juli 1968 sei er als Fachbereichsleiter des Fachbereichs mittlere Mechanisierung mit Schwerpunkt in der Organisation und Überwachung der Kundendienstmitarbeiter im Betrieb selbst tätig geworden, später hätten sich die Aufgaben seiner Abteilung in Richtung Produktion von prüftechnischen

Geräten, Baugruppenentwicklung und Baugruppenregenerierung entwickelt. Vom 1. November 1977 bis zum 31. Oktober 1979 sei er in der Aufbauleitung für einen Betriebsneubau tätig gewesen. Ab 1980 sei er Leiter des Büros für Neuererwesen gewesen, was dem heutigen betrieblichen Vorschlagswesen entspreche. Der VEB Robotron Vertrieb Berlin sei zu ca. 80 % mit Produktions- und Entwicklungsaufgaben befasst gewesen. Zu den Produktionsaufgaben hätten insbesondere der Kundendienst für Datenverarbeitung und Büromaschinen, die industrielle Instandhaltung von mechanischen und elektronischen Baugruppen, die Reparatur und Neuanfertigung von Transportwalzen für technische Geräte (z.B. Schreibwalzen), die Produktion von Organisationsmitteln und Büromöbeln, Fertigungsanlagen und elektronischen Zubehörgeräten, von Radiogeräten und Bildschirmverarbeitungssystemen sowie von Datenverarbeitungsanlagen gehört. Die Niederlassung in S habe allein 400 Mitarbeiter beschäftigt, die ausschließlich Mono-Rundfunkempfangsgeräte hergestellt hätten. In Berlin seien von insgesamt rund 2300 Mitarbeitern zirka 1000 ausschließlich für den technischen Kundendienst tätig gewesen, während weitere 400 Software hergestellt hätten. Angesichts dessen hätten die produktiven Aufgaben überwogen. Der Betrieb habe ferner dem Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik unterstanden und die Planbeauftragung und Gewinnabrechnung sei als industrielle Warenproduktion erfolgt. Schließlich sei der Kläger Mitglied der Industriegewerkschaft Metall gewesen, was ausschließe, dass er in einem Handelsbetrieb tätig gewesen sei. Mit Bescheid vom 16. Januar 2002 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass sie die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 1973 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Entgelte festgestellt hat. Die Beklagte hat zu diesem Bescheid in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 27. November 2002 erklärt, dass er zu Unrecht ergangen sei, von einer Rücknahme aber aus Gründen des Vertrauensschutzes abgesehen werde. Durch Urteil vom 27. November 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der VEB Robotron Vertrieb Berlin sei kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Er habe Vertriebsaufgaben erfüllt. Soweit Mitarbeiter des Betriebs im technischen Kundendienst tätig und in der industriellen Instandhaltung von Datenverarbeitung und Büromaschinen eingesetzt worden seien, hätten sie keine Produktionsaufgaben erfüllt. Mit der Berufung hat der Kläger sein Begehren noch für die Zeit ab 1. Januar 1974 weiterverfolgt. Er habe in einem Produktionsbetrieb gearbeitet. Dafür spreche neben dem bereits Vorgetragenen, dass der VEB Robotron Vertrieb Berlin eine Produktionsfondsabgabe habe leisten müssen, wozu Handels- und Außenhandelsbetriebe nicht verpflichtet gewesen seien. Die Vertriebsaufgaben seien vom VEB Robotron Außenhandel erledigt worden. Unter anderem der ehemalige technische Direktor S sei in die Zusatzversorgung einbezogen gewesen, dessen Prämiengehalt sich entscheidend nach der "Erfüllung der Warenproduktion nach IAP" (Industrieabgabepreis) gerichtet habe. Beim VEB Robotron Vertrieb Berlin habe es sich ursprünglich um den VEB Mechanik gehandelt, der aus einer Zusammenfassung kleinerer Kundendienstbetriebe entstanden sei. Im statistischen Betriebsregister der DDR sei der Betrieb unter der Wirtschaftsgruppe 16649 und damit als Reparatur- und Montagebetrieb der Datenverarbeitungs- und Büromaschinenindustrie geführt und in den Wirtschaftsbereich "Industrie" eingeordnet worden. Neben Mono-Rundfunkgeräten seien die Rechneranlagen EC 1040 und RVS K 1840 zusammengesetzt und installiert worden, außerdem seien Kabel und Stecker selbst gefertigt, elektronische Zündanlagen für PKW sowie prüftechnische Geräte entwickelt und hergestellt, Software entwickelt und Spulen für Fernsehgeräte produziert worden. Zum Beleg seiner Angaben hat der Kläger in Kopie neben Fundstellen aus dem Gesetzblatt der DDR, Teil I, einen Registerauszug des Staatlichen Vertragsgerichts Berlin zur Registernummer 1499, einen Versicherungsschein der Deutschen Versicherungs-Anstalt vom 23. Juni 1966, ausgestellt zu Gunsten des Herrn G S, ein Schreiben des VEB Bürotechnik vom 30. Dezember 1964 betreffend die Berechnung des Prämiengehaltes für Herrn G S, ein Schreiben des VEB Bürotechnik an Herrn G S vom 8. März 1967, einen Arbeitsvertrag vom 20. Januar 1976 zwischen dem VEB Robotron Vertrieb Berlin und Herrn G S, ein Schreiben des VEB Robotron Vertrieb Berlin an Herrn G S vom 2. Mai 1984 (anlässlich des 35-jährigen Betriebsjubiläums), Funktionspläne des VEB Robotron Vertrieb für die Funktion des Sicherheitsinspektors vom 3. Dezember 1975/Leiters der Sicherheitsinspektion vom 26. Juni 1986, des Leiters Technische Kontrollorganisation vom 11. April 1984, ein Schreiben des Bundesarchivs vom 7. September 2004 an Herrn F P, eine "Gesamtübersicht über die Verteilung der für 1974 bilanzierten Arbeitskräfte nach Kombinatsbetrieben", einen Auszug aus der Konzeption für die Arbeit der VEB Robotron-Vertriebe sowie den Absatzplan für das Planjahr 1989 vom 15. Februar 1989, eine von einem früheren Mitarbeiter des Betriebs gefertigte "Übersicht über die Finalerzeugnisse des Betriebes" sowie von einer früheren Mitarbeiterin gefertigte Übersichten über die Struktur des Betriebes und das "Produktionspersonal" eingereicht.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2001 und des Bescheides vom 16. Januar 2002 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, auch die Zeit vom 1. Januar 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die während dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Senat hat das Statut des VEB Kombinat Robotron vom 19. Dezember 1973, die Anweisung über die Gründung und Zuordnung des VEB Robotron-Vertrieb Berlin vom 20. Dezember 1973, die Niederschrift vom 27. Mai 2003 in dem Rechtsstreit Sozialgericht Berlin S 9 RA 2399/01 über die Vernehmung der Zeugen W K und H E, die vom 21. September 2004 in dem Rechtsstreit Sozialgericht Berlin S 9 RA 381/03 über die Vernehmung des Zeugen Dr. M S sowie die vom 14. Dezember 2004 in dem Rechtsstreit LSG für das Land Brandenburg L 2 RA 14/03 über die Vernehmung der Zeugen F W und Dr. M S in das Verfahren eingeführt. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die vom Kläger begehrten Feststellungen zu treffen. Er unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG, weil er bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bezogen auf den Stichtag 30. Juni 1990 (Tag vor der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR) keinen Versorgungsanspruch gegen einen Versorgungsträger hatte und auch keine Versorgungsanwartschaft erworben hatte. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hätte der Kläger zum Stichtag nur gehabt, wenn sie einzelvertraglich vereinbart gewesen wäre oder ein nach Art. 19 Einigungsvertrag (EV; vom 31. August 1990, Bundesgesetzblatt Teil II S. 889) bindend gebliebener Verwaltungsakt einer Versorgungsstelle der DDR oder eine Versorgungsbewilligung eines Funktionsnachfolgers einer solchen Stelle oder ein Verwaltungsakt eines Versorgungsträgers im Sinne von § 8 Abs. 4 AAÜG oder eine sonstige bindende Entscheidung eines solchen Versorgungsträgers über das Bestehen einer derartigen Versorgung ("Status-Feststellung", siehe dazu etwa Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R –, zitiert nach Juris) vorliegen würde. Keine dieser Alternativen ist vorliegend erfüllt. Dem Kläger war zu DDR-Zeiten keine Versorgung einzelvertraglich zugesichert worden und auch ein bindender Verwaltungsakt einer der oben genannten Stellen ist nicht ergangen. Der Verwaltungsakte der Beklagten vom 16. Januar 2002 stellt keinen "Status-Bescheid" in dem oben beschriebenen Sinn dar. Hierfür reicht nicht die bloße Gesetzesanwendung, vielmehr muss eine positive Status-Entscheidung grundsätzlich als feststellender Entscheidungssatz kenntlich gemacht oder unzweifelhaft erkennbar sein (s. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2). Der Kläger hatte am 1. August 1991 auch keinen "Anspruch auf eine Versorgungszusage". Nach der Rechtsprechung des BSG ist der sich aus § 1 Abs. 1 AAÜG ergebende Anwendungsbereich dieses Gesetzes im Wege einer verfassungskonformen Erweiterung auch auf diejenigen zu erstrecken, die am 30. Juni 1990 (dem Tag vor der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR) zwar nicht in ein Versorgungssystem einbezogen waren, aber aus bundesrechtlicher Sicht auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der bundesrechtlichen Rechtslage zum 1. August 1991 einen Anspruch auf eine Versorgungszusage im Hinblick auf die bundesrechtlich weiter geltenden leistungsrechtlichen Regeln der Versorgungssysteme gehabt hätten. Es kommt danach in erster Linie auf das Bundesrecht des AAÜG an und nur nachrangig und lückenfüllend kraft bundesrechtlichen Anwendungsbefehls (Art. 9. Abs. 2 EV) auch auf die nach Maßgabe des Bundesrechts auszulegenden Versorgungsregeln im EV, der in Bundesrecht transformiert worden ist (ständige Rechtsprechung, beispielhaft etwa BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 4 und 6; 3-8570 § 1 Nr. 2, 3 und 8). Einen Anspruch auf Zugehörigkeit zu der vorliegend allein in Betracht kommenden zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz kann der Kläger nur dann haben, wenn die in § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech; vom 17. August 1950, DDR-GBl. I S. 844) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB; vom 24. Mai 1951, DDR-GBl. S. 487) genannten drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss eine bestimmte Berufsbezeichnung führen (persönliche Voraussetzung), eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb oder einer gleichgestellten Einrichtung verrichtet haben (betriebliche Voraussetzung; ebenfalls ständige Rechtsprechung, siehe stellvertretend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 und 8 und BSG SozR 4-8570 § 5 Nr. 6). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit der am 30. Juni 1990 ausgeübten Tätigkeit des Leiters des Büros für Neuererwesen die sachliche Voraussetzung für die Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllt (siehe betreffend den Ingenieurökonomen BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 12, abgrenzend dazu aber auch BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/07 R; das Gericht wäre nicht gehindert, von der Auffassung der Beklagten hierzu abzuweichen, weil das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren und der Sozialgerichtsprozess lediglich das bindende Anerkenntnis eines Anspruchs - § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG] -, nicht aber das Zugeständnis von Tatsachen kennen). In jedem Fall wird die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt. Denn der VEB Robotron Vertrieb Berlin war am "Stichtag" 30. Juni 1990 kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, da eine industrielle Produktion ihm nicht das Gepräge gegeben hat (vgl. zum VEB Robotron-Vertrieb Dresden: BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R; zum VEB Robotron-Vertrieb Berlin etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 29. März 2006 – L 16 R 471/05, vom 30. Januar 2007 – L 12 RA 32/02 und vom 12. Oktober 2007 – L 1 RA 44/04). Gegen die Annahme, dass es sich bei dem VEB Robotron Vertrieb Berlin um einen Produktionsbetrieb handelte, spricht schon seine Gründungsanweisung vom Dezember 1973, in der auf das Statut des VEB Kombinat Robotron Bezug genommen wird. Dieses bestimmte in seinem § 7: "Dem VEB Robotron Vertrieb Berlin obliegt der Vertrieb, der technische Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik, der Vertrieb von Systemunterlagen in den Nordbezirken der DDR und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend geltender Kombinatsordnung sowie die Anwenderschulung auf dem Gebiet der Prozessrechentechnik." Soweit das Statut des Kombinats in seinem § 7 ausdrücklich auch die Produktion von Geräten nennt, wird sie als Aufgabe gerade anderen Kombinatsbetrieben als dem VEB Robotron Vertrieb Berlin zugewiesen. Gleiches gilt für Forschung, Entwicklung und Applikation von Geräten, Verfahren und Systemunterlagen der Rechentechnik. Von der durch das Statut vorgegebenen Aufgabenstellung her war Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit

folglich jedenfalls in einer den Betrieb prägenden Weise weder Produktion noch Forschung und Entwicklung. Die tatsächlichen Verhältnisse im VEB Robotron Vertrieb Berlin rechtfertigen keine andere Sicht. Der Betrieb hat nicht durch eine industrielle Warenproduktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells (s. dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6, bestätigt in BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R) sein Gepräge erhalten. Entgegen der Auffassung des Klägers kann auf die Prüfung des "Gepräges" nicht deshalb verzichtet werden, weil der Betrieb einem Industrieministerium unterstand; dies ist lediglich ein Beurteilungskriterium (s. BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R, betreffend den VEB Robotron-Vertrieb Dresden, unter Bezug auf BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Dem Senat liegen die Aussagen von in anderen sozialgerichtlichen Verfahren mit vergleichbarem Streitgegenstand gehörten, ehemals beim VEB Robotron Vertrieb Berlin beschäftigten Zeugen vor, nämlich die Aussagen von W K, Direktor Vertrieb, Forschung und Entwicklung, und von H E, ökonomischer Direktor, aus dem Verfahren SG Berlin S 9 RA 3399/01, die Aussagen von Dr. M S, Betriebsdirektor von 1974 bis 15. Mai 1990, aus den Verfahren vor dem SG Berlin S 9 RA 398/03 und dem LSG für das Land Brandenburg L 2 RA 14/03 sowie die Aussage von Dr. F W, letzter Generaldirektor des VEB Kombinat Robotron, aus dem Verfahren vor dem LSG Brandenburg L 2 RA 14/03. Diese Aussagen sind den Beteiligten bekannt gegeben worden, sie können im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Aus ihnen ergibt sich zunächst, dass im VEB Robotron Vertrieb Berlin insoweit produziert worden ist, als in dem zum Betrieb gehörenden Werk in Stralsund ab 1974/1975 Radiogeräte gefertigt worden sind. Diese Produktion hat dem Betrieb allerdings nicht sein Gepräge gegeben, weil nur eine Minderzahl der Beschäftigten daran beteiligt gewesen ist (siehe die Aussage der Zeugen K und E aus dem Verfahren vor dem SG Berlin S 9 RA 3399/01). Eigentlicher Gegenstand der Betriebstätigkeit des VEB Robotron Vertrieb Berlin war – neben der Wartung von Computeranlagen, die ersichtlich nicht unter den Begriff der industriellen Produktion fällt – die Zusammenstellung von EDV-Anlagen aus vorgefertigten Komponenten nach Kundenwünschen, wofür auch ein Bildverarbeitungssystem, Steckverbindungen und Kabelbäume produziert worden sind. Das ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen Dr. S vor dem SG Berlin im Verfahren S 8 RA 398/03) und vor dem LSG für das Land Brandenburg im Verfahren L 2 RA 14/03 sowie der des Zeugen Dr. W in dem zuletzt genannten Verfahren. Selbst wenn das Zusammenstellen von EDV-Anlagen nicht als Dienstleistung, sondern als Herstellung eines neues Produkts anzusehen wäre, erfolgte jedenfalls keine Produktion im Sinne des sogenannten "fordistischen Produktionsmodells". Deren wesentliches Kennzeichen ist der Massenausstoß von Produkten, die durch Wiederholung von gleichartigen Bearbeitungsvorgängen unter Einsatz von Maschinen, die an die Stelle menschlicher Arbeitskraft treten, hergestellt worden sind. Der VEB Robotron Vertrieb Berlin nahm die (endgültige) Zusammensetzung der Anlagen indessen beim Kunden vor. Die "Produktion" erfolgte damit nicht auf dem Betriebsgelände eines Herstellers, wie es für eine industrielle Fertigung fordistischer Art typisch wäre. Es reicht dafür auch nicht aus, dass nach den Angaben des Zeugen Dr. S die besonderen technischen Produktionsmittel des VEB Robotron Vertrieb, die beim Zusammenbau der Anlagen Verwendung gefunden hätten, spezielle Mess- und Prüfgeräte gewesen seien. Derartige Geräte bewirken keine maschinelle Bearbeitung der Vorprodukte. Eine Produktion fordistischer Art setzt indessen voraus, dass der Herstellungsprozess in einzelne maschinelle Bearbeitungsschritte aufgespalten ist. Fehlen diese, sind die Bedingungen industrieller Fertigung nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme einer industriellen Produktion auch daran scheitern muss, dass die Zahl der zusammengesetzten Anlagen mit 200 bis 250 im Jahr vergleichsweise geringfügig war. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem weiteren Vortrag des Klägers nichts, was zu einer abweichenden Bewertung des Charakters des VEB Robotron-Vertrieb Berlin führen könnte. Im besonderen lässt sich aus der Zuordnung der Mitarbeiter des VEB zu einer "Industriegewerkschaft" kein Indiz für das Gepräge eines Betriebes ableiten. Der Begriff "Industriegewerkschaft" bezeichnet vielmehr gerade eine von der konkreten Aufgabe eines Betriebs losgelöste Gewerkschaftsorganisation, "in der die Werktätigen verschiedenster Berufe innerhalb eines oder mehrerer Industriezweige zusammengefasst sind"; damit sei "die Zersplitterung in Berufs- oder Branchenorganisationen überwunden" worden (Lexikon der Wirtschaft, 3. Auflage 1979, Verlag Die Wirtschaft, Berlin [Ost], Stichwort "Industriegewerkschaft"). Die von ehemaligen Arbeitskolleginnen und Kollegen gefertigten Aufstellungen gehen von einer "Produktion" aus, ohne dass ersichtlich wäre, dass sie den Begriff im selben Sinne verstehen, wie es nach dem Gesagten erforderlich ist. Schließlich kann auch aus der Tatsache, dass verschiedentlich Versorgungszusagen erteilt worden sind, kein Indiz dafür hergeleitet werden, dass der VEB Robotron-Vertrieb Berlin ein volkseigener industrieller Produktionsbetrieb gewesen wäre. § 1 Abs. 3 der 2. DB sah ausdrücklich die Einbeziehung in den Kreis der Versorgungsberechtigten auf Grund eines Einzelvertrages vor, ohne dass die "betrieblichen Voraussetzungen" erfüllt sein mussten. Dass derartige Versorgungszusagen nach Lage der Akten überhaupt nur Personen in der Leitungsebene des Betriebes beziehungsweise des Kombinats erteilt worden waren, könnte von daher sogar eher ein weiteres Indiz dafür sein, dass der Betrieb gerade nicht die "betrieblichen Voraussetzungen" erfüllte.

Der VEB Robotron-Vertrieb Berlin war schließlich auch kein gleichgestellter Betrieb, was sich ausschließlich nach dem Versorgungsrecht der DDR beurteilt (s. stellvertretend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 7). Der maßgebliche § 1 Abs. 2 der 2. DB erwähnt Vertriebs- oder Absatzunternehmen wie den VEB Robotron-Vertrieb Berlin jedoch nicht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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