Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 2359/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 3603/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 6. Februar 2006 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewährte Abfindung gemäß § 143a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zum Ruhen seines Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 15. Dezember 2006 führt.
Der am 1951 geborene Kläger war seit dem 13. August 1979 bei der Firma Daimler-Chrysler AG (jetzt Daimler AG) als Fertigungsplaner beschäftigt. Nach dem seit 1. April 2005 geltenden maßgebenden Manteltarifvertrag (MTV) für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden betrug die Kündigungsfrist vorliegend sechs Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres, die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber war zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen (§§ 4.4 und 4.5.2 MTV). Am 29. Dezember 2005 schlossen der Kläger und die Daimler-Chrysler AG einen Aufhebungsvertrag zum 30. Dezember 2005, der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 144.581,00 EUR.
Am 29. Dezember 2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit Bescheid vom 6. Februar 2006 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Alg-Anspruches bis zum 15. Dezember 2006 mit der Begründung fest, der Kläger habe von seinem bisherigen Arbeitgeber wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten bzw. zu beanspruchen. Da die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen gewesen sei, gelte eine Kündigungsfrist von 18 Monaten. Diese Frist sei bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten worden, so dass der Anspruch ruhe. Der Anspruch ruhe so lange, wie 25 v. H. der gezahlten bzw. zu beanspruchenden Beträge dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt entsprächen. Vorliegend ruhe der Leistungsanspruch bis zum 15. Dezember 2006. Mit Bescheid vom 7. Februar 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab dem 16. Dezember 2006 für die Dauer von 780 Kalendertagen (Anspruchsbeginn 31. Dezember 2005).
Gegen den Bewilligungsbescheid erhob der Kläger Widerspruch, wobei er im Rahmen der Widerspruchsbegründung ausführte, der Widerspruch richte sich gegen den Ruhensbescheid. Zur Begründung machte er geltend, er habe alles Erforderliche getan, um längstmöglich an seinem Arbeitsverhältnis festzuhalten, sein Gesundheitszustand habe dies jedoch nicht länger ermöglicht. Wenn aufgrund seines Gesundheitszustandes die Beklagte keine Sperrzeit verfügt habe, sei es systemwidrig, den Kläger nur wegen der tarifvertraglichen Alterssicherung schlechter zu stellen als vergleichbare gesunde Arbeitnehmer, die nicht den tariflichen Alterssicherungsschutz in Anspruch nehmen könnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 143a SGB III lasse keine Ermessensentscheidung zu, auch eine Härtefallregelung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, komme es mithin nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.
Hiergegen richtet sich die am 23. Mai 2006 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage, die im Wesentlichen wie im Widerspruchsverfahren begründet wird. Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2007 hat das SG die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 25. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24. Juli 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung wird vorgetragen, der Kläger habe überhaupt keine Leistungsfähigkeit für die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit aufgewiesen. Die Aufrechterhaltung eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist von 18 Monaten bei einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnis durch Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung unter Beachtung der sogenannten sozialen Auslauffristen mache keinen Sinn, gerade auch für den Arbeitgeber. Allein im Jahr 2000 habe der Kläger fast neun Monate gefehlt. Der Kläger habe so starke chronische Schmerzen, dass er seit Jahren mit Morphium medikamentiert werde. Hierdurch sei er sehr müde und habe eine auf ein Minimum reduzierte Konzentrationsfähigkeit, welche ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nur leichteste Tätigkeiten zu verrichten versage. Zwischenzeitlich sei dem Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Bund Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Juli 2006 bis 31. Januar 2007 bewilligt worden (inzwischen verlängert bis 31. Januar 2008 und ab 1. Februar 2008 unbefristet bewilligt). Die Beklagte habe daraufhin die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab dem 1. Juli 2006 aufgehoben (Bescheid vom 5. Juli 2006, Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006). Die Auslegung des § 143a SGB III nach Sinn und Zweck ergebe, dass diese Vorschrift keine sozialrechtliche Benachteiligung kranker Menschen mit tarifvertraglicher Alterssicherung gegenüber vergleichbaren gesunden jüngeren Menschen intendiere, die noch nicht das Alter für die tarifliche Alterssicherung erreicht hätten bzw. keiner Tarifbindung unterlägen, wogegen bereits das nunmehr vom Gesetzgeber normierte allgemeine Gleichbehandlungsgesetz streite. Soweit sich das SG auf den reinen Wortlaut des § 143a SGB III zurückgezogen habe, werde der Schutzzweck der Norm verkannt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch konterkariert, da es nicht Sinn und Zweck des § 143a SGB III sein könne, Menschen ohne Sonderkündigungsschutz, die darüber hinaus einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt hätten, durch einen kürzeren Ruhenszeitraum gegenüber denjenigen zu begünstigen, welche aufgrund ihres Alters oder Schwerbehindertenstatus sowieso einen schlechteren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt hätten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 6. Februar 2006 und 7. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2006 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Februar 2006 abzuweisen.
Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber des Klägers sei zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen gewesen. Die fiktive Kündigungsfrist betrage damit 18 Monate (§ 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III). Diese Kündigungsfrist sei nicht eingehalten worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Anspruch des Klägers auf Alg ruht gemäß § 143a SGB III in der hier noch streitigen Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006.
Im Berufungsverfahren begehrt der Kläger nunmehr nur noch Alg für den Zeitraum vom 31. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006, für den die Beklagte die Zahlung von Alg unter Berufung auf § 143a Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 1 SGB III abgelehnt hat. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist daher der "Ruhensbescheid" der Beklagten vom 6. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2006, der das Ruhen des Alg-Anspruches des Klägers für den Ruhenszeitraum von 31. Dezember 2005 bis 15. Dezember 2006 angeordnet hat. Darüber hinaus ist Gegenstand des Verfahrens der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 7. Februar 2006, mit dem die Beklagte Alg erst ab dem 16. Dezember 2006 bewilligt hat. Alle drei Bescheide treffen insoweit eine einheitliche rechtliche Regelung und können gemeinsam angefochten werden (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a/7 AL 48/04 R - (juris)). Über den Bescheid vom 6. Februar 2006 war, da vom SG nicht einbezogen, kraft Klage zu befinden (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 12 S. 53). Zu Recht verfolgt der Kläger sein Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. BSGE 77, 48, 49 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 9; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 S. 63). Im Hinblick auf die Beschränkung des Klagebegehrens im Berufungsverfahren kommt es nicht mehr darauf an, ob der Bescheid vom 12. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2006, mit welchem die Bewilligung von Alg ab 1. Juli 2006 aufgehoben wurde, entgegen der Auffassung des SG Gegenstand des Klageverfahrens gemäß § 96 SGG geworden ist.
Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber - wie hier in § 4.4 MTV für Beschäftigte der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden tarifvertraglich - ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III).
Unter Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten hätte das Arbeitsverhältnis am 29. Dezember 2005 erst zum 29. Juni 2007 beendet werden können. Mit dem vom Kläger und seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Aufhebungsvertrag wurde diese Frist nicht eingehalten, das Arbeitsverhältnis wurde vielmehr auf den Folgetag der Vereinbarung beendet. Die Beklagte hat die Dauer des Ruhenszeitraums nach § 143a Abs. 2 SGB III zutreffend berechnet. Greifen mehrere Begrenzungen des Ruhens nach § 143a Abs. 2 SGB III, gilt die Beschränkung, die für den Arbeitnehmer am günstigsten ist (Düe in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 143a Rdnr. 29). Danach ist nicht die äußerste Dauer des Ruhens für ein Jahr nach § 143 Abs. 2 Satz 1 SGB III maßgeblich, sondern die nach Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 der Vorschrift geregelte Begrenzung, wonach der Anspruch ruht bis zu dem Tag, zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 25 Prozent der nach Abs. 1 zu berücksichtigende Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte. Bei 25 Prozent der Entlassungsentschädigung von 144.581,00 EUR, somit 36.145,25 EUR ergibt sich bei einem Bemessungsentgelt von täglich 103,10 EUR ein Ruhenszeitraum von 350 Kalendertagen, wie die Beklagte in dem Bescheid vom 6. Februar 2006 zutreffend festgestellt hat.
Ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative SGB III hätte beendet werden können, kann dahin stehen. Auch in Fällen dauerhafter (krankheitsbedingter) Unfähigkeit zur Arbeitsleistung kommt ausnahmsweise eine Kündigung aus wichtigem Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht, wobei grundsätzlich die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ist (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - BAGE 96, 65; BAG, Urteil vom 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - AP BGB § 626 Nr. 159). In einem solchen Falle wäre eine teleologische Reduktion der gesetzlichen 18-monatigen Kündigungsfrist auf die ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Kalendervierteljahrs vorzunehmen gewesen (vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 22; SozR 4-4300 § 143a Nr. 1 und BSG, Urteil vom 24. Mai 2006, B 11a AL 21/05 R - Info also 2006, 263). Denn wenn gleichzeitig die Möglichkeit bestanden hätte, den betroffenen Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen, gilt aus verfassungsrechtlichen Gründen dann die ordentliche Kündigungsfrist. Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III - fiktiv - gegeben waren, denn unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist hätte das Arbeitsverhältnis am 30. Juni 2006 geendet, ein Anspruch auf Gewährung von Alg für den hier streitigen Zeitraum hätte sich demnach ebenfalls nicht ergeben können, da ein solcher auch unter Anwendung des § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III bis 30. Juni 2006 geruht hätte.
Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Vorschrift des § 143a Abs. 1 SGB III nicht. Bei der typisierenden Regelung des § 143a Abs. 1 SGB III wird vermutet, dass solche Arbeitgeberleistungen, die auch auf den Zeitraum vor Kündbarkeit zu beziehen sind, nicht allein als Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes anzusehen sind, sondern auch (zu 25 bis 60 v. H.; Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3) Arbeitsentgeltansprüche abdecken (BT-Drucks. 8/857 S. 9). Diese typisierende Regelung soll gerade den Streit ausschließen, ob die Entlassungsentschädigung im Einzelfall ausnahmsweise keinen Lohnausfall vergütet (vgl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 20; dort zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit). Hätten Zahlungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Auswirkungen auf den Alg-Anspruch, wären in erheblichem Umfang Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Den Arbeitsvertragsparteien stünde es weitgehend frei, durch ihre Bestimmungen zum Ende des Arbeitsverhältnisses und zur Bemessung der Entlassungsentschädigung den Doppelbezug herbeizuführen, den § 143 Abs. 1 SGB III (Ruhen des Anspruchs bei Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung) gerade verhindern soll (BSG SozR 4100 § 117 Nrn. 2, 3 und 21). Im Übrigen hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 117 Abs. 2 Satz 4 Arbeitsförderungsgesetz hat, welcher § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III im Wesentlichen entspricht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn. 22, 12 und 15; BSG SozR 4-4300 § 143a Nr. 1).
Soweit der Kläger geltend macht, durch den tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt zu sein, die aufgrund ihres Alters oder wegen fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers hiervon nicht betroffen seien, korrespondieren die Nachteile aus § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III mit den Vorteilen eines tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutzes (vgl. BSG SozR 4-4300 § 143a Nr. 1). Eine gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu beanstandende Schlechterstellung des Klägers im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern liegt nicht vor. Zwar ist die Dauer des Ruhens seines Anspruchs auf Alg nach § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III fiktiv (zunächst) nach der maximalen Kündigungsfrist von 18 Monaten zu bemessen, weil die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung u. a. wegen seines Alters unbegrenzt ausgeschlossen war. Indes handelt es sich bei der in Rede stehenden Differenzierung nach dem sachverhaltsbezogenen Merkmal der Unkündbarkeit lediglich um eine mittelbare und darüber hinaus auch nicht allein an das Alter, sondern gleichermaßen an die Betriebszugehörigkeit anknüpfende (vgl. § 4.4 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden) Schlechterstellung von älteren gegenüber jüngeren Arbeitnehmern. Hinzu kommt, dass diese Schlechterstellung durch die Beschränkung des Ruhenszeitraums auf längstens ein Jahr (§ 143a Abs. 2 Satz 1 SGB III) sowie die nach Alter und nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Verminderung des zu berücksichtigenden Anteils der Entlassungsentschädigung (§ 143a Abs. 2 Satz 3 SGB III) erheblich verringert wird, sodass die Auswirkungen der Ungleichbehandlung nicht als unangemessen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 26. Januar 2000 - 1 BvR 1918/99 - (juris)) anzusehen sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juli 2006 - L 3 AL 1308/05 - Breith 2006, 959; anhängig BSG - B 11a AL 51/06 R -).
Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen Europarecht aufgrund einer altersbedingten Schlechterstellung nicht vor. Unabhängig davon, ob und inwieweit die bislang nicht in nationales Recht umgesetzte EU-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16 - Rahmenrichtlinie Beschäftigung) bereits derzeit zu beachten ist, unterfällt der vorliegende Sachverhalt nicht dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dient diese zwar der Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf; sie gilt aber nach Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juli 2006, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewährte Abfindung gemäß § 143a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zum Ruhen seines Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 15. Dezember 2006 führt.
Der am 1951 geborene Kläger war seit dem 13. August 1979 bei der Firma Daimler-Chrysler AG (jetzt Daimler AG) als Fertigungsplaner beschäftigt. Nach dem seit 1. April 2005 geltenden maßgebenden Manteltarifvertrag (MTV) für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden betrug die Kündigungsfrist vorliegend sechs Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres, die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber war zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen (§§ 4.4 und 4.5.2 MTV). Am 29. Dezember 2005 schlossen der Kläger und die Daimler-Chrysler AG einen Aufhebungsvertrag zum 30. Dezember 2005, der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 144.581,00 EUR.
Am 29. Dezember 2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit Bescheid vom 6. Februar 2006 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Alg-Anspruches bis zum 15. Dezember 2006 mit der Begründung fest, der Kläger habe von seinem bisherigen Arbeitgeber wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten bzw. zu beanspruchen. Da die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen gewesen sei, gelte eine Kündigungsfrist von 18 Monaten. Diese Frist sei bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten worden, so dass der Anspruch ruhe. Der Anspruch ruhe so lange, wie 25 v. H. der gezahlten bzw. zu beanspruchenden Beträge dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt entsprächen. Vorliegend ruhe der Leistungsanspruch bis zum 15. Dezember 2006. Mit Bescheid vom 7. Februar 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab dem 16. Dezember 2006 für die Dauer von 780 Kalendertagen (Anspruchsbeginn 31. Dezember 2005).
Gegen den Bewilligungsbescheid erhob der Kläger Widerspruch, wobei er im Rahmen der Widerspruchsbegründung ausführte, der Widerspruch richte sich gegen den Ruhensbescheid. Zur Begründung machte er geltend, er habe alles Erforderliche getan, um längstmöglich an seinem Arbeitsverhältnis festzuhalten, sein Gesundheitszustand habe dies jedoch nicht länger ermöglicht. Wenn aufgrund seines Gesundheitszustandes die Beklagte keine Sperrzeit verfügt habe, sei es systemwidrig, den Kläger nur wegen der tarifvertraglichen Alterssicherung schlechter zu stellen als vergleichbare gesunde Arbeitnehmer, die nicht den tariflichen Alterssicherungsschutz in Anspruch nehmen könnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 143a SGB III lasse keine Ermessensentscheidung zu, auch eine Härtefallregelung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet worden sei, komme es mithin nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an.
Hiergegen richtet sich die am 23. Mai 2006 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage, die im Wesentlichen wie im Widerspruchsverfahren begründet wird. Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2007 hat das SG die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 25. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24. Juli 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung wird vorgetragen, der Kläger habe überhaupt keine Leistungsfähigkeit für die von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit aufgewiesen. Die Aufrechterhaltung eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist von 18 Monaten bei einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnis durch Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung unter Beachtung der sogenannten sozialen Auslauffristen mache keinen Sinn, gerade auch für den Arbeitgeber. Allein im Jahr 2000 habe der Kläger fast neun Monate gefehlt. Der Kläger habe so starke chronische Schmerzen, dass er seit Jahren mit Morphium medikamentiert werde. Hierdurch sei er sehr müde und habe eine auf ein Minimum reduzierte Konzentrationsfähigkeit, welche ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nur leichteste Tätigkeiten zu verrichten versage. Zwischenzeitlich sei dem Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Bund Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Juli 2006 bis 31. Januar 2007 bewilligt worden (inzwischen verlängert bis 31. Januar 2008 und ab 1. Februar 2008 unbefristet bewilligt). Die Beklagte habe daraufhin die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab dem 1. Juli 2006 aufgehoben (Bescheid vom 5. Juli 2006, Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006). Die Auslegung des § 143a SGB III nach Sinn und Zweck ergebe, dass diese Vorschrift keine sozialrechtliche Benachteiligung kranker Menschen mit tarifvertraglicher Alterssicherung gegenüber vergleichbaren gesunden jüngeren Menschen intendiere, die noch nicht das Alter für die tarifliche Alterssicherung erreicht hätten bzw. keiner Tarifbindung unterlägen, wogegen bereits das nunmehr vom Gesetzgeber normierte allgemeine Gleichbehandlungsgesetz streite. Soweit sich das SG auf den reinen Wortlaut des § 143a SGB III zurückgezogen habe, werde der Schutzzweck der Norm verkannt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch konterkariert, da es nicht Sinn und Zweck des § 143a SGB III sein könne, Menschen ohne Sonderkündigungsschutz, die darüber hinaus einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt hätten, durch einen kürzeren Ruhenszeitraum gegenüber denjenigen zu begünstigen, welche aufgrund ihres Alters oder Schwerbehindertenstatus sowieso einen schlechteren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt hätten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 6. Februar 2006 und 7. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2006 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Februar 2006 abzuweisen.
Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber des Klägers sei zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen gewesen. Die fiktive Kündigungsfrist betrage damit 18 Monate (§ 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III). Diese Kündigungsfrist sei nicht eingehalten worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Anspruch des Klägers auf Alg ruht gemäß § 143a SGB III in der hier noch streitigen Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006.
Im Berufungsverfahren begehrt der Kläger nunmehr nur noch Alg für den Zeitraum vom 31. Dezember 2005 bis 30. Juni 2006, für den die Beklagte die Zahlung von Alg unter Berufung auf § 143a Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 1 SGB III abgelehnt hat. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist daher der "Ruhensbescheid" der Beklagten vom 6. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2006, der das Ruhen des Alg-Anspruches des Klägers für den Ruhenszeitraum von 31. Dezember 2005 bis 15. Dezember 2006 angeordnet hat. Darüber hinaus ist Gegenstand des Verfahrens der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 7. Februar 2006, mit dem die Beklagte Alg erst ab dem 16. Dezember 2006 bewilligt hat. Alle drei Bescheide treffen insoweit eine einheitliche rechtliche Regelung und können gemeinsam angefochten werden (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a/7 AL 48/04 R - (juris)). Über den Bescheid vom 6. Februar 2006 war, da vom SG nicht einbezogen, kraft Klage zu befinden (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 12 S. 53). Zu Recht verfolgt der Kläger sein Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. BSGE 77, 48, 49 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 9; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 S. 63). Im Hinblick auf die Beschränkung des Klagebegehrens im Berufungsverfahren kommt es nicht mehr darauf an, ob der Bescheid vom 12. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2006, mit welchem die Bewilligung von Alg ab 1. Juli 2006 aufgehoben wurde, entgegen der Auffassung des SG Gegenstand des Klageverfahrens gemäß § 96 SGG geworden ist.
Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber - wie hier in § 4.4 MTV für Beschäftigte der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden tarifvertraglich - ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III).
Unter Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten hätte das Arbeitsverhältnis am 29. Dezember 2005 erst zum 29. Juni 2007 beendet werden können. Mit dem vom Kläger und seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Aufhebungsvertrag wurde diese Frist nicht eingehalten, das Arbeitsverhältnis wurde vielmehr auf den Folgetag der Vereinbarung beendet. Die Beklagte hat die Dauer des Ruhenszeitraums nach § 143a Abs. 2 SGB III zutreffend berechnet. Greifen mehrere Begrenzungen des Ruhens nach § 143a Abs. 2 SGB III, gilt die Beschränkung, die für den Arbeitnehmer am günstigsten ist (Düe in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 143a Rdnr. 29). Danach ist nicht die äußerste Dauer des Ruhens für ein Jahr nach § 143 Abs. 2 Satz 1 SGB III maßgeblich, sondern die nach Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 der Vorschrift geregelte Begrenzung, wonach der Anspruch ruht bis zu dem Tag, zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 25 Prozent der nach Abs. 1 zu berücksichtigende Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte. Bei 25 Prozent der Entlassungsentschädigung von 144.581,00 EUR, somit 36.145,25 EUR ergibt sich bei einem Bemessungsentgelt von täglich 103,10 EUR ein Ruhenszeitraum von 350 Kalendertagen, wie die Beklagte in dem Bescheid vom 6. Februar 2006 zutreffend festgestellt hat.
Ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative SGB III hätte beendet werden können, kann dahin stehen. Auch in Fällen dauerhafter (krankheitsbedingter) Unfähigkeit zur Arbeitsleistung kommt ausnahmsweise eine Kündigung aus wichtigem Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht, wobei grundsätzlich die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ist (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - BAGE 96, 65; BAG, Urteil vom 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - AP BGB § 626 Nr. 159). In einem solchen Falle wäre eine teleologische Reduktion der gesetzlichen 18-monatigen Kündigungsfrist auf die ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Kalendervierteljahrs vorzunehmen gewesen (vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 22; SozR 4-4300 § 143a Nr. 1 und BSG, Urteil vom 24. Mai 2006, B 11a AL 21/05 R - Info also 2006, 263). Denn wenn gleichzeitig die Möglichkeit bestanden hätte, den betroffenen Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen, gilt aus verfassungsrechtlichen Gründen dann die ordentliche Kündigungsfrist. Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne des § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III - fiktiv - gegeben waren, denn unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist hätte das Arbeitsverhältnis am 30. Juni 2006 geendet, ein Anspruch auf Gewährung von Alg für den hier streitigen Zeitraum hätte sich demnach ebenfalls nicht ergeben können, da ein solcher auch unter Anwendung des § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III bis 30. Juni 2006 geruht hätte.
Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Vorschrift des § 143a Abs. 1 SGB III nicht. Bei der typisierenden Regelung des § 143a Abs. 1 SGB III wird vermutet, dass solche Arbeitgeberleistungen, die auch auf den Zeitraum vor Kündbarkeit zu beziehen sind, nicht allein als Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes anzusehen sind, sondern auch (zu 25 bis 60 v. H.; Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3) Arbeitsentgeltansprüche abdecken (BT-Drucks. 8/857 S. 9). Diese typisierende Regelung soll gerade den Streit ausschließen, ob die Entlassungsentschädigung im Einzelfall ausnahmsweise keinen Lohnausfall vergütet (vgl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 20; dort zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit). Hätten Zahlungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Auswirkungen auf den Alg-Anspruch, wären in erheblichem Umfang Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Den Arbeitsvertragsparteien stünde es weitgehend frei, durch ihre Bestimmungen zum Ende des Arbeitsverhältnisses und zur Bemessung der Entlassungsentschädigung den Doppelbezug herbeizuführen, den § 143 Abs. 1 SGB III (Ruhen des Anspruchs bei Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung) gerade verhindern soll (BSG SozR 4100 § 117 Nrn. 2, 3 und 21). Im Übrigen hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 117 Abs. 2 Satz 4 Arbeitsförderungsgesetz hat, welcher § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III im Wesentlichen entspricht (BSG SozR 3-4100 § 117 Nrn. 22, 12 und 15; BSG SozR 4-4300 § 143a Nr. 1).
Soweit der Kläger geltend macht, durch den tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt zu sein, die aufgrund ihres Alters oder wegen fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers hiervon nicht betroffen seien, korrespondieren die Nachteile aus § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III mit den Vorteilen eines tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutzes (vgl. BSG SozR 4-4300 § 143a Nr. 1). Eine gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu beanstandende Schlechterstellung des Klägers im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern liegt nicht vor. Zwar ist die Dauer des Ruhens seines Anspruchs auf Alg nach § 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III fiktiv (zunächst) nach der maximalen Kündigungsfrist von 18 Monaten zu bemessen, weil die arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung u. a. wegen seines Alters unbegrenzt ausgeschlossen war. Indes handelt es sich bei der in Rede stehenden Differenzierung nach dem sachverhaltsbezogenen Merkmal der Unkündbarkeit lediglich um eine mittelbare und darüber hinaus auch nicht allein an das Alter, sondern gleichermaßen an die Betriebszugehörigkeit anknüpfende (vgl. § 4.4 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden) Schlechterstellung von älteren gegenüber jüngeren Arbeitnehmern. Hinzu kommt, dass diese Schlechterstellung durch die Beschränkung des Ruhenszeitraums auf längstens ein Jahr (§ 143a Abs. 2 Satz 1 SGB III) sowie die nach Alter und nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Verminderung des zu berücksichtigenden Anteils der Entlassungsentschädigung (§ 143a Abs. 2 Satz 3 SGB III) erheblich verringert wird, sodass die Auswirkungen der Ungleichbehandlung nicht als unangemessen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 26. Januar 2000 - 1 BvR 1918/99 - (juris)) anzusehen sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juli 2006 - L 3 AL 1308/05 - Breith 2006, 959; anhängig BSG - B 11a AL 51/06 R -).
Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen Europarecht aufgrund einer altersbedingten Schlechterstellung nicht vor. Unabhängig davon, ob und inwieweit die bislang nicht in nationales Recht umgesetzte EU-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16 - Rahmenrichtlinie Beschäftigung) bereits derzeit zu beachten ist, unterfällt der vorliegende Sachverhalt nicht dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dient diese zwar der Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf; sie gilt aber nach Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juli 2006, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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