L 7 R 5787/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2751/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 5787/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1969 in Portugal geborene Klägerin kam im 3. Lebensjahr in die Bundesrepublik Deutschland. Eine Lehre als Verkäuferin brach sie wegen Heirat ab und arbeitete sodann als Hilfsarbeiterin. Nach Geburt ihrer Tochter war die Klägerin von 1990 bis 1993 nicht berufstätig, anschließend arbeitete sie als Verkäuferin bis 1998, nach Arbeitslosigkeit dann ab 1999 in Vollzeit als Maschinenarbeiterin. Zusätzlich arbeitete sie in dem von ihrem Ehemann geführten portugiesischen Restaurant, welches im März 2003 aufgegeben wurde. Nach einer Unterleibsoperation im Februar 2001, bei welcher die Klägerin eine Injektion eines Morphiumpräparates in den Gesäßmuskel erhalten hatte, entwickelte sich eine Schmerzsymptomatik im Bereich des rechten Beines. Eine Ursache hierfür wurde trotz zahlreicher Untersuchungen nicht festgestellt. Vom 12. August bis 9. September 2003 nahm die Klägerin an einer Rehabilitationsmaßnahme in der M.-Klinik in Bad O. teil mit anschließender Reha-Nachsorge in H ... Aus dem Rehabilitationsverfahren wurde die Klägerin arbeitsunfähig entlassen, es wurde für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich angenommen.

Am 26. Januar 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog die ärztlichen Unterlagen aus dem Rehabilitationsverfahren bei und lehnte sodann den Antrag mit Bescheid vom 19. März 2004 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch und legte ein Attest ihres Hausarztes Dr. D. vom 31. März 2004 vor, wonach ein Leistungsvermögen von maximal vier Stunden täglich vorliege. Ein Wiedereingliederungsversuch beim Arbeitgeber mit sechs Stunden täglich habe abgebrochen werden müssen. Zusätzlich ließ die Beklagte ein orthopädisches Gutachten durch Dr. Kn. erstellen. In dem Gutachten vom 28. Mai 2004 stellte Dr. Kn. eine leichte statische Fehlhaltung der Wirbelsäule ohne Anhalt für wesentliche Nervenwurzelreizzeichen, deutliche Somatisierungsneigung bei psychosozialer Belastungssituation, Senk-Spreiz-Füße beidseits, Großzehenballenbildung beidseits und Neigung zu hyperlaxer Gelenkbeweglichkeit beider Arme fest. Wesentliche Funktionsminderungen bestünden nicht, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 25. August 2004 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Zur Begründung verweist die Klägerin auf ein vom SG Reutlingen im Verfahren S 3 SB 948/04 eingeholtes internistisch-rheumatologisches Gutachten bei Dr. Ma. vom 14. Januar 2005. Aus diesem Gutachten gehe hervor, dass sich aus der zunächst regionalen Schmerzsymptomatik seit 2002 gerade das Vollbild einer generalisierten Schmerzerkrankung entwickle. Im körperlichen Bereich sei vor allem die Steh- und Gehfähigkeit massiv beeinträchtigt. Im seelischen Bereich bestünden deutliche Beeinträchtigungen durch die chronische Schmerzerkrankung.

Das SG hat nach Beiziehung des Gutachtens von Dr. Ma. die Klage mit Urteil vom 28. September 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Maßgebend sei eine chronische Schmerzerkrankung. Die Einschätzung von Dr. Ma. hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Kläger beruhe überwiegend auf ihren subjektiven Angaben. Derzeit arbeite die Klägerin täglich vier Stunden in einer überwiegend sitzenden Tätigkeit. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin nach vier Stunden aufgrund überwiegender Schmerzen nicht mehr in der Lage sei, weiter zu arbeiten, sei zu berücksichtigen, dass leichtere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt denkbar seien, welche den Beschwerden der Klägerin am rechten Bein besser gerecht würden. Hinzu komme, dass die Klägerin über die vierstündige Tätigkeit hinaus weiterhin im Haushalt arbeite, wenn auch nach einer ausgiebigen Mittagsruhe. Dies bestätige die Einschätzung, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig sei.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. November 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin habe ihr ursprünglich vollschichtiges Arbeitsverhältnis aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf vier Stunden täglich reduzieren müssen. Dieser tatsächlichen Arbeitsleistung komme ein stärkerer Beweiswert zu als medizinischen Befunden. Das SG verkenne, dass sich Arbeitsplätze an das Leistungsvermögen des Arbeitnehmers nicht beliebig anpassen ließen. Die Klägerin sei darauf angewiesen, dass sie einen Arbeitsplatz finde, den sie trotz ihrer erheblichen Einschränkungen gerade noch so ausfüllen könne. Dies sei ihr mit Entgegenkommen des Arbeitgebers geglückt. Eine weitere "Optimierung" sei nicht möglich. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin nach der Arbeit noch Arbeiten im Haushalt ausführe, der Gesetzeswortlaut verwende den Begriff der "Erwerbstätigkeit". Der langjährig behandelnde Hausarzt Dr. D. gehe davon aus, dass die Klägerin über vier Stunden hinaus nicht belastbar sei. Zusätzlich hat die Klägerin einen Bericht über eine Kernspintomographie des rechten oberen Sprunggelenks vom 31. Oktober 2007 (Dr. Vollmar) vorgelegt, wonach ein synovialer und arthritischer Reizzustand vorliegt. Der Klägerin sei dringend angeraten worden, sich einer erneuten Operation des rechten Beines zu unterziehen. Nur unter Einfluss von Schmerzmitteln sei die Klägerin überhaupt in der Lage, einer Teilzeitbeschäftigung mit vier Stunden pro Tag nachzugehen. Eine höhere Arbeitsbelastung und damit ein noch höherer Konsum von Schmerzmitteln sei ihr nicht zuzumuten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. September 2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2004 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Januar 2004 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. He ... In dem Gutachten vom 12. September 2007 hat dieser auf neurologischem Gebiet eine Hypästhesie und Hypalgesie im Bereich des gesamten rechten Beines festgestellt, psychiatrisch lasse sich eine Erkrankung nicht nachweisen. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer depressiven Erkrankung, die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung seien nicht erfüllt. Es bestehe ein unklares Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Beines, welches einer vollschichtigen leichten Tätigkeit nicht entgegen stehe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Rehabilitationsakte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund), die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat in der Streit befangenen Zeit keinen Anspruch auf die hier ausdrücklich allein begehrte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin erst ab 1. Januar 2004 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie (1.) teilweise erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2 a.a.O.). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGBVI) ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 19. März 2004 gegeben, wenn die verminderte Erwerbsfähigkeit - wie von der Klägerin in der Anlage zum Rentenantrag geltend gemacht - bereits im Jahr 2002 eingetreten wäre; sie wären jedoch auch noch bei einem erst mit der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin indes keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil sie in der Streit befangenen Zeit ab 1. Januar 2004 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI gewesen ist.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin beruhen maßgebend auf einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Beines, sie führen jedoch zu keinen die begehrte Rente begründenden Leistungseinschränkungen. Das Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Beines, dessen Ursache nicht geklärt ist, ist bis zum Jahr 2002 zurück dokumentiert. Im Februar 2003 wurde nach Feststellung einer schweren venösen Insuffizienz im Universitätsklinikum Tübingen (UKT) eine Venenoperation vorgenommen (Stripping der Vena saphena magna bis zum Knie), ohne das sich dies auf die Schmerzsymptomatik relevant ausgewirkt hätte. Im August 2004 wurde wegen eines Impingement-Syndroms des rechten lateralen Sprunggelenks eine partielle Synovektomie durchgeführt (Dres. Kübel/Decker, Reutlingen). Im März 2006 erfolgte wegen eines dekompensierten Senk-Spreiz-Fußes rechts eine komplexe Vorfußrekonstruktion rechts (ebenfalls Dres. Kübel/Decker, Reutlingen); im Mai 2006 erfolgte die Metallentfernung. Aktuell besteht nach dem vorgelegten Befund vom 31. Oktober 2007 wiederum ein synovialer und arthritischer Reizzustand, von den behandelnden Chirurgen in Reutlingen wurde erneut eine Operation vorgeschlagen. Zusätzlich bestehen bei der Klägerin ein Cervikobrachial- und Lumbalsyndrom mit Skoliose der Hals- und Lendenwirbelsäule, wie sich dem Rentengutachten von Dr. Kn., welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, entnehmen lässt.

Die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen bewirken keine Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Beurteilungen des Rentengutachters Dr. Kn., des im Rehabilitationsverfahren tätig gewordenen orthopädischen Gutachters Dr. Heb. , deren Gutachten urkundsbeweislich zu verwerten sind, der Ärzte der M.-Klinik Bad O. sowie des gerichtlichen Sachverständigen Dr. He. an, welche sämtlich zeitliche Leistungseinschränkungen verneint haben. Lediglich der Hausarzt Dr. D. sieht eine quantitative Leistungseinschränkung auf vier Stunden täglich, wobei der Senat dessen Einschätzung in Anbetracht von Art und Ausmaß der vorhandenen objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht zu folgen vermag. Insbesondere ergibt sich aus der von Dr. D. erwähnten Tatsache, dass die berufliche Wiedereingliederung der Klägerin auf einer Basis von sechs Stunden täglich gescheitert ist, keine Begrenzung der Leistungsfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf diesen Zeitraum. Damit bestehen lediglich Anhaltspunkte dafür, dass die jetzige Tätigkeit nicht länger als vier Stunden täglich ausgeübt werden kann. Diese erfordert jedoch, wie die Klägerin gegenüber Dr. Ma. ausgeführt hat, unter anderem Hebe- und Tragebelastungen bis etwa 15 kg ungefähr zwei bis vier Mal in der Stunde. Darüber hinaus hat die Klägerin dort angegeben, dass die Tätigkeit vorwiegend im Stehen ausgeübt werde, sie sich zum Teil hinsetzen und das Bein hochlegen könne. Zudem treten auch Zwangshaltungen auf, da die Klägerin in vornüber gebeugter Körperhaltung an einem Band arbeitet. Dass die Klägerin diese Tätigkeit nun schon seit einigen Jahren vier Stunden täglich ausüben kann, belegt somit keineswegs ein eingeschränktes Leistungsvermögen in quantitativer Hinsicht, sondern spricht eher dafür, dass eine leichtere Tätigkeit durchaus auch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden kann (zum Beweiswert einer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nrn. 12 und 30).

Soweit Dr. Ma. in seinem Gutachten vom 14. Januar 2005, welches sich allerdings nicht zu Fragen der Erwerbsfähigkeit verhält, von einer extrem massiven Beeinträchtigung im Alltagsleben ausgeht, welche eine Einschränkung des Leistungsvermögens auch in quantitativer Hinsicht nahelegen könnte, hat die nachfolgende Begutachtung von Dr. He. eine derart massive Einschränkung aufgrund eines Schmerzsyndroms nicht bestätigt. Dr. Ma. stützt sich insoweit im wesentlichen auf die von der Klägerin ausgefüllten Fragebögen, welche somit die subjektive Auffassung der Klägerin wiedergeben. Psychologische Testverfahren zur Validierung der Aussagekraft dieser Selbstbeurteilungen hat Dr. Ma. jedoch nicht durchgeführt. Auch der von der Klägerin gegenüber Dr. Ma. angegebene massive soziale Rückzug konnte durch das Gutachten von Dr. He. nicht bestätigt werden. Der Tagesablauf der Klägerin bietet keine Anhaltspunkte für einen massiven sozialen Rückzug. Insbesondere hat die Klägerin gegenüber Dr. He. selbst angegeben, ein sehr kontaktfreudiger Mensch zu sein, der mit allen klar komme. Entsprechend hat auch Dr. He. einen psychisch gänzlich unauffälligen Befund erhoben. Auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ließ sich bei der Begutachtung durch Dr. He. nicht feststellen. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist es - gerade bei der Beurteilung der Auswirkungen von Schmerzerkrankungen - absolut erforderlich, die Belastbarkeit der Patienten im Alltag zu eruieren und aus insoweit festzustellenden Einschränkungen Rückschlüsse auf die berufliche Leistungsfähigkeit zu ziehen. (vgl. Foerster in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 3. Aufl., Kapitel 25.3.6, S. 512; Widder, Kriterien zur Leistungsbeurteilung bei Schmerzpatienten in Suchenwirth/Ritter/Widder, Neurologische Begutachtung bei inadäquaten Befunden, 1. Aufl., S 16; Hausotter, Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen, 2. Aufl., Kapitel 6, S. 59 ff.). Die jetzt eventuell bevorstehende Operation des rechten Sprunggelenkes führt nur zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und ist daher zum jetzigen Zeitpunkt für die Frage eines Rentenanspruchs unbeachtlich.

Hinsichtlich des zu beachtenden positiven und negativen Leistungsbildes würdigt der Senat die schlüssigen ärztlichen Äußerungen dahin gehend, dass die Klägerin jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Ausgeschlossen sind schwere und regelmäßig mittelschwere Tätigkeiten, überwiegendes Stehen oder Gehen, längere Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Klettern oder Steigen auf Leitern oder Gerüste sowie häufiges Bücken. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) besteht unter Würdigung der ärztlichen Ausführungen ebenso wenig wie eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Letzteres ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin nach eigenen Angaben gegenüber Dr. Ma. von ihrer letzten Wohnung in der K.str. in P. das Werk ihres Arbeitgebers im gleichen Ort in der S.str. zu Fuß erreicht hat. Laut Stadtplan beträgt die Entfernung ca. 700 Meter. Auch von ihrer jetzigen Wohnung im R.weg ist die Klägerin in der Lage, ihren Arbeitsplatz aufzusuchen, wobei die Entfernung ungefähr einen Kilometer beträgt.

Die Klägerin ist nach alledem nicht erwerbsgemindert, da sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI) Ob tatsächlich ein konkreter entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist dagegen nicht maßgeblich (vgl. § 43 Abs. 2 Zweiter Halbsatz SGB VI). Der Klägerin muss eine entsprechende konkrete Tätigkeit auch nicht benannt werden.

Eine - u.U. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende - Ausnahme von der bei ungelernten und angelernten Arbeitern des unteren Bereichs grundsätzlich entbehrlichen Pflicht zur Benennung von Verweisungstätigkeiten ist allerdings dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannten beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)). Eine Vielzahl der bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z.B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen; sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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