L 14 B 1518/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 110 AS 3934/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1518/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Der Beschluss des Sozialgerichts, das abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme von Gasag-Abschlägen in Höhe von weiteren 70 Euro monatlich und einer Nachzahlung für Gas in Höhe von 361,55 Euro sowie zur Gewährung einer Kohlenpauschale zu verpflichten, ist nicht zu beanstanden.

Ein Anspruch auf Übernahme höherer Heizkosten (nämlich für Gas und Kohlen) ergibt sich nicht aus § 22 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Zweites Buch – SGB II –. Nach dieser Vorschrift sind die tatsächlichen Aufwendungen für Heizung nur insoweit zu übernehmen, als sie angemessen sind. Schon das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass die vom Antragsteller bezogene Wohnung nach den Maßstäben der von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz erlassenen Ausführungsschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) unangemessen teuer ist, da die in den Ausführungsvorschriften gesetzte Grenze von 360,- Euro für einen 1-Personen-Haushalt durch die Kaltmiete (einschließlich Betriebskosten) des Antragstellers von 350,- Euro zusammen mit den Abschlägen für Gas in Höhe von 80 Euro monatlich und den zusätzlich für Kohle anfallenden Kosten, deren Höhe nach einem internen Schreiben des Antragsgegners mit 31,35 Euro monatlich anzusetzen ist, überschritten wird.

Nichts anderes ergibt sich, wenn die Angemessenheit auf der Grundlage einer konkreten Betrachtung geprüft wird, welche von der Wohnungsgröße ausgeht (vgl. dazu BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R). Nach den im Land Berlin geltenden Regelungen über die Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen ist für einen 1-Personen-Haushalt lediglich eine Wohnungsgröße bis zu 50 qm angemessen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats v. 13. Juli 2007 – L 14 B 482/07 AS ER). Die vom Antragsteller angemietete Wohnung überschreitet diese Grenze mit 65 qm erheblich. Trotz des auf den qm bezogenen günstigen Mietpreises ist sie wegen ihrer Größe insgesamt unangemessen teuer. Für einen 1-Personen-Haushalt angemessen ist ein Betrag von 357,- Euro, der sich als Produkt von angemessener Größe (50 qm) und (dem sich aus dem Berliner Mietspiegel abzulesenden) angemessenen Mietpreis pro qm (einschließlich Betriebskosten) ergibt (vgl. dazu Beschluss des erkennenden Senats v. 13. Juli 2007 - 14 B 482/07 AS ER -). Soweit der 32. Senat des LSG Berlin-Brandenburg von einem Betrag in Höhe von 422,50 Euro ausgeht (Beschluss v. 5. September 2007 – L 32 B 1312/07 AS ER -), folgt der erkennende Senat dem nicht. Die Auffassung, dass auf den "günstigsten Spannenhöchstbetrag" innerhalb der durch den Berliner Mietspiegel vorgegebenen "Baujahrsklassen" abzustellen sei, weil nur "real anmietbare Wohnungen" in die Betrachtung einzubeziehen seien, überzeugt nicht, weil die im Berliner Mietspiegel 2007 (ABl. S. 1797) zu findenden Spannen qualitative Unterschiede der Wohnungen und nicht einen bei Neuanmietungen erhobenen Mietaufschlag abbilden sollen (vgl. Ziffern 10 und 11 des Berliner Mietspiegels).

Der Maßstab der Angemessenheit wird auch nicht durch eine gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II vor dem Einzug eingeholte Zusicherung des Antragstellers beeinflusst. An einer entsprechenden Zusicherung fehlt es bislang. Da ihre Erteilung (u.a.) die Angemessenheit der Aufwendungen voraussetzt (§ 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II), kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller mit seinem entsprechenden Begehren noch Erfolg im Widerspruchsverfahren oder vor der Sozialgerichtsbarkeit haben wird. Schließlich ist § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zu entnehmen, dass unangemessen hohe Aufwendungen jedenfalls für die ersten sechs Monate und bis zum Erhalt einer Aufforderung, die Kosten zu senken, zu berücksichtigen sind. Eine Beschränkung der Übernahme auf das Maß des Angemessenen ist jedenfalls dann zulässig, wenn einem Leistungsempfänger bereits bekannt war, dass seine Unterkunft vom Leistungsträger als unangemessen teuer angesehen wird (vgl. BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7b 10/06 R -). Diese Voraussetzung ist vorliegend deswegen gegeben, weil der Antragsgegner durch Bescheid vom 10. August 2006 vor Anmietung der Wohnung ausdrücklich den Antrag auf Übernahme der Mietkosten abgelehnt hatte. Daran ändert nichts, dass der Antragsgegner vorübergehend durch Änderungsbescheid vom 9. November 2006 höhere Kosten (nämlich 417,30 Euro monatlich für Unterkunft und Heizung von Oktober 2006 bis Dezember 2006) übernommen hat. Unerheblich ist ferner, dass der Antragsteller wegen der Wahrnehmung seiner Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten unter Betreuung steht. Weder besteht ein Einwilligungsvorbehalt, noch hat die Betreuerin die Wohnung wieder gekündigt, nachdem sie von ihrer Anmietung erfahren hatte.

Der Antragsteller kann auch nichts daraus herleiten, dass nach Nr. 4 Ziff. 10 der AV-Wohnen bei der Neuanmietung von Wohnraum durch Wohnungslose oder durch Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen eine Überschreitung der Richtwerte um bis zu 10 % zulässig ist, wenn nur so eine Unterbringung in kostenintensiveren gewerblichen oder kommunalen Einrichtungen beendet oder verhindert werden kann. Der Antragsteller hat nicht substantiiert vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die von ihm angemietete Wohnung das einzige Angebot auf dem freien Wohnungsmarkt gewesen sei. Deswegen ist nicht ersichtlich, dass eine den Rahmen des Angemessenen übersteigende Miete erforderlich war, um seine Unterbringung in gewerblichen oder kommunalen Einrichtungen zu verhindern, selbst wenn zu seinen Gunsten davon ausgegangen wird, dass er nach der Kündigung seines WG-Zimmers und dem einstweiligen Unterkommen bei Bekannten als wohnungslos anzusehen war.

Auch § 22 Abs. 5 SGB II bietet keine Grundlage für die Übernahme der Verbindlichkeiten des Antragstellers aus den Gaslieferungen. Das setzte nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nämlich voraus, dass dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass kein schützenswertes Interesse des Antragstellers an dem Erhalt seiner jetzigen Wohnung als Lebensmittelpunkt anzuerkennen ist, da der Antragsteller offensichtlich weiter auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein wird und die Wohnung nach den Maßstäben des SGB II zu teuer ist. Somit ist nicht ersichtlich, wie der Antragsteller in der Zukunft die mit der Wohnung verbundenen finanziellen Belastungen tragen könnte, selbst wenn der Antragsgegner für die in der Vergangenheit entstandenen Schulden ein Darlehen gewährte.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG - unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Sache.

Mangels der nach den §§ 73a SGG, 104 der Zivilprozessordnung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderlichen zumindest hinreichenden Erfolgsaussicht war der Beschluss des Sozialgerichts auch insoweit zu bestätigen, als es die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Ebenso konnte keine Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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