L 7 R 5372/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 8037/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 5372/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Rückgängigmachung bereits ausgeführter Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, Nachzahlung noch offener Rente, die vollständige Anerkennung der Abtretung der Rente des Klägers an seine Ehefrau durch die Beklagte sowie die Verurteilung der Beklagten, auch in Zukunft keine Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auszuführen.

Der am 1936 geborene Kläger bezog ab 12. März 1988 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, welche zunächst bis 30. September 1990 befristet (Bescheid vom 21. März 1988), sodann bis 31. August 1993 verlängert (Bescheid vom 3. April 1991) und schließlich ab 1. September 1993 unbefristet gewährt wurde (Bescheid vom 8. März 1993). Am 19. Juni 2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 4. Februar 2003 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente ab 1. September 2001 und gewährte dem Kläger für September 2001 bis einschließlich März 2003 eine Nachzahlung in Höhe von 4.016,04 EUR zuzüglich Zinsen. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2003 zurück. Hiergegen richtete sich eine am 25. November 2003 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage, welche das SG mit Urteil vom 21. August 2006 abwies. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag - L 7 R 5293/06).

Am 27. Januar 2003 hat der Kläger beim Amtsgericht (AG) Nürtingen gegen die Beklagte Auskunftsklage erhoben hinsichtlich der bereits ausgeführten und der beantragten Pfändungen. Das AG Nürtingen hat den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit an das AG Charlottenburg verwiesen, dieses hat wegen sachlicher Unbeständigkeit den Rechtsstreit an das SG verwiesen. Mit Schreiben vom 26. März 2003 hat die Beklagte die erbetene Auskunft erteilt (Bl. 882 Verwaltungsakte). Der Kläger hat daraufhin sein Auskunftsbegehren nicht weiter verfolgt, jedoch in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Forderungsabtretung vom 18. Januar 2002 vollständig anzuerkennen, die ausgeführten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse rückgängig zu machen und dem Kläger insoweit die noch offene Rente nachzuzahlen sowie die Beklagte zu verpflichten, in der Zukunft keine weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auszuführen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2006 als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bzw. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zu Recht ausgeführt und die über dem pfändbaren Anteil der Rente liegenden Beträge zu Recht an die Gläubiger des Klägers abgeführt. § 850b Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) stehe einer Pfändung der Rente nicht entgegen unabhängig davon, ob die Erwerbsunfähigkeitsrente oder Altersrente des Klägers gepfändet werde, denn diese Vorschrift gelte nicht für sozialversicherungsrechtliche Renten. Für die Pfändung von Sozialleistungen gelte § 54 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Die Rente des Klägers sei nicht unpfändbar, da es sich nicht um eine Geldleistung handele, die dafür bestimmt sei, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen (§ 54 Abs. 2 Nr. 3 SGB I). Nicht hierzu gehörten Leistungen, die zum Ausgleich von Einkommensverlusten dienten wie Erwerbsunfähigkeitsrenten und Altersrenten. Die Beklagte habe auch die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO beachtet. Aus der Abtretung der Rentenforderung an die Ehefrau des Klägers am 18. Januar 2002 ergebe sich nichts anderes. Nach § 53 Abs. 3 SGB I könnten Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt seien, übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag überstiegen. Der nicht pfändbare Anteil der Rente könne auch nicht abgetreten werden. Da die Rente des Klägers seit 1. Januar 2002 die Pfändungsfreigrenze nicht erreiche, gehe die Abtretung der Rentenforderung an die Ehefrau vorläufig ins Leere. Sie entfalte erst Wirkung, wenn die Rente des Klägers die Pfändungsfreigrenze wieder überschreite. Insoweit hätten aufgrund des Prioritätsprinzips jedoch diejenigen Gläubiger Vorrang gegenüber der Ehefrau des Klägers, welche die Rente des Klägers vor der Abtretung gepfändet hätten. Vor diesem Hintergrund stünden dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Gegen das ihm am 26. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Oktober 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers. Er macht weiterhin geltend, die Beklagte habe die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse unzulässig und rechtswidrig ausgeführt. Der Kläger habe "Anspruch auf Abtretung der gesamten Rentenforderung" an seine Ehefrau.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres "Bescheids" vom 9. November 2005 zu verurteilen, die Forderungsabtretung vom 18. Januar 2002 vollständig anzuerkennen, die ausgeführten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse rückgängig zu machen und dem Kläger die noch offene Rente nachzuzahlen und die Beklagte zu verurteilen, keine weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse mehr auszuführen auch in Zukunft.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG (S 8 RA 6351/03 und S 8 RA 8037/04) sowie die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Dies ist hier der Fall. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe (vgl. § 144 Abs. 1 SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Streitgegenstand sind die mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2006 im Berufungsverfahren gestellten Anträge. Diese Anträge wurden entsprechend schon in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt, hierüber hat das SG entschieden. Nachdem die ursprünglich als reine Auskunftsklage erhobene Klage sich durch die mit Schreiben vom 26. März 2003 durch die Beklagte erteilte Auskunft erledigt hatte, hat der Kläger sein prozessuales Begehren umgestellt und die nunmehr gestellten Anträge gestellt. Nachdem das SG hierüber sachlich entschieden hat, hat es die Klageänderung stillschweigend zugelassen (§ 99 Abs. 1 SGG; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 99 Rdnr. 11). Der Senat hat daher seiner Entscheidung die geänderte Klage zugrunde zu legen (§ 99 Abs. 4 SGG).

Soweit der Kläger von der Beklagten die "vollständige Anerkennung der Forderungsabtretung vom 18. Januar 2002" beansprucht, ist die Klage unzulässig. Einen den Kläger belastenden Bescheid hat die Beklagte zu dieser Frage nicht erlassen. Das Schreiben vom 9. November 2005 stellt lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage dar, es handelt sich auch aus formaler Sicht nicht um einen Verwaltungsakt. Der Sache nach geht es dem Kläger darum, dass nach seiner Auffassung die Abtretung seines Rentenanspruchs an seine Ehefrau im Januar 2002 dazu führen muss, dass diese voll umfänglich Inhaberin des Anspruchs wird und somit seine Gläubiger nicht mehr in den nun seiner Ehefrau zustehenden Anspruch vollstrecken können. Im Wege der allgemeinen Leistungsklage kann der Kläger dieses Begehren nicht verfolgen, denn er macht keinen Rechtsanspruch auf Leistung geltend. Vielmehr geht es ihm der Sache nach um eine allgemeine Feststellungsklage auf Feststellung, dass seine Abtretung des Rentenanspruchs an seine Ehefrau am 18. Januar 2002 den Anspruch in der gesamten Höhe erfasst. Ein derartiges Begehren kann jedoch nicht im Wege der allgemeinen Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfolgt werden. Denn hiermit kann nur begehrt werden die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Bei der vom Kläger begehrten Feststellung geht es dagegen allein um die Klärung einer Rechtsfrage, einer Vorfrage dahingehend, ob sein Rentenanspruch gepfändet werden kann. Es handelt sich somit um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 184; 37, 247).

Soweit der Kläger geltend macht, die ausgeführten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse rückgängig zu machen und dem Kläger die noch offene Rente nachzuzahlen, steht diesen Begehren die Rechtskraft der entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bzw. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen entgegen. Diese hätte der Kläger anfechten müssen, um eine höhere Rente wegen seiner Auffassung nach rechtswidriger Pfändungen geltend machen zu können. Soweit sich der Kläger gegen die Höhe der ausgezahlten Rente gemäß dem Altersrentenbescheid vom 4. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2003 wendet, ist dieser Gegenstand des Klageverfahrens S 8 R 6351/03 und entsprechend nunmehr des Berufungsverfahrens L 7 R 5293/06.

Soweit der Kläger darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten dazu begehrt, auch in Zukunft keine Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse mehr auszuführen, handelt es sich um eine vorbeugende Unterlassungsklage. Diese ist hier jedoch ebenfalls unzulässig. Vorbeugende Unterlassungsklagen sind auf Unterlassung einer drohenden Amtshandlung gerichtet und zulässig, wenn Rechtsverletzungen zu besorgen sind (BSG Breith 80, 234), wenn eine Klärung den Streitfall endgültig zu erledigen verspricht und dem Kläger nicht zumutbar ist, einen Verwaltungsakt abzuwarten (vgl. BSGE 43, 139). Voraussetzung ist darüber hinaus ein qualifiziertes, d.h. gerade auf Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse, das nicht vorliegt, solange nicht eine Amtshandlung oder ihre Wiederholung konkret zu erwarten und ernstlich zu befürchten ist (vgl. BSG SozR 2200 § 368n Nr. 34; BSGE 72, 15, 24), insbesondere auch, solange der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (BSGE 43, 139). Vorliegend braucht der Kläger aktuell eine Kürzung seiner Rente nicht zu befürchten, da sie - bereits seit 1. Januar 2002 - die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO nicht erreicht. Sofern die Rente zukünftig die Pfändungsfreigrenzen übersteigen sollte, wäre es dem Kläger zumutbar, gegen die dann gekürzte Auszahlung der Rente nachträglich gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis zu Recht hat daher das SG die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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