L 8 RA 83/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 RA 881/96 W02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 83/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung von weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVIwiss, Zusatzversorgungssystem nach Nr. 4 der Anlage I zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG –) für die Zeiten vom 01. September 1966 bis 30. September 1967 und 01. November 1969 bis 14. November 1970, in denen sie sich zur Weiterbildung an der L-Universität, Lehrstuhl für russische Literatur, in M aufhielt sowie die Feststellung der in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste.

Die 1924 geborene Klägerin studierte von April 1946 bis März 1951 Slawistik und Germanistik an der H-Universität B. Am 19. Juli 1951 bestand sie die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Oberschulen. In der Folge war sie Russischdozentin bzw. wissenschaftliche Assistentin an der H-Universität (Arbeiter- und Bauernfakultät bzw. Institut für Russisch-Unterricht). Seit dem 01. September 1954 durchlief sie eine planmäßige wissenschaftliche Aspirantur, zunächst am slawischen Institut der H-Universität und ab September 1955 in L und M sowie wieder in B an der H-Universität bzw. der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Im Sozialversicherungsausweis ist dazu bis 31. Januar 1962 vermerkt "wiss. Aspirantin (im Ausland) und zum Entgelt "Pauschals." bzw. "Stipendium". Anschließend war sie ausweislich der Eintragung im Sozialversicherungsausweis bis zum 30. September 1966 an der Humboldt-Universität (Institut für Slawistik) als wissenschaftliche Assistentin beschäftigt. Für die Zeit vom 01. September 1966 bis 31. August 1967 findet sich die Eintragung "Studium im Ausland" und als Angabe des Betriebes "Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen" bzw. "Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen"; für die Studienzeiten sind Entgelte, für 1966 2.400,00 Mark und für 1967 5.400,00 Mark, bescheinigt. Für die Zeit vom 01. Oktober 1967 bis 31. Oktober 1969 ist wiederum eine Beschäftigung an der H-Universität, und zwar als wissenschaftliche Assistentin bzw. Oberassistentin eingetragen. Daran schließt sich für die Zeit vom 08. November 1969 bis 14. November 1970 wiederum ein "Auslandsstudium" und als Angabe des Betriebes "Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen" an; für das Studium wird als Entgelt für 1969 ein Betrag von 1.050,00 und für 1970 von 6.300,00 Mark bescheinigt. Während dieser Zeit wurde ihr mit Urkunde vom 21. Mai 1970 mit Wirkung vom 13. Mai 1970 die Facultas Docendi (Lehrbefähigung für das Fachgebiet Klassische russische Literatur) erteilt. Nach ihrer Rückkehr war sie zunächst wieder von November 1970 bis Januar 1971 als wissenschaftliche Oberassistentin an der H-Universität beschäftigt. Mit Wirkung vom 01. Februar 1971 wurde sie dann als Hochschuldozentin für russische und sowjetische Literatur an der H-Universität zu B berufen (Urkunde vom 01. Februar 1971). Die Klägerin erhielt während der Zeiten des "Auslandsstudiums" nach den von ihr vorgelegten Gutschriftbelegen monatlich auf ihr Konto bei der B Vbank 337,30 Mark für den ersten Zeitraum und 468,00 Mark monatlich für den zweiten Zeitraum überwiesen. Als Auftraggeber ist das Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen bzw. im weiteren Verlauf das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen genannt; der Verwendungszweck wird mit "So.-Stip." bezeichnet.

Der Klägerin war mit Versicherungsschein vom 09. Januar 1968 mit Wirkung vom 01. November 1967 eine Zusatzversorgung nach der Verordnung zur AVIwiss unter der Berufsbezeichnung "Lehrerin" zugesagt worden. Seit dem 01. März 1971 entrichtete sie außerdem Beiträge zur freiwilligen zusätzlichen Rentenversicherung (FZR).

Ab 01. April 1984 bezog die Klägerin aus der Sozialversicherung eine Altersrente von 294,00 Mark und aus der Zusatzversorgung von 1.230,00 Mark; ab 01. Dezember 1989 erhöhte sich die Rente aus der Sozialversicherung auf 364,00 Mark. Der ab 01. Juli 1990 in DM gezahlte Gesamtbetrag von 1.594,00 DM blieb bis zum 31. Dezember 1991 unverändert, da die infolge Angleichung und Anpassung auf 869,00 DM erfolgende Erhöhung der SV-Rente auf die Zusatzversorgung angerechnet wurde (sogenannte Abschmelzung). Der Zahlbetrag blieb auch nach der (pauschalen) Umwertung und Anpassung an das nunmehr maßgebende Rentenrecht des SGB VI zum 01. Januar 1992 zunächst unverändert (Bescheid vom 28. November 1991).

Mit Bescheid vom 23. Mai 1995 und nach Widerspruch mit weiterem Bescheid vom 19. Oktober 1995 stellte die Beklagte für die Klägerin Zeiten der Zugehörigkeit zur AVIwiss – mit Unterbrechungen – vom 01. September 1951 bis 31. März 1984 fest. Die berücksichtigungsfähigen Arbeitsverdienste begrenzte sie teilweise auf die Werte der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 AAÜG (Beitragsbemessungsgrenze). Die vorliegend streitigen Zeiten waren in dem Bescheid nicht festgestellt worden. Den unter anderem darauf und auf die Systementscheidung bezogenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1996 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass Voraussetzung für die Feststellung von Beitragzeiten nach dem AAÜG der Bezug eines beitragspflichtigen Entgelts aus einer Beschäftigung sei und es daran während einer Studentenversicherung oder während der Zeit des Bezuges eines Stipendiums fehle, weil das Studium keine versicherungspflichtige Beschäftigung sei.

Die dagegen am 16. Februar 1996 zum Sozialgericht – SG – Berlin erhobene Klage (S 39 An 881/96) ist zunächst mit Beschluss vom 12. Juni 1996 zum Ruhen gebracht worden.

Nach Klärung des Versicherungskontos und auf der Grundlage der Überführungsbescheide hat die Beklagte in ihrer Funktion als Rentenversicherungsträger sodann die Rente nach den Vorschriften des SGB VI mit Bescheid vom 21. März 1996 neu berechnet; ab 01. Juli 1994 ergab sich eine Erhöhung des Zahlbetrages. Der Widerspruch der Klägerin führte wegen der Berücksichtigung weiterer Zeiten zur Neuberechnung mit Bescheid vom 14. November 1996 und zu einer geringen Rentenerhöhung und Nachzahlung (schon in diesen Bescheiden war die erste der jetzt noch streitigen Zeiten als "normale" Beitragszeit mit den Entgelten aus dem Sozialversicherungsausweis berücksichtigt). Den weiter aufrecht erhaltenen Widerspruch (Systementscheidung) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 1997 als unbegründet zurück. Das dagegen gerichtete Klageverfahren (S 13 AN 1420/97), zu dem die Beklagte in ihrer Funktion als Zusatzversorgungsträger beigeladen wurde, führte zu einer Neuberechnung mit Bescheid vom 17. Juni 1998 wegen einer Zeitenänderung und mit Bescheid vom 25. November 1999 zu einer weiteren Neuberechnung im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 28. April 1999 angeordnete Dynamisierung; es ergab sich eine (geringe) Nachzahlung für den Zeitraum vom 01. Juli 1993 bis 31. Dezember 1994. Sodann wies das SG mit Urteil vom 07. Februar 2001 unter Zusprechung einer weiteren Ersatzzeit vom 01. Mai bis 10. Mai 1944 im Übrigen die Klage zurück. Dazu führte es u. a. aus, dass weder die Zeiten der Aspirantur noch des Zusatzstudiums vom 08. November 1969 bis 14. November 1970 als Beitragszeiten zu berücksichtigen seien. Während des anschließenden Berufungsverfahrens (L 17 RA 29/01) erließ die Beklagte einen das Urteil des SG allerdings zunächst nicht richtig umsetzenden Rentenbescheid vom 21. Mai 2001 und schließlich in Ausführung der durch das Bundesverfassungsgericht mit seinen Urteilen vom 28. April 1999 veranlassten Gesetzesänderungen eine umfassende und auch das SG-Urteil zutreffend berücksichtigende Neuberechnung vom 07. September 2001, durch die sich der Rentenanspruch auf 2.653,73 DM mit einem Zahlbetrag von 2.446,75 DM zur laufenden Zahlung ab 01. November 2001 erhöhte; ferner ergab sich eine Nachzahlung von 44.921,70 DM. Dieser das Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger betreffende Rechtstreit wurde anschließend mit Erklärung der Klägerin vom 09. November 2001 in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit am 16. März 2002 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 22. Februar 2002 hat die Klägerin anschließend die Wiederaufnahme des bzgl. der Feststellungen nach dem AAÜG ruhenden Verfahrens beantragt. Sie hat weiterhin die Feststellung der streitigen Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVIwiss beansprucht. Sie hat dazu vorgetragen, sie habe kein Hochschulstudium absolviert, sondern vielmehr an einem Wissenschaftleraustausch mit der Sowjetunion teilgenommen. Das Beschäftigungsverhältnis habe in dieser Zeit weiter bestanden. In der DDR sei oberflächlich mit dem Begriff des Studiums umgegangen worden, was im DDR-Rentenrecht zu keinen Nachteilen geführt habe. Es sei jegliche Auslandstätigkeit als Studium bezeichnet und über das Ministerium für Hochschul- und Fachschulwesen durchgeführt worden; einen Direktaustausch zwischen den Universitäten habe es nicht gegeben. Die Weiterzahlung des Gehaltes sei teils in Mark und teils in Fremdwährung vorgenommen worden. Neben den mit den Gutschriftbelegen nachgewiesenen Überweisungen (in Mark) habe sie in M Barauszahlungen in Rubel erhalten. Ergänzend hat sie sich auf ein Anerkenntnis bezogen, das die Beklagte in einem vergleichbaren Verfahren einer anderen Klägerin abgegeben habe.

Das SG hat ergänzend eine Auskunft der H-Universität vom 25. Juni 2003 eingeholt, in der ausgeführt wird, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet und nach Beendigung des Zusatzstudiums wieder neu aufgenommen worden sei und dazu einige Kopien beigefügt; die Gehaltszahlungen seien zum 01. September 1966 bzw. 01. November 1969 eingestellt worden.

Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass es sich bei den streitigen Zeiten um Zusatzstudien gehandelt habe, für die ein Stipendium bezogen worden sei; eine versicherungspflichtige Beschäftigung sei nicht ausgeübt worden. Dem von der Klägerin angeführten Parallelverfahren habe eine unbezahlte Freistellung des Arbeitsverhältnisses zugrunde gelegen.

Sodann ist das SG mit Urteil vom 20. August 2004 der klägerischen Auffassung gefolgt und hat die Beklagte verurteilt, die Zeiten vom 01. September 1966 (infolge eines offenbaren Schreibfehlers "1996" im Urteil genannt) bis 30. September 1967 und 01. November 1969 bis 14. November 1970 als weitere Zeiten der Zugehörigkeit zur AVIwiss sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste festzustellen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG setze die Feststellung derartiger Zeiten voraus, dass eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die entgeltlich und ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst worden sei. Die Klägerin habe in den betreffenden Zeiträumen eine derartige Beschäftigung ausgeübt. Ob eine Beschäftigung in diesem Sinne ausgeübt worden sei, beurteile sich grundsätzlich nach Bundesrecht, also grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Eine im Voraus zeitlich begrenzte Verlagerung des Arbeitsortes ins Ausland stehe der Annahme einer Beschäftigung dabei nicht entgegen, wenn sie im Rahmen eines fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses erfolge. Bei der Prüfung, ob im bundesrechtlichen Sinne eine Beschäftigung vorgelegen habe, sei zu beachten, dass die Betroffenen ihr Verhalten nach den Vorgaben der DDR ausgerichtet hätten. Es sei deshalb stets wertend zu prüfen, ob ein "DDR- Sachverhalt" in seinem wirtschaftlichen und sozialen Sinn und rechtlichen Gehalt "der in einer Norm des Bundesrechts ausgeprägten (normativ gedachten) Wirklichkeit entspreche" (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003, B 4 RA 40/02 R). Eine Beschäftigung unter Entsendung im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IV liege vor, wenn in der DDR ein Arbeitsverhältnis bestanden bzw. im Rahmen eines solchen eine Entsendung erfolgt sei. Dabei komme es nicht darauf an, wie diese bezeichnet worden sei, sondern welchen tatsächlichen Inhalt sie gehabt habe. Deshalb könne nicht auf die in der DDR benutzte Bezeichnung "Zusatzstudium im Ausland" sowie die Bezeichnung der laufenden Zahlungen als Stipendium abgestellt werden. Vielmehr sei zu prüfen, ob inhaltlich eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt worden sei. Die Klägerin sei unmittelbar vor dem Auslandsaufenthalt an der H-Universität als wissenschaftliche Assistentin bzw. Oberassistentin beschäftigt gewesen. Nach Abschluss der Tätigkeit an der M Universität habe sie diese Tätigkeit (jeweils) unmittelbar wieder aufgenommen. Eine Beendigung des rechtlich bestehenden Arbeitsverhältnisses sei nicht erfolgt. Weder sei ein Aufhebungs- oder Abänderungsvertrag geschlossen oder aber eine Kündigung ausgesprochen worden. Derartige Beendigungen des Beschäftigungsverhältnisses habe die ehemalige Arbeitgeberin, die H-Universität, nicht vorgelegt. Nach den Angaben der Klägerin existierten solche auch nicht und seien auch nicht ersichtlich. Die von der Arbeitgeberin vorgelegten Unterlagen beträfen allein die internen "Wegfallmeldungen" hinsichtlich der Gehaltszahlung. Auf ihnen seien die vorgedruckten Gründe für den "Wegfall", wie Kündigung, Aufhebungsvertrag usw. nicht angegeben worden, sondern dass sich die Klägerin für ca. ein Jahr in der Sowjetunion aufhalten werde. Wenn aber eine formelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfolgt sei, habe es, wenn auch mit modifiziertem Inhalt, weiter bestanden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin in ihrer Auskunft angegeben habe, dass das Beschäftigungsverhältnis geendet habe und später wieder aufgenommen worden sei. Diese Aussage werde durch die übersandten Unterlagen nicht gerechtfertigt. Sie beträfen im Wesentlichen nur die "gehaltsmäßige" Behandlung des Auslandsaufenthaltes, nicht aber den rechtlichen Bestand als solchen. Gleiches gelte für die Eintragung im Sozialversicherungsausweis. Auch wenn hier ein Studium eingetragen worden sei, so sei dennoch zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eines im bundesrechtlichen Sinne gehandelt habe. Auf die Bezeichnung seitens der DDR-Behörden komme es nicht an. Die Klägerin sei ersichtlich in diesem Zeitraum keine Studentin (im bundesrechtlichen Sinne) gewesen; die Zeit der Aspirantur hätte sie bereits zurückgelegt gehabt. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb sie im bundesrechtlichen Sinne studiert haben sollte. Gegen ein Studium (im bundesrechtlichen Sinne) spreche auch die Eintragung von sozialversicherungspflichtigen Entgelten bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze im SVA. Die Entgeltlichkeit der Beschäftigung sei auch gegeben, auch wenn Zahlungen durch einen Dritten vorgenommen würden, wenn sie die Entgeltzahlung durch den Arbeitgeber bewirken sollten. Dass sie als Stipendien bezeichnet worden seien, sei unbeachtlich. Da die Klägerin demnach bei der H-Universität weiter als Assistentin bzw. Oberassistentin beschäftigt gewesen sei, habe sie zu dem von § 2a der VO-AVIwiss erfassten Personenkreis gehört; sie sei an einer in § 6 der VO genannten Einrichtung beschäftigt gewesen. Sie erfülle somit in den geltend gemachten Zeiträumen alle tatbestandlichen Voraussetzungen für eine gleichgestellte Pflichtbeitragszeit nach § 5 Abs. 1 AAÜG.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die Auffassung des SG wendet. Zur Begründung hat sie unter anderem darauf verwiesen, dass die Klägerin in den streitigen Zeiten keine Beschäftigung für einen Arbeitgeber verrichtet habe, der dem hier in Betracht kommenden Versorgungssystem der AVIwiss unterfalle. Für eine solche Feststellung sei es zunächst unerheblich, welchen Charakter der Auslandsaufenthalt gehabt habe, ob es sich um ein Studium, Zusatzstudium oder eine berufliche Fortbildung gehandelt habe. Ein Anspruch auf Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem könne nur bestehen, wenn die Klägerin weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis zur H-Universität gestanden habe.

Zur Klärung der Frage, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, die sich als Teil oder Fortsetzung einer inländischen Beschäftigung darstelle, lägen Dokumente der H-Universität vor. Danach sei die Klägerin vorübergehend aus dem Arbeitsrechtsverhältnis ausgeschieden und habe nach der Rückkehr ihre Beschäftigung wieder aufgenommen. Dieser Sachverhalt werde auch durch den Arbeitgeber der Klägerin mit Schreiben vom 25. Juni 2003 bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass im Ausland eine Beschäftigung aufgenommen worden sei, die Teil oder Fortsetzung der Inlandsbeschäftigung gewesen sei, lägen nicht vor. Die Klägerin sei in den Bildungseinrichtungen in M nicht für die Ht-Universität beschäftigt gewesen. Soweit dieses vorgetragen werde, sei es nicht nachgewiesen. Die Klägerin selbst gebe an, dass sie an der Universität in M ihre Aufgabenstellung in den jeweiligen Semestern gehabt habe. Daraus sei ersichtlich, dass sie in dieser Zeit keine wissenschaftliche Arbeit für die H-Universität verrichtet habe. Hier dürfte ein ruhendes Arbeitsrechtsverhältnis anzunehmen sein. Während dieser Zeit seien die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsrechtsverhältnis ausgesetzt. Für den Werktätigen sei vor allem die Pflicht zur ordnungs- und fristgemäßen Erfüllung der Arbeitsaufgabe entfallen; für den Betrieb sei die Pflicht zur Beschäftigung und Lohnzahlung entfallen. Die Beteiligten seien davon ausgegangen, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsrechtsverhältnis wieder aufleben würden. Während eines solchen ruhenden Arbeitsrechtsverhältnisses lägen keine Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne des § 5 AAÜG vor, denn es mangele schon an dem Tatbestand der Ausübung einer Beschäftigung. Das SG verkenne bei seiner Entscheidung, dass nicht jeder Auslandsaufenthalt zur beruflichen Weiterbildung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfolge und dass die Zahlung eines am letzten Nettogehalt orientierten Stipendiums kein Arbeitsentgelt gewesen sei. Die Zahlung eines Arbeitsentgeltes sei der Gegenwert für erbrachte Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber bestätige aber, dass er seine Gehaltszahlung eingestellt habe. Er habe damit seine aus dem Arbeitsrechtsverhältnis bestehende Verpflichtung zur Lohnzahlung beendet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, mit dem ihr die begehrten Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit gem. § 5 AAÜG zugesprochen worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin, da sich die Beteiligten mit diesem Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung von weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zur AVIwiss. Das zusprechende Urteil des Sozialgerichts vom 20. August 2004 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Dass das AAÜG auf die Klägerin anwendbar ist, ist aufgrund der seinerzeit erteilten Versorgungszusage zu Recht nicht streitig. Streitig ist die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit gemäß § 5 AAÜG. Vorliegend könnte aufgrund des insoweit rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 07. Februar 2001 (S 13 An 1420/97) in dem parallelen Rentenverfahren fraglich sein, ob die Klägerin eine solche Feststellung noch beanspruchen kann. Denn dort hat das SG die Klage ausdrücklich abgewiesen, soweit die Klägerin die Zeiten des Zusatz-/bzw. Auslandsstudiums vom 08. November 1969 bis 14. November 1970 als rentenrechtlich bedeutsame Beschäftigungs- und damit Beitragszeiten zu berücksichtigen beanspruchte. Diese Frage kann im Ergebnis dahinstehen, da die Voraussetzungen für die erstrebte Feststellung nicht erfüllt sind.

Ob die Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG für die Gleichstellung mit rentenrechtlichen Pflichtbeitragszeiten erfüllt sind, hängt davon ab, ob 1. der Betroffene eine "Beschäftigung" ausgeübt hat, die 2. "entgeltlich" war und die 3. ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war.

Dass die Klägerin bei einem Arbeitgeber in der DDR "beschäftigt" war, ist zwar nach den Eintragungen im SVA zu verneinen, allerdings sind die Eintragungen nicht zwingend, sodass eine (fortbestehende) Beschäftigung zur H-Universität nicht zwangsläufig auszuschließen ist. Die vom SG eingeholte Auskunft der ehemaligen Arbeitgeberin spricht zwar davon, dass das Beschäftigungsverhältnis jeweils beendet und nach dem Zusatzstudium wieder aufgenommen worden sei, gibt aber ebenso wenig wie die beigefügten Kopien Auskunft, welche arbeitsrechtlichen Regelungen dem zugrunde lagen. Nach diesen Unterlagen spricht zwar vieles dafür, dass während der streitigen Zeiten ein Beschäftigungsverhältnis zur H-Universität – anders als die Klägerin geltend macht – nicht bestand. Denn ihr diesbezügliches Vorbringen bleibt im Ergebnis unklar, wenn sie vielfach selbst ausdrücklich von einem Zusatzstudium oder Weiterbildung spricht. Dass sie die folgerichtige Entwicklung ihrer beruflichen Laufbahn beschreibt und betont, ist jedenfalls für die rechtliche Würdigung dieser Zeiten unergiebig.

Die Voraussetzungen einer Beschäftigung (mit Entsendung) und damit die erste Bedingung für die Feststellung von Zeiten gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG (vgl. für einen ähnlich gelagerten Fall BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 40/02 R in SozR 4-8570 § 5 Nr. 1) läge vor, wenn die Klägerin auf Weisung der H-Universität als Arbeitgeberin ihre wissenschaftliche Tätigkeit für die Universität vorübergehend in M anstatt in B hätte verrichten müssen, oder wenn sie dort von der Universität im Voraus begrenzt vorübergehend zur Erfüllung von Verpflichtungen ihres Arbeitgebers gegenüber sowjetischen Vertragspartnern als Arbeitnehmerin eingesetzt worden wäre. Dafür finden sich allerdings keine aussagekräftigen Hinweise. Allein die Schilderungen der Klägerin geben insoweit zu wenig her. Weitergehend sieht das BSG die Voraussetzungen einer Beschäftigung auch dann als gegeben an, wenn zwar die Arbeit im Ausland erfolgte, wenn sie aber vom DDR-Arbeitgeber im Voraus zeitlich begrenzt war, dessen Weisungsgewalt jedenfalls im Sinne eines Rückholrechtes fortbestand, die Arbeitsleistung im Ausland vom DDR-Arbeitgeber als in seinem Interesse liegend zumindest anerkannt war, wenn eine Rückkehr des Arbeitnehmers nach Beendigung des Auslandseinsatzes auf seinen früheren Arbeitsplatz oder aber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt rechtlich geregelt war und wenn die mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses in der DDR verbundenen Nebenberechtigungen und –pflichten grundsätzlich erhalten blieben. Mithin besteht aber andererseits kein Beschäftigungsverhältnis mehr, wenn es vor Beginn des Auslandsaufenthaltes beendet wurde, wenn für die Zeit unbezahlter Urlaub oder eine allgemeine unbezahlte Freistellung gegeben wurde, wenn ein Interesse des Arbeitgebers nicht anerkannt wurde, wenn keine zeitliche Begrenzung im Voraus oder wenn kein Rückholrecht (oder keine Beendigung zu diesem Zeitpunkt) geregelt war (vgl. BSG aaO). Die aus den von der H-Universität mit ihrer Auskunft vorgelegten Unterlagen entnehmbare Formulierung, dass die Klägerin ihre frühere Beschäftigung "wieder aufgenommen habe", spricht für eine zuvor beendete Beschäftigung. Aber selbst wenn man diesen Schluss nicht für gerechtfertigt halten und zugunsten der Klägerin das Merkmal der "Beschäftigung" bejahen wollte, fehlte es jedenfalls an der zweiten Voraussetzung der "Entgeltlichkeit".

Die vom Staatssekretariat bzw. vom Ministerium vorgenommenen Eintragungen im SVA belegen angesichts ihrer Widersprüchlichkeit eine Zahlung von (beitragspflichtigem) "Entgelt" nicht. Daher ist zu fragen, auf welcher Grundlage die Zahlungen erfolgt sind, um auf diesem Wege Aufschluss über den Rechtscharakter der bescheinigten Zahlungen zu erhalten. Denn wenn und soweit es sich bei den Zahlungen um Stipendien handelte, unterlagen diese nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung (BSG aaO, unter Bezugnahme auf die Anordnung über die Gewährung von Stipendien an Direktstudenten der Universitäten, Hoch- und Fachschulen der DDR vom 04. Juli 1968 – GBl. II Seite 527; § 16). Die insoweit maßgebliche "Anweisung des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen vom 01. Oktober 1959 über die Zahlung von Stipendien an Hochschulabsolventen, die aus dem Bereich der sozialistischen Praxis zu einem zusätzlichen Qualifizierungsstudium ins Ausland delegiert werden", sowie die "Arbeitsrichtlinie vom 01. Oktober 1962 zur Durchführung der Anweisung des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen über die Zahlung von Stipendien an Hochschulabsolventen vom 01. Oktober 1959" machen deutlich, dass es sich bei den an die Klägerin erfolgten Zahlungen um Stipendien handelt. Nach Abschnitt IV Nr. 2 der Arbeitsrichtlinie waren promovierte Hoch- und Fachschulkader (auch habilitierte), die ab 01. September 1962 zu einem Zusatzstudium ins Ausland delegiert wurden, weiterhin auf der Grundlage der Anweisung vom 01. Oktober 1959 materiell zu versorgen, sodass entsprechend der Ziffer 1 dieser im Übrigen nicht mehr anzuwendenden Anweisung vom 01. Oktober 1959 den angesprochenen Personen "neben dem in der jeweiligen Währung des Gastlandes auf der Grundlage bestehender Abkommen bezahlten Stipendium ein Teil ihres bisherigen Gehaltes als Stipendium in Mark der Deutschen Notenbank weiter" zu zahlen war. Diese Bestimmungen betreffen auch die vorliegend streitigen Zeiten des "Auslandsstudiums" in den Jahren 1966/67 und 1969/70. Denn die spätere Anordnung zur Stipendienzahlung bzw. zur Vergütung der zur Aus- und Weiterbildung in andere Staaten delegierten Bürger der DDR vom 13. Mai 1974 (GBl. I Seite 281) galt in den streitigen Zeiträumen noch nicht. Dass die Klägerin, wie sie in diesem Zusammenhang erläutert hat, 50 % ihres Netto-Gehaltes in Mark der Deutschen Notenbank und darüber hinaus Valuta des Aufenthaltslandes erhalten hat, entspricht den angeführten Bestimmungen. Nach diesen Bestimmungen war auch das Stipendium "nach Vereinbarung mit dem Betreffenden auf Konto oder an die Unterhaltsberechtigten zu überweisen". Dass sich die Zahlungen an dem letzten Netto-Entgelt orientierten, worauf die Klägerin besonders hinweist, stellt lediglich die Bemessungsgrundlage für die Stipendien dar, macht diese aber nicht zu (sozialversicherungspflichtigen) Entgelten. Den von der H-Universität vorgelegten Unterlagen kann nicht entnommen werden, dass es sich bei den entsprechenden Entgelteintragungen entgegen den vorbezeichneten und einschlägigen Bestimmungen dennoch um sozialversicherungspflichtige Entgelte gehandelt hat. Daraus ergibt sich nur, dass die Entgeltzahlungen während des Auslandsaufenthaltes eingestellt worden sind.

Nach alledem fehlt es für die streitigen Zeiten, selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer "Beschäftigung" ausgehen wollte, an der weiter erforderlichen Entgeltlichkeit, sodass die Klägerin den begehrten Anspruch nach dem AAÜG nicht hat. Somit bedarf die weitere Frage, ob es sich bei den Tätigkeiten in M um von der AVIwiss erfasste Tätigkeiten handelt, keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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