Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 1576/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 217/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit von Bescheiden des Beklagten wegen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), hilfsweise die Aufhebung dieser Bescheide als rechtswidrig und Neubescheidung durch den Beklagten.
Der 1975 geborene Kläger befand sich vom 23. September 2002 bis 8. April 2004 in Haft. Er beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 26. April 2003 Hilfe gemäß § 72 BSHG zur Einlagerung seiner Möbel und seines Hausrats bis zum Ende seiner Haft und hilfsweise die Übernahme der Kosten für seine Unterkunft. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. Juni 2003 ab, die Widersprüche des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbands vom 10. Dezember 2003 wegen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten; Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. März 2004 wegen der Hilfe nach § 15a BSHG). Mit seiner hiergegen zum Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe (8 K 4434/03) erhobenen Klage machte der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten seiner Unterkunft in der Zeit von August 2002 bis März 2004 geltend sowie im Wege der Klageerweiterung die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für April 2004. Dies hatte der Beklagte wegen des bei Haftentlassung erhaltenen Überbrückungsgeldes in Höhe von 767,93 EUR abgelehnt (Bescheid vom 16. Juli 2004, Widerspruchsbescheid vom 26. November 2005). Das VG wies die Klage mit Urteil vom 21. Juni 2005 ab. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Berufungszulassung wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14. September 2005 - 12 S 1397/05) abgelehnt.
Am 22. Februar 2006 stellte der Kläger beim Beklagten Antrag "gemäß § 44 ff. Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG)" auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG. Zur Begründung führte er aus, dass die dem Urteil des VG Karlsruhe zugrunde liegenden Bescheide nichtig seien, das Verwaltungsverfahren sei daher wieder aufzugreifen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass das Amtsgericht P. mit Beschluss von Mai 2004 - 3 IK 40/04 - ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet habe. Mit Bescheid vom 3. März 2006 lehnte der Beklagte die Anträge ab, da das LVwVfG nicht anwendbar sei und über § 46 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nur ein Widerruf für die Zukunft erfolgen könne, nicht jedoch eine rückwirkende Leistungsgewährung. Der Kläger erhob Widerspruch und stellte Befangenheitsantrag gegen die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Nichtigkeit der Bescheide könne nicht festgestellt werden und Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 7. April 2006 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Vor dem VG Karlsruhe seien nur alte Bescheide angegriffen worden, in denen das Insolvenzverfahren noch gar nicht habe berücksichtigt werden können. Ein Urteil sei jedoch der materiellen Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den streitigen Anspruch entschieden werde.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das LVwVfG sei vorliegend nicht anwendbar, da die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X maßgeblich seien. Die Voraussetzungen einer Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide i.S.v. § 40 Abs. 1 und 2 SGB X lägen ersichtlich nicht vor. Soweit der Kläger bei sachgerechter Auslegung seines Antrags die Überprüfung der Bescheide nach § 44 SGB X begehre, sei sein Begehren unbegründet, denn diese Vorschrift sei aufgrund der Eigenheiten der Ansprüche des BSHG, welche einen gegenwärtigen Bedarf befriedigten, nicht anwendbar.
Hiergegen richtet sich die am 12. Januar 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin die Feststellung der Nichtigkeit bzw. die erneute Überprüfung der Bescheide begehrt. Die Bescheide seien schon deshalb aufzuheben, weil sie durch eine als befangen abgelehnte Sachbearbeiterin erlassen worden seien. Die Entscheidung des VG Karlsruhe beruhe im Wesentlichen auf der Annahme, dass der Kläger seine Bedürftigkeit nicht hinreichend nachgewiesen habe. Hierbei sei die Insolvenz des Klägers nicht berücksichtigt worden, da das Insolvenzverfahren erst nach Klageerhebung eröffnet worden sei.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Dezember 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2006 aufzuheben und
festzustellen, dass die Bescheide des Beklagten vom 30. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2004 und vom 16. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2004 rechtswidrig sind, hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 30. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2004 zurückzunehmen und dem Kläger Leistungen nach dem BSHG in Form der Übernahme der Kosten seiner Unterkunft im Zeitraum August 2002 bis März 2004 zu gewähren sowie den Bescheid vom 16. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2004 aufzuheben und dem Kläger für April 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind auf die Vorschrift des § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG, die Akte des VG Karlsruhe (8 K 4434/03) sowie die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Weder besteht eine Nichtigkeit der betreffenden Bescheide, noch ist der Beklagte im Wege des § 44 Abs. 1 SGB X verpflichtet, diese Bescheide erneut zu überprüfen.
Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide hat keinen Erfolg. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG kann mit der Klage die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellungsklage ist hier bereits unzulässig, denn ein entsprechendes Feststellungsinteresse ist nicht ersichtlich. Der Sache nach geht es dem Kläger um die Nachzahlung von Leistungen, welche durch die von ihm für nichtig gehaltenen Bescheide abgelehnt wurden. Die insoweit erhobene Klage ist mit Urteil des VG Karlsruhe vom 21. Juni 2006 (8 K 4434/03) rechtskräftig abgewiesen worden, so dass diesbezüglich zwischen den Beteiligten feststeht, dass der Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen hat. Aus der Feststellung der Nichtigkeit könnte der Kläger daher keine Rechte gegenüber dem Beklagten herleiten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juni 2007 - L 12 AL 83/06 - (juris)).
Davon abgesehen sind die angefochtenen Bescheide auch keineswegs nichtig, wie das SG zutreffend entschieden hat. Die Nichtigkeit der vom Kläger benannten Bescheide kann sich nur aus § 40 SGB X ergeben. Die Sozialhilfe war schon bei Inkrafttreten des SGB X (Gesetz vom 18. August 1980 - BGBl. I S. 1469, 2218) Bestandteil des Sozialgesetzbuches (vgl. § 9 Sozialgesetzbuch Erstes Buch in der Fassung vom 11. Dezember 1975 - BGBl. I S. 3015), so dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit des Beklagten anwendbar ist, nicht jedoch das LVwVfG. Nach § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 nichtig, 1. der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt 2. der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt, 3. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, 4. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, 5. der gegen die guten Sitten verstößt.
Keiner dieser Nichtigkeitsgründe ist hier ersichtlich. Soweit der Kläger auch im Berufungsverfahren sich noch darauf beruft, an der Behördenentscheidung habe eine von ihm als befangen abgelehnte Sachbearbeiterin mitgewirkt, stellt dies keinen Nichtigkeitsgrund dar unabhängig von der Frage, ob die vom Kläger geltend gemachten Bedenken gegen die Sachbearbeiterin überhaupt tragen. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 40 Abs. 3 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 SGB X ausgeschlossene Person mitgewirkt hat. Erst recht führt daher die Mitwirkung von Personen, bei denen die Besorgnis der Befangenheit i.S.v. § 17 SGB X besteht, nicht zur Nichtigkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 73, 112, 114 ff = SozR 3-1300 § 40 Nr. 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Band 2, SGB X, § 40 Rdnr. 27).
Soweit der Kläger hilfsweise im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG; vgl. hierzu BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 3 Rdnr. 8) die Überprüfung der Bescheide durch den Beklagten gemäß § 44 Abs. 1 SGB X und daraus folgend Nachzahlung von Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG begehrt, ist die Klage unbegründet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats findet im Bereich des Leistungsrechts des BSHG § 44 SGB X keine Anwendung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2006 - L 7 SO 1677/06 PKH-B -; vom 2. Juni 2006 - L 7 SO 1677/06 PKH-B -; vom 10. Januar 2007 - L 7 SO 5928/06 PKH-A -; Senatsurteil vom 1. Februar 2007 - L 7 SO 1676/06 - (juris)). Der Senat hat sich insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angeschlossen. Im Urteil vom 13. November 2003 (- 5 C 26/02 - Buchholz 435.12 § 44 SGB X Nr. 10) hat das BVerwG hierzu folgendes ausgeführt:
"Denn aus dem Bundessozialhilfegesetz ergibt sich, dass Sozialhilfe Nothilfe ist und ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen gegenwärtigen Bedarf voraussetzt (st. Rspr., BVerwGE 90, 160 (162); 96, 152 (154 f.); 99, 149 (156)). Hat ein Bedarf, für den das Bundessozialhilfegesetz Hilfeleistungen bestimmt, in der Vergangenheit bestanden, besteht er aber jetzt nicht (mehr) (fort), fehlt es an einer für den Sozialhilfeanspruch wesentlichen Anspruchsvoraussetzung; es besteht kein Anspruch auf Hilfe für die Vergangenheit.
Allerdings sind in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausnahmen vom Erfordernis eines tatsächlich (fort-)bestehenden Bedarfs anerkannt, in Eilfällen um der Effektivität der gesetzlichen Gewährung des Rechtsanspruchs auf Sozialhilfe und bei Einlegung von Rechtsbehelfen um der Effektivität des Rechtsschutzes der Sozialhilfe willen (BVerwG a.a.O.). Damit trägt das Bundesverwaltungsgericht der aus der Zeitgebundenheit der Sozialhilfe resultierenden Existenzschwäche des Sozialhilfeanspruchs Rechnung und sichert ihn normativ ab (BVerwGE 96, 18 (20)).
Ein solcher Ausnahmefall liegt in den Fällen des § 44 SGB X aber nicht vor (BVerwGE 68, 285 (289)). Da § 44 Abs. 1 SGB X voraussetzt, dass eine Sozialleistung auf Grund eines Verwaltungsaktes nicht erbracht worden ist, erfasst er nicht den Ausnahmefall, in dem der tatsächliche Sozialhilfebedarf wegen Eilbedürftigkeit vor einer Entscheidung des Sozialhilfeträgers gedeckt worden ist. Und weil § 44 Abs. 1 SGB X die Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes regelt, fehlt es für die Ausnahme um der Effektivität des Rechtsschutzes willen an dem insoweit erforderlichen Rechtsbehelf.
§ 44 Abs. 1 und 4 SGB X kann auch nicht dahin verstanden werden, dass er bezogen auf das Sozialhilferecht über die genannten Ausnahmen hinaus eine weitere Ausnahme vom Erfordernis eines tatsächlichen Bedarfs regele. § 44 Abs. 4 SGB X begründet keinen eigenständigen, von der ursprünglich begehrten Sozialleistung unabhängigen Sozialleistungsanspruch. Vielmehr werden nach dieser Bestimmung ‚Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches’ erbracht, also jene Sozialleistungen nacherbracht, die zuvor zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 SGB X). ‚Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs’ können aber nur dann noch erbracht werden, wenn sie - sieht man über die bestandskräftige Leistungserbringung hinweg - noch beansprucht werden können.
Mit den §§ 44 ff. SGB X hat der Gesetzgeber eine umfassende und abschließende Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Prinzipien der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Rechtssicherheit (vgl. BVerwGE 99, 114 (119)) in einer auf die Besonderheiten und Bedeutung des Sozialleistungsbereiches abgestimmten Weise getroffen (vgl. BVerwGE 109, 346 (348)). Dabei hat er mit der Regelung in § 44 Abs. 1 und 4 SGB X der Gesetzmäßigkeit gegenüber der Rechtssicherheit Vorrang gegeben. Darin erschöpft sich die Bedeutung des § 44 Abs. 1 und 4 SGB X, der nicht in das Leistungsrecht der einzelnen besonderen Sozialleistungsbereiche eingreift. § 44 Abs. 1 und 4 SGB X schränkt also allein die sonst aus der Rechtskraft erwachsende Rechtssicherheit ein, lässt aber die materiellrechtlichen Besonderheiten der einzelnen besonderen Sozialleistungsbereiche unberührt. § 44 Abs. 1 und 4 SGB X ist daher nur anwendbar, wenn und soweit auch zur Zeit der Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X und der Leistungserbringung nach § 44 Abs. 4 SGB X ein Anspruch auf ‚Sozialleistungen nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs’ noch besteht. Im Sozialhilferecht besteht aber in den Fällen des § 44 Abs. 1 und 4 SGB X, also bei durch Verwaltungsakt zu Unrecht versagter Leistung, gerade kein Bedarf aus der Vergangenheit und damit auch kein Sozialhilfeanspruch fort, auf den nach § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen nacherbracht werden könnten."
Nach diesen Erwägungen, die sich der Senat zu eigen macht, kann der Kläger die begehrten Leistungen der Sozialhilfe im Zugunstenverfahren mittels Überprüfung bestandskräftiger Bescheide des Beklagten über § 44 SGB X nicht verlangen.
Andere Rechtsgrundlagen für die geltend gemachten Ansprüche sind nicht ersichtlich, so dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen, da bisher noch keine Rechtsprechung des BSG zur Frage der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf den Bereich des Leistungsrechts nach dem BSHG vorliegt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit von Bescheiden des Beklagten wegen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), hilfsweise die Aufhebung dieser Bescheide als rechtswidrig und Neubescheidung durch den Beklagten.
Der 1975 geborene Kläger befand sich vom 23. September 2002 bis 8. April 2004 in Haft. Er beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 26. April 2003 Hilfe gemäß § 72 BSHG zur Einlagerung seiner Möbel und seines Hausrats bis zum Ende seiner Haft und hilfsweise die Übernahme der Kosten für seine Unterkunft. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. Juni 2003 ab, die Widersprüche des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbands vom 10. Dezember 2003 wegen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten; Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. März 2004 wegen der Hilfe nach § 15a BSHG). Mit seiner hiergegen zum Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe (8 K 4434/03) erhobenen Klage machte der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten seiner Unterkunft in der Zeit von August 2002 bis März 2004 geltend sowie im Wege der Klageerweiterung die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für April 2004. Dies hatte der Beklagte wegen des bei Haftentlassung erhaltenen Überbrückungsgeldes in Höhe von 767,93 EUR abgelehnt (Bescheid vom 16. Juli 2004, Widerspruchsbescheid vom 26. November 2005). Das VG wies die Klage mit Urteil vom 21. Juni 2005 ab. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Berufungszulassung wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14. September 2005 - 12 S 1397/05) abgelehnt.
Am 22. Februar 2006 stellte der Kläger beim Beklagten Antrag "gemäß § 44 ff. Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG)" auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG. Zur Begründung führte er aus, dass die dem Urteil des VG Karlsruhe zugrunde liegenden Bescheide nichtig seien, das Verwaltungsverfahren sei daher wieder aufzugreifen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass das Amtsgericht P. mit Beschluss von Mai 2004 - 3 IK 40/04 - ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet habe. Mit Bescheid vom 3. März 2006 lehnte der Beklagte die Anträge ab, da das LVwVfG nicht anwendbar sei und über § 46 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nur ein Widerruf für die Zukunft erfolgen könne, nicht jedoch eine rückwirkende Leistungsgewährung. Der Kläger erhob Widerspruch und stellte Befangenheitsantrag gegen die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Nichtigkeit der Bescheide könne nicht festgestellt werden und Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 7. April 2006 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Vor dem VG Karlsruhe seien nur alte Bescheide angegriffen worden, in denen das Insolvenzverfahren noch gar nicht habe berücksichtigt werden können. Ein Urteil sei jedoch der materiellen Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den streitigen Anspruch entschieden werde.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das LVwVfG sei vorliegend nicht anwendbar, da die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des SGB X maßgeblich seien. Die Voraussetzungen einer Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide i.S.v. § 40 Abs. 1 und 2 SGB X lägen ersichtlich nicht vor. Soweit der Kläger bei sachgerechter Auslegung seines Antrags die Überprüfung der Bescheide nach § 44 SGB X begehre, sei sein Begehren unbegründet, denn diese Vorschrift sei aufgrund der Eigenheiten der Ansprüche des BSHG, welche einen gegenwärtigen Bedarf befriedigten, nicht anwendbar.
Hiergegen richtet sich die am 12. Januar 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin die Feststellung der Nichtigkeit bzw. die erneute Überprüfung der Bescheide begehrt. Die Bescheide seien schon deshalb aufzuheben, weil sie durch eine als befangen abgelehnte Sachbearbeiterin erlassen worden seien. Die Entscheidung des VG Karlsruhe beruhe im Wesentlichen auf der Annahme, dass der Kläger seine Bedürftigkeit nicht hinreichend nachgewiesen habe. Hierbei sei die Insolvenz des Klägers nicht berücksichtigt worden, da das Insolvenzverfahren erst nach Klageerhebung eröffnet worden sei.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Dezember 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2006 aufzuheben und
festzustellen, dass die Bescheide des Beklagten vom 30. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2004 und vom 16. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2004 rechtswidrig sind, hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 30. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2004 zurückzunehmen und dem Kläger Leistungen nach dem BSHG in Form der Übernahme der Kosten seiner Unterkunft im Zeitraum August 2002 bis März 2004 zu gewähren sowie den Bescheid vom 16. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2004 aufzuheben und dem Kläger für April 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind auf die Vorschrift des § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die Klageakte des SG, die Akte des VG Karlsruhe (8 K 4434/03) sowie die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat hat über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Weder besteht eine Nichtigkeit der betreffenden Bescheide, noch ist der Beklagte im Wege des § 44 Abs. 1 SGB X verpflichtet, diese Bescheide erneut zu überprüfen.
Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide hat keinen Erfolg. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG kann mit der Klage die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellungsklage ist hier bereits unzulässig, denn ein entsprechendes Feststellungsinteresse ist nicht ersichtlich. Der Sache nach geht es dem Kläger um die Nachzahlung von Leistungen, welche durch die von ihm für nichtig gehaltenen Bescheide abgelehnt wurden. Die insoweit erhobene Klage ist mit Urteil des VG Karlsruhe vom 21. Juni 2006 (8 K 4434/03) rechtskräftig abgewiesen worden, so dass diesbezüglich zwischen den Beteiligten feststeht, dass der Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen hat. Aus der Feststellung der Nichtigkeit könnte der Kläger daher keine Rechte gegenüber dem Beklagten herleiten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juni 2007 - L 12 AL 83/06 - (juris)).
Davon abgesehen sind die angefochtenen Bescheide auch keineswegs nichtig, wie das SG zutreffend entschieden hat. Die Nichtigkeit der vom Kläger benannten Bescheide kann sich nur aus § 40 SGB X ergeben. Die Sozialhilfe war schon bei Inkrafttreten des SGB X (Gesetz vom 18. August 1980 - BGBl. I S. 1469, 2218) Bestandteil des Sozialgesetzbuches (vgl. § 9 Sozialgesetzbuch Erstes Buch in der Fassung vom 11. Dezember 1975 - BGBl. I S. 3015), so dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit des Beklagten anwendbar ist, nicht jedoch das LVwVfG. Nach § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 nichtig, 1. der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt 2. der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt, 3. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann, 4. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, 5. der gegen die guten Sitten verstößt.
Keiner dieser Nichtigkeitsgründe ist hier ersichtlich. Soweit der Kläger auch im Berufungsverfahren sich noch darauf beruft, an der Behördenentscheidung habe eine von ihm als befangen abgelehnte Sachbearbeiterin mitgewirkt, stellt dies keinen Nichtigkeitsgrund dar unabhängig von der Frage, ob die vom Kläger geltend gemachten Bedenken gegen die Sachbearbeiterin überhaupt tragen. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 40 Abs. 3 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 SGB X ausgeschlossene Person mitgewirkt hat. Erst recht führt daher die Mitwirkung von Personen, bei denen die Besorgnis der Befangenheit i.S.v. § 17 SGB X besteht, nicht zur Nichtigkeit (vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 73, 112, 114 ff = SozR 3-1300 § 40 Nr. 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Band 2, SGB X, § 40 Rdnr. 27).
Soweit der Kläger hilfsweise im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG; vgl. hierzu BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 3 Rdnr. 8) die Überprüfung der Bescheide durch den Beklagten gemäß § 44 Abs. 1 SGB X und daraus folgend Nachzahlung von Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG begehrt, ist die Klage unbegründet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats findet im Bereich des Leistungsrechts des BSHG § 44 SGB X keine Anwendung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2006 - L 7 SO 1677/06 PKH-B -; vom 2. Juni 2006 - L 7 SO 1677/06 PKH-B -; vom 10. Januar 2007 - L 7 SO 5928/06 PKH-A -; Senatsurteil vom 1. Februar 2007 - L 7 SO 1676/06 - (juris)). Der Senat hat sich insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angeschlossen. Im Urteil vom 13. November 2003 (- 5 C 26/02 - Buchholz 435.12 § 44 SGB X Nr. 10) hat das BVerwG hierzu folgendes ausgeführt:
"Denn aus dem Bundessozialhilfegesetz ergibt sich, dass Sozialhilfe Nothilfe ist und ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen gegenwärtigen Bedarf voraussetzt (st. Rspr., BVerwGE 90, 160 (162); 96, 152 (154 f.); 99, 149 (156)). Hat ein Bedarf, für den das Bundessozialhilfegesetz Hilfeleistungen bestimmt, in der Vergangenheit bestanden, besteht er aber jetzt nicht (mehr) (fort), fehlt es an einer für den Sozialhilfeanspruch wesentlichen Anspruchsvoraussetzung; es besteht kein Anspruch auf Hilfe für die Vergangenheit.
Allerdings sind in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausnahmen vom Erfordernis eines tatsächlich (fort-)bestehenden Bedarfs anerkannt, in Eilfällen um der Effektivität der gesetzlichen Gewährung des Rechtsanspruchs auf Sozialhilfe und bei Einlegung von Rechtsbehelfen um der Effektivität des Rechtsschutzes der Sozialhilfe willen (BVerwG a.a.O.). Damit trägt das Bundesverwaltungsgericht der aus der Zeitgebundenheit der Sozialhilfe resultierenden Existenzschwäche des Sozialhilfeanspruchs Rechnung und sichert ihn normativ ab (BVerwGE 96, 18 (20)).
Ein solcher Ausnahmefall liegt in den Fällen des § 44 SGB X aber nicht vor (BVerwGE 68, 285 (289)). Da § 44 Abs. 1 SGB X voraussetzt, dass eine Sozialleistung auf Grund eines Verwaltungsaktes nicht erbracht worden ist, erfasst er nicht den Ausnahmefall, in dem der tatsächliche Sozialhilfebedarf wegen Eilbedürftigkeit vor einer Entscheidung des Sozialhilfeträgers gedeckt worden ist. Und weil § 44 Abs. 1 SGB X die Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes regelt, fehlt es für die Ausnahme um der Effektivität des Rechtsschutzes willen an dem insoweit erforderlichen Rechtsbehelf.
§ 44 Abs. 1 und 4 SGB X kann auch nicht dahin verstanden werden, dass er bezogen auf das Sozialhilferecht über die genannten Ausnahmen hinaus eine weitere Ausnahme vom Erfordernis eines tatsächlichen Bedarfs regele. § 44 Abs. 4 SGB X begründet keinen eigenständigen, von der ursprünglich begehrten Sozialleistung unabhängigen Sozialleistungsanspruch. Vielmehr werden nach dieser Bestimmung ‚Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches’ erbracht, also jene Sozialleistungen nacherbracht, die zuvor zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 SGB X). ‚Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs’ können aber nur dann noch erbracht werden, wenn sie - sieht man über die bestandskräftige Leistungserbringung hinweg - noch beansprucht werden können.
Mit den §§ 44 ff. SGB X hat der Gesetzgeber eine umfassende und abschließende Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Prinzipien der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Rechtssicherheit (vgl. BVerwGE 99, 114 (119)) in einer auf die Besonderheiten und Bedeutung des Sozialleistungsbereiches abgestimmten Weise getroffen (vgl. BVerwGE 109, 346 (348)). Dabei hat er mit der Regelung in § 44 Abs. 1 und 4 SGB X der Gesetzmäßigkeit gegenüber der Rechtssicherheit Vorrang gegeben. Darin erschöpft sich die Bedeutung des § 44 Abs. 1 und 4 SGB X, der nicht in das Leistungsrecht der einzelnen besonderen Sozialleistungsbereiche eingreift. § 44 Abs. 1 und 4 SGB X schränkt also allein die sonst aus der Rechtskraft erwachsende Rechtssicherheit ein, lässt aber die materiellrechtlichen Besonderheiten der einzelnen besonderen Sozialleistungsbereiche unberührt. § 44 Abs. 1 und 4 SGB X ist daher nur anwendbar, wenn und soweit auch zur Zeit der Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X und der Leistungserbringung nach § 44 Abs. 4 SGB X ein Anspruch auf ‚Sozialleistungen nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs’ noch besteht. Im Sozialhilferecht besteht aber in den Fällen des § 44 Abs. 1 und 4 SGB X, also bei durch Verwaltungsakt zu Unrecht versagter Leistung, gerade kein Bedarf aus der Vergangenheit und damit auch kein Sozialhilfeanspruch fort, auf den nach § 44 Abs. 4 SGB X Leistungen nacherbracht werden könnten."
Nach diesen Erwägungen, die sich der Senat zu eigen macht, kann der Kläger die begehrten Leistungen der Sozialhilfe im Zugunstenverfahren mittels Überprüfung bestandskräftiger Bescheide des Beklagten über § 44 SGB X nicht verlangen.
Andere Rechtsgrundlagen für die geltend gemachten Ansprüche sind nicht ersichtlich, so dass die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen, da bisher noch keine Rechtsprechung des BSG zur Frage der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf den Bereich des Leistungsrechts nach dem BSHG vorliegt.
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