L 26 B 1460/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 30 AS 1823/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 1460/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 10. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Potsdam vom 10. Juli 2007, mit dem sein Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Wege einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), jedoch in der Sache unbegründet.

Vorliegend kommt, soweit der Antragsteller die besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit geltend macht, nur der Erlass einer sog. Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] NJW 1997, 479 ; NJW 2003, 1236 ; NVwZ 2005, 927). Anordnungsvoraussetzungen sind mithin sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95 ; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartendem Maß des Erfolgs in der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern können. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufene Zeiträume begehrt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 2. Februar 2007 - L 26 B 107/07 AS ER - und vom 16. Februar 2007 - L 26 B 188/07 AS ER -). Insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Den Ausführungen des SG zum Anordnungsanspruch vermag der Senat nicht zu folgen. Im Ergebnis ihrer Ermittlungen geht die Antragsgegnerin davon aus, dass die anspruchsbegründende Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen Antragstellers im Sinne der §§ 7, 9, 11 und 12 SGB II allein aufgrund des vorhandenen Vermögens zu verneinen sei. Dagegen besteht auch bei der Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass nennenswert Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bezogen werde, das Bedürftigkeit entfallen lasse. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb – wie das SG meint - der Antragsteller notwendige Unterlagen nicht eingereicht oder den Anspruch nicht schlüssig dargelegt haben soll. Unabhängig von der Wortwahl in den dem Gericht übermittelten Schriftsätzen des Antragstellers liegt schon nach Durchsicht der angefochtenen Bescheide auf der Hand, dass zwischen den Beteiligten in der Hauptsache streitig ist, mit welchem Verkehrswert (vgl. § 12 Abs. 4 SGB II) das unbebaute Grundstück in B zu anzusetzen ist. Zwar hat die Antragsgegnerin eine überschlägige Wertangabe des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt Beingeholt. Es ist aber zu bezweifeln, dass diese Wertangabe bei der Prüfung von Vermögen eingesetzt werden kann. Dies ergibt sich schon aus der Auskunft selbst, wonach die Besonderheiten des Grundstücks (insbesondere sein baulicher Zustand) keine Beachtung gefunden haben und folglich die überschlägige Wertangabe ausdrücklich nicht dem Verkehrswert im Sinne des § 194 Baugesetzbuch entspricht. Aus diesem Grund hatte der Senat von Amts wegen (entsprechend der auch im einstweiligen Rechtsschutz geltenden Verpflichtung aus § 103 SGG) zunächst weitere Ermittlungen eingeleitet, gerade weil der Vortrag des Antragstellers, der einzige nennenswerte Vermögensgegenstand sei von der Antragsgegnerin fehlerhaft (zu hoch) bewertet worden, durchaus nachvollziehbar ist und die zur endgültigen Klärung notwendigen Ermittlungen wenig zeitaufwändig erschienen. Im Übrigen stellt sich bereits bei einem Verkehrswert von 45.000,- Euro und also einem grundsätzlich zu verwertenden Vermögen von 36.750,- Euro, wie ihn die Antragsgegnerin angenommen hat, die Frage, ob die Verwertung des Grundstücks nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist vor dem Hintergrund, dass das Grundstück mit einer Grundschuld über 40.000,- Euro erheblich belastet ist. Hier waren zumindest die Hintergründe der erst im März 2007 für die volljährige Tochter des Antragstellers eingetragenen Grundschuld noch zu klären. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss (und nicht nur als Darlehn, wie es der Antragsgegner für Zeiträume vor Antragstellung bereits angeboten hatte) scheidet damit nicht von vornherein aus.

Allerdings steht einem Anordnungsanspruch für Zeiten seit dem 1. November 2007 der Aufenthalt des Antragstellers im Ausland entgegen. In seinem Schreiben vom 1. November 2007 hat er dargelegt, er halte sich bis auf weiteres berufsbedingt nicht in Deutschland, sondern in Asien auf. Selbst wenn der Antragsteller damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II nicht aufgegeben haben sollte (für eine Aufgabe des dauernden Aufenthalts spricht immerhin, dass der Antragsteller seinen Aufenthalt in Asien als zukunftsoffen dargestellt hat), steht einem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II seither § 7 Abs. 4 a SGB II in Verbindung mit der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeits-Anordnung) entgegen. Denn der Antragsteller hält sich zweifellos nicht mehr im dort (vgl. § 2 Erreichbarkeits-Anordnung) definierten zeit- und ortsnahen Bereich des Trägers der Grundsicherung auf. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Aufenthalt ausnahmsweise in entsprechender Anwendung des § 3 Erreichbarkeits-Anordnung unschädlich sein könnte, bestehen nicht. Eine einstweilige Anordnung gerichtet auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller von der Entscheidung des Senats an künftig Leistungen zu gewähren, scheidet damit aus.

Für die Zeiträume bis zur Entscheidung des Senats steht dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung entgegen, dass ein Anordnungsgrund, also ein besonderes Eilbedürfnis, nicht besteht. Denn nach den oben dargelegten Grundsätzen scheidet die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel aus, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, also der Entscheidung des Senats, vorgelegen hat. Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise anderes gilt, liegen nicht vor. Der Antragsteller hat lediglich pauschal dargelegt, dass ein Schaden entstehe, der zu minimieren sei. Es ist dagegen nicht nachvollziehbar geworden, dass eine Nachzahlung von Leistungen nach dem SGB II für den Fall des endgültigen Obsiegens in der Hauptsache nicht zum Ausgleich solcher Nachteile ausreicht, zumal der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin mehrfach dargelegt hat, er sei an der Realisierung einer mit einer möglichen Rückforderung belasteten Zahlung nicht interessiert.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass das SG Potsdam zu prüfen haben wird, inwieweit der Schriftsatz vom 21. Mai 2007, der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegt, (auch) als Klage gegen den in diesem Schriftsatz in Bezug genommenen Bescheid vom 12. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2007 anzusehen ist. Die Formulierungen ("Es wird hiermit sofort das zulässige Rechtsmittel eingelegt") lassen aus Sicht des Senats wohl ohne weiteres erkennen, dass eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidungen im Klageweg angestrebt wird. Ob eine solche Hauptsache bereits statistisch erfasst ist, lässt der vorliegende Vorgang nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht (BSG) anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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