Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 459/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Kosten einer operativen Geschlechtsanpassung von der Frau zum Mann mit Penisaufbau beim Kläger in der Nichtvertragsklinik S. in P. zu übernehmen hat.
Der 1972 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Student krankenversichert. Bei ihm ist eine Wandlung des Geschlechts von der Frau zum Mann nach dem Transsexuellengesetz erfolgt. Im Dezember 1999 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Klinik S. vom 01. Dezember 1999 über eine Gesamtsumme von DM 72.000,00 mit einer Darstellung der Schritte der geplanten Operation in einer Sitzung durch Dr. D. die Kostenübernahme durch die Beklagte. Im Verlauf von weiteren Informationsgesprächen mit Mitarbeitern der Beklagten legte der Kläger das fachmedizinische Gutachten des Frauenarztes und Psychiaters Dr. H. vom 23. November 1992, eine Darstellung seiner Lebenssituation bis zum Bestehen des Abiturs am 18. Mai 1992 sowie die Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Dr. S. vom 30. Mai 1994 für das Amtsgericht K. vor, wonach neben einer gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung mit Testovirondepot bei einer laufenden psychotherapeutischen Behandlung operativ im Februar 1993 eine Ablatio mammae stattfand und zu jenem Zeitpunkt eine Einweisung zur Hysterektomie erfolgte, die am 31. Mai 1994 im St. J.Krankenhaus in H. durchgeführt wurde. Weiter legte der Kläger eine Bestätigung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Chirotherapie H. vom 10. Januar 2000 vor, wonach die plastische Operation beim Kläger in P. wegen der dortigen hohen Erfolgsquote und der vergleichsweise geringeren Nachbehandlungs- und Komplikationsrate durchgeführt werden sollte. Für den angestrebten Eingriff gebe es für den Kläger keine alternative Klinik. Mit Bescheid vom 18. Januar 2000 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten der operativen Geschlechtsanpassung in der Klinik S. in P. durch Dr. D. ab, da weder zur Klinik noch zum Operateur Vertragsbeziehungen bestünden. Auch bei den von Dr. D. durchgeführten Operationen sei es schon zu mehreren Folgeoperationen gekommen. Zur Begründung seines hiergegen mit Schreiben vom 15. Februar 2000 eingelegten Widerspruches legte der Kläger eine Stellungnahme des Leiters der Klinik S. Dr.K. vom 03. Februar 2000, die Antworten auf einen von ihm versandten Fragebogen über die vorgesehene Operation und mögliche Komplikationen, Ausschnitte aus der Zeitschrift "Urologie" von 1996 sowie Kopien von Kostenübernahmeerklärungen hinsichtlich einer Operation in der Klinik S. von verschiedenen Krankenkassen, auch der AOK in der Bundesrepublik vor und verwies darauf, dass die Bezirksdirektion Mittlerer Oberrhein der Beklagten die Kosten einer Operation in der Klinik S. bei einem Versicherten aus K. übernommen habe. Bei den von Dr. S. in F. durchgeführten Operationen gehe wegen Entfernung der Klitoris bei ein Leben lang begleitenden Phantomschmerzen die Orgasmusfähigkeit verloren.
Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Bescheid vom 15. Mai 2000 unter Hinweis auf die §§ 39 Abs. 1 Satz 2 und 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zurück, da die Operation in zugelassenen Krankenhäusern wie bei Dr. G. im Klinikum A., bei Prof. R. im Rotkreuz-Krankenhaus S. und bei Dr. S. und Dr. Decker vom Klinikum Rechts der Isar in M. durchgeführt werden könne. Es liege somit kein Systemversagen vor. Unabhängig von dem Widerspruchsbescheid äußerte sich die Beklagte am 07. Juli 2000 zu der bei einem anderen ihrer Versicherten gegebenen Kostenzusage, nachdem der Kläger nochmals eine Äußerung der Klinik S. vom 22. Mai 2000 sowie Unterlagen von anderen Verfahren wie auch das Merkblatt für geschlechtsangleichende Operationen von der Frau zum Mann der Dres. S. und Ö. aus der Gemeinschaftspraxis für Chirurgie und plastische Chirurgie in M. vorgelegt hatte.
Unter dem 15. Juni 2000 erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) K. Klage gegen die ablehnenden Bescheide unter weitgehender Wiederholung seines bisherigen Vorbringens. Er verwies darauf, dass es sich bei der von Dr. D. durchzuführenden Operation um eine einzeitige Operation mit einem stationären Aufenthalt von 12 bis 16 Tagen handle im Gegensatz zu den anderen Operationsmöglichkeiten in mehreren Phasen. Dr. D. habe diese Operation insgesamt schon 156mal, davon in P. über 40mal ohne Komplikationen durchgeführt. Bei anderen Kliniken fielen bei fünf Operationsschritten Krankenhausaufenthalte von bis zu 25 Wochen an. Er legte hierzu nochmals die Kostenübernahmeerklärung verschiedenster Kassen für eine Operation in P. in Kopie vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides entgegen und verwies darauf, dass der Kläger noch keiner Kostenforderung ausgesetzt sei und es somit auf die Frage einer Kostenerstattung wegen eines Systemmangels nicht ankomme. Das SG hat die Klage trotz des Antrages des Klägers auf mündliche Verhandlung mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2000, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 03. Januar 2001 zugestellt wurde, abgewiesen und in den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt, die Klinik S. habe keinen Versorgungsvertrag gemäß § 108 SGB V, somit könne sich der Kläger nicht zu Lasten der Beklagten behandeln lassen. Die vom Kläger begehrte Behandlung könne auch in Vertragskrankenhäusern stattfinden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die seiner Meinung nach bestmögliche aller Behandlungsmethoden, solange die Beklagte eine ausreichende, wenn auch aus der Sicht des Versicherten "weniger gute" Leistung anbiete.
Gegen diesen Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 30. Januar 2001 beim Landessozialgericht (LSG) schriftlich eingelegten Berufung, in deren Begründung er darauf verweist, dass mit der einzeitigen Operation durch Dr. D. der Beklagten im Normalfall erhebliche Kosten erspart würden. Darüber hinaus seien die von der Beklagten vorgeschlagenen Kliniken für ihn nicht zumutbar, wie sich aus den Antworten der Kliniken auf den von ihm versandten Fragebogen ergebe (Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verwandlungschirurgie A., die Chirurgen Dr. S. und Dr. Ö.). Der Kläger legte hierzu zehn Farbbilder von misslungenen Operationen und zeitlebens irreparablen Operationsfolgen vor. Der Kläger hat im Verlaufe des Berufungsverfahrens weiter die Stellungnahme des Prof. Dr. P., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der Universität Hamburg, vom 18. September 2001 sowie die Stellungnahme des cand. med. Steinmetz vom 18. September 2001 zur Problematik der Einschätzung der Operationsergebnisse bei Frau-zu-Mann Genitaltransformationsoperationen vorgelegt. Vom 06. bis 21. März 2002 hat er die vorgesehene Operation durch Dr. D. durchführen lassen und hierfür vor deren Beginn am 23. Dezember 2001 und 07. Februar 2002 insgesamt DM 72.00,00 bezahlt. Er hat die ärztliche Bescheinigung über den Erfolg der Operation von Facharzt für Allgemeinmedizin H. vom 05. Juni 2002 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 20. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Mai 2000 zu verurteilen, ihm die Kosten für die von Dr. D. durchgeführte Phalloplastische Operation in Höhe von EUR 36.813,58 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig und hat das Gutachten des Dr. M. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in A. vom 30. Juli 2001 vorgelegt, wonach die Phalloplastik der anbietenden Klinik keine Spezialität allein dieser Klinik sei und vergleichende Aussagen über die verschiedenen Techniken der Phalloplastik derzeit noch nicht möglich seien. Nur für die ersten Behandlungsschritte, die zur Linderung der Krankheit ausreichen, nämlich Entfernung der weiblichen Brüste, Entfernung der Gebärmutter und der Ovarien sowie Entfernung der Scheide, seien standardisierte Techniken vorhanden. Bezüglich der Phalloplastiken gebe es keine standardisierten Techniken. Die verschiedenen Verfahren seien insbesondere mangels Langzeitergebnissen schwer vergleichbar
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 02. Mai 2001 sowie vor dem Hintergrund der vorgelegten Ausarbeitung des cand. med. Steinmetz am 19. September 2001 erörtert. Er hat ferner die Auskunft des Chefarztes Prof. Dr. S. von der Klinik für Urologie des St. M. krankenhauses der F. D.kliniken vom 23. Oktober 2001 eingeholt. Die Auskunft des Chefarztes der Abteilung für Hand-, Mikro- und Plastische Chirurgie Dr. Sch. vom Klinikum D. vom 30. Oktober 2001 verwies auf die massiven Vorwürfe in der Stellungnahme des cand. med. Steinmetz gegen alle beteiligten Operateure in Deutschland und hat den Vorgang der Deutschen Vereinigung der Plastischen Chirurgen zur Kenntnis gegeben. Dr. S. hat noch den Abschnitt: "Rekonstruktion des männlichen Genitale durch ein Penoid" aus dem Buch "Ausgewählte urologische OP-Techniken Step-by-Step" 2. Aufl. Thieme-Verlag 1997 sowie die Kopien eines Kongressberichts vom 01. bis 03. Juli 1999, der ersten internationalen Konsultation wegen erektiler Dysfunktion und zur Penisrekonstruktion vorgelegt. Der Berichterstatter hat weiter die vom SG K. in dem Verfahren S 3 KR 2690/00 bei der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen eingeholte Auskunft vom 10. März 2001 sowie die Auskunft des Prof. Dr. G., Chefarzt der Klinik für Handplastische und Rekonstruktive Chirurgie an der BG-Unfallklinik L. und Professor für Plastische und Handchirurgie an der Universität H. vom 15. März 2001, die im Auftrag des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen erstattet wurde, beigezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Mai 2000 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten der phalloplastischen Operation zu erstatten, der sich der Kläger inzwischen in der Nichtvertragsklinik S. in P. durch Dr. D., mit dem keine Vertragsbeziehungen der Beklagten bestehen, unterzogen hat. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Anspruch des Klägers scheitert zuvorderst daran, dass mit der Klinik S. kein Versorgungsvertrag im Sinne des § 108 Nr. 3 SGB V besteht und es sich bei dieser Klinik weder um eine Hochschulklinik noch um ein Krankenhaus handelt, das im Krankenhausplan eines Landes aufgenommen ist. Der Senat verweist insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG. Darüber hinaus liegt auch kein Systemmangel vor, der es rechtfertigte, die Beklagte zur Erstattung der Kosten der Operation in einer Nichtvertragsklinik zu verpflichten. Die Ermittlungen haben ergeben, dass Penisrekonstruktionen im Rahmen der Geschlechtsumwandlung von der Frau zum Mann in hinreichend großer Anzahl in Vertragskliniken in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden. Soweit der Kläger hierbei auf die mangelnde Qualität oder auf das mehrstufige Operationskonzept in diesen Kliniken gegenüber der einzeitigen Operation in P. abhebt, rechtfertigt dies nicht die Kostenübernahme durch die Beklagte.
Der Hinweis des Klägers auf Mängel bei Operationen in Vertragskrankenhäusern lässt sich nicht in objektiver Weise belegen. Die Stellungnahme des cand. med. Steinmetz ist insoweit nicht hinreichend. Vielmehr ergibt sich aus der Stellungnahme des Präsidenten der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen Prof. Dr. E. vom 10. März 2001, dass nach der Anzahl der vorgenommenen Operationen und der vielfältigen Praxis im Gewebetransfer in der Abteilung Plastische Chirurgie des St. M.Krankenhauses in F. und auch in der Plastischen Chirurge der Technischen Universität M. eine hohe Verlässlichkeit und Kompetenz gegeben sind. Die Operationen in den beiden genannten Kliniken und die Vorgehensweise in der Klinik S. führen prinzipiell zum gleichen Ziel, wobei die Wahl der Hautentnahmestelle unterschiedlich und somit der Entnahmedefekt ebenfalls unterschiedlich ist. Der Unterschied in der zeitlichen Vorgehensweise bedingt keinen wesentlichen Unterschied. Bei einer zweizeitigen Vorgehensweise kann in der Regel das Ergebnis besser kontrolliert werden, bei einer einzeitigen Vorgehensweise ist die Möglichkeit von Komplikationen etwas höher einzuschätzen und zieht dann operative Nachkorrekturen nach sich, so dass in der Summe die Belastung etwa gleich bleibt. Auch Prof. Dr. G. kommt in seiner für den Berufsverband der deutschen Chirurgen abgegebenen Stellungnahme vom 15. März 2001 zu dem Ergebnis, dass zumindest in dem Markuskrankenhaus in F., im Klinikum Rechts der Isar in M. und im Kreiskrankenhaus D. eine ausreichende Erfahrung vorliegt. Die Operationstechniken unterscheiden sich nur marginal. So wird die Herstellung des Penoids in F. eher aus örtlichen Lappenplastiken, in M. und D. dagegen die Rekonstruktion des Penis aus Haut- und Gewebeanteilen des Unterarmes bevorzugt, was auch die Klinik S. beschreibt. Welche Methode langfristig besser ist, wird immer noch kontrovers diskutiert (Rate der Harnröhren-Lecks oder Extrusion der eingebauten Schwellkörperimplantate). Auf der Basis dieses Erkenntnisstandes ist somit davon auszugehen, dass ein Systemversagen, das eine Kostenübernahmeverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Operation in der Klinik S. rechtfertigen würde, nicht gegeben ist. Davon ist das SG auch zu Recht ausgegangen. Der Verweis des Klägers auf geringere Kosten für die Beklagte bei einer Operation in P. ist nicht entscheidungserheblich. Solche Kostenrechnungen unterliegen zum einen zumeist sehr ergebnisorientierten Annahmen und lassen darüber hinaus die Grundlage des Krankenhausfinanzierungssystems in der Bundesrepublik Deutschland durch die gesetzlichen Krankenkassen außer Acht.
Dass dieselbe Bezirksdirektion der Beklagten einem anderen Versicherten die Übernahme der Kosten einer solchen Operation in der Klinik S. in P. zugesagt hat, erfordert nicht eine entsprechende Entscheidung der Beklagten hinsichtlich des Antrages des Klägers. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ungesetzliches Handeln in einem anderen Verfahren aus Gründen der Gleichbehandlung auf andere Verfahren zu übertragen. Dies trifft insoweit auch auf die vom Kläger vorgelegte Vielzahl von Kostenübernahmeerklärungen anderer Krankenkassen hinsichtlich einer Penisrekonstruktion in der Klinik S. in P. zu. Die Vorlage dieser Kopien von Kostenübernahmeerklärungen zeigt vielmehr, dass es hier gerade nicht um eine Einzelfallentscheidung geht, sondern um den Versuch der Klinik S. in P., über eine Vielzahl von Einzelentscheidungen zu einer Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen zu kommen, ohne sich im Rahmen des nach § 108 SGB V vorgesehenen Verfahrens zu bewegen oder sich im Rahmen der Landeskrankenhausplanung den dort vorgegebenen Kriterien zu unterwerfen.
Die Berufung des Klägers erwies sich somit als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Kosten einer operativen Geschlechtsanpassung von der Frau zum Mann mit Penisaufbau beim Kläger in der Nichtvertragsklinik S. in P. zu übernehmen hat.
Der 1972 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Student krankenversichert. Bei ihm ist eine Wandlung des Geschlechts von der Frau zum Mann nach dem Transsexuellengesetz erfolgt. Im Dezember 1999 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Klinik S. vom 01. Dezember 1999 über eine Gesamtsumme von DM 72.000,00 mit einer Darstellung der Schritte der geplanten Operation in einer Sitzung durch Dr. D. die Kostenübernahme durch die Beklagte. Im Verlauf von weiteren Informationsgesprächen mit Mitarbeitern der Beklagten legte der Kläger das fachmedizinische Gutachten des Frauenarztes und Psychiaters Dr. H. vom 23. November 1992, eine Darstellung seiner Lebenssituation bis zum Bestehen des Abiturs am 18. Mai 1992 sowie die Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Dr. S. vom 30. Mai 1994 für das Amtsgericht K. vor, wonach neben einer gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung mit Testovirondepot bei einer laufenden psychotherapeutischen Behandlung operativ im Februar 1993 eine Ablatio mammae stattfand und zu jenem Zeitpunkt eine Einweisung zur Hysterektomie erfolgte, die am 31. Mai 1994 im St. J.Krankenhaus in H. durchgeführt wurde. Weiter legte der Kläger eine Bestätigung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Chirotherapie H. vom 10. Januar 2000 vor, wonach die plastische Operation beim Kläger in P. wegen der dortigen hohen Erfolgsquote und der vergleichsweise geringeren Nachbehandlungs- und Komplikationsrate durchgeführt werden sollte. Für den angestrebten Eingriff gebe es für den Kläger keine alternative Klinik. Mit Bescheid vom 18. Januar 2000 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten der operativen Geschlechtsanpassung in der Klinik S. in P. durch Dr. D. ab, da weder zur Klinik noch zum Operateur Vertragsbeziehungen bestünden. Auch bei den von Dr. D. durchgeführten Operationen sei es schon zu mehreren Folgeoperationen gekommen. Zur Begründung seines hiergegen mit Schreiben vom 15. Februar 2000 eingelegten Widerspruches legte der Kläger eine Stellungnahme des Leiters der Klinik S. Dr.K. vom 03. Februar 2000, die Antworten auf einen von ihm versandten Fragebogen über die vorgesehene Operation und mögliche Komplikationen, Ausschnitte aus der Zeitschrift "Urologie" von 1996 sowie Kopien von Kostenübernahmeerklärungen hinsichtlich einer Operation in der Klinik S. von verschiedenen Krankenkassen, auch der AOK in der Bundesrepublik vor und verwies darauf, dass die Bezirksdirektion Mittlerer Oberrhein der Beklagten die Kosten einer Operation in der Klinik S. bei einem Versicherten aus K. übernommen habe. Bei den von Dr. S. in F. durchgeführten Operationen gehe wegen Entfernung der Klitoris bei ein Leben lang begleitenden Phantomschmerzen die Orgasmusfähigkeit verloren.
Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Bescheid vom 15. Mai 2000 unter Hinweis auf die §§ 39 Abs. 1 Satz 2 und 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zurück, da die Operation in zugelassenen Krankenhäusern wie bei Dr. G. im Klinikum A., bei Prof. R. im Rotkreuz-Krankenhaus S. und bei Dr. S. und Dr. Decker vom Klinikum Rechts der Isar in M. durchgeführt werden könne. Es liege somit kein Systemversagen vor. Unabhängig von dem Widerspruchsbescheid äußerte sich die Beklagte am 07. Juli 2000 zu der bei einem anderen ihrer Versicherten gegebenen Kostenzusage, nachdem der Kläger nochmals eine Äußerung der Klinik S. vom 22. Mai 2000 sowie Unterlagen von anderen Verfahren wie auch das Merkblatt für geschlechtsangleichende Operationen von der Frau zum Mann der Dres. S. und Ö. aus der Gemeinschaftspraxis für Chirurgie und plastische Chirurgie in M. vorgelegt hatte.
Unter dem 15. Juni 2000 erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) K. Klage gegen die ablehnenden Bescheide unter weitgehender Wiederholung seines bisherigen Vorbringens. Er verwies darauf, dass es sich bei der von Dr. D. durchzuführenden Operation um eine einzeitige Operation mit einem stationären Aufenthalt von 12 bis 16 Tagen handle im Gegensatz zu den anderen Operationsmöglichkeiten in mehreren Phasen. Dr. D. habe diese Operation insgesamt schon 156mal, davon in P. über 40mal ohne Komplikationen durchgeführt. Bei anderen Kliniken fielen bei fünf Operationsschritten Krankenhausaufenthalte von bis zu 25 Wochen an. Er legte hierzu nochmals die Kostenübernahmeerklärung verschiedenster Kassen für eine Operation in P. in Kopie vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides entgegen und verwies darauf, dass der Kläger noch keiner Kostenforderung ausgesetzt sei und es somit auf die Frage einer Kostenerstattung wegen eines Systemmangels nicht ankomme. Das SG hat die Klage trotz des Antrages des Klägers auf mündliche Verhandlung mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2000, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 03. Januar 2001 zugestellt wurde, abgewiesen und in den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt, die Klinik S. habe keinen Versorgungsvertrag gemäß § 108 SGB V, somit könne sich der Kläger nicht zu Lasten der Beklagten behandeln lassen. Die vom Kläger begehrte Behandlung könne auch in Vertragskrankenhäusern stattfinden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die seiner Meinung nach bestmögliche aller Behandlungsmethoden, solange die Beklagte eine ausreichende, wenn auch aus der Sicht des Versicherten "weniger gute" Leistung anbiete.
Gegen diesen Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 30. Januar 2001 beim Landessozialgericht (LSG) schriftlich eingelegten Berufung, in deren Begründung er darauf verweist, dass mit der einzeitigen Operation durch Dr. D. der Beklagten im Normalfall erhebliche Kosten erspart würden. Darüber hinaus seien die von der Beklagten vorgeschlagenen Kliniken für ihn nicht zumutbar, wie sich aus den Antworten der Kliniken auf den von ihm versandten Fragebogen ergebe (Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verwandlungschirurgie A., die Chirurgen Dr. S. und Dr. Ö.). Der Kläger legte hierzu zehn Farbbilder von misslungenen Operationen und zeitlebens irreparablen Operationsfolgen vor. Der Kläger hat im Verlaufe des Berufungsverfahrens weiter die Stellungnahme des Prof. Dr. P., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums der Universität Hamburg, vom 18. September 2001 sowie die Stellungnahme des cand. med. Steinmetz vom 18. September 2001 zur Problematik der Einschätzung der Operationsergebnisse bei Frau-zu-Mann Genitaltransformationsoperationen vorgelegt. Vom 06. bis 21. März 2002 hat er die vorgesehene Operation durch Dr. D. durchführen lassen und hierfür vor deren Beginn am 23. Dezember 2001 und 07. Februar 2002 insgesamt DM 72.00,00 bezahlt. Er hat die ärztliche Bescheinigung über den Erfolg der Operation von Facharzt für Allgemeinmedizin H. vom 05. Juni 2002 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 20. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Mai 2000 zu verurteilen, ihm die Kosten für die von Dr. D. durchgeführte Phalloplastische Operation in Höhe von EUR 36.813,58 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig und hat das Gutachten des Dr. M. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in A. vom 30. Juli 2001 vorgelegt, wonach die Phalloplastik der anbietenden Klinik keine Spezialität allein dieser Klinik sei und vergleichende Aussagen über die verschiedenen Techniken der Phalloplastik derzeit noch nicht möglich seien. Nur für die ersten Behandlungsschritte, die zur Linderung der Krankheit ausreichen, nämlich Entfernung der weiblichen Brüste, Entfernung der Gebärmutter und der Ovarien sowie Entfernung der Scheide, seien standardisierte Techniken vorhanden. Bezüglich der Phalloplastiken gebe es keine standardisierten Techniken. Die verschiedenen Verfahren seien insbesondere mangels Langzeitergebnissen schwer vergleichbar
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 02. Mai 2001 sowie vor dem Hintergrund der vorgelegten Ausarbeitung des cand. med. Steinmetz am 19. September 2001 erörtert. Er hat ferner die Auskunft des Chefarztes Prof. Dr. S. von der Klinik für Urologie des St. M. krankenhauses der F. D.kliniken vom 23. Oktober 2001 eingeholt. Die Auskunft des Chefarztes der Abteilung für Hand-, Mikro- und Plastische Chirurgie Dr. Sch. vom Klinikum D. vom 30. Oktober 2001 verwies auf die massiven Vorwürfe in der Stellungnahme des cand. med. Steinmetz gegen alle beteiligten Operateure in Deutschland und hat den Vorgang der Deutschen Vereinigung der Plastischen Chirurgen zur Kenntnis gegeben. Dr. S. hat noch den Abschnitt: "Rekonstruktion des männlichen Genitale durch ein Penoid" aus dem Buch "Ausgewählte urologische OP-Techniken Step-by-Step" 2. Aufl. Thieme-Verlag 1997 sowie die Kopien eines Kongressberichts vom 01. bis 03. Juli 1999, der ersten internationalen Konsultation wegen erektiler Dysfunktion und zur Penisrekonstruktion vorgelegt. Der Berichterstatter hat weiter die vom SG K. in dem Verfahren S 3 KR 2690/00 bei der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen eingeholte Auskunft vom 10. März 2001 sowie die Auskunft des Prof. Dr. G., Chefarzt der Klinik für Handplastische und Rekonstruktive Chirurgie an der BG-Unfallklinik L. und Professor für Plastische und Handchirurgie an der Universität H. vom 15. März 2001, die im Auftrag des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen erstattet wurde, beigezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Mai 2000 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten der phalloplastischen Operation zu erstatten, der sich der Kläger inzwischen in der Nichtvertragsklinik S. in P. durch Dr. D., mit dem keine Vertragsbeziehungen der Beklagten bestehen, unterzogen hat. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Anspruch des Klägers scheitert zuvorderst daran, dass mit der Klinik S. kein Versorgungsvertrag im Sinne des § 108 Nr. 3 SGB V besteht und es sich bei dieser Klinik weder um eine Hochschulklinik noch um ein Krankenhaus handelt, das im Krankenhausplan eines Landes aufgenommen ist. Der Senat verweist insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG. Darüber hinaus liegt auch kein Systemmangel vor, der es rechtfertigte, die Beklagte zur Erstattung der Kosten der Operation in einer Nichtvertragsklinik zu verpflichten. Die Ermittlungen haben ergeben, dass Penisrekonstruktionen im Rahmen der Geschlechtsumwandlung von der Frau zum Mann in hinreichend großer Anzahl in Vertragskliniken in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden. Soweit der Kläger hierbei auf die mangelnde Qualität oder auf das mehrstufige Operationskonzept in diesen Kliniken gegenüber der einzeitigen Operation in P. abhebt, rechtfertigt dies nicht die Kostenübernahme durch die Beklagte.
Der Hinweis des Klägers auf Mängel bei Operationen in Vertragskrankenhäusern lässt sich nicht in objektiver Weise belegen. Die Stellungnahme des cand. med. Steinmetz ist insoweit nicht hinreichend. Vielmehr ergibt sich aus der Stellungnahme des Präsidenten der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen Prof. Dr. E. vom 10. März 2001, dass nach der Anzahl der vorgenommenen Operationen und der vielfältigen Praxis im Gewebetransfer in der Abteilung Plastische Chirurgie des St. M.Krankenhauses in F. und auch in der Plastischen Chirurge der Technischen Universität M. eine hohe Verlässlichkeit und Kompetenz gegeben sind. Die Operationen in den beiden genannten Kliniken und die Vorgehensweise in der Klinik S. führen prinzipiell zum gleichen Ziel, wobei die Wahl der Hautentnahmestelle unterschiedlich und somit der Entnahmedefekt ebenfalls unterschiedlich ist. Der Unterschied in der zeitlichen Vorgehensweise bedingt keinen wesentlichen Unterschied. Bei einer zweizeitigen Vorgehensweise kann in der Regel das Ergebnis besser kontrolliert werden, bei einer einzeitigen Vorgehensweise ist die Möglichkeit von Komplikationen etwas höher einzuschätzen und zieht dann operative Nachkorrekturen nach sich, so dass in der Summe die Belastung etwa gleich bleibt. Auch Prof. Dr. G. kommt in seiner für den Berufsverband der deutschen Chirurgen abgegebenen Stellungnahme vom 15. März 2001 zu dem Ergebnis, dass zumindest in dem Markuskrankenhaus in F., im Klinikum Rechts der Isar in M. und im Kreiskrankenhaus D. eine ausreichende Erfahrung vorliegt. Die Operationstechniken unterscheiden sich nur marginal. So wird die Herstellung des Penoids in F. eher aus örtlichen Lappenplastiken, in M. und D. dagegen die Rekonstruktion des Penis aus Haut- und Gewebeanteilen des Unterarmes bevorzugt, was auch die Klinik S. beschreibt. Welche Methode langfristig besser ist, wird immer noch kontrovers diskutiert (Rate der Harnröhren-Lecks oder Extrusion der eingebauten Schwellkörperimplantate). Auf der Basis dieses Erkenntnisstandes ist somit davon auszugehen, dass ein Systemversagen, das eine Kostenübernahmeverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Operation in der Klinik S. rechtfertigen würde, nicht gegeben ist. Davon ist das SG auch zu Recht ausgegangen. Der Verweis des Klägers auf geringere Kosten für die Beklagte bei einer Operation in P. ist nicht entscheidungserheblich. Solche Kostenrechnungen unterliegen zum einen zumeist sehr ergebnisorientierten Annahmen und lassen darüber hinaus die Grundlage des Krankenhausfinanzierungssystems in der Bundesrepublik Deutschland durch die gesetzlichen Krankenkassen außer Acht.
Dass dieselbe Bezirksdirektion der Beklagten einem anderen Versicherten die Übernahme der Kosten einer solchen Operation in der Klinik S. in P. zugesagt hat, erfordert nicht eine entsprechende Entscheidung der Beklagten hinsichtlich des Antrages des Klägers. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ungesetzliches Handeln in einem anderen Verfahren aus Gründen der Gleichbehandlung auf andere Verfahren zu übertragen. Dies trifft insoweit auch auf die vom Kläger vorgelegte Vielzahl von Kostenübernahmeerklärungen anderer Krankenkassen hinsichtlich einer Penisrekonstruktion in der Klinik S. in P. zu. Die Vorlage dieser Kopien von Kostenübernahmeerklärungen zeigt vielmehr, dass es hier gerade nicht um eine Einzelfallentscheidung geht, sondern um den Versuch der Klinik S. in P., über eine Vielzahl von Einzelentscheidungen zu einer Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen zu kommen, ohne sich im Rahmen des nach § 108 SGB V vorgesehenen Verfahrens zu bewegen oder sich im Rahmen der Landeskrankenhausplanung den dort vorgegebenen Kriterien zu unterwerfen.
Die Berufung des Klägers erwies sich somit als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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