L 8 AL 1140/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AL 412/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1140/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin zu 1 wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Februar 2005 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2003 wird aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin zu 2 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Entscheidung der Beklagten, mit der diese die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von Sozialversicherungsbeiträgen für eine frühere Arbeitnehmerin der Klägerin zu 1 verlangt.

Die 1942 geborene Elvira Lindner (L.) war vom 01.09.1990 bis zum 30.11.2000 bei der Firma G. K. GmbH & Co KG mit Sitz in A. als Kassiererin versicherungspflichtig beschäftigt. Der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst von L. betrug zuletzt 2.967 DM. Im November 1998 musste sich L. einer Meniskusoperation am linken Knie unterziehen; sie war aus diesem Grund bis Januar 1999 arbeitsunfähig krank, da ihre Fähigkeit zu Gehen und Stehen beeinträchtigt war.

Die Klägerin zu 1 begann am 16.10.1965 als "Diskont-Einkaufszentrum A.-West G. K. KG". Mit Gesellschaftsvertrag vom 22.12.1989 wurde die "G. K. Verwaltungsgesellschaft mbH" mit Sitz in A. gegründet. Diese GmbH trat am 12.01.1990 (Datum der Eintragung in das beim Amtsgericht A. geführte Handelsregister) als einzige persönlich haftende Gesellschafterin in die KG ein und schied am 08.05.2003 (Datum der Eintragung in das Handelsregister) aus der Gesellschaft wieder aus. Seitdem ist einziger persönlich haftender Gesellschafter der am 14.02.1961 geborene J. G ... In der Zeit vom 12.01.1990 bis zum 08.05.2003 firmierte die KG unter der Bezeichnung "G. K. GmbH & Co KG" und danach bis heute unter dem Firmennamen "G. K. KG".

L. und die G. K. GmbH & Co KG schlossen am 29.05.2000 einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2000 beendet wurde. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30.05.2000 erklärte L. den Widerruf dieses Vertrages und erhob am 07.06.2000 vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern A. - Klage gegen die Firma G. K. GmbH & Co KG mit dem Antrag, festzustellen, dass der Aufhebungsvertrag unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis über den 31.05.2000 hinaus fortbestehe (13 Ca 209/00). In der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts am 11.07.2000 erklärte die G. K. GmbH & Co KG nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage, dass L. wegen Umstrukturierungsmaßnahmen betriebsbedingt zum 30.11.2000 gekündigt werde. Anschließend schlossen L. und die G. K. GmbH & Co KG einen Vergleich, mit dem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der im Termin am 11.07.2000 erfolgten betriebsbedingten Kündigung zum 30.11.2000 außer Streit stellten und ferner vereinbarten, dass die G. K. GmbH & Co KG an L. eine Sozialabfindung in Höhe von 10.000,00 DM zahlt.

Am 30.11.2000 meldete sich L. bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Sie hielt ihre Vermittlungsfähigkeit "entspr. ärztl. Attest" für eingeschränkt und gab an, die Tätigkeit aus ihrer letzten Beschäftigung könne sie nicht mehr ausüben. Bei erforderlicher ärztlicher Begutachtung sei sie bereit, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Mit Bescheid vom 15.01.2001 bewilligte die Beklagte L. ab 01.12.2000 Alg in Höhe von DM 40,01 täglich (Bemessungsentgelt DM 710,00, Leistungsgruppe A/0; Leistungstabelle 2000). Der tägliche Leistungssatz betrug ab 01.01.2001 DM 41,05, ab 01.12.2001 DM 41,44 und ab 01.01.2002 21,25 EUR. Zum 19.07.2003 war der Anspruch auf Alg erschöpft. Von diesem Tag an bis zum Beginn der Altersrente am 01.03.2004 bezog L. von der Beklagten Arbeitslosenhilfe.

Die Beklagte befragte L. mit Schreiben vom 06.06.2001 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in den letzten zwei Beschäftigungsjahren, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. Hierzu gab L. am 09.06.2001 an, sie sei wegen den Folgen eines Betriebsunfalls (Bänderriss und Meniskusschaden im linken Knie) vom 21.11.1998 bis 17.01.1999 krank gewesen und habe in dieser Zeit Krankengeld bezogen. Gesundheitliche Gründe seien für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht maßgeblich gewesen. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei sie nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe auch keine Sozialleistungen der gefragten Art beantragt.

Mit Schreiben vom 10.07.2001 wandte sich die Beklagte an die "G.-K. GmbH" in A. und unterrichtete diese über eine nach Ansicht der Beklagten bestehende Erstattungspflicht nach § 147a Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) für die Zeit vom 01.12.2000 bis 30.06.2001 in Höhe von insgesamt 7.496,41 EUR. Zu Veränderungen des Gesundheitszustandes sei L. bereits befragt worden. Die Befragung hinsichtlich etwaiger Veränderungen des Gesundheitszustandes seit der Arbeitslosmeldung und Antragstellung sei ergebnislos geblieben.

Mit Schreiben vom 04.11.2002 befragte die Beklagte L. zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in den letzten zwei Beschäftigungsjahren sowie in der Zeit vom 01.12.2000 bis 31.10.2002, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. Hierzu gab L. am 06.11.2002 an, sie habe am 13.01.1998 einen Betriebsunfall erlitten und sich hierbei am linken Knie verletzt. Krankheitsbedingte Fehlzeiten habe sie vom 13.01.1998 bis 01.02.1998, vom 01.07.1998 bis 04.07.1998 und vom 21.11.1998 (Operation am linken Knie) bis 17.01.1999 gehabt. In diesen Zeiten habe sie Krankengeld bzw. Verletztengeld bezogen. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei sie wegen dieser Erkrankung nicht wieder in ärztlicher Behandlung und auch nicht arbeitsunfähig krank gewesen. Sozialleistungen der gefragten Art habe sie nicht beantragt. Mit Schreiben vom 04.11.2002 hörte die Beklagte erneut die Firma G. K. GmbH an und gab dieser Gelegenheit zur Stellungnahme bis 28.11.2002.

Mit Bescheid vom 04.12.2002 - gerichtet an die Firma G. K. GmbH in A. - stellte die Beklagte die Verpflichtung fest, das L. gezahlte Alg sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.12.2000 bis 20.11.2002 zu erstatten. Den Erstattungsbetrag errechnete es wie folgt:

Alg (720 Leistungstage) 15.186,16 EUR Beiträge zur Krankenversicherung 4.227,58 EUR Beiträge zur Pflegeversicherung 514,04 EUR Beiträge zur Rentenversicherung 5.777,94 EUR

insgesamt 25.705,72 EUR

Am 11.12.2002 legte der Bevollmächtigte der Firma G.-K. GmbH gegen diesen Bescheid unter Bezugnahme auf seine Ausführungen vom 06.12.2002 Widerspruch ein. Er begründete ausführlich seine Auffassung, dass im Hinblick auf § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III keine Erstattungspflicht eingetreten sei, da bei Berücksichtigung des zutreffenden Referenzzeitraums von Oktober 2000 bis September 2001 die in dieser Vorschrift genannte Quote nicht überschritten worden sei. L. sei als einzige Arbeitnehmerin, die das 56. Lebensjahr vollendet gehabt habe, ausgeschieden. Die ebenfalls ausgeschiedene Arbeitnehmerin Doris F. sei nicht zu berücksichtigen, da deren Arbeitsverhältnis von dieser selbst gekündigt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2003 - als Widerspruchsführerin wurde die Firma G.-K. in A. angegeben - wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Erstattungspflicht im genannten streitigen Zeitraum seien erfüllt. Der Befreiungstatbestand des § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III sei nicht gegeben, da im Jahreszeitraum 1,75 ältere Arbeitnehmer ausgeschieden seien. Frau F. habe das Arbeitsverhältnis zum 14.05.2001 selbst gekündigt, beziehe jedoch seit ihrem Ausscheiden laufend Alg. Sie erfülle zwar im Unterschied zu L. die individuellen Befreiungstatbestände des § 147a SGB III. Es müssten jedoch in diesem Fall bei allen ausscheidenden Arbeitnehmern die individuellen Befreiungstatbestände erfüllt sein.

Am 25.02.2003 wurde namens der Firma G. K. GmbH Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. In der mündlichen Verhandlung am 11.02.2005 erklärte der Prozessbevollmächtigte, dass sowohl im Namen der Firma G. K. GmbH & Co. KG, nun firmierend unter G. K. KG, als auch im Namen der Firma G. K. Verwaltungsgesellschaft mbH Klage erhoben worden sei. Die Klägerinnen machten geltend, die angefochtenen Bescheide seien nichtig, da ihr Adressat nicht feststellbar sei. Eine juristische Person mit dem Firmennamen "G. K. GmbH" habe zu keinem Zeitpunkt existiert. Hierzu legten sie Auszüge aus dem Handelsregister vom 02.02.2005 vor. Die angegriffenen Bescheide seien aber insoweit zumindest rechtswidrig und damit aufzuheben. Im Übrigen wandten sich die Klägerinnen weiter dagegen, dass die Beklagte die frühere Arbeitnehmerin F. bei der Berechnung nach § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III nicht berücksichtigt hat.

Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass L vorgezogene Altersrente für Frauen nach § 237a SGB VI bereits ab 01.02.2002 hätte beanspruchen können, erließ sie am 25.04.2003 einen an die "G. K. GmbH" gerichteten (Änderungs-) Bescheid, mit dem das Erstattungsverlangen auf die Zeit vom 01.12.2000 bis 31.01.2002 begrenzt und der verbleibende Erstattungsbetrag auf der Grundlage des § 147a Abs. 3 SGB III um zwei Drittel auf den Betrag von 5.038,60 EUR herabgesetzt wurde. Im Übrigen vertrat die Beklagte die Auffassung, dass infolge des am 11.07.2000 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs keine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe eingetreten sei, da L. ihr Arbeitsverhältnis nicht durch diesen Vergleich gelöst habe. Das Arbeitsverhältnis sei außerdem unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, was zur Folge habe, dass die vereinbarte Abfindung kein Ruhen des Anspruchs auf Alg bewirke. Die Beklagte hielt ferner daran fest, dass im maßgeblichen Zeitraum (September 2000 bis August 2001) mit der früheren Arbeitnehmerin F. und L. zwei Arbeitnehmerinnen aus dem Unternehmen ausgeschieden seien, so dass die Voraussetzungen für den Nichteintritt der Erstattungspflicht gemäß § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III nicht vorlägen. Das Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und Frau F. sei erst im Mai 2001 auf Dauer beendet worden. Die Klägerin zu 1 nahm das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 15.04.2003 an, verfolgte aber im Übrigen ihr Begehren weiter. Frau F. sei schon seit 28.10.1999 nicht mehr bei ihr beschäftigt gewesen, so dass sie im hier in Rede stehenden Zeitraum nicht als ausgeschiedene Arbeitnehmerin berücksichtigt werden dürfe.

Das SG zog die L. betreffende Akte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bei und wies die Klage mit Urteil vom 11.02.2005 ab. Die Klage der Klägerin zu 2 sei unzulässig, da ihr für den Hauptantrag das Feststellungsinteresse und für den Hilfsantrag die Beschwerdebefugnis fehle. Sie sei nicht Adressat der streitgegenständlichen Bescheide gewesen und zudem seien die betreffenden Bescheide hier von der Klägerin zu 1 angefochten worden, so dass kein weiteres Interesse der Klägerin zu 2 bestehe, ihre Nichtigkeit feststellen zu lassen bzw. sie anzufechten. Die Klage der Klägerin zu 1 sei zwar zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide seien nicht nichtig. Diese litten nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Soweit sich die Klägerin zu 1 darauf berufe, der Adressat der Bescheide lasse sich nicht ermitteln, treffe dies nicht zu, da im Verwaltungsverfahren allein die Klägerin zu 1, nicht aber die Klägerin zu 2 gegenüber der Beklagten aufgetreten sei.

Auch der Hilfsantrag der Klägerin zu 1 sei unbegründet, da der (Änderungs-)Bescheid vom 25.04.2003 rechtmäßig sei und diese daher nicht in ihren Rechten verletze. Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III seien nicht erfüllt. Hier habe die Klägerin zu 1 mit L. einen Aufhebungsvertrag geschlossen, der nicht als sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung im Sinne der genannten Vorschrift gewertet werden könne. Die Parteien des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hätten im am 11.07.2000 geschlossenen Vergleich außer Streit gestellt, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2000 ende. Auf die Wirkung der Kündigung habe es somit gerade nicht mehr ankommen sollen. Zum anderen beziehe sich der Vergleich auch nicht auf die früher von der Klägerin zu 1 ausgesprochene, sondern ausdrücklich auf die erst in der mündlichen Verhandlung am 11.07.2000 erklärte Kündigung. Die Voraussetzungen für die Befreiung nach § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III lägen ebenfalls nicht vor. Im von der Klägerin zu 1 zulässigerweise ausgewählten Referenzzeitraum (Oktober 2000 bis September 2001) sei nicht nur L., sondern außerdem auch Frau F. aus dem Betrieb ausgeschieden, sodass die für die Befreiung einzuhaltende Quote überschritten sei. Das schriftliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 25.02.2005 zugestellt.

Dagegen haben die Klägerinnen am 21.03.2005 Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin geltend machen, die angegriffenen Bescheide (auch der Bescheid vom 25.04.2003) seien nichtig, zumindest aber aufzuheben. Nichtigkeit liege vor, weil der Adressat der Bescheide nicht korrekt bezeichnet sei und wegen zwei ähnlich firmierender Unternehmen eine Verwechslungsgefahr bestehe. Sie verweisen auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 07.04.2004 (7 K 7227/99) und heben hervor, dass es im vorliegenden Fall nicht nur um eine unzureichende oder veraltete Angabe des Adressaten eines Verwaltungsaktes, sondern vielmehr darum gehe, dass eine juristische Person mit der in den angefochtenen Bescheiden angegebenen Firmierung nicht existent sei. Die unzutreffende Angabe eines rechtlich nicht existenten Adressaten wiege um so schwerer, als die Beklagte mehrfach auf die zutreffende Firmierung hingewiesen, dies von ihr jedoch stets ignoriert worden sei. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im Änderungsbescheid vom 25.04.2003 und auch nicht im Rahmen des Klageverfahrens klargestellt, ob nun die Klägerin zu 2 oder die Firma G. K. GmbH & Co. KG, neuerdings firmierend als Firma G. K. KG, in Anspruch genommen werde. Als Bescheidadressat sei jedenfalls zweifelsfrei eine GmbH angegeben. Ferner verweisen die Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu der Frage, wann ein Verwaltungsakt mehrdeutig ist, und bringen vor, im gesamten Verwaltungsverfahren habe sich die Beklagte an eine existierende GmbH mit Sitz in S. G., also in ihrem Zuständigkeitsbereich, gewandt, so dass der Bescheid nicht mehrdeutig, sondern eindeutig sei. Damit habe die Beklagte ihren Rückforderungsbescheid an eine existierende Gesellschaft gerichtet, bei der die hier in Rede stehende Arbeitnehmerin aber nicht beschäftigt gewesen sei.

Der Bescheid vom 25.04.2003 sei auch deshalb rechtswidrig, weil keine Erstattungspflicht eingetreten sei. Das Arbeitsverhältnis mit L. sei nämlich durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden. Dieses sei in der mündlichen Verhandlung beim Arbeitsgericht Stuttgart am 11.07.2000 wegen Umstrukturierungsmaßnahmen im Kassenbereich und damit aus betriebsbedingten Gründen zum 30.11.2000 gekündigt worden, wobei L. die betreffenden Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens anerkannt und bestätigt habe. Bei der erfolgten Kündigung seien auch die zu beachtenden Kriterien für die Sozialauswahl, gegen die L. ebenfalls keine Einwände erhoben habe, berücksichtigt worden. Letztendlich habe sich L., die an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses interessiert gewesen sei, der Beurteilung des Arbeitsgerichts nicht verschließen können und nach erfolgter Kündigung im Termin einem Abwicklungsvergleich zugestimmt. Dass es sich hierbei nicht um einen Aufhebungsvertrag, sondern lediglich um eine Abwicklungsvereinbarung gehandelt habe, zeige auch der Umstand, dass die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit nicht festgestellt habe. Damit, dass die Beklagte eine sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung bestreite, behaupte sie aber, dass eine Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen worden sei, was aber nicht zutreffe. Im Schriftsatz vom 15.09.2006 (Bl. 61/65 der LSG-Akte) haben die Klägerinnen das bei der Sozialauswahl angewandte Punktesystem dargelegt; hierauf wird verwiesen.

Ferner machen die Klägerinnen geltend, L. sei infolge ihrer Knieschädigung als Kassiererin, einem stehenden Beruf, arbeitsunfähig zumindest aber teilweise erwerbsgemindert gewesen. Im Jahre 2000 sei sie vom 17.01. bis 06.02., vom 04.04. bis 08.04., vom 17.05. bis 19.05. und vom 30.05. bis 11.07 arbeitsunfähig krank gewesen. Sie legen hierzu schriftliche Mitteilungen von L. über ihren Krankheits- und Behandlungsverlauf vom 17.12.1998, 28.11.1998 und 30.01.1999 sowie einen Auszahlschein für Krankengeld vom 17.11.1998 und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 16.12.1999, 30.05.2000 und 19.06.2000 vor.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Februar 2005 aufzuheben und die Nichtigkeit des Bescheides der Beklagten vom 25. April 2003 festzustellen, hilfsweise den Bescheid vom 25. April 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen der Klägerinnen zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Firma G. GmbH & Co. KG habe ihre Schreiben, die an die Firma G. K. GmbH gerichtet gewesen seien, beantwortet. Die Klägerin zu 1 habe die Unklarheit der Bezeichnung selbst beseitigt, indem sie sich selbst als Adressat gesehen habe, sodass insoweit keine Unklarheit bestehe. Die angegriffenen Bescheide litten nicht an einem schwerwiegenden Fehler und seien damit nicht nichtig. Selbst wenn die Bescheide hinsichtlich des Adressaten nichtig wären, wären sie nicht im Ganzen nichtig, weil der nichtige Teil nicht so wesentlich wäre, dass die Beklagte die Bescheide ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

Ferner macht sie geltend, die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III seien nicht schlüssig dargelegt und auch nicht nachgewiesen. Es sei nicht dargelegt worden, welche konkreten betrieblichen Erfordernisse den Wegfall des Arbeitsplatzes erforderlich gemacht hätten. Die Kündigung wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn sie nicht durch sonstige Maßnahmen hätte vermieden werden können. Die Klägerinnen hätten zwar dargelegt, welche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbezogen gewesen seien und dass L. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hätte als Kassiererin eingesetzt werden können. Sie habe aber nicht geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich gewesen wäre. Im Zusammenhang mit der Sozialauswahl falle auch auf, dass L. eine längere Betriebszugehörigkeit (ca. zehn Jahre) und ein höheres Alter (58) habe aufweisen können als die Arbeitnehmerin Sorg (acht Monate Betriebszugehörigkeit, 50 Jahre). Aus der Niederschrift des Arbeitsgerichts über die mündliche Verhandlung am 11.07.2000 gehe nicht hervor, dass über eine soziale Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung entschieden worden sei. Hieran bestünden auch im Hinblick auf die Abfindungsvereinbarung erhebliche Zweifel, da eine Abfindung in der Regel nur bei sozial ungerechtfertigter Kündigung in Betracht komme.

Zudem lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Anspruch auf anderweitige Sozialleistungen bestanden habe. Die Krankheitszeiten von L. seien - abgesehen vom Jahr 1998 - gering gewesen. Im gesamten Verfahren sei nicht geltend gemacht worden, dass L. gemindert leistungsfähig gewesen sei. Die Kündigung sei ausdrücklich betriebs- und nicht krankheitsbedingt erfolgt.

Der Senat hat die Akte des Arbeitsgerichts Stuttgart (13 Ca 209/00) beigezogen und L. schriftlich als Zeugin befragt. Diese hat am 24.04.2007 alle Fragen nach Krankheitszeiten, Behandlungen, Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, stationäre Behandlungen sowie Anträgen auf andere Sozialleistungen im Zeitraum vom 01.12.2000 bis 31.01.2002 verneint.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegten Berufungen der Klägerinnen sind zulässig. Die Berufung der Klägerin zu 1 ist auch begründet. Dagegen ist die Klage der Klägerin zu 2 aus den vom SG zutreffend genannten Gründen unzulässig, sodass deren Berufung unbegründet ist.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid vom 25.04.2003, mit dem die Beklagte von der Klägerin zu 1 die Erstattung von 5.038,60 EUR verlangt. Dieser Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Klageverfahrens geworden, weil mit ihm der ursprünglich angefochtene Bescheid vom 04.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2003 ersetzt worden ist.

Die von den Klägerinnen erhobene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 25.04.2003 (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 25.04.2003 ist zwar - wie noch darzulegen ist - rechtswidrig, aber nicht nichtig. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist der Adressat des Bescheides feststellbar. Entscheidend ist, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (so auch BFH Urteil vom 17.11.2005 - III R 8/03 - unter Hinweis darauf, dass nach der neueren Rechtsprechung des BFH die Steuerschuldner nicht mehr zwingend aus dem Bescheid selbst oder den dem Bescheid beigefügten Unterlagen für einen Dritten erkennbar sein müssen; Bay VGH Beschluss vom 15.11.2005 - 23 CS 05.2667 - wonach entscheidend sei, wie der Betroffene den materiellen Gehalt des Bescheides unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes hat der Senat keinen Zweifel daran, dass für die seinerzeit als "G. K. GmbH & Co. KG" firmierende Klägerin zu 1 ohne Weiteres erkennbar war, dass sich die im angefochtenen Bescheid getroffene Regelung auf sie bezog. Dass es in S. G. eine Firma namens G. K. GmbH gibt, ändert hieran nichts. Der mit der zutreffenden Anschrift versehene Bescheid richtet sich an die Klägerin zu 1, die ihren Sitz in A. hat. Zweifel darüber, an wen der Bescheid gerichtet ist, konnten daher nicht aufkommen und sind auch während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens nicht aufgekommen; solche Zweifel wurden von der Klägerin zu 1 (zunächst) folglich auch nicht geltend gemacht.

Der angefochtene Bescheid ist aber (zumindest) inhaltlich rechtswidrig. Ob auch eine korrekte Anhörung nach § 24 SGB X stattgefunden hat, lässt der Senat offen. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 147a SGB III (idF des Gesetzes vom 24.03.1999, BGBl. I 396), der gemäß § 431 Abs. 2 SGB III anzuwenden ist. Der Anspruch von L. auf Alg ist nicht vor dem 01.04.1999, sondern erst am 01.12.2000 entstanden und ihr Arbeitsverhältnis wurde auch nicht vor dem 10.02.1999 gekündigt. Nach § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden hat, der Bundesagentur für Arbeit vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate. Die Erstattungspflicht tritt nach § 147a Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 SGB III nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres beendet worden ist. Diese Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin zu 1 sind hier erfüllt. Denn die am 15.01.1942 geborene L. war von 1990 bis 30.11.2000 bei der Klägerin zu 1 beitragspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht vor Vollendung des 56. Lebensjahres von L (am 14.01.1998) beendet (§ 147a Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB III) und die Beklagte verlangt eine Erstattung für die Zeit ab 01.12.2000 und damit nach Vollendung des 58. Lebensjahres der L. (am 14.01.2000).

Die Erstattungspflicht tritt jedoch nicht ein, wenn der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB III genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 147a Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 SGB III). Ferner entfällt die Erstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III). Dabei findet § 7 des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung und die Agentur für Arbeit ist nach dieser Vorschrift an eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gebunden. Keine Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III).

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1 das mit L. bestehende Arbeitsverhältnis im Termin vor dem Arbeitsgericht Stuttgart am 11.07.2000 wegen Umstrukturierungsmaßnahmen betriebsbedingt zum 30.11.2000 gekündigt hat und dass diese Kündigung wirksam gewesen ist. Nach der st. Rspr des BSG (vgl. Beschluss vom 27.01.2005 - B 7a/7 AL 240/04 B - mwN) kommt es bei der Prüfung der Erstattungspflicht nach § 147a SGB III allein auf die leicht feststellbare äußere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte hier der äußeren Form nach im Wege einer Kündigung. Der anschließend vor dem Arbeitsgericht geschlossene Vergleich enthält keine Regelung, die mit einer wirksamen Kündigung nicht zu vereinbaren wäre. Die Kündigungsfrist wurde eingehalten und das Gehalt für die Dauer des Arbeitsverhältnisses weiter gezahlt. Die Freistellung von L ist vor dem Hintergrund der erfolgten Umstrukturierung und der gesundheitlichen Einschränkungen der L nachvollziehbar. Da sich L ausdrücklich gegen den von ihr bereits unterschriebenen Aufhebungsvertrag gewandt hat, ist auch anzunehmen, dass sie nicht erneut einen solchen Vertrag hat schließen wollen. Die Erklärungen der Klägerin zu 1 und der L vor dem Arbeitsgericht sind nach Ansicht des Senats deshalb so zu verstehen, dass die am Arbeitsgerichtsprozess Beteiligten das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet haben und mit dem anschließend geschlossenen Vergleich lediglich einen sog Abwicklungsvertrag vereinbart haben, in dem die Folgen der zuvor ausgesprochenen Kündigung geregelt werden sollen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13.07.2006 - B 7a AL 32/05 R - zitiert nach juris).

Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG in der hier maßgeblichen, in der Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19.12.1998 (BGBl I S. 3843) hat der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte (Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters, der Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers) ausreichend zu berücksichtigen. Ihm steht bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zu. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, wie die sozialen Gesichtspunkte zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Nach der Rechtsprechung des BAG kommt keinem der im Gesetz genannten Kriterien eine Priorität gegenüber den anderen zu (BAG, Urteil vom 09.11.2006 - 2 AZR 812/05 - zitiert nach juris). Diesem Maßstab genügt das von der Klägerin zu 1 im Schriftsatz vom 15.09.2006 dargelegte Punkteschema. Dabei spielt zwar die Schwerbehinderung keine Rolle. Dies ist aber nicht relevant, da keiner der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer als schwer behinderter Mensch anerkannt war.

Der Umstand, dass die Klägerin zu 1 das von ihr zur Anwendung gebrachte Punktessystem erst im Verfahren vor dem LSG und nicht schon (schriftlich) beim Arbeitsgericht dargelegt hat, rechtfertigt nicht die Annahme einer Rechtswidrigkeit der Kündigung. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, zunächst dem Arbeitnehmer. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist dabei aber die Darlegungslast abgestuft. Es ist zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die erforderlichen Informationen verfügt. Soweit er hierzu nicht in der Lage ist und er deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben, hat der Arbeitgeber auch im Prozess substantiiert vorzutragen (BAG, Urteil vom 18.01.2007 2 AZR 796/05). Da L. im Prozess vor dem Arbeitsgericht weder den Kündigungsgrund in Zweifel gezogen hat noch die Sozialauswahl der Klägerin zu 1 bemängelt hat, hatte die Klägerin zu 1 damals auch keinen Grund, hierzu substantiiert vorzutragen.

Überdies ist bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung im Rahmen der Erstattungsregelung des § 147a SGB III immer die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber für die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer langjährig Beitragsanteile zur Sozialversicherung entrichtet hat. Dies gebietet es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.01.1990 (SozR 3-4100 § 128 Nr. 1), die Erstattungspflicht nur eintreten zu lassen, wenn den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des älteren Arbeitnehmers trifft. Vor dem Hintergrund einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 147a SGB III erachtet der Senat die von der Klägerin zu 1 im Termin vor dem Arbeitsgericht Stuttgart ausgesprochene Kündigung der L. als sozial gerechtfertigt.

Darüber hinaus ist der Senat der Ansicht, dass die Klägerin zu 1 auch berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis mit L ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund zu kündigen (§ 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 23.01.1990 (SozR 3-4100 § 128 Nr. 1) zu einer im früheren § 128 AFG enthaltenen vergleichbaren Regelung ausgeführt, dass von Verfassungs wegen eine weite Auslegung derjenigen Ausnahmeregelung geboten ist, die sich auf den wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung bezieht (RdNr 156 der Entscheidung). Wörtlich führt das BVerfG aus:

"Bei der im Rahmen der Anwendung von § 128 AFG anzustellenden - hypothetischen und damit notwendig generalisierenden Prüfung, ob dem Arbeitgeber bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines älteren, wegen Krankheit leistungsgeschwächten Arbeitnehmers ein wichtiger Grund zur fristlosen Lösung des Arbeitsverhältnisses zur Seite stand, kann es keine Rolle spielen, ob bei konkreter arbeitsrechtlicher Beurteilung des Sachverhalts dem Arbeitnehmer aus Billigkeitsgründen eine Auslauffrist ("Sozialfrist") eingeräumt würde oder dem Arbeitgeber trotz Vorliegens eines wichtigen Grundes - etwa bei Unkündbarkeit des Arbeitnehmers - die Einhaltung der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfrist (vgl Zöllner, Arbeitsrecht, 3. Aufl., 1983, § 22 III 6, S. 233 f) aufzuerlegen wäre. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und damit der wichtige Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses sind danach - ohne Rücksicht auf die Länge der konkreten Kündigungsfrist und ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher, betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Regelung unkündbar ist - in aller Regel bereits dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer wegen gesundheitlicher Einschränkungen die von ihm vertraglich übernommene Arbeit auf Dauer nicht mehr verrichten kann.

Andererseits reicht nicht jede Erkrankung oder gesundheitliche Einschränkung des Arbeitnehmers aus, um den Tatbestand der genannten Ausnahmeregelung zu erfüllen. Die Erstattungspflicht des § 128 AFG würde weitgehend entwertet, falls sie bereits dann entfiele, wenn der Arbeitgeber sich nur ein entsprechendes ärztliches Attest über die gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers hatte vorlegen lassen. Der bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen älterer Arbeitnehmer häufig fehlende Interessengegensatz, der sonst den Verlust des Arbeitsplatzes steuert und begrenzt (vgl. Gagel, AFG, § 128 Rdnr. 238), könnte dies anderenfalls zum Regelfall der Auflösung von Arbeitsverhältnissen älterer Arbeitnehmer werden lassen. Der Gesichtspunkt der Manipulationsgefahr scheidet aber dort aus, wo der ältere Arbeitnehmer aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen die vertragliche Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr - und zwar auf Dauer nicht mehr - erbringen kann. Derartige gesundheitliche Einschränkungen sind objektivierbare Tatsachen; sie müssen, um einen wichtigen Grund des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung bilden zu können, den tatbestandlichen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne entsprechen und auf absehbare Zeit nicht behebbar sein. Dies ist bei der Arbeitslosmeldung älterer Arbeitnehmer - jedenfalls bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte - von der Arbeitsverwaltung festzustellen."

Im vorliegenden Fall hat es die Beklagte unterlassen, den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit von L näher zu untersuchen, obwohl diese im Leistungsantrag angegeben hatte, die Tätigkeit aus ihrer letzten Beschäftigung nicht mehr ausüben zu können und sich hierbei auf ein ärztliches Attest berufen hat. Es ist noch nicht einmal das Attest, auf das sich L berufen hat, beigezogen worden; jedenfalls befindet es sich nicht in der Akte. Zu weiteren Ermittlungen hätte Anlass bestanden, weil L auf Befragen mitgeteilt hatte, dass sie im November 1998 einen Bänderriss im linken Knie erlitten hatte, der operiert werden musste. Da es die Beklagte unterlassen hat, im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für das von L bezogene Alg den Gesundheitszustand der Arbeitnehmerin zu untersuchen, gehen Zweifel an der Arbeitsfähigkeit von L zu Lasten der Beklagten, so dass auch in diesem Zusammenhang die besondere Verantwortung der Klägerin zu 1 an der Arbeitslosigkeit von L nicht angenommen werden kann.

Außerdem wurde bei L davon abgesehen, eine Sperrzeit festzusetzen, was darauf schließen lässt, dass die Beklagte zugunsten der Arbeitnehmerin einen wichtigen Grund für ein Lösen des Beschäftigungsverhältnis angenommen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.12.2003 SozR 4-4300 § 144 Nr 6) kann sich ein Arbeitnehmer auch bei der hier gegebenen Sachlage - Kündigung durch den Arbeitgeber mit anschließendem Abwicklungsvertrag - auf einen wichtigen Grund grundsätzlich nur berufen, wenn die Arbeitgeberkündigung objektiv rechtmäßig war (in diesem Fall würde eine Erstattungspflicht ohnehin entfallen). Geht man aber davon aus, dass auch der Umstand, dass die zuletzt verrichtete Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hat verrichtet werden können, ein wichtiger Grund für das Lösen des Beschäftigungsverhältnisses ist, kann wie bereits dargelegt die besondere Verantwortung der Klägerin zu 1 für die Arbeitslosigkeit von L nicht mehr bejaht werden.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach dem aktenkundigen Sachverhalt und den von L. gemachten Angaben bei der Antragstellung fraglich ist, ob ihre späteren Angaben zu (nicht vorhandenen) Krankheitszeiten gegenüber dem Senat (Schreiben vom 24.04.2007) ohne weiteres als zutreffend gewertet werden können. Damit wäre offen, ob sie Ansprüche auf andere Sozialleistungen gehabt hätte. Lässt sich aber trotz vorhandener Anhaltspunkte (Verletzung im linken Knie, Angaben der Arbeitnehmerin bei der Antragstellung, Hinweis auf ein ärztliches Attest) nicht mehr zuverlässig klären, ob Ansprüche auf andere Sozialleistungen bestanden haben, geht dies zu Lasten der Beklagten (BSG 07.02.2002 SozR 3-4100 § 128 Nr. 15 in Randnummer 28). Dies dürfte umso mehr gelten, als es die Beklagte unterlassen hat, eine ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin zu veranlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung. Soweit durch die Erhebung einer Nichtigkeitsklage und die Klage der Klägerin zu 2 Kosten entstanden sind, beruht dies auf einem Verschulden der Beklagten. Diese hat in der Tat die korrekte Firmierung der Klägerin zu 1 beharrlich ignoriert.
Rechtskraft
Aus
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