Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 2221/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2025/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2005 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2003 wird dahingehend abgeändert, dass ab 20. Januar 2003 ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt wird.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Bei dem 1941 geborenen Kläger wurde vom Versorgungsamt Karlsruhe (VA) mit Bescheid vom 3.9.1998 unter Berücksichtigung von Lumbalgien, eines cervico-craniellen Syndroms sowie von Hüft- und Knieveränderungen ein GdB von weniger als 20 festgestellt.
Am 20.1.2003 stellte der Kläger beim VA einen Neufeststellungsantrag und brachte vor, ihm sei ein künstliches Hüftgelenk rechts eingesetzt worden. Dies und seine Schmerzen im Bereich der rechten Schulter sowie ein Wirbelsäulenschaden seien als Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen. Das VA zog den Kurentlassungsbericht der Klinik Dr. F. D. in B.-B. vom 2.1.2003 bei und holte von dem Orthopäden Dr. S., R., einen Befundbericht ein. Dieser gab am 27.1.2003 an, das Gangbild des Klägers, der an einer fortgeschrittenen Hüftarthrose beiderseits leide, sei aufgrund der Hüftarthrose links sowie der Endoprothesenversorgung rechts (November 2002) noch erheblich behindert. Außerdem klage er über lumboischialgieforme Schmerzen. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, in der die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und das Schulter-Arm-Syndrom mit einem GdB von 10 und die Gebrauchseinschränkungen beider Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen und Hüftgelenksendoprothese rechts mit einem GdB von 30 bewertet wurden und insgesamt ebenfalls ein GdB von 30 angenommen wurde, stellte das VA mit Bescheid vom 19.3.2003 unter Berücksichtigung der genannten Funktionsbeeinträchtigungen ab 20.1.2003 einen GdB von 30 fest.
Dagegen legte der Kläger am 26.3.2003 Widerspruch ein und bat um eine erneute Begutachtung. Das VA befragte nochmals Dr. S., der am 16.4.2003 angab, er könne keine weiteren erschöpfenden Auskünfte geben, da ihm keine Befunde hinsichtlich der Wirbelsäule vorlägen. Der Ärztliche Dienst des VA nahm anschließend unter Berücksichtigung dieser Angaben erneut Stellung. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.6.2003 wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch zurück. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Erhöhung des GdB auf 30 gäbe das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers wieder; eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.
Am 25.6.2003 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er einen GdB von mindestens 50 vor dem 16.11.2000, hilfsweise ab Antragstellung geltend machte. Die bei ihm vorliegenden Krankheitsbilder seien weder vollständig erfasst noch der Schwere ihrer Ausprägung entsprechend gewürdigt worden.
Das SG hörte zunächst Dr. S., den Chirurgen Dr. Sch., den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. U. und den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. schriftlich als Sachverständige Zeugen. Dr. S. gab am 9.9.2003 an, das Beschwerdebild nach der am 14.11.2002 wegen einer Coxarthrose rechts eingesetzten zementfreien Hüftendototalprothese habe sich bei der letzten Vorstellung am 15.5.2003 hinsichtlich des Gehvermögens deutlich gebessert gezeigt. Die Röntgenkontrolle habe eine gut einsitzende Endoprothese rechts ergeben. Dr. Sch. schilderte am 16.9.2003 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit Anfang 2003 und teilte mit, am 1.7.2003 sei das Gangbild bei noch bestehenden Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte bei Zustand nach Hüft- TEP rechts nicht ganz "rund" gewesen. Eine Vollbelastung sei möglich gewesen. Dr. M. U. gab am 1.10.2003 an, nach der Operation der rechten Hüfte habe sich die Schmerzsymptomatik deutlich gebessert, wenngleich die linksseitigen Beschwerden weiter bestanden und zusätzlich weiterhin Lendenwirbelsäulenbeschwerde vorgelegen hätten. Dr. Z. teilte mit, er sei seit 1998 pensioniert und könne daher ab diesem Zeitpunkt keine Angaben machen. Nach Beiziehung der der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vorliegenden Renten- und Reha-Akten beauftragte das SG den Orthopäden Dr. B., R., mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens. Nach ambulanter und röntgenologischer Untersuchung gelangte der Sachverständige am 11.5.2004 zu der Beurteilung, beim Kläger lägen als Funktionsbeeinträchtigungen ein Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese rechts (GdB 20), eine ausgeprägte Coxarthrose links (GdB 20), ein Zustand nach Innenmeniskusresektion beiderseits mit Chondropathia Patellae (GdB 20) und eine Funktionsstörung im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule (GdB 10) vor. Die Zustände nach Frakturen im Bereich des linken Handgelenkes und des rechten Ellenbogens sowie die Rektusdiastase, die in der Bewertung für die Wirbelsäulenerkrankung erfasst sei, bedingten keinen eigenen GdB. Insgesamt schätze er den GdB auf 50. Nach Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 16.8.2004, wonach der GdB weiterhin 30 betrage, holte das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B. ein. Dieser führte am 4.11.2004 aus, neben dem Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese rechts (GdB 20) sei die ausgeprägte Coxarthrose links gesondert ebenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die Beeinträchtigung des Klägers seitens der Hüften sei mindestens mit einem Zustand nach beidseitiger Implantation einer Hüftendoprothese, die nach den "Anhaltspunkten" mit einem Mindest-GdB von 40 zu bewerten sei, gleichzusetzen, so dass (nur) ein GdB von 30 für die gesamte untere Extremität - wie vom Beklagten angenommen - nicht gerechtfertigt sei. Was die Kniegelenke anbetreffe, bestehe zwar eine gute Beweglichkeit (O-O-130° ), es läge jedoch eine Funktionseinschränkung beider Kniegelenke aufgrund arthrotischer Veränderungen und ausgeprägter Knorpelschäden vor, so dass insoweit ein GdB von 20 angemessen sei. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien seit der Hüftoperation vom 14.11.2002 mit einem GdB von 50 zu bewerten. Von November 2000 bis November 2002 scheine die Situation - insbesondere hinsichtlich des linken Hüftgelenks - günstiger gewesen zu sein, so dass er für die Zeit vom 16.11.2000 bis zur Operation am 14.11.2002 einen GdB von 30 annehme. Hierzu legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 8.2.2005 vor, der bei seiner bisherigen Beurteilung (GdB 30) blieb.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.4.2005 änderte das SG die angegriffenen Bescheide ab und stellte für die Zeit vom 16.11.2000 bis 13.11.2002 einen GdB von 30 und für die Zeit ab 14.11.2002 einen GdB von 50 fest. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es stützte sich hierbei im Wesentlichen auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. B., die mit dem für die BfA erstatteten Gutachten von Dr. H. vom 7.8.2003 in vollem Umfang - insbesondere was die Beeinträchtigung seitens des linken Hüftgelenks anbelange - übereinstimme. Die Funktionsbeeinträchtigung beider Kniegelenke sei von Dr. B. zutreffend mit einem GdB von 20 bewertet worden. Auch der Gesamt-GdB werde im Einklang mit der Beurteilung des Sachverständigen für die Zeit vom 16.11.2000 bis 13.11.2002 auf 30 und für die Zeit ab 14.11.2002 auf 50 geschätzt. Der Gerichtsbescheid wurde dem Beklagten am 22.4.2005 zugestellt.
Dagegen hat der Beklagte am 19.5.2005 Berufung eingelegt, mit der er sich unter Hinweis auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen und Vorlage der Stellungnahme von Frau Dr. R.vom 13.5.2005 gegen die Entscheidung des SG wendet. Die von Dr. B. erhobenen Befunde rechtfertigten die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft keinesfalls. Im vorliegenden Gutachten sei ein flüssiges, nur gering hinkendes Gangbild ohne erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit beschrieben.
Der Senat hat zunächst nach Beiziehung der Akten der BfA eine Kopie des Gutachtens des Orthopäden Dr. H. vom 7.8.2003 zu den Akten genommen. Anschließend hat er Dr. M. U. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 11.2.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit September 2002 geschildert und unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen angegeben, bezüglich der Hüftgelenksbeschwerden rechts sei es seit der totalendoprothetischen Versorgung zu einer leichten Schmerzreduktion gekommen. Jedoch stünden seither die Kniegelenksbeschwerden, insbesondere im Bereich des rechten Kniegelenks, bei Persistenz der Lendenwirbelsäulenbeschwerden im Vordergrund. So komme es am rechten Kniegelenk rezidivierend zu einem Reizerguss mit erheblicher schmerzbedingter Bewegungseinschränkung und dieses schon oft nach kurzer Belastung. Nach wie vor klage er über Schmerzen der linken Hüfte bei gesicherter Coxarthrose. Danach hat der Senat von dem Orthopäden Dr. S., K., ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat der Sachverständige am 20.4.2006 einen endoprothetischen Ersatz des rechten Hüftgelenks, eine Arthrose des linken Hüftgelenks, eine Arthrose der Kniegelenke und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen diagnostiziert. Er hat die Funktionseinschränkungen im Bereich der Hüftgelenke und die Arthrose der Kniegelenke mit einem GdB von 40 und die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 10 bewertet. Insgesamt hat er einen GdB von 40 angenommen, der bereits durch die Befunde im Bereich der Hüftgelenke erreicht werde. Durch die geringgradige Arthrose der Kniegelenke ergäbe sich keine Erhöhung. Da durch den endoprothetischen Ersatz des rechten Hüftgelenks im November 2002 eine wesentliche Besserung eingetreten und andererseits die Arthrose des linken Hüftgelenks allmählich stärker geworden sei, schätze er den GdB auch für die Zeit ab 16.11.2000 bis vor der Operation am 14.11.2002 auf 40. Danach hat der Senat nochmals Dr. U. befragt. Er hat am 23.03.2007 über den Behandlungsverlauf seit Juli 2006 berichtet und mitgeteilt, im Oktober 2006 sei auch im Bereich der rechten Hüfte eine Endoprothese implantiert worden. Im Sommer 2006 hätten sich die Schmerzen des Klägers im linken Hüftgelenk erheblich verschlimmert, so dass eine Operation notwendig geworden sei. Seither hätten sich die Schmerzen linksseitig gebessert. Dr. U. hat den Kurzentlassbrief der St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe vom 03.11.2006 mit den Abschlussbericht des Reha-Zentrums in Mittelbaden über die vom 08.11. bis 05.12.2006 erfolgte Rehabilitationsmaßnahmen vorgelegt. Bei der Abschlussuntersuchung hat sich danach ein sicheres Gangbild gezeigt; der Kläger hat angegeben, absolut beschwerdefrei zu sein.
Der Beklagte hat dem Kläger am 10.05.2006 ein Vergleichsangebot (GdB 40 ab 20.1.2003) unterbereitet und die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 9.5.2006 und 11.04.2007 vorgelegt. Ein GdB von 50 könne nach wie vor nicht festgestellt werden.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2005 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie über sein Vergleichsangebot vom 10.5.2006 hinausgeht.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die auf einen GdB von 50 gerichtete Klage auf die Zeit ab Antragstellung (20.1.2003) beschränkt und geltend gemacht, der angefochtene Gerichtsbescheid sei (insoweit) zutreffend. Das Gutachten von Dr. B. bestätige eindeutig, dass der GdB 50 betrage. Dieser habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.4.2004 auch detailliert ausgeführt, dass ausgeprägte Knorpelschäden im Bereich der Kniegelenke vorlägen, so dass insoweit im Unterschied zur Beurteilung von Dr. S., der lediglich von einer leichten Arthrose ausgehe, ein GdB von 20 anzunehmen sei. Ferner verweist er auf das ärztliche Attest von Dr. M. U. vom 27.10.2005, in dem bestätigt werde, dass rezidivierend ein Reizknie rechts mit gleitendem Reizerguss vorliege.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Prozessakten und die Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist teilweise begründet.
Das SG hat im noch streitigen Zeitraum einen GdB von 50 festgestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, die mit dem angegriffenen Bescheid des Beklagten ab 20.1.2003 mit einem GdB von 30 bewertet worden sind, sind aber - entsprechend dem von der Beklagten im Berufungsverfahren abgegebenen Vergleichsangebot - ab dem genannten Zeitpunkt nur mit einem GdB von 40 zu bewerten. Ein GdB von 50 ist nicht anzunehmen, so dass die Berufung der Beklagten insoweit begründet ist.
Streitgegenstand ist nur noch die Höhe des GdB ab dem Zeitpunkt der Stellung des Erhöhungsantrages (20.1.2003). Nicht mehr Streitgegenstand ist der Zeitraum vom 16.11.2000 bis 19.1.2003, nachdem der Kläger sein Begehren mit Schriftsatz vom 20.7.2005 auf die Zeit ab Antragstellung beschränkt und damit die Klage insoweit zurückgenommen hat.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Anwendung der hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des § 69 SGB IX i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sowie Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", 2004 (AHP) den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 bejaht. Der Senat kommt unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Sachaufklärung zu dem Ergebnis, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 40 angemessen bewertet sind. Dies folgt für ihn aus den eingeholten schriftlichen Auskünften der behandelnden Ärzte des Klägers - Dr. S., Dr. Sch. und Dr. U. -, dem vom SG eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. B., dem im Berufungsverfahren eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. S. und den weiteren aktenkundigen ärztlichen Unterlagen. Eine höhere Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers als mit einem GdB von 40 lässt sich damit nicht begründen. Ein GdB von 40 steht im Einklang mit den erhobenen Befunden und den damit verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen und entspricht den Bewertungsgrundsätzen der AHP 2004, die der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Betroffenen anwendet.
Der Kläger ist nach den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ausschließlich durch Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigt. Ganz im Vordergrund steht hierbei sein beidseitiges Hüftgelenksleiden, das im November 2002 und im Oktober 2006 zur Implantation von künstlichen Hüftgelenken geführt hat. Die daraus resultierende Beeinträchtigung des Klägers im Bereich der Beine bedingt nach Auffassung des Senats einen GdB von 40. Nach Nr. 26.18, S. 118 der AHP ist bei Endoprothese der Gelenke der GdB von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit abhängig. Eine endoprothetische Versorgung im Bereich beider Hüftgelenke - wie hier - bedingt danach einen GdB von mindestens 40. Diese Bewertung entspricht der Beurteilung des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. S. als auch der Einschätzung des Sachverständigen Dr. B., der auf Veranlassung des SG ein orthopädisches Gutachten erstattet hat. Zudem entspricht sie den versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 09.05.2006 und 11.04.2007 und wird letztlich auch vom Kläger selbst nicht in Frage gestellt. Eine höhere Bewertung dieses Leidens kommt weder für die Zeit von der Antragstellung im Januar 2003 bis zur Operation des linken Hüftgelenks im Oktober 2006 noch für die Zeit danach in Betracht. Zwar ist ein GdB von 40 nach einer beidseitigen endoprothetischen Versorgung der Hüftgelenke als Mindest-GdB anzusehen. Eine höhere Bewertung kann jedoch nur dann erfolgen, wenn dies aufgrund der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit gerechtfertigt ist. Nach dem der Kläger nach der Beendigung der Rehabilitationsmaßnahmen im Anschluss an die Hüftgelenksoperation im Oktober 2006 ein sicheres Gangbild gezeigt und von absoluter Beschwerdefreiheit gesprochen hat, besteht kein Anlass, einen höheren GdB als den Mindest-GdB von 40 anzusetzen. Für die Zeit von Januar 2003 bis September 2006, in der nur das rechte Hüftgelenk endoprothetisch versorgt war und im Bereich des linken Hüftgelenks eine allmählich sich verschlimmernde Arthrose bei entsprechender Zunahme der Beschwerden vorlag, war ebenfalls ein GdB von 40 anzunehmen. Auch insoweit folgt der Senat den Beurteilungen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. S., die vor der Hüftgelenksoperation im Oktober 2006 den Kläger untersucht und das Hüftgelenksleiden des Klägers übereinstimmend mit einem GdB von 40 bewertet haben.
Hinzu kommt das Wirbelsäulenleiden und das Schulter-Arm-Syndrom, das einen GdB von 10 bedingt. Dies entspricht Nr. 26.18, S. 116 der AHP, wonach Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 zu bewerten sind. Erst - hier nicht vorliegende - Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bedingen einen GdB von 20. Auch hier besteht zwischen den Sachverständigen erster und zweiter Instanz Einigkeit, dass ein GdB von 10 anzusetzen ist. Eine höherer Bewertung wird insoweit auch vom Kläger selbst nicht geltend gemacht.
Als weitere Gesundheitsstörung liegt beim Kläger ein Kniegelenksleiden vor. Dieses ist nach Angaben des Klägers und des ihn behandelnden Arztes Dr. U. in seinem Attest vom 27.10.2005 mit einem rezidivierenden Reizknie rechts und begleitendem Reizerguß verbunden, hat aber keine Bewegungseinschränkung zur Folge. Dies entnimmt der Senat den Gutachten von Dr. B. und Dr. S. sowie auch dem Abschlussbericht des Reha-Zentrums in Mittelbaden vom 05.12.2006, nach dem zu Beginn der Behandlung alle anderen Gelenke der unteren Extremitäten (mit Ausnahme des linken Hüftgelenks) frei beweglich waren. Entsprechende Funktionsbeeinträchtigungen liegen somit an den Kniegelenken des Klägers nicht vor. Trotz fehlender Bewegungseinschränkung ist jedoch ein GdB anzunehmen, wenn ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen bestehen. Liegen solche einseitig ohne Bewegungseinschränkung vor, ist hierfür nach Nr. 26.18, S. 126 der AHP ein GdB von 10 bis 30 anzusetzen. Solche ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen liegen beim Kläger jedoch nicht vor. Weder der Sachverständige Dr. B. noch der Sachverständige Dr. S. haben bei ihren Untersuchungen des Klägers am 04.05.2004 bzw. 10.04.2006 entsprechende Reizerscheinungen im Bereich der Kniegelenke festgestellt. Während Dr. S. lediglich eine leichte Arthrose der Kniegelenke ohne Reizzustand und ohne Bewegungseinschränkung beschrieben und einen dadurch bedingten GdB nicht angenommen hat, ist zwar auch Dr. B. zum hiermit im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass radiologisch nur eine geringgradige medial betonte Arthrose des rechten und eine minimale Arthrose des linken Kniegelenkes ohne Reizzustände vorliege. Trotzdem hat er im Hinblick auf die beim Kläger in den Jahren 1978 und 1984 durchgeführten Kniegelenksoperationen mit Meniskusresektionen, in deren Folge in einem Zeitraum von 20 Jahren sich immer arthrotische Veränderungen nachweisen ließen, eine einen GdB von 20 bedingende Funktionseinschränkung beider Kniegelenke aufgrund arthrotischer Veränderungen und ausgeprägten Knorpelschäden bejaht. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zum einen hat Dr. B. ebenso wie der Sachverständige Dr. S. - wie bereits erwähnt - einen akuten Reizzustand im Bereich der Kniegelenke vereint. Lediglich der behandelnde Arzt Dr. U. hat in seinem Attest vom 27.10.2005 über ein rezidivierendes Reizknie rechts mit begleitendem Reizerguss berichtet. Aber auch im Abschlussbericht des Reha-Zentrums in Mittelbaden vom 05.12.2006 ist von Reizerscheinungen im Bereich der Kniegelenke nicht die Rede. Anhaltende Reizerscheinungen im Sinne der Nr. 26.18, S. 126 der AHP hält der Senat daher nicht für belegt. Zudem wäre darüber hinaus noch erforderlich, dass ausgeprägte Knorpelschäden der in den AHP genannten Art vorliegen. Der Sachverständige Dr. B. spricht nur lapidar von ausgeprägten Knorpelschäden, ohne hierzu nähere Angaben zu machen, welcher Art diese sind. Der vom Senat gehörte Sachverständige Dr. S. konnte solche Knorpelschäden hingegen nicht bestätigen. Der Senat sieht deshalb ausgeprägte Knorpelschäden im Sinne der Nr. 26.18, S. 126 der AHP nicht als nachgewiesen an.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung, hier dem Hüftgelenksleiden (GdB 40) auszugehen. Hinzu kommt der Wirbelsäulenschaden einschließlich Schulter-Arm-Sydrom, der einen GdB von 10 bedingt. Das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung wird hierdurch nicht erhöht. Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von lediglich 10 führen in aller Regel nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Diese Bewertungsregel ist vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt worden. Ein Ausnahmefall, der mit der in Nr. 19 Abs. 4, S. 26 der AHP genannten Art vergleichbar wäre, ist hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Bei dem 1941 geborenen Kläger wurde vom Versorgungsamt Karlsruhe (VA) mit Bescheid vom 3.9.1998 unter Berücksichtigung von Lumbalgien, eines cervico-craniellen Syndroms sowie von Hüft- und Knieveränderungen ein GdB von weniger als 20 festgestellt.
Am 20.1.2003 stellte der Kläger beim VA einen Neufeststellungsantrag und brachte vor, ihm sei ein künstliches Hüftgelenk rechts eingesetzt worden. Dies und seine Schmerzen im Bereich der rechten Schulter sowie ein Wirbelsäulenschaden seien als Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen. Das VA zog den Kurentlassungsbericht der Klinik Dr. F. D. in B.-B. vom 2.1.2003 bei und holte von dem Orthopäden Dr. S., R., einen Befundbericht ein. Dieser gab am 27.1.2003 an, das Gangbild des Klägers, der an einer fortgeschrittenen Hüftarthrose beiderseits leide, sei aufgrund der Hüftarthrose links sowie der Endoprothesenversorgung rechts (November 2002) noch erheblich behindert. Außerdem klage er über lumboischialgieforme Schmerzen. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, in der die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und das Schulter-Arm-Syndrom mit einem GdB von 10 und die Gebrauchseinschränkungen beider Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen und Hüftgelenksendoprothese rechts mit einem GdB von 30 bewertet wurden und insgesamt ebenfalls ein GdB von 30 angenommen wurde, stellte das VA mit Bescheid vom 19.3.2003 unter Berücksichtigung der genannten Funktionsbeeinträchtigungen ab 20.1.2003 einen GdB von 30 fest.
Dagegen legte der Kläger am 26.3.2003 Widerspruch ein und bat um eine erneute Begutachtung. Das VA befragte nochmals Dr. S., der am 16.4.2003 angab, er könne keine weiteren erschöpfenden Auskünfte geben, da ihm keine Befunde hinsichtlich der Wirbelsäule vorlägen. Der Ärztliche Dienst des VA nahm anschließend unter Berücksichtigung dieser Angaben erneut Stellung. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.6.2003 wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch zurück. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Erhöhung des GdB auf 30 gäbe das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers wieder; eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.
Am 25.6.2003 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er einen GdB von mindestens 50 vor dem 16.11.2000, hilfsweise ab Antragstellung geltend machte. Die bei ihm vorliegenden Krankheitsbilder seien weder vollständig erfasst noch der Schwere ihrer Ausprägung entsprechend gewürdigt worden.
Das SG hörte zunächst Dr. S., den Chirurgen Dr. Sch., den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. U. und den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. schriftlich als Sachverständige Zeugen. Dr. S. gab am 9.9.2003 an, das Beschwerdebild nach der am 14.11.2002 wegen einer Coxarthrose rechts eingesetzten zementfreien Hüftendototalprothese habe sich bei der letzten Vorstellung am 15.5.2003 hinsichtlich des Gehvermögens deutlich gebessert gezeigt. Die Röntgenkontrolle habe eine gut einsitzende Endoprothese rechts ergeben. Dr. Sch. schilderte am 16.9.2003 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit Anfang 2003 und teilte mit, am 1.7.2003 sei das Gangbild bei noch bestehenden Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte bei Zustand nach Hüft- TEP rechts nicht ganz "rund" gewesen. Eine Vollbelastung sei möglich gewesen. Dr. M. U. gab am 1.10.2003 an, nach der Operation der rechten Hüfte habe sich die Schmerzsymptomatik deutlich gebessert, wenngleich die linksseitigen Beschwerden weiter bestanden und zusätzlich weiterhin Lendenwirbelsäulenbeschwerde vorgelegen hätten. Dr. Z. teilte mit, er sei seit 1998 pensioniert und könne daher ab diesem Zeitpunkt keine Angaben machen. Nach Beiziehung der der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vorliegenden Renten- und Reha-Akten beauftragte das SG den Orthopäden Dr. B., R., mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens. Nach ambulanter und röntgenologischer Untersuchung gelangte der Sachverständige am 11.5.2004 zu der Beurteilung, beim Kläger lägen als Funktionsbeeinträchtigungen ein Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese rechts (GdB 20), eine ausgeprägte Coxarthrose links (GdB 20), ein Zustand nach Innenmeniskusresektion beiderseits mit Chondropathia Patellae (GdB 20) und eine Funktionsstörung im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule (GdB 10) vor. Die Zustände nach Frakturen im Bereich des linken Handgelenkes und des rechten Ellenbogens sowie die Rektusdiastase, die in der Bewertung für die Wirbelsäulenerkrankung erfasst sei, bedingten keinen eigenen GdB. Insgesamt schätze er den GdB auf 50. Nach Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 16.8.2004, wonach der GdB weiterhin 30 betrage, holte das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. B. ein. Dieser führte am 4.11.2004 aus, neben dem Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese rechts (GdB 20) sei die ausgeprägte Coxarthrose links gesondert ebenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die Beeinträchtigung des Klägers seitens der Hüften sei mindestens mit einem Zustand nach beidseitiger Implantation einer Hüftendoprothese, die nach den "Anhaltspunkten" mit einem Mindest-GdB von 40 zu bewerten sei, gleichzusetzen, so dass (nur) ein GdB von 30 für die gesamte untere Extremität - wie vom Beklagten angenommen - nicht gerechtfertigt sei. Was die Kniegelenke anbetreffe, bestehe zwar eine gute Beweglichkeit (O-O-130° ), es läge jedoch eine Funktionseinschränkung beider Kniegelenke aufgrund arthrotischer Veränderungen und ausgeprägter Knorpelschäden vor, so dass insoweit ein GdB von 20 angemessen sei. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien seit der Hüftoperation vom 14.11.2002 mit einem GdB von 50 zu bewerten. Von November 2000 bis November 2002 scheine die Situation - insbesondere hinsichtlich des linken Hüftgelenks - günstiger gewesen zu sein, so dass er für die Zeit vom 16.11.2000 bis zur Operation am 14.11.2002 einen GdB von 30 annehme. Hierzu legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 8.2.2005 vor, der bei seiner bisherigen Beurteilung (GdB 30) blieb.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.4.2005 änderte das SG die angegriffenen Bescheide ab und stellte für die Zeit vom 16.11.2000 bis 13.11.2002 einen GdB von 30 und für die Zeit ab 14.11.2002 einen GdB von 50 fest. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es stützte sich hierbei im Wesentlichen auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. B., die mit dem für die BfA erstatteten Gutachten von Dr. H. vom 7.8.2003 in vollem Umfang - insbesondere was die Beeinträchtigung seitens des linken Hüftgelenks anbelange - übereinstimme. Die Funktionsbeeinträchtigung beider Kniegelenke sei von Dr. B. zutreffend mit einem GdB von 20 bewertet worden. Auch der Gesamt-GdB werde im Einklang mit der Beurteilung des Sachverständigen für die Zeit vom 16.11.2000 bis 13.11.2002 auf 30 und für die Zeit ab 14.11.2002 auf 50 geschätzt. Der Gerichtsbescheid wurde dem Beklagten am 22.4.2005 zugestellt.
Dagegen hat der Beklagte am 19.5.2005 Berufung eingelegt, mit der er sich unter Hinweis auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen und Vorlage der Stellungnahme von Frau Dr. R.vom 13.5.2005 gegen die Entscheidung des SG wendet. Die von Dr. B. erhobenen Befunde rechtfertigten die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft keinesfalls. Im vorliegenden Gutachten sei ein flüssiges, nur gering hinkendes Gangbild ohne erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit beschrieben.
Der Senat hat zunächst nach Beiziehung der Akten der BfA eine Kopie des Gutachtens des Orthopäden Dr. H. vom 7.8.2003 zu den Akten genommen. Anschließend hat er Dr. M. U. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 11.2.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf seit September 2002 geschildert und unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen angegeben, bezüglich der Hüftgelenksbeschwerden rechts sei es seit der totalendoprothetischen Versorgung zu einer leichten Schmerzreduktion gekommen. Jedoch stünden seither die Kniegelenksbeschwerden, insbesondere im Bereich des rechten Kniegelenks, bei Persistenz der Lendenwirbelsäulenbeschwerden im Vordergrund. So komme es am rechten Kniegelenk rezidivierend zu einem Reizerguss mit erheblicher schmerzbedingter Bewegungseinschränkung und dieses schon oft nach kurzer Belastung. Nach wie vor klage er über Schmerzen der linken Hüfte bei gesicherter Coxarthrose. Danach hat der Senat von dem Orthopäden Dr. S., K., ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat der Sachverständige am 20.4.2006 einen endoprothetischen Ersatz des rechten Hüftgelenks, eine Arthrose des linken Hüftgelenks, eine Arthrose der Kniegelenke und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen diagnostiziert. Er hat die Funktionseinschränkungen im Bereich der Hüftgelenke und die Arthrose der Kniegelenke mit einem GdB von 40 und die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 10 bewertet. Insgesamt hat er einen GdB von 40 angenommen, der bereits durch die Befunde im Bereich der Hüftgelenke erreicht werde. Durch die geringgradige Arthrose der Kniegelenke ergäbe sich keine Erhöhung. Da durch den endoprothetischen Ersatz des rechten Hüftgelenks im November 2002 eine wesentliche Besserung eingetreten und andererseits die Arthrose des linken Hüftgelenks allmählich stärker geworden sei, schätze er den GdB auch für die Zeit ab 16.11.2000 bis vor der Operation am 14.11.2002 auf 40. Danach hat der Senat nochmals Dr. U. befragt. Er hat am 23.03.2007 über den Behandlungsverlauf seit Juli 2006 berichtet und mitgeteilt, im Oktober 2006 sei auch im Bereich der rechten Hüfte eine Endoprothese implantiert worden. Im Sommer 2006 hätten sich die Schmerzen des Klägers im linken Hüftgelenk erheblich verschlimmert, so dass eine Operation notwendig geworden sei. Seither hätten sich die Schmerzen linksseitig gebessert. Dr. U. hat den Kurzentlassbrief der St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe vom 03.11.2006 mit den Abschlussbericht des Reha-Zentrums in Mittelbaden über die vom 08.11. bis 05.12.2006 erfolgte Rehabilitationsmaßnahmen vorgelegt. Bei der Abschlussuntersuchung hat sich danach ein sicheres Gangbild gezeigt; der Kläger hat angegeben, absolut beschwerdefrei zu sein.
Der Beklagte hat dem Kläger am 10.05.2006 ein Vergleichsangebot (GdB 40 ab 20.1.2003) unterbereitet und die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 9.5.2006 und 11.04.2007 vorgelegt. Ein GdB von 50 könne nach wie vor nicht festgestellt werden.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. April 2005 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie über sein Vergleichsangebot vom 10.5.2006 hinausgeht.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat die auf einen GdB von 50 gerichtete Klage auf die Zeit ab Antragstellung (20.1.2003) beschränkt und geltend gemacht, der angefochtene Gerichtsbescheid sei (insoweit) zutreffend. Das Gutachten von Dr. B. bestätige eindeutig, dass der GdB 50 betrage. Dieser habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.4.2004 auch detailliert ausgeführt, dass ausgeprägte Knorpelschäden im Bereich der Kniegelenke vorlägen, so dass insoweit im Unterschied zur Beurteilung von Dr. S., der lediglich von einer leichten Arthrose ausgehe, ein GdB von 20 anzunehmen sei. Ferner verweist er auf das ärztliche Attest von Dr. M. U. vom 27.10.2005, in dem bestätigt werde, dass rezidivierend ein Reizknie rechts mit gleitendem Reizerguss vorliege.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Prozessakten und die Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist teilweise begründet.
Das SG hat im noch streitigen Zeitraum einen GdB von 50 festgestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, die mit dem angegriffenen Bescheid des Beklagten ab 20.1.2003 mit einem GdB von 30 bewertet worden sind, sind aber - entsprechend dem von der Beklagten im Berufungsverfahren abgegebenen Vergleichsangebot - ab dem genannten Zeitpunkt nur mit einem GdB von 40 zu bewerten. Ein GdB von 50 ist nicht anzunehmen, so dass die Berufung der Beklagten insoweit begründet ist.
Streitgegenstand ist nur noch die Höhe des GdB ab dem Zeitpunkt der Stellung des Erhöhungsantrages (20.1.2003). Nicht mehr Streitgegenstand ist der Zeitraum vom 16.11.2000 bis 19.1.2003, nachdem der Kläger sein Begehren mit Schriftsatz vom 20.7.2005 auf die Zeit ab Antragstellung beschränkt und damit die Klage insoweit zurückgenommen hat.
Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Anwendung der hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des § 69 SGB IX i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sowie Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", 2004 (AHP) den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 bejaht. Der Senat kommt unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Sachaufklärung zu dem Ergebnis, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers mit einem GdB von 40 angemessen bewertet sind. Dies folgt für ihn aus den eingeholten schriftlichen Auskünften der behandelnden Ärzte des Klägers - Dr. S., Dr. Sch. und Dr. U. -, dem vom SG eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. B., dem im Berufungsverfahren eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. S. und den weiteren aktenkundigen ärztlichen Unterlagen. Eine höhere Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers als mit einem GdB von 40 lässt sich damit nicht begründen. Ein GdB von 40 steht im Einklang mit den erhobenen Befunden und den damit verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen und entspricht den Bewertungsgrundsätzen der AHP 2004, die der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Betroffenen anwendet.
Der Kläger ist nach den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ausschließlich durch Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigt. Ganz im Vordergrund steht hierbei sein beidseitiges Hüftgelenksleiden, das im November 2002 und im Oktober 2006 zur Implantation von künstlichen Hüftgelenken geführt hat. Die daraus resultierende Beeinträchtigung des Klägers im Bereich der Beine bedingt nach Auffassung des Senats einen GdB von 40. Nach Nr. 26.18, S. 118 der AHP ist bei Endoprothese der Gelenke der GdB von der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit abhängig. Eine endoprothetische Versorgung im Bereich beider Hüftgelenke - wie hier - bedingt danach einen GdB von mindestens 40. Diese Bewertung entspricht der Beurteilung des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. S. als auch der Einschätzung des Sachverständigen Dr. B., der auf Veranlassung des SG ein orthopädisches Gutachten erstattet hat. Zudem entspricht sie den versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 09.05.2006 und 11.04.2007 und wird letztlich auch vom Kläger selbst nicht in Frage gestellt. Eine höhere Bewertung dieses Leidens kommt weder für die Zeit von der Antragstellung im Januar 2003 bis zur Operation des linken Hüftgelenks im Oktober 2006 noch für die Zeit danach in Betracht. Zwar ist ein GdB von 40 nach einer beidseitigen endoprothetischen Versorgung der Hüftgelenke als Mindest-GdB anzusehen. Eine höhere Bewertung kann jedoch nur dann erfolgen, wenn dies aufgrund der verbliebenen Bewegungseinschränkung und Belastbarkeit gerechtfertigt ist. Nach dem der Kläger nach der Beendigung der Rehabilitationsmaßnahmen im Anschluss an die Hüftgelenksoperation im Oktober 2006 ein sicheres Gangbild gezeigt und von absoluter Beschwerdefreiheit gesprochen hat, besteht kein Anlass, einen höheren GdB als den Mindest-GdB von 40 anzusetzen. Für die Zeit von Januar 2003 bis September 2006, in der nur das rechte Hüftgelenk endoprothetisch versorgt war und im Bereich des linken Hüftgelenks eine allmählich sich verschlimmernde Arthrose bei entsprechender Zunahme der Beschwerden vorlag, war ebenfalls ein GdB von 40 anzunehmen. Auch insoweit folgt der Senat den Beurteilungen der Sachverständigen Dr. B. und Dr. S., die vor der Hüftgelenksoperation im Oktober 2006 den Kläger untersucht und das Hüftgelenksleiden des Klägers übereinstimmend mit einem GdB von 40 bewertet haben.
Hinzu kommt das Wirbelsäulenleiden und das Schulter-Arm-Syndrom, das einen GdB von 10 bedingt. Dies entspricht Nr. 26.18, S. 116 der AHP, wonach Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 zu bewerten sind. Erst - hier nicht vorliegende - Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bedingen einen GdB von 20. Auch hier besteht zwischen den Sachverständigen erster und zweiter Instanz Einigkeit, dass ein GdB von 10 anzusetzen ist. Eine höherer Bewertung wird insoweit auch vom Kläger selbst nicht geltend gemacht.
Als weitere Gesundheitsstörung liegt beim Kläger ein Kniegelenksleiden vor. Dieses ist nach Angaben des Klägers und des ihn behandelnden Arztes Dr. U. in seinem Attest vom 27.10.2005 mit einem rezidivierenden Reizknie rechts und begleitendem Reizerguß verbunden, hat aber keine Bewegungseinschränkung zur Folge. Dies entnimmt der Senat den Gutachten von Dr. B. und Dr. S. sowie auch dem Abschlussbericht des Reha-Zentrums in Mittelbaden vom 05.12.2006, nach dem zu Beginn der Behandlung alle anderen Gelenke der unteren Extremitäten (mit Ausnahme des linken Hüftgelenks) frei beweglich waren. Entsprechende Funktionsbeeinträchtigungen liegen somit an den Kniegelenken des Klägers nicht vor. Trotz fehlender Bewegungseinschränkung ist jedoch ein GdB anzunehmen, wenn ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen bestehen. Liegen solche einseitig ohne Bewegungseinschränkung vor, ist hierfür nach Nr. 26.18, S. 126 der AHP ein GdB von 10 bis 30 anzusetzen. Solche ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen liegen beim Kläger jedoch nicht vor. Weder der Sachverständige Dr. B. noch der Sachverständige Dr. S. haben bei ihren Untersuchungen des Klägers am 04.05.2004 bzw. 10.04.2006 entsprechende Reizerscheinungen im Bereich der Kniegelenke festgestellt. Während Dr. S. lediglich eine leichte Arthrose der Kniegelenke ohne Reizzustand und ohne Bewegungseinschränkung beschrieben und einen dadurch bedingten GdB nicht angenommen hat, ist zwar auch Dr. B. zum hiermit im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass radiologisch nur eine geringgradige medial betonte Arthrose des rechten und eine minimale Arthrose des linken Kniegelenkes ohne Reizzustände vorliege. Trotzdem hat er im Hinblick auf die beim Kläger in den Jahren 1978 und 1984 durchgeführten Kniegelenksoperationen mit Meniskusresektionen, in deren Folge in einem Zeitraum von 20 Jahren sich immer arthrotische Veränderungen nachweisen ließen, eine einen GdB von 20 bedingende Funktionseinschränkung beider Kniegelenke aufgrund arthrotischer Veränderungen und ausgeprägten Knorpelschäden bejaht. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zum einen hat Dr. B. ebenso wie der Sachverständige Dr. S. - wie bereits erwähnt - einen akuten Reizzustand im Bereich der Kniegelenke vereint. Lediglich der behandelnde Arzt Dr. U. hat in seinem Attest vom 27.10.2005 über ein rezidivierendes Reizknie rechts mit begleitendem Reizerguss berichtet. Aber auch im Abschlussbericht des Reha-Zentrums in Mittelbaden vom 05.12.2006 ist von Reizerscheinungen im Bereich der Kniegelenke nicht die Rede. Anhaltende Reizerscheinungen im Sinne der Nr. 26.18, S. 126 der AHP hält der Senat daher nicht für belegt. Zudem wäre darüber hinaus noch erforderlich, dass ausgeprägte Knorpelschäden der in den AHP genannten Art vorliegen. Der Sachverständige Dr. B. spricht nur lapidar von ausgeprägten Knorpelschäden, ohne hierzu nähere Angaben zu machen, welcher Art diese sind. Der vom Senat gehörte Sachverständige Dr. S. konnte solche Knorpelschäden hingegen nicht bestätigen. Der Senat sieht deshalb ausgeprägte Knorpelschäden im Sinne der Nr. 26.18, S. 126 der AHP nicht als nachgewiesen an.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung, hier dem Hüftgelenksleiden (GdB 40) auszugehen. Hinzu kommt der Wirbelsäulenschaden einschließlich Schulter-Arm-Sydrom, der einen GdB von 10 bedingt. Das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung wird hierdurch nicht erhöht. Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von lediglich 10 führen in aller Regel nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Diese Bewertungsregel ist vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt worden. Ein Ausnahmefall, der mit der in Nr. 19 Abs. 4, S. 26 der AHP genannten Art vergleichbar wäre, ist hier nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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