L 2 P 35/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 P 69/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 35/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31. März 2006 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 21. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Stepember 2004 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Entziehung der Leistungen nach der Pflegestufe II ab dem 1. Juni 2004.

Auf den Antrag der 1992 geborenen Klägerin vom 13. Dezember 1994 auf Leistungen der Pflegeversicherung gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 1994 Pflegegeld und Pflegeeinsätze. Die Kombinationsleistung werde bei unverändertem Pflegebedarf bis 30. Juni 1997 bezahlt. Dann erfolge eine erneute Begutachtung durch den Medizinischen Dienst.

Im Gutachten vom 25. Juli 1994 (zur Frage des Vorliegens von Schwerpflegebedürftigkeit) wurde ausgeführt, die Klägerin, ein zwei Jahre und einen Monat altes Kind, stehe entwicklungsmäßig auf der Stufe eines etwa 10 Monate alten Säuglings. Es bestehe ein motorischer Entwicklungsrückstand bei Gehunfähigkeit, gestörter Feinmotorik sowie eine geistige Retardierung mit fehlender Sprachentwicklung, Unmöglichkeit der Reinlichkeitserziehung und fehlendem Gefahrenbewusstsein mit der Notwendigkeit der ununterbrochenen Beaufsichtigung. Schwerpflegebedürftigkeit sei zu bejahen.

Mit Bescheid vom 29. Juli 1996 erklärte die Beklagte, die Klägerin erhalte in der Pflegestufe II ab 1.September 1996 ein monatliches Pflegegeld.

Im Gutachten vom 20. Juni 2002 (Untersuchung am 23. Mai 2002) führte der MDK aus, die Klägerin sei in der Grob- und Feinmotorik gestört, beim Treppensteigen brauche sie Begleitung oder müsse getragen werden. Durch den ataktischen Gang komme es zu rezidivierenden Stürzen. Es bestehe ein unkontrolliertes Essverhalten ohne Sättigungsgefühl, rezidivierende Harn- und Stuhlinkontinenz, häufiges Verschlucken, Kauschwierigkeiten. Lesen, Schreiben und Rechnen seien nicht möglich, die Sprache sei sehr undeutlich. Der tägliche Pflegeaufwand betrage 185 Minuten. Bei Abzug des Zeitwertes von 39 Minuten gegenüber einem gesunden Kind verbleibe ein Grundpflegeaufwand von 146 Minuten täglich. Es liege weiterhin Pflegebedürftigkeit in Pflegestufe II vor.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Rahmen einer Wiederholungsbegutachtung sei ein erneutes Pflegegutachten erstellt worden. Der MDK komme zu dem Ergebnis, dass weiterhin Pflegestufe II vorliege. Pflegeleistungen entsprechend der Pflegestufe II würden daher weiterhin gewährt.

Am 5. April 2004 beauftragte die Beklagte den MDK mit einer weiteren Wiederholungsbegutachtung.

Die Klägerin übersandte ein Pflegetagebuch für die Zeit vom 23. April 2004 bis 30. April 2004.

Im Gutachten des MDK vom 10. Mai 2004 (Hausbesuch vom 4. April 2004) wurde ausgeführt, Treppensteigen im Haus sei selbstständig möglich. Die Fingerfeinmotorik sei beidseits reduziert. Die Klägerin esse übermäßig bei reduzierter Kautätigkeit. Ein- bis zweimal wöchentlich komme es zum Einnässen, die Klägerin melde aber Stuhl- und Harndrang. Stuhlinkontinenz liege nicht mehr vor. Sie erkenne einzelne Buchstaben, zähle bis 11 und könne ihren Vornamen schreiben. Im Vergleich zum Gutachten vom 23. Mai 2002 seien Verbesserungen eingetreten. Die geistigen Fähigkeiten hätten sich gebessert, da die Klägerin nun Aufforderungen befolgen könne und dadurch eine vermehrte Mithilfe bei der Grundpflege möglich sei. Der Mehraufwand in der grundpflegerischen Versorgung betrage nun 77 Minuten. Pflegebedürftigkeit der Stufe I liege vor.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wies der Vater der Klägerin im Schreiben vom 17. Mai 2004 auf Art. 45 Pflegeversicherungsgesetz hin. Im Übrigen sei Pflegestufe II weiterhin gegeben.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2004 erklärte die Beklagte, die Voraussetzungen für eine Einstufung in Pflegestufe II seien ab 1. Juni 2004 nicht mehr erfüllt. Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des MDK vom 29. Juli 2004 (Hausbesuch 7. Juli 2004) ein. Darin wurde ausgeführt, im Vergleich zum Vorgutachten vom 10. Mai 2004 ergebe sich keine wesentliche Abweichung. Bei der Nahrungsaufnahme sei ein geringerer Hilfebedarf festzustellen. Die Klägerin könne ihre Ressourcen nützen und sich an der Pflege beteiligen. Der Widerspruch sei zurückzuweisen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2004 zurück. Im Vergleich zum Gutachten vom 20. Juni 2002 seien eine Reihe von Verbesserungen festgestellt worden. Die Verminderung des Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege von insgesamt 146 Minuten auf 77 Minuten sei als wesentlich anzusehen, da hierdurch nicht mehr die Voraussetzungen der Pflegestufe II, sondern nurmehr der Pflegestufe I gegeben seien. Nach Art. 45 Abs. 1 S. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes seien pflegebedürftige Versicherte, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach §§ 53 bis 57 des SGB V erhalten hatten, mit Wirkung vom 1. April 1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II eingestuft worden. Die Klägerin sei am 25. Juli 1994 erstmals begutachtet worden. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Schwerstpflegebedürftigkeit nach § 53 SGB V seien erfüllt gewesen. Somit seien ab 1. April 1995 Leistungen entsprechend der Pflegestufe II gewährt worden. Die Klägerin habe damals nicht frei stehen und gehen können, auch habe sie die Flasche nicht selber halten können und habe gefüttert werden müssen. Sie habe auch noch ständig gewickelt werden müssen. Es sei somit sowohl im Vergleich zum Gutachten von 1994 als auch zum Gutachten von 2002 eine wesentliche Verbesserung eingetreten. Bestandsschutz nach Art. 45 des Pflegeversicherungsgesetzes bestehe nicht mehr.

Zur Begründung der Klage führte die Klägerin aus, sie brauche ständig Hilfe und Betreuung, Aufforderung, Anleitung und Kontrolle aufgrund ihrer geistigen Behinderung: beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, Waschen, Zähneputzen, An- und Ausziehen, bei der Einnahme der Mahlzeiten und beim Gang zur Toilette. Es bestehe ein Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege von 173 Minuten.

Mit Urteil vom 31. März 2006 hob das Sozialgericht Landshut den Bescheid vom 21. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2004 auf. Der MDK habe es versäumt, den Hilfebedarf, der zum Zeitpunkt des Gutachtens vom 25. Juli 1994 bestanden habe, mit dem Hilfebedarf am 4. Mai 2004 zu vergleichen. Ein solcher Vergleich sei in keinem Pflegegutachten erfolgt. Eine Änderung des Hilfebedarfs ab dem 1. Juni 2004 gegenüber dem Hilfebedarf am 1. April 1995 sei durch die Beklagte nicht dargetan. Damit greife der partielle Bestandsschutz des Art. 45 Pflegeversicherungsgesetz ein. In allen Fällen der Überleitung sei der Nachweis der Veränderung gegenüber dem 1. April 1995 darzulegen. Daran ändere auch der Bescheid vom 24. Juni 2002 nichts, der nur dann einen Charakter als Zweitbescheid hätte, wenn zu der Frage des partiellen Bestandsschutzes Aussagen gemacht worden wären dahingehend, dass sich der Hilfebedarf im Vergleich zum Zeitpunkt der Überleitung nicht verändert habe. Die Klägerin hätte Anspruch auf Leistungen der Pflegestufe II auch dann gehabt, wenn der Hilfebedarf die zeitlichen Grenzen der Pflegestufe II nicht erreicht, sich aber gegenüber dem 1. April 1995 nicht verändert hätte. Hierzu werde im Bescheid nicht Stellung genommen. Es handele sich also nicht um einen Zweitbescheid, der den Zeitpunkt der Bewilligung der Leistungen im Sinne des § 48 SGB X festlegen würde.

Die Beklagte begründete ihre Berufung im Schreiben vom 28. September 2006 damit, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 1994 bis zum 30. Juni 1997 befristet gewesen sei. Danach sei die Leistung bis zum Bescheid vom 24. Juni 2002 ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Schon daher seien der Bescheid und das Gutachten von 1994 für die Herabsetzung der Pflegestufe im Jahr 2004 nicht mehr ausschlaggebend. Durch den Bescheid vom 24. Juni 2002 sei die ursprüngliche Leistungsbewilligung jedenfalls ersetzt worden. Ein den ursprünglichen Leistungsbescheid ersetzender Folgebescheid liege bereits dann vor, wenn es sich nicht nur um eine schlichte Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens handle, sondern der Grad der Pflegebedürftigkeit aufgrund einer vollständigen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen neu festgestellt werde. Im Bescheid vom 24. Juni 2002 habe die Beklagte festgestellt, dass im Hinblick auf das Gutachten vom 20. Juni 2002 weiterhin Pflegestufe II vorliege und die Klägerin weiterhin Pflegeleistungen erhalte. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe II seien also unabhängig von der Leistungsbewilligung von 1994 geprüft und bejaht worden. Eine Prüfung, ob im Vergleich zum Gutachten von 1994 wesentliche Änderungen eingetreten seien, wäre nur erforderlich gewesen, wenn aufgrund des neuen Gutachtens die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht mehr vorgelegen hätten. Der Bescheid vom 24. Juni 2002 stelle somit einen die Zeit ab 25. Juni 2002 betreffenden Folgebescheid dar, der den Bescheid vom 15. Dezember 1994 ersetzt habe. Der Vergleich des Pflegebedarfs zum Nachweis einer wesentlichen Änderung habe daher zwischen dem Gutachten vom 20. Juni 2002 und dem Gutachten vom 10. Mai 2004 erfolgen müssen. Aber auch wenn der Vergleich mit dem Gutachten vom 25. Juli 1994 erfolgen sollte, sei eine wesentliche Änderung nachgewiesen. Im Widerspruchsbescheid sei ein Vergleich zwischen dem Pflegebedarf am 25. Juli 1994 und dem Pflegebedarf am 4. Mai 2004 vorgenommen worden. Dass dieser Vergleich nicht in einem Gutachten enthalten sei, sei unschädlich, denn die Entscheidung habe nicht der MDK, sondern die Beklagte zu treffen. Da sich der Gesundheitszustand der Klägerin gebessert habe, sei eine erhebliche Verringerung des Pflegebedarfs eingetreten.

Die Klägerin wandte dagegen ein, am 29. Juli 1996 sei ein neuer Bescheid ergangen, nach dem die Leistungen ab 1. September 1996 ausschließlich als Pflegegeldleistungen erbracht worden seien. Eine Befristung sei in diesem Bescheid nicht mehr ausgesprochen worden. Die Äußerungen im Widerspruchsbescheid zum Pflegebedarf 1994/2004 könnten eine Beurteilung im Gutachten nicht ersetzen, da die Verwaltung nicht die Aufgaben des MDK übernehmen könne.

Die Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 31. März 2006 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2004 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Zu Recht hat die Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2004 wegen der Verminderung des Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege ab 1. Juni 2004 nicht mehr Leistungen der Pflegestufe II gewährt, sondern Leistungen der Pflegestufe I.

Der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2004 beruht auf § 48 SGB X i.V.m. § 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI sind Pflegebedürftige der Stufe II Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 120 Minuten entfallen. Bei Kindern ist für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs. 2 SGB XI). Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es geht um die Bewilligung einer Dauerleistung, die sich auf einen voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernden, die Pflegebedürftigkeit auslösenden Gesundheitszustand bezieht (§ 14 Abs. 1 SGB XI) und bei unveränderten Umständen monatlich als Geldleistung, als Sachleistung oder als kombinierte Sach- und Geldleistung zu erbringen ist (§§ 36 ff. SGB XI).

Zu vergleichen sind gemäß § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvorausetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind. Zu Recht hat die Beklagte bei der Überprüfung der Pflegebedürftigkeit den Pflegebedarf, der zur Entscheidung im Bescheid vom 24. Juni 2002 führte, mit dem im Jahr 2004 vorliegenden Pflegebedarf verglichen.

Der Bescheid vom 15. Dezember 1994 war dagegen nicht mehr wirksam, weil er bis zum 30. Juni 1997 befristet war. Er ist mit seiner Befristung bestandskräftig geworden (vergleiche BSG vom 7. Juli 2005, B 3 P 12/04 R). Der Bescheid vom 29. Juli 1996 hat lediglich die Gewährung des monatlichen Pflegegeldes ab 1. September 1996 bestätigt, während im Bescheid vom 15. Dezember 1994 Pflegegeld und Pflegeeinsätze nebeneinander bewilligt worden waren. Die Befristung, die im Bescheid vom 15. Dezember 1994 ausgesprochen war, wurde aber durch den Bescheid vom 29. Juli 1996 nicht aufgehoben. Aus dem Bescheid vom 29. Juli 1996 geht gerade nicht hervor, dass die Beklagte die Rechtslage in dieser Hinsicht geprüft hat und eine Verwaltungsentscheidung hinsichtlich der Befristung hätte treffen wollen. Auch im weiteren Verlauf hat die Beklagte bezüglich der Befristung keinerlei Entscheidung getroffen. Sie hat offenbar übersehen, dass die Leistungsbewilligung bis zum 30. Juni 1997 befristet war und das Pflegegeld ab Juli 1997 weiter überwiesen. Eine Prüfung der Neu- oder Weiterbewilligung des Pflegegeldes hat also nicht stattgefunden. Dies erfolgte erstmals im Gutachten vom 20. Juni 2002, in dem ein unveränderter Pflegebedarf seit April 1995 festgestellt wurde. Im Hinblick darauf erging der Bescheid vom 24. Juni 2002.

Der partielle Bestandsschutz des Art. 45 Pflegeversicherungsgesetz greift daher im vorliegenden Fall nicht ein. Art. 45 Pflegeversicherungsgesetz regelt, dass eine erneute Antragstellung bei Bezug von Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff. SGB V a.F. für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XI ab 1. April 1995 nicht erforderlich ist und diese nach der Pflegestufe II gewährt werden. Mit der pauschalen Überführung aller Leistungsempfänger nach den §§ 53 ff. SGB V a.F. in die Pflegestufe II hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass in Einzelfällen auch solche Versicherte in den Genuss von Leistungen nach der Pflegestufe II kommen, die nach den Kriterien der §§ 14 und 15 SGB XI lediglich in die Pflegestufe I hätten eingeordnet werden dürfen. Eine Herabstufung dieser Pflegebedürftigen in die Pflegestufe I wegen von Anfang an zu günstiger Einstufung kommt daher nicht in Betracht, da es wegen des partiellen Bestandsschutzes an der Rechtswidrigkeit der von Anfang an eventuell zu günstigen Überleitung in die Pflegestufe II fehlt.

Da im vorliegenden Fall die Beklagte nach dem "Überleitungsbescheid" vom 15. Dezember 1994 im Bescheid vom 24. Juni 2002 das Vorliegen der Pflegestufe II erstmals nach dem neuen Recht überprüft hat, ist dieser Bescheid und die für ihn maßgeblichen Feststellungen im Gutachten vom 20. Juni 2002 zum Vergleich bei der Frage, ob sich eine wesentliche Änderung im Pflegebedarf der Klägerin ergeben hat, heranzuziehen.

Sowohl im Gutachten vom 10. Mai 2004 als auch im Gutachten vom 29. Juli 2004 wurde vom MDK überzeugend dargelegt, dass nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II, sondern nur noch die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen der Pflegestufe I gegeben sind.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Jahr 2002 nicht allein treppensteigen konnte, die Begleitung durch ihre Mutter brauchte oder sogar getragen werden musste. Es kam zu rezidivierenden Stürzen durch den ataktischen Gang. Es bestand rezidivierende Harn- und Stuhlinkontinenz. Die Sprache war sehr undeutlich. Dagegen war die Klägerin laut Gutachten vom 10. Mai 2004 in der Lage, im Haus selbstständig die Treppen zu begehen. Sie konnte Stuhl- und Harndrang melden und es kam nur noch zu gelegentlichem Einnässen, ca. ein- bis zweimal wöchentlich. Sie konnte Aufforderungen befolgen, einzelne Buchstaben erkennen, bis 11 zählen und ihren Vornamen schreiben. Insgesamt bestätigte die Gutachterin eine Besserung der geistigen Fähigkeiten und durch die vermehrte Mithilfe bei der Grundpflege reduzierte Zeitwerte. Der Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden Kind betrug 77 Minuten in der Grundpflege. Diese Beurteilung wurde durch das Gutachten vom 29. Juli 2004 bestätigt.

Der Senat verkennt nicht die enorme Belastung, die die ständige Beaufsichtigung, die die Klägerin weiterhin braucht, für die Eltern bedeutet. Aber zu berücksichtigen ist im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben, dass auch aus den Ausführungen in der Klagebegründung vom 9. November 2004 zwar die Notwendigkeit von Kontrolle und Aufforderung hervorgeht, die Klägerin aber durch ihre geistige Entwicklung inzwischen eine Reihe von Tätigkeiten der Grundpflege (nach Aufforderung) selbst verrichten kann. Insofern ist der in den Gutachten vom 10. Mai 2004 und 29. Juli 2004 angenommene Pflegebedarf überzeugend.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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