L 14 R 301/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 1349/05 ZVW
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 301/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 9. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung eines im März 2001 gestellten Rentenantrags.

Der im Jahre 1949 geborene Kläger, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro mit dortigem Wohnsitz, stellte nach zwei mit bestandskräftigen Bescheiden der Beklagten vom 02.01.1997 und 18.07.2000 abgelehnten Anträgen auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit von Mai 1995 und Januar 1999 am 23.03.2001 - nach Invalidisierung in seinem Heimatland ab 21.02.1997 und nach trotzdem noch zurückgelegten oder zumindest von der serbischen Verbindungsstelle bescheinigten Versicherungszeiten vom 15.02.1998 bis 31.03.2001 in der Landwirtschaft - Antrag auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2001, zur Post gegeben am 01.06.2001, wegen Nichterfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab; in der Rechtsbehelfsbelehrung war die Einlegung eines Widerspruchs binnen dreier Monate vorgesehen.

Auf den bei der Beklagten am 25.09.2001 eingegangenen Widerspruch vom 13.09.2001 und auf Nachfrage der Beklagten unter Hinweis auf Ablauf der Widerspruchsfrist am 04.09.2001 machte der Kläger geltend, er habe den Bescheid vom 31.05.2001 erst am 26.06.2001 und somit "nicht zeitlich" erhalten. Es erging daraufhin der Widerspruchsbescheid vom 08.01.2002, der den Rechtsbehelf zurückwies, weil die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung nicht gegeben seien. Auf dem in der Versichertenakte abgehefteten Exemplar des Widerspruchsbescheids ist von der Poststelle der Beklagten eine Absendung am 10.01.2002 vermerkt worden.

Mit der hiergegen beim Sozialgericht Landshut am 16.04.2002 eingegangenen Klageschrift vom 06.04.2002 - laut Einschreiben-Aufkleber zur Post gegeben in R. am 08.04.2002 um 14.00 Uhr - machte der Anwalt des Klägers einen Rentenanspruch geltend. Dem Schriftsatz lagen mehrere Arztbriefe aus der Zeit vom 19. bis 28.03.2002, eine am 02.04.2002 ausgestellte Vollmacht sowie die Seiten 1 und 2 des Originals des vierseitigen Widerspruchsbescheides vom 08.01.2002 bei, wobei auf letzterem - neben Unterstreichungen verschiedener Textstellen - am Anfang vermerkt war: "Eingangstag: 15.01.2002 1 2 3 do 4/5. Aprils" (also bis 4./5. April).

Die Beklagte beantragte, die Klage wegen Fristversäumung als unzulässig abzuweisen. Das Sozialgericht wies die Klage nach medizinischer Beweiserhebung mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2004 - S 7 RJ 541/02 A wegen Unbegründetheit ab. Der 14. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hob diese Entscheidung auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurück (Urteil vom 15.09.2005 - L 14 R 177/05). Neben der Feststellung mehrerer wesentlicher Verfahrensmängel erging an das Sozialgericht auch der Hinweis auf eine mögliche Verfristung der im April 2002 eingelegten Klage und eine diesbezüglich gebotene weitere Aufklärung.

In diesem Zusammenhang gab die Beklagte auf Nachfrage des Sozialgerichts zur Auskunft, der Widerspruchsbescheid vom 08.01.2002 sei dem Kläger nicht zugestellt, sondern am 10.01.2002 als einfacher Brief zur Post gegeben worden. Bei Bekanntgabe am 15.01.2002 sei die Klage am 16.04.2002 um einen Tag verfristet gewesen (Schriftsatz vom 14.11.2005). Aufgefordert zu einer Stellungnahme "zur Unzulässigkeit" der Klage mit Hinweis auf die Ausführungen des Landessozialgerichts und in Kenntnis des übersandten Schriftsatzes der Beklagten bestritt der Bevollmächtigte des Klägers nicht den Zugang des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2002 beim Kläger am 15.01.2002, sondern rügte, dass der Widerspruchsbescheid mit einfachem Brief zur Post gegeben worden sei, obwohl er per Einschreibebrief abgefertigt und zugestellt werden müsse (Schriftsatz vom 16.06.2006). Er gab an, der Widerspruchsbescheid sei beim Kläger am 15.01.2002 eingegangen und die Klagefrist sei am 15.04.2002 abgelaufen. Die Klage sei jedoch rechtzeitig, d.h. neun Tage früher, am 06.04.2002 beim Postamt in R. , als Einschreibesendung abgegeben worden; wenn die Klage tatsächlich erst am 16.04.2002 und damit einen Tag nach Ablauf der Klagefrist beim Sozialgericht eingegangen sei, könne dies nicht dem Kläger angelastet werden. Soweit ihm die deutsche Rechtsprechung bekannt sei, werde eine Klage als fristgerecht eingebracht betrachtet, wenn sie mindestens vier Tage vor Ablauf der Klagefrist beim Postamt als Einschreibebrief abgegeben worden sei (Schriftsatz vom 16.06.2006).

Auf Hinweise der Beklagten zum Lauf der Widerspruchsfrist - u.a. mit Zugang beim Kläger und nicht bei dem damals noch nicht bevollmächtigten Rechtsanwalt -, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zu einer vorliegend fehlenden Auskunft des Postamtes zu den üblichen Postlaufzeiten (Schriftsatz vom 13.07.2006) erwiderte der Anwalt des Klägers (Schriftsatz vom 06.09.2006), er habe vergeblich versucht, vom serbischen Postamt eine schriftliche Bescheinigung über die üblichen Postlaufzeiten im damaligen jugoslawischen Bereich im Januar 2002 zu erhalten. Mündlich sei ihm erklärt worden, dass so eine schriftliche (amtliche) Bescheinigung nur der Absender, also die Beklagte, vom serbischen Postamt verlangen könne. Ihm sei außerdem mündlich versichert worden, dass es einfach unmöglich sei, dass ein Schreiben aus Landshut, das beim deutschen Postamt am 10.01.2002 abgeliefert werde, schon am 15.01.2002 dem Kläger durch ein kleines Postamt in Jugoslawien (21234 Backi Jarak) zugestellt worden sei. Für Sammelpostsendungen aus der BRD bis zur Sammelstelle der einheimischen Post I. seien mindestens vier bis sechs Tage erforderlich und dann noch zwei/drei Tage für die Zustellung an den Adressaten. Dies würde bedeuten, dass sein Mandant den Tag des Zugangs des Widerspruchsbescheides mit dem 15.01.2002 falsch bzw. irrtümlich angegeben habe und es sich wahrscheinlich um den 17./18.01.2002 (?) handeln könnte.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.01.2007 ab, weil sie wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig sei. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 16.06.2006 ausdrücklich den Erhalt des Widerspruchsbescheides am 15.01.2002 bescheinigt. Die "Klage vom 06.04.2002" sei jedoch beim Sozialgericht erst am 16.04.2002 eingegangen und verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil der Kläger hierfür keine Gründe vorgetragen und auch nach dem Akteninhalt hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte offensichtlich seien. Die längeren Laufzeiten von Schreiben seien dem Bevollmächtigten des Klägers bereits aus dem Briefverkehr in einer Vielzahl von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bekannt gewesen. Der Postlauf betrage in "guten Zeiten" immerhin noch regelmäßig eine Woche, und zwei Wochen seien nicht selten.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt der Kläger sein Rentenbegehren weiter und trägt erneut vor, die Klage sei tatsächlich und fristgerecht am 06.04.2002, also entweder neun oder zehn Tage vor Ablauf der Klagefrist, beim Postamt in R. als Einschreiben abgegeben bzw. eingelegt worden.

Der Senat hat eine Auskunft der Deutschen Post AG vom 01.06.2007 eingeholt, die angab, keine genauen Angaben zu ehemaligen Brieflaufzeiten machen zu können, weil verbindliche Daten aus dem Jahre 2002 nicht vorlägen und Laufzeitmessungen für Briefsendungen erst seit zwei Jahren durchgeführt würden. Nach aktuellen Laufzeitmessungen benötigten prioritaire Briefsendungen nach und von Serbien ca. vier bis fünf Werktage (ohne Einrechnung der Samstage und Sonntage), bei Einschreibsendungen eventuell einen bis zwei Tage mehr. Laufzeitmessungen für das Jahr 2002 lägen nur für Paketsendungen vor. Die Laufzeiten für prioritaire Paketsendungen hätten bei vier bis sieben Werktagen gelegen, bei nicht-prioritairen Paketsendungen bei sieben bis zehn Werktagen, wenn es nicht bei großformatigen Sendungen zur Zollgestellung komme. Hierbei handele es sich um Erfahrungswerte und keine Laufzeitgarantien; es komme immer wieder vor, dass einzelne Sendungen etwas längere Zeit benötigten. Weiterhin ist der Kläger vom Senat auf dessen Erfahrungswerte zu Laufzeiten von Briefen zwischen der BRD und dem ab 1997 bestehenden "Restjugoslawien" (Serbien, Vojvodina, Montenegro) insbesondere im Jahre 2002 hingewiesen worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 09.01.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.05.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2002 aufzuheben und die Beklagte (gemäß seinem Vergleichsangebot vom 16.06.2006) zu verurteilen, Rente wegen einer im März 2003 eingetretenen vollen Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die ehemaligen abgeschlossenen und die jetzigen Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Hierüber konnte der Senat im Einvernehmen mit beiden Prozessbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 SGG).

Die Frist zur Einlegung der Klage - bei Bekanntgabe eines Verwaltungsakts oder Widerspruchsbescheids im Ausland drei Monate anstelle des üblichen einzigen Monats (§ 87 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 SGG) - begann einen Tag nach Zugang des Widerspruchs beim Kläger am 15.01.2002, also am 16.01.2002 zu laufen und endete mit dem 15.04.2002, einem Montag (§ 64 Abs.1 und Abs.2 SGG).

Zur Wirksamkeit des Widerspruchsbescheides und zum In-Lauf-Setzen der Rechtsmittelfrist war nicht, wie der Bevollmächtigte des Klägers meinte, eine Zustellung des Widerspruchsbescheids mit Einschreiben, also eine "förmliche" Bekanntgabe notwendig. Durch Art.1 Nr.2 des 5. SGG-Änderungsgesetzes vom 30.03.1998 (BGBl.I S.638) ist mit Wirkung ab 01.06.1998 die Notwendigkeit der Zustellung des Widerspruchsbescheids aufgehoben worden. Seitdem genügt für das Wirksamwerden die bloße Bekanntgabe (§ 85 Abs.3 Satz 1 SGG n.F.); dementsprechend wurde auch für den Beginn der Klagefrist auf die Bekanntgabe abgestellt (§ 87 Abs.2 n.F.).

Vom Zugang des Widerspruchsbescheids an den Kläger am 15.01.2002 ist der Senat überzeugt. Zum einen ist der Tag des Zugangs auf dem Original des Widerspruchsbescheides vermerkt worden. Zum anderen hat der Bevollmächtigte des Klägers, der im Urteil des Senats vom 15.09.2005 auf die maßgebenden Bekanntgabe- und Eingangsdaten, auf die Problematik der Verfristung der Klage sowie die in diesem Zusammenhang noch offenen oder zumindest zweifelhaften Fragen hingewiesen worden ist, auf konkretes Befragen hierzu durch das Sozialgericht bestätigt, dass der Widerspruchsbescheid am 15.01.2002 zugegangen sei (vgl. Schriftsatz vom 16.06.2006). Nachträglich vermögen hieran beim Senat keine Zweifel dadurch entstehen, dass der Bevollmächtigte des Klägers erstmals mit Schriftsatz vom 06.09.2006 die relativ kurze Laufzeit des Widerspruchsbescheides von sechs Tagen (mit Absende- und Eingangstag) wieder in Zweifel zog und den 17./18. Januar 2002 als Tag des Zugangs wahrscheinlicher als den 15.01.2002 ansah. Der Senat hat auf das früher vom Kläger angegebene und auf Nachfrage bestätigte Datum des Zugangs des Widerspruchsbescheids ebenso vertraut wie auf die wahrheitsgemäße und genaue Angabe des Klägers, dass ihm der vorausgehende Bescheid vom 31.05.2001 (zur Post gegeben am 01.06.2001) erst am 26.06.2001 zugegangen sei. Die präzisen Angaben des Klägers lassen keinen Spielraum, wie es bei ungefähren Angaben der Fall gewesen wäre, zu und zeigen auf, dass dem Kläger die Wichtigkeit der Eingangsdaten bekannt gewesen ist und er auch für die "Fixierung" gesorgt hatte. Eine Laufzeit des Widerspruchsbescheids von sechs Tagen (mit Absende- und Zugangstag) wird im Übrigen noch von der vom Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 06.09.2006 angegebenen Mindest- bzw. Minimallaufzeit gedeckt und widerspricht keinesfalls den Erfahrungen des Senats. Die Laufzeit von Schriftgut, das per Sammelpost und ohne Notwendigkeit der förmlichen Zustellung (Einschreiben) transportiert wird, weicht nicht nur äußerst selten, sondern des Öfteren von der zumeist anzutreffenden Laufzeit der sonstigen Briefpost von 8 bis 14 Tagen nach unten ab, wie andererseits auch manchmal Briefe mit einer längeren Laufzeit von 20 Tagen und mehr zu verzeichnen sind.

Bei Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids am 15.01.2002 ist die Klagefrist mit dem 15.04.2002, am Montag um 24.00 Uhr) abgelaufen. Unerheblich ist für die Verfristung der Klage, ob die Versäumung der Frist wegen eines einzigen Tages oder mit mehreren Tagen erfolgte.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) war dem Kläger nicht zu gewähren. Weder nach den aktenkundigen Umständen noch nach ihrem Vortrag ist ersichtlich, dass die Klagepartei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert war, also auch bei der Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klagefrist von drei Monaten anstelle der Inlandsfrist von einem Monat sehr reichlich bemessen ist und ein Beteiligter zwar die Frist bis zum Ende ausschöpfen kann, andererseits sich die Sorgfaltspflicht zum Ende der Frist erhöht. Zu bedenken ist vorliegend insbesondere, dass ein Schriftsatz vor Ablauf der Klagefrist bei Gericht auch tatsächlich eingegangen sein muss und dass sich aus dem Lauf der Post durch mindestens zwei nicht befreundete oder sich sonstwie nahestehenden Staaten längere Beförderungszeiten als nur in einem Land ergeben.

Es kommt keinesfalls auf eine reguläre Postlaufzeit nur in einem Land an, wie möglicherweise der Bevollmächtigte des Klägers unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einer Frist von vier Tagen für ein Einschreiben meinte. Abzustellen ist auf den "üblichen Postlauf" auf dem Weg vom Adressaten zum Empfänger. Ein Verschulden liegt dann nicht vor, wenn das Schriftstück ordnungsgemäß adressiert und den postalischen Bestimmungen entsprechend richtig frankiert so rechtzeitig zur Post gegeben ist, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post (oder mehrerer Postunternehmen) bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht hätte. Allerdings kann vorliegend nicht von zeitlich eng fixierten regelmäßigen Laufzeiten ausgegangen werden; es gibt keine faktisch "garantierten" Mindest- bzw. Höchstlaufzeiten oder weitaus überwiegend zutreffende Laufzeiten (so z.B. feste Werte bei 93 % der Sendungen wie in der BRD), ebenso wenig durch Aushang bekannt gegebene oder sonstwie veröffentlichte Daten. Zugrunde gelegt werden können nur Erfahrungswerte über zeitlich stets in gewissem Rahmen wechselnde Laufzeiten, vorliegend im Frühjahr 2002 zwischen 7 und 14 Tagen, wobei aber keineswegs seltene Ausnahmen hiervon möglich sind. Der Senat, der seit mindestens 15 Jahren im Gebiet des Rentenversicherungsrechts mit zahlreichen Berufungen von in Jugoslawien wohnhaften Klägern gegen Urteile insbesondere des Sozialgerichts Landshut tätig ist, orientiert sich hier an seinen Erfahrungswerten insbesondere aus dem Frühjahr 2002, die er vor allem anlässlich der Prüfung von Berufungsfristen (Zeit für die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils und Laufzeit der Berufungsschrift) und des Zugangs von Beschlüssen, Ladungen und Terminsmitteilungen gewonnen hat (und die im Übrigen in der Zeit von 2000 bis 2007 im Wesentlichen unverändert geblieben sind). Für die in Rest-Jugoslawien wohnhaften Kläger im Frühjahr 2002 war z.B. zwischen Absendung der Terminsmitteilungen (Einschreiben/Rückschein) und Rücklauf des Rückscheins vorsorglich eine Zeit von einem Monat bzw. vier Wochen vorgesehen und erschien dem Senat eine Zeit von zwei Wochen (z.B. zweimal sieben Tage) oder drei Wochen (z.B. zweimal zehn Tage) in den meisten Fällen eindeutig zu kurz für Hin- und Rücklauf der Post (Einschreiben und Rückschein).

Gemessen an einer Rahmenzeit von 7 bis 14 Tagen fällt die Laufzeit der vorliegenden Klageschrift vom 06.04.2002 nicht aus dem Rahmen des Üblichen. Es handelt sich unter Mitrechnung von Samstag und Sonntag (13. und 14.02.2002) nur um acht Tage. Insoweit haben der Anwalt des Klägers und auch das Sozialgericht den zutreffenden Sachverhalt nicht richtig wiedergegeben. Ausgegangen werden darf nicht von einer am 06.04.2002 beginnenden Postlaufzeit. Richtig ist vielmehr, dass die Klage, die laut Vermerk auf dem Widerspruchsbescheid offenbar bis zum 04. oder 05.04. erledigt werden sollte, am 02.04.2002 (Datum der Vollmacht) möglicherweise besprochen wurde, mit Datum vom 06.04.2002 (Samstag) geschrieben wurde und der dazugehörige Brief erst am 08.04.2002 (Montag) um 14.00 Uhr in R. zur Post gegeben wurde; dies ergibt sich eindeutig aus dem auf dem Briefumschlag angebrachten Einschreibe-Aufkleber der jugoslawischen Post in R ... Die Postlaufzeit bis zum Eingang beim Sozialgericht am 16.04.2002 betrug damit knapp acht Tage, davon sechs Werktage und ein Samstag und ein Sonntag.

Diese Frist deckt sich mit den Erfahrungswerten des Senats für Frühjahr 2002 bei einer Rahmenzeit noch im unteren Bereich, den Erfahrungswerten der Post für Einschreiben (2007) und für Päckchen (2002) sowie auch durchaus mit den vom Bevollmächtigten des Klägers für 2002 angegebenen Minimalwerten (mindestens vier bis sechs Tage Beförderung der Briefe von Postamt zu Postamt zuzüglich zwei bis drei Tage Zustellung) bei im Übrigen offenen "regulären" Höchstwerten (im Übrigen auch mit der Laufdauer der jetzigen Berufung im Jahre 2007 von neun Tagen und mit der früheren im Jahre 2005 eingelegten Berufung von zehn Tagen).

Ein Vertrauen des Klägers auf eine Laufzeit von höchstens sieben Tagen, zumal bei einem erst nachmittags zur Post gegebenen Einschreiben, ist von ihm nicht behauptet, geschweige denn schlüssig dargelegt worden. Dies erscheint auch - nebenbei gesagt - kaum möglich, weil der Bevollmächtigte des Klägers bei mehrmaligen Vertretungen serbischer Staatsbürger bei deutschen Gerichten und Versicherungsträgern um den durchaus nicht zügigen Postverkehr zwischen Jugoslawien und der BRD mit den nahezu schon als regelmäßig zu bezeichnenden Verzögerungen wissen muss; im Übrigen hat auch der Kläger mit der Postlaufzeit des Bescheids vom 31.05.2001 von 26 Tagen, auf die die Beklagte den Kläger hingewiesen und dieser dann eine Verzögerung geltend gemacht hatte, einen konkreten warnenden Hinweis erhalten. Der Kläger durfte als sorgfältig handelnder Prozessführender nicht mit einer Regel-Laufzeit bis höchstens sieben Tagen rechnen. Nur bei einer solchen Laufzeit wäre aber seine Klage noch rechtzeitig eingegangen.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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