L 11 R 1349/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1349/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 8. März 1972 geborene Klägerin ist gelernte datentechnische Assistentin und war in der Gastronomie, als Lebensmittelverkäuferin sowie zuletzt als Luftsicherheitsbeauftrage am Flughafen beschäftigt. Am 21. Februar 2000 erlitt sie auf dem Weg zur Arbeit einen schweren Verkehrsunfall mit Polytrauma, insbesondere im Bereich des Schädels. Wegen der Unfallfolgen erhält die Klägerin von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BG) eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. (Bescheid vom 25. Juni 2004).

Die Beklagte gewährte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Mai 2002, befristet bis 30. September 2004 (Bescheide vom 30. Januar 2003 und 17. Juni 2004). Grundlage hierfür waren die Gutachten des Internisten Dr. D. (keine relevanten Beeinträchtigungen auf internistischem Fachgebiet), des Chirurgen Dr. G. (Diagnosen: Schultereckgelenksprengung, Polytrauma; Leistungseinschätzung: leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr möglich, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten und Überkopfarbeiten) sowie des Nervenarztes Dr. B. (Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung mit Verdacht auf neurotische Fehl- und Versagenshaltung, chronisches Schmerzsyndrom; Leistungseinschätzung: leichte körperliche Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden möglich, ständig bis überwiegend im Sitzen, ohne besondere Stressfaktoren, bei Vermeidung von Bücken, Klettern und Steigen sowie Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg).

Den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. August 2004 und Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2004 ab. Sie stützte sich dabei auf das Gutachten des Nervenarztes Dr. S. (Diagnosen: persistierende funktionell überlagerte Schmerzsymptomatik; Leistungseinschätzung: leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr möglich, überwiegend im Sitzen, ohne überdurchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations-, Umstellungs- und Auffassungsvermögen, ohne häufiges Bücken, Heben oder Tragen, ohne Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefährdung).

Die Klägerin hat hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W. hat als sachverständiger Zeuge erklärt, der Gesundheitszustand der Klägerin, insbesondere der Allgemeinzustand, habe sich leicht verschlechtert. Die chronischen Schmerzen seien weitgehend unverändert, gehäuft seien Klagen über Erstickungsanfälle und Kreislaufprobleme. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.

Mit Urteil vom 19. Januar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) über den 30. September 2004 hinaus, da sie nicht erwerbsgemindert sei. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. S., während Dr. W. keine weiteren Befunde hinsichtlich des Schmerzsyndrom mitgeteilt habe und die Klägerin diesbezüglich auch nicht in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung sei, was darauf schließen lasse, dass der hierdurch verursachte Leidensdruck zwischenzeitlich zurückgegangen sei.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 14. Februar 2007 zugestellte Urteil am 14. März 2007 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, das SG hätte ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen, da das Gutachten von Dr. S. nicht verwertbar sei. Außerdem seien die Ärzte, bei denen sie wegen der Folgen des Schädelhirntrauma in Behandlung sei, zu befragen. Dr. W. müsse im Hinblick auf den Widerspruch zwischen seinen Feststellungen und denjenigen von Dr. S. ergänzend gehört werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Januar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 30. September 2004 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es sei ein stabilisierter körperlicher und seelischer Zustand festgestellt worden. Hinweise auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich nicht ergeben.

Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin angegeben, derzeit nicht in nervenärztlicher oder schmerztherapeutischer Behandlung zu sein. Zuletzt sei sie bis März 2004 schmerztherapeutisch behandelt worden.

Der Senat hat die Akten der BG beigezogen (insbesondere das im Auftrag der BG erstattete neurologische Gutachten von Prof. Dr. S.). Die Beklagte hat hierzu nach Anhörung ihres beratungsärztlichen Dienstes erklärt, es bestünden lediglich Sensibilitätsstörungen am Nervus trigeminus rechts, der psychopathologische Befund weise keine großen Auffälligkeiten auf. Es bleibe bei der bisherigen Leistungsbeurteilung.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 30. September 2004 hinaus.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich ausüben kann. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen und die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren sind ergänzende Ausführungen angezeigt.

Es bleibt dabei, dass eine quantitative Leistungsminderung im maßgeblichen Zeitraum nicht nachgewiesen ist.

Die Begutachtung der Klägerin im Verwaltungsverfahren ergab auf nervenärztlichem Fachgebiet ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen. Dr. S. führtet in dem Gutachten aus, dass bei der Klägerin zwar weiterhin nach dem im Jahr 2000 erlittenen Unfall mit Polytrauma und Schädelhirntrauma eine persistierende, funktionell überlagerte Schmerzsymptomatik bestehe. Eine depressive Verstimmung sei jedoch nicht mehr feststellbar und es gebe auch keinen ausreichenden Anhalt für eine gravierende posttraumatische Belastungsstörung. Dr. W., der im Rahmen der sich anschließenden gerichtlichen Beweiserhebung gehört worden ist, hat unverändert bestehende chronische Schmerzen bestätigt. Weitere Befunde hinsichtlich des Schmerzsyndroms hat er nicht genannt. Die schmerztherapeutische Behandlung durch Dr. M.-S. ist seit April 2004 beendet. Ein Befundbericht von Dr. M.-S. über die bis dahin durchgeführte Behandlung wurde im Verwaltungsverfahren eingeholt und von Dr. S. berücksichtigt. Das von Dr. S. erstattete Gutachten ist - wie vom SG ausgeführt - nicht zu beanstanden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Senat beigezogenen die Akten der BG. Diese stützen vielmehr die Einschätzung von Dr. S., was auch der beratungsärztliche Dienst der Beklagten in einer für den Senat nachvollziehbar Weise bestätigt hat. Die im Gutachten von Prof. Dr. S. beschriebene Sensibilitätsstörung des Nervus trigeminus im Narbenbereich kann eine Leistungseinschätzung von vornherein nicht begründen. Ob die gleichfalls beschriebene Unfallfehlverarbeitung mit reaktiv-depressiver Verstimmung noch vorliegt, nachdem Dr. S. eine depressive Verstimmung nicht mehr feststellen konnte, kann dahingestellt bleiben. Dem kann jedenfalls durch die von Dr. S. angenommenen qualitativen Leistungseinschränkungen der Vermeidung überdurchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations-, Umstellungs- und Auffassungsvermögen, ergänzt durch die von Prof. Dr. S. weiter aufgeführte Einschränkung für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und häufigem Sprechen, ausreichend Rechnung getragen werden. Im Übrigen sah Prof. Dr. S. einerseits die Möglichkeit einer ambulanten neurologisch-psychiatrischen Therapie als gegeben, andererseits leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als noch ausführbar an. Eine posttraumatische Belastungsstörung - der wesentliche Grund für die Gewährung der Zeitrente - ist von Prof. Dr. S. ausdrücklich verneint worden.

Auf chirurgischem Fachgebiet wurde die Klägerin bereits anlässlich ihres Erstantrags auf Gewährung einer Rente begutachtet. Dr. G. vertrat schon damals die Auffassung, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten vollschichtig möglich seien. Einschränkungen der Klägerin auf chirurgischem Fachgebiet gehen auch nicht aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. W., die vom SG eingeholt worden ist, hervor. In fachärztlicher Behandlung befindet sich die Klägerin insoweit nicht.

Ebenso verhält es sich mit den Beschwerden der Klägerin auf internistischem Fachgebiet. Diesbezüglich stellt sich Dr. D. im November 2002 im Zusammenhang mit dem Erstantrag der Klägerin auf den Standpunkt, dass die Klägerin vollschichtig leistungsfähig sei. Die Klägerin hat hierzu nichts Abweichendes vorgetragen und auch sonst ist nichts ersichtlich, warum diese Einschätzung nicht zutreffend sein sollte.

Da die Klägerin nach dem 2. Januar 1961 geboren ist, kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI nicht in Betracht.

Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen sind, nachdem sich die Klägerin derzeit weder in nervenärztlicher noch in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, nicht ersichtlich. Der Sachverhalt ist damit geklärt. Anfragen bei den die Klägerin früher behandelnden Ärzten wären solche ins Blaue hinein, die der Senat nicht vorzunehmen hat. Dies gilt auch für eine ergänzende Nachfrage bei Dr. W., nachdem nicht einmal ansatzweise vorgetragen worden ist, dass sich die zuvor mitgeteilten Befunde verschlechtert hätten oder welche weiteren Befunde Dr. W. mitteilen könnte. Den entsprechenden Antrag der Klägerin, Dr. W. als sachverständigen Zeugen zu hören, lehnt der Senat daher ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved