Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2970/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 4481/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II kommt von vornherein nur in
Betracht, wenn damit langfristig der Erhalt der Wohnung gesichert werden kann.
Dies ist nicht mehr der Fall, wenn bereits eine wirksame Vermieterkündigung ausgesprochen
worden ist und ein Räumungstitel vorliegt.
Eine Leistung nach § 22 Abs. 5 SGB II zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt.
Betracht, wenn damit langfristig der Erhalt der Wohnung gesichert werden kann.
Dies ist nicht mehr der Fall, wenn bereits eine wirksame Vermieterkündigung ausgesprochen
worden ist und ein Räumungstitel vorliegt.
Eine Leistung nach § 22 Abs. 5 SGB II zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. August 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 16.08.2007, mit dem dieses den auf die Übernahme ihrer Mietschulden gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die 1957 geborene Antragstellerin wohnt zusammen mit ihren 27, 11 und 7 Jahre alten Töchtern (wobei sich ihre älteste Tochter unter der Woche zum Zwecke der Ausbildung in N. aufhält) in einer 5-Zimmerwohnung mit 90 m², für die eine monatliche Bruttomiete von 876,00 EUR anfällt. Seit Februar 2007 - bis Anfang April 2007 bezog sie noch Arbeitslosengeld - bezahlt sie keinen Mietzins mehr an die Vermieterin. Auf deren Räumungsklage vom 23.04.2007 wurde die Antragstellerin am 05.06.2007 verurteilt, die Wohnung zu räumen. Seit 29.06.2007 bezieht die Antragstellerin Arbeitslosengeld II. Ihren Antrag vom 06.08.2007, die ausstehenden Mietschulden zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2007 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 ab, da die Kaltmiete über der Mietobergrenze für Vaihingen liege. Die Antragsgegnerin gab den Widerspruchsbescheid noch am 14.09.2007 mit einfachem Brief zur Post. Am 31.10.2007 erhob die Antragstellerin Klage (S 9 AS 3943/07) zum SG und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie selbst sei nicht in der Lage gewesen zu überblicken, dass sie trotz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Klage gegen den Ablehnungsbescheid (Widerspruchsbescheid) hätte erheben müssen. Ihre Bevollmächtigte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren habe keine Kenntnis vom Stand des Verfahrens in der Hauptsache gehabt.
Den von der Antragstellerin am 08.08.2007 beim SG gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte dieses mit dem angefochtenen Beschluss ab, weil die Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien.
Dagegen hat die Antragstellerin am 13.09.2007 Beschwerde eingelegt, mit der sie einen Anspruch auf ein vorläufiges Darlehen in Höhe von 8.776,54 EUR zur Begleichung ihrer Mietschulden geltend macht. Zur Begründung bringt sie vor, sie habe bislang vergeblich versucht, eine andere Wohnung zu finden. Dies sei aber für eine 50-jährige alleinerziehende Arbeitslose mit zwei sieben und zehn Jahre alten Kindern und einer zu 100% schwerbehinderten Tochter schwierig. Ihre jetzige Wohnung sei in jedem Fall erhaltenswert, da keine andere verfügbar sei und der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses ermöglichen würde, wenn dem Antrag auf Übernahme der Mietschulden entsprochen werden würde. Es sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, weil aufgrund des vorliegenden Versäumnisurteils immer noch die Räumung der Wohnung durch die Vermieterin drohe. Hierzu legt sie die Schreiben vom 20.08., 15.10. und 07.11.2007 vor. Im Schreiben vom 15.10.2007 teilt der Ehemann der Vermieterin der Antragstellerin mit, dass die Vermieterin beabsichtige, die Zwangsvollstreckung im Dezember fortzusetzen, falls die rückständigen Miet- und Nebenkostenzahlungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen seien.
Die Antragsgegnerin hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Es liege bereits ein rechtskräftiges Räumungsurteil vor, sodass die Unwirksamkeit der Kündigung des Mietvertrages durch die Zahlung der Mietschulden nicht mehr herbeigeführt werden könne. Zudem sei die Wohnung der Antragstellerin nicht erhaltenswert. Im Übrigen sei die am 31.10.2007 erhobene Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anordnungsanspruch ist § 22 Abs. 5 SGB II (in der Fassung des Artikels 1 Nr. 6 c des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006, BGBl I Seite 558). Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können danach auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Mit dieser zum 1. April 2006 in Kraft getretenen Änderung des § 22 Abs. 5 SGB II ist die Übernahme von Schulden (Mietschulden und/oder Energieschulden), die für die Sicherung der Unterkunft unabweisbar ist, unmittelbar im SGB II und nicht mehr durch Verweis auf § 34 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt worden, ohne dass das bis dahin in der Sozialhilfepraxis übliche Verfahren in der Sache geändert werden sollte (vgl. BT-Drucks 16/688 S. 14). Daher kann zur Auslegung von § 22 Abs. 5 SGB II ohne weiteres auf Literatur und Rechtsprechung zu § 34 SGB XII und zu der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Vorgängervorschrift § 15a BSHG zurückgegriffen werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2007 - L 28 B 269/07 AS -).
Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes braucht nicht geklärt zu werden, ob der Anspruch auf Übernahme von Mietschulden sämtlichen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu gleichen Anteilen oder - abweichend vom Regelungskonzept des SGB II im Übrigen - nur demjenigen zusteht, der den zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt ist, weil ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden vorliegend ausscheidet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2007 - L 28 B 269/07 AS -).
Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II kommt von vornherein nur in Betracht, wenn damit langfristig der Erhalt der Wohnung gesichert werden kann. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn - wie hier - bereits eine wirksame Vermieterkündigung ausgesprochen worden ist und ein Räumungstitel vorliegt. Die Begleichung der Mietrückstände führt in einem solchen Fall nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Denn die Antragstellerin hat die Mietrückstände nicht innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB beglichen und kann dies auch nicht mehr. Nach der genannten Vorschrift wird die außerordentliche (fristlose) Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Erklärung des Ehemanns der Vermieterin vom 07.11.2007, die dieser gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin schriftlich abgegeben hat. Darin führt er aus, der Räumungsgrund für die Wohnung sei nicht mehr gegeben, wenn die rückständigen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag beglichen seien. Wenn die Mietzahlungen dauerhaft gesichert seien, könne auch das Mietverhältnis fortgesetzt werden. Seien diese Rahmenbedingungen gegeben, könne auf die Rechte aus dem Räumungstitel verbindlich verzichtet werden. Damit hat die Vermieterin den Verzicht auf die Rechte aus dem Räumungstitel nicht nur von der Begleichung der Mietrückstände abhängig gemacht, sondern auch von der dauerhaften Sicherung künftiger Mietzahlungen. Daraus folgt, dass allein mit der Begleichung der rückständigen Miete ein langfristiger Erhalt der Mietwohnung nicht gesichert ist.
Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin der Auffassung ist, dass die Kosten der Unterkunft ohnehin unangemessen hoch sind. Dieser Einwand ist beachtlich, da eine Leistung nach § 22 Abs. 5 SGB II zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist (so auch Berlit aaO § 22 RdNr. 112 mit Hinweisen auf entsprechende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; Mester aaO S. 100; LSG Berlin-Brandenburg, aaO; ebenso zu § 34 SGB XII LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2006 - L 7 SO 2938/06 B-ER, zitiert nach juris, dort RdNr. 5). Denn auch die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zeigt, dass ein langfristiger Erhalt unangemessen teurer Wohnungen nicht erwünscht ist. Den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird auch im Rahmen dieser Regelung lediglich eine zeitlich überschaubare Frist eingeräumt, innerhalb derer sie die Möglichkeit haben, die Kosten für die Unterkunft auf das angemessene Maß zu senken. Die gleichzeitige Übernahme von Mietschulden ist hierfür nicht notwendig, denn es verbleibt mit der Übernahme von laufenden Mietkosten - wie auch der vorliegende Fall zeigt - zumeist die vom Gesetzgeber vorgesehene Frist zur Suche einer angemessenen Wohnung. Nur wenn aufgrund des örtlichen Wohnungsmarktes die Möglichkeit der Kostensenkung durch Umzug nicht besteht, sind die laufenden Aufwendungen dauerhaft und in Konsequenz dazu auch die Mietschulden zu übernehmen (LSG Berlin-Brandenburg, aaO). Diesem Gesichtspunkt muss hier angesichts des vorliegenden Räumungstitels nicht mehr weiter nachgegangen werden.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall u. U. schon deshalb kein Anordnungsanspruch (mehr) besteht, weil der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf ein vorläufiges Darlehen zur Begleichung ihrer Mietschulden von der Antragsgegnerin inzwischen verbindlich abgelehnt worden ist. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn es sich um einen Anspruch handelt, der nur der Antragstellerin zusteht. Denn der von der Antragsgegnerin erteilte Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 wäre in diesem Fall bestandskräftig geworden, was zur Folge hätte, dass die mit diesem Bescheid und dem Ausgangsbescheid vom 07.08.2007 erfolgte Verneinung des Anspruchs gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden wäre. Das Verfahren der Regelungsanordnung ist insofern unabhängig von einem Vorverfahren bzw. dem Verfahren in der Hauptsache (Beschluss des Senats vom 28.02.2007 - L 8 AS 5698/06 ER-B -; Spellbrink, Sozialrechtaktuell 2007, 1, 3; HessLSG 24.04.2006 - L 9 AS 39/06 ER).
Der Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 ist nach dem in der Verwaltungsakte angebrachten Vermerk noch am selben Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben worden. Er gilt daher gemäß § 37 Abs. 2 SGB X am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Die Klagefrist von einen Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 SGG) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 31.10.2007 längst abgelaufen und Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie habe nicht gewusst, dass sie trotz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Klage gegen den Widerspruchsbescheid erheben müsse, kann dies angesichts der ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid nicht als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden. Ob etwas Anderes gilt, wenn alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einen - anteiligen - Anspruch auf Übernahme der Mietschulden haben und in diesem Fall möglicherweise von einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ausgegangen werden müsste, kann offen bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 16.08.2007, mit dem dieses den auf die Übernahme ihrer Mietschulden gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die 1957 geborene Antragstellerin wohnt zusammen mit ihren 27, 11 und 7 Jahre alten Töchtern (wobei sich ihre älteste Tochter unter der Woche zum Zwecke der Ausbildung in N. aufhält) in einer 5-Zimmerwohnung mit 90 m², für die eine monatliche Bruttomiete von 876,00 EUR anfällt. Seit Februar 2007 - bis Anfang April 2007 bezog sie noch Arbeitslosengeld - bezahlt sie keinen Mietzins mehr an die Vermieterin. Auf deren Räumungsklage vom 23.04.2007 wurde die Antragstellerin am 05.06.2007 verurteilt, die Wohnung zu räumen. Seit 29.06.2007 bezieht die Antragstellerin Arbeitslosengeld II. Ihren Antrag vom 06.08.2007, die ausstehenden Mietschulden zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.08.2007 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 ab, da die Kaltmiete über der Mietobergrenze für Vaihingen liege. Die Antragsgegnerin gab den Widerspruchsbescheid noch am 14.09.2007 mit einfachem Brief zur Post. Am 31.10.2007 erhob die Antragstellerin Klage (S 9 AS 3943/07) zum SG und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie selbst sei nicht in der Lage gewesen zu überblicken, dass sie trotz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Klage gegen den Ablehnungsbescheid (Widerspruchsbescheid) hätte erheben müssen. Ihre Bevollmächtigte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren habe keine Kenntnis vom Stand des Verfahrens in der Hauptsache gehabt.
Den von der Antragstellerin am 08.08.2007 beim SG gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte dieses mit dem angefochtenen Beschluss ab, weil die Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien.
Dagegen hat die Antragstellerin am 13.09.2007 Beschwerde eingelegt, mit der sie einen Anspruch auf ein vorläufiges Darlehen in Höhe von 8.776,54 EUR zur Begleichung ihrer Mietschulden geltend macht. Zur Begründung bringt sie vor, sie habe bislang vergeblich versucht, eine andere Wohnung zu finden. Dies sei aber für eine 50-jährige alleinerziehende Arbeitslose mit zwei sieben und zehn Jahre alten Kindern und einer zu 100% schwerbehinderten Tochter schwierig. Ihre jetzige Wohnung sei in jedem Fall erhaltenswert, da keine andere verfügbar sei und der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses ermöglichen würde, wenn dem Antrag auf Übernahme der Mietschulden entsprochen werden würde. Es sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, weil aufgrund des vorliegenden Versäumnisurteils immer noch die Räumung der Wohnung durch die Vermieterin drohe. Hierzu legt sie die Schreiben vom 20.08., 15.10. und 07.11.2007 vor. Im Schreiben vom 15.10.2007 teilt der Ehemann der Vermieterin der Antragstellerin mit, dass die Vermieterin beabsichtige, die Zwangsvollstreckung im Dezember fortzusetzen, falls die rückständigen Miet- und Nebenkostenzahlungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen seien.
Die Antragsgegnerin hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Es liege bereits ein rechtskräftiges Räumungsurteil vor, sodass die Unwirksamkeit der Kündigung des Mietvertrages durch die Zahlung der Mietschulden nicht mehr herbeigeführt werden könne. Zudem sei die Wohnung der Antragstellerin nicht erhaltenswert. Im Übrigen sei die am 31.10.2007 erhobene Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anordnungsanspruch ist § 22 Abs. 5 SGB II (in der Fassung des Artikels 1 Nr. 6 c des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006, BGBl I Seite 558). Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können danach auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Mit dieser zum 1. April 2006 in Kraft getretenen Änderung des § 22 Abs. 5 SGB II ist die Übernahme von Schulden (Mietschulden und/oder Energieschulden), die für die Sicherung der Unterkunft unabweisbar ist, unmittelbar im SGB II und nicht mehr durch Verweis auf § 34 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt worden, ohne dass das bis dahin in der Sozialhilfepraxis übliche Verfahren in der Sache geändert werden sollte (vgl. BT-Drucks 16/688 S. 14). Daher kann zur Auslegung von § 22 Abs. 5 SGB II ohne weiteres auf Literatur und Rechtsprechung zu § 34 SGB XII und zu der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Vorgängervorschrift § 15a BSHG zurückgegriffen werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2007 - L 28 B 269/07 AS -).
Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes braucht nicht geklärt zu werden, ob der Anspruch auf Übernahme von Mietschulden sämtlichen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu gleichen Anteilen oder - abweichend vom Regelungskonzept des SGB II im Übrigen - nur demjenigen zusteht, der den zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt ist, weil ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden vorliegend ausscheidet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2007 - L 28 B 269/07 AS -).
Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II kommt von vornherein nur in Betracht, wenn damit langfristig der Erhalt der Wohnung gesichert werden kann. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn - wie hier - bereits eine wirksame Vermieterkündigung ausgesprochen worden ist und ein Räumungstitel vorliegt. Die Begleichung der Mietrückstände führt in einem solchen Fall nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Denn die Antragstellerin hat die Mietrückstände nicht innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB beglichen und kann dies auch nicht mehr. Nach der genannten Vorschrift wird die außerordentliche (fristlose) Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Erklärung des Ehemanns der Vermieterin vom 07.11.2007, die dieser gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin schriftlich abgegeben hat. Darin führt er aus, der Räumungsgrund für die Wohnung sei nicht mehr gegeben, wenn die rückständigen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag beglichen seien. Wenn die Mietzahlungen dauerhaft gesichert seien, könne auch das Mietverhältnis fortgesetzt werden. Seien diese Rahmenbedingungen gegeben, könne auf die Rechte aus dem Räumungstitel verbindlich verzichtet werden. Damit hat die Vermieterin den Verzicht auf die Rechte aus dem Räumungstitel nicht nur von der Begleichung der Mietrückstände abhängig gemacht, sondern auch von der dauerhaften Sicherung künftiger Mietzahlungen. Daraus folgt, dass allein mit der Begleichung der rückständigen Miete ein langfristiger Erhalt der Mietwohnung nicht gesichert ist.
Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin der Auffassung ist, dass die Kosten der Unterkunft ohnehin unangemessen hoch sind. Dieser Einwand ist beachtlich, da eine Leistung nach § 22 Abs. 5 SGB II zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist (so auch Berlit aaO § 22 RdNr. 112 mit Hinweisen auf entsprechende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; Mester aaO S. 100; LSG Berlin-Brandenburg, aaO; ebenso zu § 34 SGB XII LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2006 - L 7 SO 2938/06 B-ER, zitiert nach juris, dort RdNr. 5). Denn auch die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zeigt, dass ein langfristiger Erhalt unangemessen teurer Wohnungen nicht erwünscht ist. Den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird auch im Rahmen dieser Regelung lediglich eine zeitlich überschaubare Frist eingeräumt, innerhalb derer sie die Möglichkeit haben, die Kosten für die Unterkunft auf das angemessene Maß zu senken. Die gleichzeitige Übernahme von Mietschulden ist hierfür nicht notwendig, denn es verbleibt mit der Übernahme von laufenden Mietkosten - wie auch der vorliegende Fall zeigt - zumeist die vom Gesetzgeber vorgesehene Frist zur Suche einer angemessenen Wohnung. Nur wenn aufgrund des örtlichen Wohnungsmarktes die Möglichkeit der Kostensenkung durch Umzug nicht besteht, sind die laufenden Aufwendungen dauerhaft und in Konsequenz dazu auch die Mietschulden zu übernehmen (LSG Berlin-Brandenburg, aaO). Diesem Gesichtspunkt muss hier angesichts des vorliegenden Räumungstitels nicht mehr weiter nachgegangen werden.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall u. U. schon deshalb kein Anordnungsanspruch (mehr) besteht, weil der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf ein vorläufiges Darlehen zur Begleichung ihrer Mietschulden von der Antragsgegnerin inzwischen verbindlich abgelehnt worden ist. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn es sich um einen Anspruch handelt, der nur der Antragstellerin zusteht. Denn der von der Antragsgegnerin erteilte Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 wäre in diesem Fall bestandskräftig geworden, was zur Folge hätte, dass die mit diesem Bescheid und dem Ausgangsbescheid vom 07.08.2007 erfolgte Verneinung des Anspruchs gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden wäre. Das Verfahren der Regelungsanordnung ist insofern unabhängig von einem Vorverfahren bzw. dem Verfahren in der Hauptsache (Beschluss des Senats vom 28.02.2007 - L 8 AS 5698/06 ER-B -; Spellbrink, Sozialrechtaktuell 2007, 1, 3; HessLSG 24.04.2006 - L 9 AS 39/06 ER).
Der Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 ist nach dem in der Verwaltungsakte angebrachten Vermerk noch am selben Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben worden. Er gilt daher gemäß § 37 Abs. 2 SGB X am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Die Klagefrist von einen Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 SGG) war zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 31.10.2007 längst abgelaufen und Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie habe nicht gewusst, dass sie trotz des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Klage gegen den Widerspruchsbescheid erheben müsse, kann dies angesichts der ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid nicht als Wiedereinsetzungsgrund gewertet werden. Ob etwas Anderes gilt, wenn alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einen - anteiligen - Anspruch auf Übernahme der Mietschulden haben und in diesem Fall möglicherweise von einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ausgegangen werden müsste, kann offen bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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