L 1 R 1163/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 21 R 3108/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 1163/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der 1947 geborene Kläger erlernte den Beruf des CNC Einrichters (computer-numeric-control) und arbeitete von 1973 bis Dezember 2005 als Automateneinrichter bei der D GmbH in B. Dabei handelte es sich nach Angaben des Rechtsnachfolgers des Arbeitgebers, der P GmbH, um eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit, die im Wechsel der Haltungsarten zu verrichten war und dem Anforderungsprofil eines Facharbeiters entsprochen habe. Der Kläger habe auch die entsprechende Ausbildung durchlaufen und sei dementsprechend in den Tarifvertrag eingruppiert worden.

Dieses Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvereinbarung zum 31. Dezember 2005.

Bereits am 27. September 2004 hatte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation bewilligt, die antragsgemäß vom 14. Oktober 2004 bis zum 03. November 2004 durchgeführt wurde. Der Entlassungsbericht vom 11. Oktober 2004 enthielt die Diagnosen:

- Zustand nach Anlage eines aortobifemoralen Bypasses am 17. September 2004 bei distalem Verschluss der Aaorta abdominalis,

- Diabetes mellitus Typ II,

- Hyperhomocysteinämie,

- Untergewicht, BMI 19,

- Chronisch obstruktive Bronchitis.

Der Kläger könne nur noch Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und diese auch nur noch maximal sechs Stunden täglich verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei nicht mehr zumutbar, da er als Automateneinrichter überwiegend im Stehen beziehungsweise Gehen arbeiten müsse.

Die Beklagte wertete den Rehabilitationsantrag als Rentenantrag und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 20. Januar 2005 mit, er habe Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Auf den Antrag des Klägers hin, mit dem er ausdrücklich Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte, ließ die Beklagte ihn durch die Internistin Dr. C untersuchen. In dem am 08. April 2005 erstatteten Gutachten stellt die Sachverständige folgende Diagnosen:

- pAVK, Zustand nach Anlage eines aortobifemoralen Bypasses September 2004,

- pankreopriver Diabetes mellitus,

- chronisch obstruktive Bronchitis,

- Untergewicht,

- trockener Alkoholiker.

Sie gelangte zu der Auffassung, der Kläger könne als Automateneinrichter überwiegend im Stehen und Umhergehen nicht mehr vollschichtig arbeiten. Für körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen jedoch sei er vollschichtig einsetzbar.

Mit weiterem Bescheid vom 22. April 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01. August 2004 nach einem am 19. Juli 2004 eingetretenen Versicherungsfall. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06. Juni 2006 zurück.

Hiergegen hat sich die am 27. Juni 2005 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger anstatt der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Das Sozialgericht hat Unterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte und Krankenanstalten beigezogen und sodann mit Beweisanordnung vom 18. Oktober 2005 den Internisten, Kardiologen und Angiologen Dr. S zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens über das dem Kläger verbliebene Leistungsvermögen beauftragt. In dem Gutachten vom 22. Dezember 2005 hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt:

- periphere arterielle Verschlusskrankheit pAVK,

- Zustand nach aortobifemoralem Bypass 2004,

- Diabetes mellitus seit 1980 auf Grundlage einer chronischen Pankreatitis bei chronischem Alkoholabusus bis 1980, insulinpflichtig,

- Alkoholerkrankung, Nikotinabusus bis zur Operation 2004,

- chronisch obstruktive Ventilationsstörung, LWS-Syndrom.

Aus internistisch-kardiologisch-angiologischer Sicht könne der Kläger ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten täglich noch regelmäßig leichte Arbeiten vollschichtig ausführen. Arbeiten unter extremen Witterungseinflüssen, an laufenden Maschinen sowie auf Leitern und Gerüsten müssten ebenso wie Wechsel- und Nachtschicht vermieden werden. Er könne zwischenzeitlich Lasten von bis zu 10 kg heben und tragen, wobei sich allerdings Einschränkungen durch das langjährige Lendenwirbelsäulensyndrom ergeben werden. Er könne teilweise im Gehen, Stehen und Sitzen arbeiten. Der Kläger sei wegefähig.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 06. Juli 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, da sein Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch für eine Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden täglich ausreiche, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen sei. Dies ergebe sich aus den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 07. August 2006. Die Darlegungen des Sachverständigen Dr. S seien unzutreffend, tatsächlich könne der Kläger nicht sechs Stunden täglich arbeiten und aufgrund der vielfältigen Leistungseinschränkungen habe die Beklagte eine Tätigkeit zu benennen, was sie nicht getan habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2006 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 20. Januar 2005 und 22. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 2005 zu verurteilen, dem Kläger ab 01. August 2004 bis 31. Januar 2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der bisher gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf eine erneute Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Internistin Dr. W vom 30. August 2006).

Die Beklagte hat während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 25. Januar 2007 dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01. Februar 2007 gewährt.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Der Senat konnte über sie ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ). Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller statt teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum 31. Januar 2007 (Beginn des Bezuges von Altersrente), so dass die dies aussprechenden Bescheide und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts keiner Beanstandung unterliegen.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und weitere hier unstreitige versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllen.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Alle Sachverständigen, die an dem Verfahren beteiligt waren, sowohl die von der Beklagten beauftragten als auch der Gerichtssachverständige Dr. S, gingen ebenso wie die Reha Ärzte während der Maßnahme der medizinischen Rehabilitation davon aus, dass der Kläger mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann. Dies entspricht den Diagnosen auf internistischem und kardiologisch-angiologischem Gebiet sowie den Lendenwirbelsäulenbeschwerden des Klägers und stellt eine schlüssige Leistungsbeurteilung dar. Derartige Leiden behindern in der Ausübung von mittelschweren bis schweren Arbeiten, sie bewirken, dass nicht in Wechsel- und Nachtschicht gearbeitet werden kann und dass die Tätigkeit überwiegend im Sitzen erfolgen muss. Werden diese Leistungsbeeinträchtigungen jedoch berücksichtigt, ist nicht ersichtlich, warum der Kläger leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, mit der Gelegenheit zur gelegentlichen Haltungsänderung in klimatisierten Räumen nicht mindestens sechs Stunden täglich verrichten können soll. Solche Tätigkeiten belasten nicht wesentlich stärker als ein häuslicher Aufenthalt. Da der Kläger solche Tätigkeiten verrichten kann, liegt auch entgegen seiner Auffassung keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die dazu führten, dass die Beklagte einen Verweisungsberuf benennen müsste. Als weitere Belastung, die Anlass geben könnte, solche in Erwägung zu ziehen, käme allenfalls die Diabeteserkrankung des Klägers in Betracht. In Bezug hierauf jedoch hat Frau Dr. W überzeugend dargelegt, dass eine mehrfache Gelegenheit zur Insulinkontrolle täglich ausreiche. Dies jedoch ist keine ungewöhnliche Leistungseinschränkung, sie geht nicht wesentlich etwa über einen Toilettengang hinaus.

Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der Kläger etwa als Pförtner oder Bürohilfskraft mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann. Ob er einen derartigen Arbeitsplatz findet, ist für die Gewährung einer höheren als der bezogenen Rente nicht ausschlaggebend.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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