Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 28 AS 2597/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 B 1916/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 30. 08. 2007 wird abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei den den Antragstellern zu gewährenden ergänzenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch die Kosten der Unterkunft vorerst von Januar 2008 bis Mai 2008 mit den tatsächlich entstehenden Kosten in Höhe von 601,00 Euro monatlich zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Eilverfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragsteller beziehen laufend ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die laufenden tatsächlichen Unterkunftskosten der Antragsteller 601,00 Euro monatlich betragen (vgl. Berechnungsbogen der Antragsgegnerin vom 30.10.2007 -Bl. 377 der Verwaltungsakten-). Gleichwohl berücksichtigte die Antragsgegnerin monatlich lediglich Kosten der Unterkunft in Höhe von 463 Euro. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft abgelehnt, da es den Antragstellern zumutbar sei, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Differenz aus dem Kindergeld zu tragen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin mit einem weiteren Bescheid vom 30.10.2007 die Leistungen an die Antragsteller neu berechnet. Nunmehr werden vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 456,55 EUR getragen.
II.
Der Beschwerde war in dem erkannten Umfang stattzugeben.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Die danach zu treffende Entscheidung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. 5. 2005, 1 BvR 569/05, zit. nach juris) sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Dabei stellt nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist. In diesem Fall sind die Gerichte gehalten, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch sondern abschließend zu prüfen. Diese abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage führt hier zum Erfolg der Antragsteller.
Allerdings kann dabei lediglich auf die laufenden bzw. zukünftigen Leistungen der Behörde abgestellt werden. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Im vorliegenden Fall ging die Antragsgegnerin von falschen Voraussetzungen aus, dass nämlich die Antragsteller nach der Geburt eines weiteren Kindes keine größere Wohnung bezogen. Auch nach der Feststellung des wahren Sachverhalts hat die Antragsgegnerin ihren Bescheid nicht geändert. Da sich jedoch der angemessene Wohnraum nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) vorrangig nach der Anzahl der zur Bedarfsgemeinschaft zählenden Personen richtet, war nach der Geburt eines weiteren Kindes eine Wohnung für 5 Personen mit 95 bis 105 m2 und nicht mehr für 4 Personen mit 85 bis 90 m2 angemessen (vgl. Münder, SGB II, 2. Auflage, § 22 Rdr. 28).
Tatsächlich war die alte Drei-Zimmer-Wohnung mit 81,94 m2 für 4 Personen demnach objektiv zu klein und die neue Vier-Zimmer-Wohnung liegt mit 100,90 m2 im Bereich des angemessenen. Bei der eindeutigen Rechtslage brauchen sich die Antragsteller auch nicht auf die Verwertung des Kindergeldes für die Wohnkosten verweisen zu lassen. (Anordnungsgrund).
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Rechtslage auch zum Zeitpunkt der sozialgerichtlichen Entscheidung zugunsten der Antragsteller sprach, sie folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragsteller beziehen laufend ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die laufenden tatsächlichen Unterkunftskosten der Antragsteller 601,00 Euro monatlich betragen (vgl. Berechnungsbogen der Antragsgegnerin vom 30.10.2007 -Bl. 377 der Verwaltungsakten-). Gleichwohl berücksichtigte die Antragsgegnerin monatlich lediglich Kosten der Unterkunft in Höhe von 463 Euro. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft abgelehnt, da es den Antragstellern zumutbar sei, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Differenz aus dem Kindergeld zu tragen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin mit einem weiteren Bescheid vom 30.10.2007 die Leistungen an die Antragsteller neu berechnet. Nunmehr werden vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 456,55 EUR getragen.
II.
Der Beschwerde war in dem erkannten Umfang stattzugeben.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Die danach zu treffende Entscheidung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. 5. 2005, 1 BvR 569/05, zit. nach juris) sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Dabei stellt nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist. In diesem Fall sind die Gerichte gehalten, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch sondern abschließend zu prüfen. Diese abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage führt hier zum Erfolg der Antragsteller.
Allerdings kann dabei lediglich auf die laufenden bzw. zukünftigen Leistungen der Behörde abgestellt werden. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Im vorliegenden Fall ging die Antragsgegnerin von falschen Voraussetzungen aus, dass nämlich die Antragsteller nach der Geburt eines weiteren Kindes keine größere Wohnung bezogen. Auch nach der Feststellung des wahren Sachverhalts hat die Antragsgegnerin ihren Bescheid nicht geändert. Da sich jedoch der angemessene Wohnraum nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) vorrangig nach der Anzahl der zur Bedarfsgemeinschaft zählenden Personen richtet, war nach der Geburt eines weiteren Kindes eine Wohnung für 5 Personen mit 95 bis 105 m2 und nicht mehr für 4 Personen mit 85 bis 90 m2 angemessen (vgl. Münder, SGB II, 2. Auflage, § 22 Rdr. 28).
Tatsächlich war die alte Drei-Zimmer-Wohnung mit 81,94 m2 für 4 Personen demnach objektiv zu klein und die neue Vier-Zimmer-Wohnung liegt mit 100,90 m2 im Bereich des angemessenen. Bei der eindeutigen Rechtslage brauchen sich die Antragsteller auch nicht auf die Verwertung des Kindergeldes für die Wohnkosten verweisen zu lassen. (Anordnungsgrund).
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Rechtslage auch zum Zeitpunkt der sozialgerichtlichen Entscheidung zugunsten der Antragsteller sprach, sie folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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