L 5 R 468/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 883/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 468/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1948 geborene Kläger hat den Beruf des Kochs erlernt (1966 bis 1969). Im Februar 1972 hatte er die Qualifikation zum Küchenmeister erfolgreich abgeschlossen. In der Folgezeit hat der Kläger ferner von 1977 bis 1978 eine Fortbildung zum Diätkoch absolviert und war sodann vom April 1978 bis Oktober 1994 als Küchenleiter und von Januar 1995 bis Februar 2002 als Küchenchef beschäftigt. Seit 10. Juni 2002 war der Kläger arbeitsunfähig krank und bezog bis zum 27. September 2003 Krankengeld.

Am 10. Juli 2003 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. gelangte in seinem im Auftrag der Beklagten daraufhin am 27. August 2003 erstellten Gutachten unter Berücksichtigung auch der von der Beklagten beigezogenen Befundberichte zu folgenden Diagnosen:

1. Chronischer Tinnitus beidseits 2. Dysthymia 3. Undifferenzierte Somatisierungsstörung 4. Bluthochdruck.

Der Kläger sei nach Einschätzung von Dr. H. noch in der Lage, als Küchenleiter sechs Stunden und mehr täglich tätig zu sein. Unzumutbar seien ihm lediglich Tätigkeiten mit Anforderungen an ein präzises Hören.

In dem weiteren, ebenfalls im Auftrag der Beklagten noch eingeholten Gutachten des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. P. vom 18. September 2003 wurde beim Kläger neben dem bereits festgestellten Tinnitus beidseits eine Hochtonperzetionsschwerhörigkeit festgestellt. Nach Einschätzung von Dr. P. sei der Kläger nur noch in der Lage, täglich unter drei Stunden tätig zu sein. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. Ha. hat in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 26. September 2003 die Auffassung vertreten, dass der Kläger sowohl in seiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit als auch insgesamt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden und mehr leichte und mittelschwere Arbeiten täglich ausüben könne.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2003 lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Zwar sei die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, doch könne er mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Er sei auch noch in der Lage, in seinem Beruf als Küchenleiter mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, sein Tinnitus lasse keine Erholungsphasen mehr zu und er leide unter leichter Erregbarkeit, er habe auch unverhofft Schwindelanfälle.

In dem daraufhin eingeholten weiteren nervenärztlichen Gutachten von Dr. Ho. vom 12. Januar 2004 diagnostizierte dieser ebenfalls einen Tinnitus beidseits sowie eine Dysthymie und daneben auch einen Alkoholabusus. Nach Einschätzung von Dr. Ho. könne der Kläger als Großküchenleiter noch sechs Stunden und mehr täglich tätig sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück. Auch das im Widerspruchsverfahren zusätzlich eingeholte nervenärztliche Gutachten habe keine anderen Befunde ergeben, die zu einer Änderung der Leistungsbeurteilung geführt hätten.

Hiergegen hat der Kläger am 15. April 2004 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, mit den Feststellungen der nervenärztlichen Gutachten könne er sich nicht einverstanden erklären. Der behandelnde Psychotherapeut Dr. R. habe bereits am 22. Oktober 2003 die Auffassung vertreten, dass eine Wiedereingliederung des Klägers in das Arbeitsleben wenig Erfolg versprechend sei. Am 30. September 2003 habe er bereits über eine zunehmende psychische und physische Labilisierung des Klägers mit häufigen Selbstmordgedanken und chronisch werdenden Selbstzweifeln berichtet. Die Therapie der neurotischen Depression sowie Soziophobie sei bereits zu diesem Zeitpunkt nicht zufriedenstellend verlaufen. Außerdem sei auch nach Auffassung des HNO-Gutachters Dr. P. jedenfalls zumindest von einer Berufsunfähigkeit auszugehen. Die nervenärztlichen Gutachten hätten nicht hinreichend die bestehende Begleitsymptomatik der Tinnituserkrankung berücksichtigt.

Das SG hat zunächst das nervenärztliche Gutachten bei Dr. K.-H. vom 22. Dezember 2004 eingeholt. Nach den Feststellungen von Dr. K.-H. leide der Kläger unter einem komplexen chronischen Tinnitus mit als sehr belastend erlebten Dauerohrgeräusch, Hochtonschwerhörigkeit sowie depressiver Entwicklung mit Stimmungs- und Antriebsminderung, ängstlicher Färbung und Neigung zu psychosomatischer Beschwerdeausgestaltung und episodischem Alkoholabusus mit Kontrollverlust. Nach Einschätzung der Gutachterin könne der Kläger nur noch mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere psychische Belastung und ohne besondere Verantwortung in lärmarmer Umgebung ausüben. Er sei nicht mehr in der Lage, die anspruchsvolle und stressbelastete Tätigkeit des Küchenleiters, die auch eine Anleitung und Koordination eines Mitarbeiterstabs erfordere, ausüben. Sonstige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dagegen vollschichtig möglich.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2005 erklärte die Beklagte daraufhin, sie erkenne einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit an und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Juni 2005 ab 1. Juli 2003 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

Mit weiteren Bescheiden vom 29. August 2006 und 29. September 2006 berechnete die Beklagte jeweils die hier bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit neu.

Das SG hat im Weiteren, nachdem der Kläger nach wie vor geltend machte, auch im Übrigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine entsprechenden Tätigkeiten mehr vollschichtig ausüben zu können, noch sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt. Hierbei hat u. a. der behandelnde Hausarzt Dr. N. in seiner Auskunft vom 24. Oktober 2005 angegeben, der Kläger leide unter arteriellem Hypertonus, Hyperlipidämie, chronischem Tinnitus, Depression, Angstneurose und rezidivierenden Lumbalgien. Er sei nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, da Zeitdruck und sozialer Druck am Arbeitsplatz zur Dekompensation der psychischen Störung führen würden. Der Psychologe und Psychotherapeut Dr. R. hat des Weiteren in seiner Auskunft vom 3. November 2005 angegeben, der Kläger leide an Tinnituserkrankung, schwerer neurotischer Depression sowie Soziophobie. Die Gesundheitsstörungen schlössen eine berufliche Tätigkeit aus. Auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er nicht mehr verrichten.

Das SG hat im Weiteren das nervenärztliche Gutachten von Dr. V. vom 28. Juni 2006 eingeholt. Dieser stellte folgende Diagnosen:

1. Chronifizierter Tinnitus bei vorbekannter Schwerhörigkeit beidseits 2. Dysthymia 3. Somatisierungsstörung 4. Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 5. Schädlicher Gebrauch von Alkohol.

Nach Einschätzung des Gutachters sei der Kläger allerdings noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2006 hat das SG daraufhin die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass auf der Grundlage der hier vorliegenden nervenärztlichen Gutachten von Dr. K.-H. und Dr. V. davon auszugehen sei, dass der Kläger noch vollschichtig Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen ausüben könne. Es werde hierbei auch nicht der Zusammenhang zwischen dem Tinnitus, der damit verbundenen Schwerhörigkeit und den daraus resultierenden zusätzlichen psychischen Folgen verkannt. Auch wenn die behandelnden Ärzte insbesondere in ihren Leistungsbeurteilungen von der Einschätzung der Gutachter abwichen, folge hier letztlich das SG aber den sachverständigen Beurteilungen.

Der Kläger hat gegen den seinem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 2. Januar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 25. Januar 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt der Bevollmächtigte aus, der Kläger sei nach wie vor der nachhaltigen Auffassung, dass ihm aufgrund seines angegriffenen Gesundheitszustandes die Ausübung einer nennenswerten Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich sei und ihm daher auch über die ihm bereits gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren sei. Er stützt sich hierbei insbesondere auf die Stellungnahmen seiner behandelnden Ärzte Dr. R. und Dr. N., über die sich das SG hinweggesetzt habe. Insbesondere sei nicht akzeptabel, wenn das SG in seiner Begründung ausführe, dass generell behandelnden Ärzten bei der Abgabe der sachverständigen Zeugenauskünfte pekuniäre Interessen unterstellt werden, weshalb den Gutachtern zu folgen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2004, in der Gestalt des Bescheides vom 14. Juni 2005 sowie der Bescheide vom 29. August 2006 und 22. September 2006 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Der Kläger begehrt die dauerhafte Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

III.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die (weitergehende) Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über die bereits durch Anerkenntnis gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hinaus nicht vorliegen.

1.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten beim Kläger vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Der Kläger ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers liegt auf nervenärztlichem und hals-nasen-ohren-ärztlichem Gebiet.

Beim Kläger bestehen auf der Grundlage der einerseits bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. H. und Dr. Ho. sowie des HNO-fachärztlichen Gutachtens von Dr. P., die hier im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden können, sowie auch der beiden nervenärztlichen Gutachten aus dem SG-Verfahren von Dr. K.-H. und Dr. V. ein chronischer Tinnitus mit Schwerhörigkeit beidseits, mit Dysthymia, Somatisierungsstörung und zwanghafter Persönlichkeitsstörung bzw. depressiver Entwicklung mit Stimmungs- und Antriebsminderung (so Dr. K.-H.) sowie offensichtlich Alkoholabusus. Die Gutachter Dr. K.-H. und Dr. V. sind auf der Grundlage dieser bestehenden Gesundheitsstörungen auch übereinstimmend der Auffassung, dass der Kläger im Hinblick gerade auf die psychischen Folgen des hier belastenden Tinnitus nicht mehr in der Lage ist, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenleiter weiterhin auszuüben. Denn hierbei handelt es sich um eine anspruchsvolle und stressbelastete Tätigkeit, die auch eine Anleitung und Koordination eines Mitarbeiterstabes erfordert. Dieser Belastung ist nach Einschätzung der nervenärztlichen Gutachter der Kläger aber aufgrund der psychischen Folgen des Tinnitus nicht mehr gewachsen. Beide Gerichtsgutachter sind aber des Weiteren der auch für den Senat schlüssigen und überzeugenden Auffassung, dass der Kläger bei Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck, besonderer psychischer Belastung und besonderer Verantwortung sowie Lärmbelastung durchaus noch zu mittelschweren Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig in der Lage ist.

Soweit der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. P. in seinem Gutachten darüber hinaus der Auffassung ist, der Kläger könne auch im Übrigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund der besonderen Belastungsfolgen des Tinnitus nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten, kann der Senat dem nicht folgen. Insoweit haben nämlich die beiden nervenärztlichen Gutachter übereinstimmend bezüglich der psychischen Folgen des Tinnitus eine andere Leistungseinschätzung abgegeben, die hier für den Senat, da sie gerade von den für diese Frage auch maßgeblichen Fachärzten abgegeben wurde, das größere Gewicht hat und deshalb für den Senat auch keine Zweifel daran bestehen, dass der Kläger entgegen der Einschätzung von Dr. P. sehr wohl trotz der bei ihm bestehenden Erkrankungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig unter Beachtung der von den Nervenärzten und dem HNO-Arzt Dr. P. genannten qualitativen Einschränkungen leistungsfähig ist.

Nichts anderes gilt letztlich auch für die abweichenden Leistungseinschätzungen durch den behandelnden Hausarzt Dr. N. und den behandelnden Psychotherapeuten Dr. R ... Bei Dr. N. ist schon darauf zu verweisen, dass bezüglich der hier gerade im Vordergrund stehenden psychischen Beeinträchtigungen der Einschätzung der beiden nervenärztlichen Gerichtsgutachter und damit den entsprechenden Fachärzten für den Senat - aus den bereits oben genannten Gründen - ein größeres Gewicht zukommt als der Einschätzung des Hausarztes, eines Allgemeinmediziners. Im Bezug auf Dr. R. ist zwar zu berücksichtigen, dass im Unterschied dazu dieser als Psychotherapeut über eine entsprechende Fachkompetenz verfügt. Hier ist aber weiter zu berücksichtigen, dass beide nervenärztlichen Gutachter aus dem SG-Verfahren wie im Übrigen auch schon die nervenärztlichen Gutachter Dr. H. und Dr. Ho. im Verwaltungsverfahren alle beim Kläger zwar eine Dysthymia (depressive Verstimmung) bzw. zwanghafte Persönlichkeitsstörung beschreiben bzw. Dr. K.-H. eine depressive Entwicklung, aber anders als Dr. R. jedenfalls keine neurotische Depression. Daher besteht für den Senat auf der Grundlage der Einschätzung der nervenärztlichen Gutachter, die aufgrund ihrer Gutachtertätigkeit auch über die hier mit zu berücksichtigende entsprechende sozialmedizinische Kompetenz verfügen, kein Anhaltspunkt dafür, dass hier tatsächlich eine so schwerwiegende Erkrankung auf nervenärztlichem Gebiet vorliegt, als dass der Kläger nicht noch in der Lage wäre, leichte bzw. mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen vollschichtig auszuüben.

Soweit das SG allerdings im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Auffassung vertreten hat, der behandelnde Arzt stehe zu seinem Patienten in einer (auch) durch pekuniäre Interessen geprägten Beziehung, sei darauf hingewiesen, dass mit dieser pauschalen Behauptung die Grenzen der freien Beweiswürdigung gem. § 128 SGG überschritten werden. Denn einen allgemeinen Erfahrungsgrundsatz dahingehend, dass sich die behandelnden Ärzte bei ihren Auskünften von pekuniären Interessen leiten lassen, gibt es nicht. Auch kann nicht von vornherein unterstellt werden, dass die behandelnden Ärzte Gefälligkeitsgutachten bzw. -stellungnahmen abgeben, was schon daraus folgt, dass sie damit gegen die für alle Zeugen geltende Wahrheitspflicht verstoßen würden. Ohne irgendeinen konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt erscheint eine solche Beweiswürdigung mehr als problematisch und damit regelmäßig verfahrensfehlerhaft.

Insgesamt kann sich damit der Senat nicht davon überzeugen, dass beim Kläger neben den insoweit unstreitigen qualitativen Einschränkungen auch quantitativ eine Beschränkung des Leistungsvermögens dahingehend besteht, dass er nicht mehr in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich leichte bzw. mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit des Klägers noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).

2. Die weitergehende Frage, ob der Kläger zumindest berufsunfähig ist, ist hier nicht mehr zu prüfen, da die Beklagte bereits im Hinblick auf das im SG-Verfahren abgegebene Anerkenntnis mit Bescheid vom 14. Juni 2005 dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bewilligt hat.

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung, gerichtet auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung auch einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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