L 6 U 1555/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 477/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1555/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Lediglich wenn der Versicherte infolge von generellen Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers in der Lage ist seine bisherige Tätigkeit in vollem Umfang weiterzuführen, kann eine Berufskrankheit nach der BKV Anl. Nr. 5101 entschädigt werden, wenn die berufsbedingte Erkrankung im Sinne dieser Vorschrift im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen bereits eine MdE um mindestens 10 v. H. bedingte (BSG SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 1). Dies gilt nicht für den Fall, dass der Versicherte durch den Einsatz persönlicher Schutzmaßnahmen seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben kann.
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Februar 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1942 geborene Kläger war nach Angabe seines Arbeitgebers seit November 1969 als Estrichleger bei der Estrich B. GmbH in K. beschäftigt.

Am 23. März 1988 ging bei der Beklagten die Ärztliche Anzeige über eine BK der Hautärztin Dr. K. vom 3. März 1988 ein. Sie beschrieb als Beschwerden des Klägers ein ulceriertes Kontaktekzem am rechten Knie und gab an, sie gehe davon aus, dass beim Kläger ein Kontaktekzem als BK nach Nr. 5101 der BKV vorliege. Nach ihren weiteren Angaben führe der Kläger die bestehenden Beschwerden auf das Tragen eines Gummirings beim Fußboden zementieren zurück. Die Epikutantestung habe eine Sensibilisierung gegenüber Gummiinhaltsstoffen (Thiuramgemisch) ergeben. Die Beklagte wandte sich an das Gewerbeaufsichtsamt Stuttgart, das einen Hersteller für Knieschoner ohne den Gummiinhaltsstoff Tetramethylthiuramdisulfid (TMTD) ermittelte. Die Beklagte setzte den Arbeitgeber des Klägers hiervon mit der Bitte in Kenntnis, die entsprechenden TMTD-freien Knieschoner zu beschaffen und dem Kläger zur Verfügung zu stellen.

Am 25. August 2003 ging bei der Beklagten der Hautarztbericht des Dr. Z. vom 19. August 2003 ein, der in Bezug auf den Kläger von sporadischen Behandlungen beider Hände seit 1995 berichtete, als Untersuchungsbefund "licheningizierte", teils tylotisch rhagadiforme Hautveränderungen im Bereich beider Hände palmar beschrieb, als Diagnose ein tylotisch, rhagadiformes Kontaktekzem sowie ein Kontaktekzem (L25.9) aufführte und als Maßnahmen neben einer Lokaltherapie (Salbentherapie und Lichtbehandlung) den Schutz vor Arbeitsstoffen vorschlug. Die Beklagte wandte sich an Dr. Z., der unter dem 14. November 2003 mitteilte, dass der Kläger vom 2. bis 30. Oktober 2003 stationär in der Klinik S., Fachklinik für Hautkrankheiten in B. M., behandelt worden sei, die Hautveränderungen anlässlich der letzten Vorstellung am 3. November 2003 abgeheilt gewesen seien und ein stabiler Zustand vorliege. Seinem Schreiben fügte er den Entlassungsbericht vom 30. Oktober 2003 über die genannte stationäre Behandlung bei.

Mit Schreiben vom 26. November 2003 berichtete Dr. Z. über die weitere Vorstellung des Klägers am 25. November 2003 und führte aus, seit dem Arbeitsversuch ab 1. November 2003 sei es zu einer erneuten Exazerbation der bekannten erythematösen kontaktallergischen Hautveränderungen palmar und patellar mit ausgeprägtem suberythrodermatischen Erscheinungsbild gekommen. Der Kläger sei derzeit berufsbedingt arbeitsunfähig. Die Beklagte zog von der Innungskrankenkasse S. das Vorerkrankungsverzeichnis bei und wandte sich erneut an Dr. Z., der unter dem 5. April 2004 den Behandlungsverlauf dahingehend beschrieb, dass es durch Einleitung einer UV-Therapie sowie systematischer antihistamischer Therapie zwischenzeitlich zu einer mäßigen, jedoch stetigen Verbesserung der Hautveränderungen gekommen sei. Eine Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit empfehle er jedoch nicht, weil bei der bekannten TMTD-Sensibilisierung trotz des Tragens von Knieschonern eine Chronifizierung der Beschwerden zu befürchten sei.

Da beim Kläger weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestand, veranlasste die Beklagte das Gutachten des Facharztes für Hautkrankheiten Dr. L. vom 13. Mai 2004. Dieser ging davon aus, dass es beim Kläger nach Karenz des Kontaktallergens Thiuram-Mix im August 2003 zu einem Rezidiv der Erkrankung gekommen sei, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die weitere Sensibilisierung gegenüber dem Vulkanisationsbeschleuniger Mercapto-Mix und Zinkdiethyldithiocarbamat, welche in Gummischutzhandschuhen, Unterlagsscheiben etc. enthalten seien, zurück zu führen sei. Versicherungsrechtlich liege somit sowohl die haftungsausfüllende als auch die haftungsbegründende Kausalität vor. Im Sinne der BKV handele es sich auch um eine schwere und wiederholt rückfällige Hauterkrankung. Aus ärztlicher Sicht sei die Tätigkeitsaufgabe zudem unumgänglich, da ein Weiterarbeiten auch unter zumutbaren Schutzmaßnahmen ohne Verschlimmerung oder Wiederaufleben der Hauterkrankung nicht möglich sei. Ein konsequenter Hautschutz beispielsweise durch Schutzhandschuhe sei durch die breite Kontaktallergie gegenüber den Vulkanisationsbeschleunigern Thiuram-Mix, Mercapto-Mix und Zinkdiethyldithiocarbamat nicht möglich. Daher seien dem Kläger keine Tätigkeiten mehr zumutbar, die eines Hautschutzes durch Schutzhandschuhe bedürften. Genau dies sei arbeitstechnisch nicht umzusetzen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 30 vom Hundert (v. H.).

Zu diesem Gutachten holte die Beklagte die Stellungnahme des Prof. Dr. K. vom 23. Juni 2004 ein, der im Gegensatz zu Dr. L. keinen Zwang zur Unterlassung der ursächlichen Tätigkeit sah. Seines Erachtens sei es erforderlich, aber auch sehr wahrscheinlich ausreichend, wenn ein Austausch der ursächlichen Gummihandschuhe und des Knieschoners bzw. -polsters erfolge. Letzteres sei bereits erfolgreich im Jahr 1988 praktiziert worden, als lediglich eine Kontaktallergie gegen Thiurame vorgelegen habe und der Knieschoner selbst im Epikutantest positiv reagiert habe. Mit Hilfe eines Berufshelfers und des technischen Aufsichtsdienstes (TAD) hätte auch jetzt versucht werden sollen, ein Ersatzprodukt aus einem Kunststoffmaterial zu finden. Abgesehen davon hätte der direkte Hautkontakt wohl beispielsweise auch durch eine auf der Haut getragene Kniebandage verhindert werden können. Einigermaßen unproblematisch sei der Ersatz üblicher Gummihandschuhe durch andere Produkte. Diesbezüglich benannte er drei Sorten Marigold Industrie-Handschuhe, die die beim Kläger positiv getesteten Gummiallergene nicht enthielten. Im Hinblick auf einen möglichen Arbeitsversuch mit entsprechenden Schutzhandschuhen fand am 5. Oktober 2004 in Anwesendheit des Klägers und des Berufshelfers der Beklagten ein Beratungsgespräch statt, im Rahmen dessen bekannt wurde, dass dem Kläger auf seinen Antrag vom 1. Juni 2004 mit Bescheid vom 29. September 2004 Rente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Juni 2004 bewilligt worden war und somit ein erneuter Arbeitsversuch nicht mehr erfolgen werde.

Mit Bescheid vom 25. November 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Hautkrankheit als BK mit der Begründung ab, das allergische Kontaktekzem der Hände und Knie bei Allergien gegenüber Thiuram-Mix, Mercapto-Mix und Zinkdiethyldithiocarbamat sei zwar beruflich verursacht und stelle eine schwere Erkrankung im Sinne der BKV dar, jedoch habe diese Erkrankung den Kläger nicht zur Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit als Estrichleger gezwungen. Vielmehr wäre nach fachärztlicher Feststellung unter Beachtung prophylaktischer Maßnahmen (beispielsweise Austausch der Gummihandschuhe und Knieschoner) eine Weiterarbeit im bisherigen Beruf möglich gewesen. Nachdem zwischenzeitlich Altersrente bezogen werde, seien weitere Maßnahmen allerdings nicht mehr erforderlich. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, sich die von mehreren Ärzten festgestellte BK an Knien und Händen eindeutig während seiner Arbeit als Bodenleger zugezogen zu haben. Dafür habe sich sein Arbeitgeber für viel Geld versichert. Seit 1. Juni 2004 könne er nicht mehr arbeiten. Ohne seine Berufserkrankung hätte er seine Arbeit bis zum 65. Lebensjahr weiterführen können. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 16. Februar 2005 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage und machte unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. L. geltend, eine Weiterarbeit in seinem bisherigen Beruf sei nicht möglich gewesen. Dies habe der Gutachter ausdrücklich und eindeutig verneint. Soweit der danach hinzugezogene Gutachter Prof. Dr. K. genau vom Gegenteil ausgehe, liege nur eine Mutmaßung vor, da weitere Ermittlungen nicht mehr durchgeführt worden seien. Die Vorschläge des seitens des SG beauftragten Sachverständigen Dr. S. seien praxisfern. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes, wonach eine Weiterarbeit im bisherigen Beruf unter Anwendung prophylaktischer Maßnahmen möglich gewesen sei, entgegen. Das SG erhob das dermatologische Gutachten des Hautarztes Dr. S. vom 24. August 2005, der einen objektiven Zwang zur Aufgabe der versicherten Tätigkeit verneinte, da nicht alle zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen ausgeschöpft und konsequent umgesetzt worden seien, wie beispielsweise der Austausch des Gummiringes, das zusätzliche Abpolstern der Knieregion sowie das eventuelle Tragen eines Kniestülpers aus Plastik. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde seitens des SG auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 2003 (B 2 U 5/03 R) hingewiesen, worauf die Beteiligten einen Widerrufsvergleich schlossen, nach dem die Beklagte sich verpflichtete, die Hauterkrankung des Klägers als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV anzuerkennen, dem Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeitszeiten Verletztengeld zu gewähren sowie ab 1. Juni 2004 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. Diesen Vergleich widerrief die Beklagte mit dem Hinweis darauf, dass die erwähnte Entscheidung des BSG vom 9. Dezember 2003 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. In jenem Verfahren habe nämlich ein Zwang zum Unterlassen der schädigenden Tätigkeit bestanden und die damalige Klägerin habe diese Tätigkeit auch tatsächlich aufgegeben, weil sie nach dem Entfernen der latexhaltigen Produkte aus ihrem beruflichen Umfeld ihren Beruf als Krankenschwester weiter habe ausüben können. Durch die getroffene Maßnahme habe sie ihre schädigende Tätigkeit gerade aufgegeben. Vorliegend habe für den Kläger jedoch gerade kein Zwang zum Unterlassen der schädigenden Tätigkeit bestanden, da er bei Durchführung aller zur Verfügung stehenden Hautschutzmaßnahmen seinen Beruf als Estrichleger weiter hätte ausüben können. Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2006 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2005 auf und stellte fest, dass die Hauterkrankung des Klägers eine BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV darstelle. Zur Begründung führte es aus, es komme ausnahmsweise nicht darauf an, ob beim Kläger ein Unterlassungszwang bestanden habe. Denn nach dem Urteil des BSG vom 9. Dezember 2003 stehe einem Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung der in Rede stehenden BK nicht entgegen, dass der Versicherte in Folge von Schutzmaßnahmen seines Arbeitgebers in der Lage sei, seine bisherige Tätigkeit in vollem Umfang weiterzuführen, weil die berufsbedingte Erkrankung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen bereits eine MdE um mindestens 10 v.H. bedingt habe. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) und der Nr. 5101 der Anlage zur BKV seien nach Sinn und Zweck des Unterlassungszwangs teleologisch zu reduzieren und dahingehend auszulegen, dass die durch Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers ermöglichte Fortsetzung der bisherigen Berufstätigkeit der Anerkennung und Entschädigung einer beruflich bedingten Erkrankung als BK nicht entgegenstehe, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch diese Erkrankung zuvor bereits in einem entschädigungspflichtigen Ausmaß gemindert gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der Beklagten am 7. März 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Am 29. März 2006 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es auf den objektiven Zwang zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit nicht ankomme. Der dem vorliegendem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt sei mit jenem, über den das BSG am 9. Dezember 2003 entscheiden habe, nicht vergleichbar. Denn der Kläger hätte seine Tätigkeit bei Einhaltung der vorgeschlagenen prophylaktischen Maßnahmen trotz der vorhandenen Schadstoffe weiterhin ausüben können, während bei der Klägerin in dem vom BSG entschiedenen Verfahren prophylaktische Maßnahmen wirkungslos gewesen seien. Erst durch das Entfernen der Schadstoffe aus dem Arbeitsbereich sei ein weiteres Tätigwerden möglich gewesen. Dieses Vorgehen müsse so gewertet werden, als sei die Betroffene auf einen schadensfreien Arbeitsplatz umgesetzt worden. Damit habe sie objektiv die gefährdende Tätigkeit jedoch unterlassen. Vorliegend hätte der Kläger als prophylaktische Maßnahmen lediglich Knieschoner und Schutzhandschuhe aus Kunststoff tragen müssen. Mit diesen Maßnahmen hätte er seine Tätigkeit als Estrichleger weiterhin verrichten können. Sie hat die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. K. vom 27. September 2006 vorgelegt und im Hinblick auf die konkret verwendbaren schadensfreien Schutzhandschuhe die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 18. Dezember 2006, der als Ersatzmaterial zum einen PVC-Handschuhe sowie Schutzhandschuhe aus Polyuretan (PUR) für einsetzbar erachtet und die insoweit in Frage kommenden Hersteller und Modelle aufgelistet hat. Zum objektiven Unterlassungszwang hat sich die Beklagte im Übrigen auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. September 2005 - L 17 U 2/04 - bezogen und dies in Kopie vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Das SG sei zutreffend dem Urteil des BSG vom 9. Dezember 2003 gefolgt. Weshalb diese Entscheidung auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sein solle, sei nicht erkennbar. Ungeachtet dessen wären die von der Beklagten vorgeschlagenen prophylaktischen Maßnahmen aber auch völlig ungeeignet und wirkungslos gewesen. Spezialstülper aus Gummi habe er krankheitsbedingt nicht verwenden können. Die von der Beklagten wohl für zweckmäßig erachtete Verwendung von langen Unterhosen, Plastikstülpern, Bandagen und Knieschonern hätte zu Schwitzreaktionen geführt, die das Krankheitsbild gleichermaßen ausgelöst hätten. Zu berücksichtigen sei auch, dass ihm Angebote für sinnvolle Schutzmaßnahmen nicht unterbreitet worden seien.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 26. Juni 2006 erörtert.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet.

Das SG hätte den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2005 nicht aufheben und feststellen dürfen, dass die Hauterkrankung des Klägers eine BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV darstellt. Denn die entsprechenden Voraussetzungen für die Anerkennung der in Rede stehenden BK sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.

Vorliegend sind gemäß § 212 SGB VII, nach dem die Regelungen des Ersten bis Neunten Kapitels für Versicherungsfälle gelten, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VII sowie die auf dieser Grundlage erlassene BKV vom 31. Oktober 1997 anzuwenden. Denn im Falle des Vorliegens einer BK ist der Versicherungsfall erst mit der Aufgabe der für schädlich erachteten Tätigkeit eingetreten. Dies wäre im vorliegenden Fall der Zeitpunkt des Beginns der letzten Arbeitsunfähigkeit des Klägers im November 2003.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und BKen. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Satz 2 dieser Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; dabei kann sie bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die Feststellung einer BK erfordert zum Einen die Erfüllung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. der Versicherte muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität), zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen (haftungsausfüllende Kausalität). Es muss demnach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist. Demnach führt auch der Umstand, dass ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, nicht automatisch zur Anerkennung und ggf. Entschädigung. Vielmehr ist beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Nach der vorliegend allein in Betracht kommenden Nr. 5101 der Anlage zur BKV sind schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich war oder sein können, als BK anzuerkennen.

Ausgehend hiervon hat die Beklagte beim Kläger die Anerkennung der in Rede stehenden BK zutreffend abgelehnt. Denn im Sinne der dargelegten Voraussetzungen ist das Kriterium des objektiven Unterlassungszwangs nicht erfüllt. Zu einer Feststellung gemäß § 9 Abs. 4 SGB VII war die Beklagte nicht verpflichtet, weil der Kläger bei Erteilung des Bescheids vom 25. November 2004 seine gefährdende Tätigkeit bereits aufgegeben hatte.

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass beim Kläger eine schwere und wiederholt rückfällige Hauterkrankung vorliegt, die auf seine langjährige berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Durch seine kniende Tätigkeit als Estrichleger, bei der er aus Hautschutzgründen regelmäßig Gummihandschuhe und zur Reduzierung der Belastungen im Bereich der Knie Gummiringe als Knieschützer trug, ist es über den Kontakt zu Gummimaterialien zu einer Typ IV-Allergie gegen die Gummiinhaltsstoffe Thiuram-Mix sowie die darin enthaltenden Allergene Dipentamethylenthiuramdisulfid, Tetraethylthiuramdisulfid, Tetramethylthiuramdisufid sowie den Gummininhaltsstoff Zinkdiethyldithiocarbamat und die ebenfalls in Gummiartikeln enthaltenen Benzodiazole (Mercapto-Mix) gekommen.

Im Sinne der genannten Regelung hat diese Hauterkrankung den Kläger jedoch nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit als Estrichleger nach Beginn der im November 2003 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit tatsächlich aufgegeben hat und im Hinblick auf die erfolgte Rentengewährung ab 1. Juni 2004 eine Fortführung der Tätigkeit nicht mehr beabsichtigte. Wenn auch die erneute Exazerbation der Hautveränderungen im November 2003 Anlass für den Kläger gewesen ist, nunmehr aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und dementsprechend Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu stellen, so rechtfertigt dieser Umstand gleichwohl nicht die Annahme, dass der Kläger auch tatsächlich gezwungen war, gerade im Hinblick auf die vorliegende Hauterkrankung seine langjährige berufliche Tätigkeit als Estrichleger aufzugeben. Insoweit ist maßgeblich, ob objektiv, d.h. aus Sicht der medizinischen oder technischen Sachverständigen ein Zwang zum Unterlassen der bisher ausgeübten hautbelastenden Tätigkeit bestanden hat, mithin andere Möglichkeiten der Abhilfe nicht genügt hätten oder nicht realisierbar gewesen wären.

Vom Vorliegen einer derartigen Situation, nämlich eines auch objektiv bestehenden Unterlassungszwangs, konnte sich der Senat nicht überzeugen. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger sich entschieden hatte, seine bisherige Tätigkeit nicht wieder aufzunehmen und Rentenantrag zu stellen, lag bei ihm keine gesundheitliche Situation vor, die es ihm objektiv nicht mehr ermöglicht hätte, seine bisherige Tätigkeit wieder aufzunehmen. Darauf, dass der Kläger möglicherweise subjektiv von einer derartigen Situation ausging, kommt es nicht an. Nach Auffassung des Senats bestand für den Kläger objektiv durchaus die Möglichkeit, nach Abklingen der Hauterscheinungen die Tätigkeit als Estrichleger wieder aufzunehmen und fortzuführen. Der Senat teilt die Einschätzung der Beklagten, wonach die realistische Möglichkeit bestanden hat, dass der Kläger beim Einsatz von Knieschonern und Handschuhen aus Kunststoffmaterialien wie PVC und PUR anstelle der zuvor verwendeten Produkte aus Gummimaterialien seine Tätigkeit als Estrichleger weiter hätte ausüben können. Dass dem Kläger der Einsatz dieser Schutzmaßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch der Kläger selbst hat insoweit keine fundierten Einwände erhoben. Soweit er auf Schwitzreaktionen hingewiesen hat, steht dieser Gesichtspunkt einem entsprechenden Einsatz der genannten Alternativmaßnahmen nicht entgegen. Denn woraus der Kläger ableitet, dass mit dem Einsatz von PVC- und PUV-Materialien größere Schwitzreaktionen verbunden sein sollen als beim Einsatz der von ihm zuvor schon verwendeten Gummiprodukte ist nicht erkennbar. Da der Kläger die nunmehr vorgeschlagenen Maßnahmen auch tatsächlich nicht versucht hat, entbehrt die entsprechende Behauptung auch einer eigenen Erfahrungsgrundlage.

Soweit der Kläger gegen die Verwendung dieser Ersatzmaterialien eingewandt hat, entsprechende Maßnahmen seien ihm konkret nicht angeboten worden, ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte zu einem entsprechenden Angebot auch nicht mehr die Gelegenheit hatte, nachdem der Kläger bereits lange vor dem am 5. Oktober 2004 erfolgten Beratungsgespräch, nämlich schon mit seiner Rentenantragstellung am 1. Juni 2004 entschieden hatte, aus dem Berufsleben auszuscheiden zu wollen und eine Wiederaufnahme der Tätigkeit somit nicht mehr anstrebte. Dass neben anderen Gesichtspunkten, wie beispielsweise die Möglichkeit der Rückkehr in sein Heimatland, die er im April 2005 dann realisierte, auch die beruflich bedingte Hauterkrankung von Bedeutung war, ist insoweit nicht entscheidungserheblich.

Für den Kläger bestand im Sinne der in Rede stehenden BK damit objektiv kein Zwang zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren bzw. sein können.

Entgegen der Auffassung des SG kann auf das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung auch im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 9. Dezember 2003 nicht ausnahmsweise verzichtet werden. In jener Rechtssache hat das BSG entschieden, dass ein Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit auch dann zu bejahen ist, wenn die Tätigkeit als solche zwar tatsächlich nicht aufgegeben wird, dank der Beseitigung der krankmachenden Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber jedoch eine weitere Schädigung ausgeschlossen ist und die Tätigkeit daher tatsächlich fortgesetzt werden kann, zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Schutzmaßnahmen die MdE jedoch bereits ein rentenberechtigendes Ausmaß, jedenfalls im Hinblick auf das Vorliegens eines Stütztatbestandes aber einen Umfang von mindestens 10 v.H., bedingt hat. Das BSG begründete seine diesbezügliche Auffassung damit, dass Sinn und Zweck des Unterlassungszwangs eine derartige einschränkende Auslegung gebiete. Der Unterlassungszwang habe zwei Funktionen: zum einen solle damit eine typisierende Festlegung des Schweregrades der Krankheit erfolgen, um Bagatellerkrankungen, auch wenn sie kausal auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen sind, von der Anerkennung und Entschädigung als BK auszuschließen. Vor allem solle zum anderen aber ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz verhindert und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungspflicht verhütet werden. Der zuletzt genannte Zweck werde jedoch nicht nur dann erreicht, wenn der Versicherte seine Berufstätigkeit aufgebe, sondern auch, wenn die schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz durch geeignete Schutzmaßnahmen beseitigt werden und deshalb die Gefahr einer Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit durch Fortsetzung der Berufstätigkeit nicht mehr drohe. Zwar sei der Unterlassungszwang als solcher ein geeignetes Instrument zur Verwirklichung der vom Verordnungsgeber angestrebten Zwecke und er genüge auch sonst den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns. Indessen habe dies in der zu beurteilenden Fallkonstellation nicht zugetroffen, da die Aufgabe der Berufstätigkeit weder zur Ausgrenzung von Bagatellerkrankungen, noch zur Vermeidung weiterer Gesundheitsschäden erforderlich und geeignet gewesen sei, nachdem die Versicherte bei Fortsetzung ihrer bisherigen Tätigkeit in Folge der getroffenen Schutzmaßnahmen keiner weiteren Gefahr einer Schädigung mehr ausgesetzt gewesen sei. Bei dieser Sachlage sei es unverhältnismäßig, für die Anerkennung als BK gleichwohl die Aufgabe dieser Tätigkeit zu verlangen.

Eine derartige Fallkonstellation liegt dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt aber gerade nicht zugrunde. Denn anders als in dem vom BSG am 9. Dezember 2003 entschiedenen Verfahren, in dem die Klägerin wegen einer Latexallergie als Krankenschwester überhaupt nicht mehr innerhalb der Abteilung tätig sein konnte und anders als in dem vom BSG zuvor zu dieser Problematik entschiedenen Fall in der Rechtssache 2 R U 3/85 vom 26. März 1986, in dem der seinerzeitige Kläger sich als Lagerarbeiter mit allergiesierenden Stoffen eine obstruktive Atemswegserkrankung zugezogen hatte, die ihm ebenfalls einen dortigen Aufenthalt unmöglich machte, hätte der Kläger des vorliegenden Verfahrens unter Einsatz von Schutzmaßnahmen weiterhin seine bisherige Tätigkeit ausüben können. Die Kläger in jenen Verfahren waren demgegenüber gerade nicht in der Lage, unter Anwendung persönlicher Schutzmaßnahmen ihre ausgeübte Tätigkeit fortzuführen. Denn ihre jeweiligen Erkrankungen standen bereits einem Aufenthalt in den jeweiligen Arbeitsbereichen entgegen. Damit hätten diese Kläger ihre Tätigkeit aber objektiv aufgeben müssen, wenn nicht der Arbeitgeber durch eigene Maßnahmen die schädigenden Stoffe gänzlich aus dem Arbeitsbereich entfernt hätte, mithin bei dem Lagerarbeiter die allergisierenden Stoffe nicht in ein anderes Lager verlegt hätte und bei der Krankenschwester Latex-Materialen in der Abteilung nicht vollständig durch latexfreie Handschuhe ersetzt hätte. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass - anders als im vorliegenden Fall - prophylaktische Maßnahmen gerade wirkungslos gewesen wären und die Betroffenen als Folge der Herausnahme der jeweiligen Schadstoffe aus dem Arbeitsbereich die gefährdende Tätigkeit objektiv auch unterlassen hatten. Ein Ausnahmefall, wie er diesen Verfahren zugrunde gelegen hat, in dem eigene Schutzmaßnahmen gerade nicht möglich sind und ausschließlich durch die vollständige Herausnahme der schädigenden Stoffe aus dem Arbeitsbereich eine Fortführung der Tätigkeit ermöglicht wird, liegt im Falle des Klägers nicht vor, da dieser allein durch die Ersetzung der bisher aus Hautschutzgründen getragenen Gummihandschuhe und der zur Reduzierung der Belastung der Knie als Knieschützer getragenen Gummiringe durch entsprechende Gegen-stände aus PVC oder PUR die schädigenden Einwirkungen hätte beseitigen können.

Nach alledem konnte der angefochtene Gerichtsbescheid keinen Bestand haben und war unter Abweisung der Klage aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG:

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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