L 5 KR 1597/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 5004/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1597/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. März 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Bis zum 31. März 2005 war der Kläger bei der Beklagten wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld kranken- und pflegeversichert. Im April 2005 nahm er eine selbstständige Tätigkeit auf. Er war im Zusammenhang mit dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass damit seine Pflichtmitgliedschaft geendet habe, er sich jedoch etwa auch bei ihr freiwillig weiterversichern könne.

Im Zusammenhang mit einer Vorsprache des Klägers am 10. Juni 2005 bei der Beklagten unterzeichnete er eine "Mitgliedschaftserklärung zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung", wonach er ab dem 01. April 2005 freiwilliges Mitglied der Beklagten werde. Des Weiteren unterzeichnete er eine Erklärung über seine Einnahmen, in der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1.196,45 EUR aus Überbrückungsgeld angegeben worden sind, ferner wurde der Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 25. Mai 2005 über die Gewährung von Überbrückungsgeld in dieser Höhe für die Zeit vom 01. April 2005 bis 30. September 2005 von ihm vorgelegt.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2005 forderte ihn die Beklagte unter Bezugnahme auf seinen Antrag ab 01. April 2005 auf, noch eine Kopie seiner Gewerbeanmeldung und des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung vom Finanzamt oder eine Rentabilitätsvorschau bis spätestens 27. Juni 2005 vorzulegen, damit sein Beitrag berechnet werden könne. Sofern er diese Unterlagen nicht bis zum 27. Juni 2005 einreiche, werde die Beklagte den Beitrag nach der Höchststufe berechnen.

Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 22. August 2005 den monatlichen Beitrag des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung entsprechend der Höchststufe auf insgesamt 549,90 EUR fest und teilte ferner mit, dass für die Zeit vom 01. April 2005 bis 31. Juli 2005 damit der Beitrag 2.199,60 EUR betrage.

Mit einem weiteren Schreiben vom 06. September 2005 mahnte die Beklagte beim Kläger die ausstehenden Beiträge in Höhe von 2.199,60 EUR bezüglich der Zeit vom 01. April bis 31. Juli 2005 (jeweils 549,90 EUR) an.

Nach einer Vorsprache des Klägers vom 12. September 2005 bei der Beklagten teilte diese ihm mit Schreiben vom 13. September 2005 mit, dass der Sachverhalt nochmals überprüft worden sei, leider eine Stornierung der freiwilligen Mitgliedschaft seit 01. April 2005 nicht möglich sei.

Daraufhin erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er sei seit dem 01. April 2005 nicht mehr bei ihr versichert. Hierüber habe sie ihn auch schriftlich benachrichtigt. Im Mai oder Juni sei er dann vorbeigekommen und habe sich mit einer Sachbearbeiterin unterhalten und sich darauf geeinigt, dass sie ihm ein Angebot gebe. Sie habe ihn noch gefragt, wie viel er verdiene und er habe ihr erklärt, dass er monatlich Überbrückungsgeld erhalte. Er habe telefonisch vom Arbeitsamt erfahren, dass er monatlich ca. 1200,- EUR bekomme, aber die schriftliche Bescheinigung habe er damals noch nicht gehabt. Die Sachbearbeiterin habe ihm ein Formular zum Unterschreiben gegeben. Sie habe ihm erklärt, es handle sich um einen Antrag für ein Angebot, das er aber niemals erhalten habe. Am 06. September 2005 habe er statt eines Angebotes eine Rechnung erhalten. Dieses sei für ihn unverständlich. Er sei auch seit dem 01. Juli 2005 bei der C.-Versicherung versichert. Er sehe nicht ein, für zwei Versicherungen zu zahlen und bitte daher darum, die freiwillige Versicherung zum 01. April 2005 zu stornieren. Ferner gab er in einem weiteren Schreiben vom 19. September 2005 noch an, dass er die Schreiben vom 14. Juni 2005 und 22. August 2005 nicht erhalten habe, diese ihm auf Antrag erst am 16. September 2005 in Kopie zugeschickt worden seien.

Mit Schreiben vom 27. September 2005 wurde der Kläger von der Beklagten darauf hingewiesen, dass er mit mehr als zwei Monaten Krankenversicherungsbeiträgen in Verzug sei und sofern er nicht bis zum 15. Oktober 2005 vollständig sämtliche Beiträge gezahlt habe, ende seine freiwillige Mitgliedschaft. Außerdem sei zum 15. Oktober 2005 auch der laufende Beitrag für September 2005 in Höhe von 546,37 EUR noch fällig, sodass insgesamt 3.328,47 EUR zur Zahlung fällig seien (hierin waren auch noch Säumniszuschläge, Kosten und Gebühren enthalten).

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Versicherungsschutz des Klägers kraft Gesetzes zum 15. Oktober 2005 bei ihr geendet habe und daneben noch Beiträge samt Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren in Höhe von insgesamt 3.639,76 EUR für die Zeit vom 01. April bis 15. Oktober 2005 fällig seien.

Des Weiteren wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2005 den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Zahlungspflicht folge aus § 252 SGB V i.V.m. § 250 Abs. 2 SGB V. Danach hätten freiwillige Mitglieder den Beitrag allein zu zahlen. Die Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung nach § 9 SGB V seien hier zum 01. April 2005 erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers habe es sich bei dem von ihm am 10. Juni 2005 unterzeichneten Vordruck nach dem eindeutigen Wortlaut um eine Beitrittserklärung gehandelt, nicht um ein Angebot. Für die Pflegeversicherung gelte entsprechendes.

Hiergegen hat der Kläger am 13. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat hierbei im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und nochmals geltend gemacht, zu keiner Zeit habe er Mitglied der Beklagten werden wollen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 06. März 2006 vor dem SG hat der Kläger geltend gemacht, am 10. Juni 2005 sei er bei der AOK gewesen und habe im Hinblick auf die Aufforderung der AOK mit Schreiben vom Mai 2005, wonach er nicht mehr krankenversichert sei und die Krankenversicherungskarte zurückbringen solle, diese zurückgebracht. Er habe dann darum gebeten, ihm ein Angebot zu machen. Die Mitarbeiterin der AOK habe von ihm wissen wollen, wie hoch sein Einkommen sei. Er habe erklärt, dass er Überbrückungsgeld erhalte. Da er nichts Schriftliches in der Hand gehabt habe, habe er nicht gewusst, wie hoch dieses sei. Die Mitarbeiterin habe Unterlagen geholt und ihn gebeten, an mehreren Stellen zu unterschreiben. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie ihm das Angebot übersenden würde. Was an Beiträgen zu zahlen sei, werde dann die Zentrale in Karlsruhe entscheiden. Etwa fünf Tage später habe er ein Angebot von der C.-Versicherung bekommen, dieses Angebot sei sehr günstig gewesen und im Hinblick auch darauf, dass ein Freund, der bei der AOK versichert sei, ihm erklärt habe, dass er 300,00 EUR zahle, habe er sich dann für das Angebot der C. Versicherung entschieden, da er davon ausgegangen sei, dass er auch diesen Betrag bei der AOK zahlen müsse. Er habe dann zunächst nichts von der AOK bekommen und auch nicht mehr daran gedacht. Am 12. September 2009 habe er dann die Rechnung der AOK erhalten.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass es bei dem vom Kläger am 10. Juni 2005 unterschriebenen Formular nicht darum gegangen sei, ihm lediglich ein Angebot für eine freiwillige Krankenversicherung zu unterbreiten. Es sei vielmehr seine Willenserklärung gewesen, freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zu werden, der entsprechende Vordruck sei hier eindeutig.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2006 der Klage stattgegeben und die Bescheide der Beklagten vom 22. August und 22. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2005 aufgehoben. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Beklagten auf Krankenversicherungsbeiträge gegen den Kläger bestehe nicht, da keine freiwillige Versicherung nach § 9 SGB V bestanden habe, denn der Kläger habe seine Beitrittserklärung vom 10. Juni wirksam angefochten. Bei der Beitrittserklärung nach § 188 Abs. 3 SGB V handle es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die hinsichtlich ihrer Gültigkeit den allgemeinen Vorschriften des BGB über Willenserklärungen unterliege (LSG Rheinland Pfalz, Breithaupt 2006, 4, 7; Bayer in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 9 SGB V RdNr. 27). Gemäß § 119 Abs. 1 BGB könne eine Willenserklärung anfechten, wer bei ihrer Abgabe über deren Inhalt im Irrtum gewesen sei, wenn anzunehmen sei, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Nach Überzeugung des SG habe sich der Kläger in einem Irrtum über den Inhalt der von ihm am 10. Juni 2005 unterzeichneten "Mitgliedschaftserklärung" befunden. Diese Erklärung sei zwar nach ihrem objektiven Gehalt darauf gerichtet, ab dem 01. April 2005 eine Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beklagten zu begründen. Demgegenüber habe der Kläger offenbar die -falsche - Vorstellung gehabt, durch seine Unterschrift die Beklagte lediglich beauftragt zu haben, für ihn ein Versicherungsangebot zu erstellen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger habe prüfen wollen, bei welcher (gesetzlichen oder privaten) Krankenversicherung eine Mitgliedschaft nach seinen Angaben für ihn am besten gewesen wäre, erscheine der Vortrag des Klägers nach Auffassung des SG nachvollziehbar, ihm sei es am 10. Juni 2005 lediglich um ein Angebot der Beklagten gegangen. Der Irrtum des Klägers werde auch dadurch belegt, dass er wenig später mit Wirkung zum 01. Juli 2005 einen privaten Krankenversicherungsvertrag mit der "C. Krankenversicherung AG" geschlossen habe. Da für den Kläger kein Anlass für einen doppelten Krankenversicherungsschutz bestanden habe, lasse sich dieser Vertragsschluss nur so erklären, dass dem Kläger das Bewusstsein gefehlt habe, aufgrund der Erklärung vom 10. Juni 2005 bereits Mitglied der Beklagten geworden zu sein. Bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles hätte daher der Kläger die "Mitgliedschaftserklärung" vom 10. Juni 2005 nicht abgegeben, denn er habe zu diesem Zeitpunkt noch keinen bindenden Beitritt gewünscht, sondern zunächst Angebote prüfen wollen. Er habe im Übrigen auch die Beitrittserklärung unverzüglich angefochten. Im vorliegenden Fall habe er von der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten erstmals durch die Mahnung vom 06. September 2005 erfahren. Die früheren Schreiben der Beklagten vom 14. Juni und 22. August 2005 seien ihm - nach seiner Darstellung - zunächst nicht zugegangen. Vielmehr habe er sie erst im Zuge des Widerspruchsverfahrens in Kopie erhalten. Diese Darstellung sei nicht widerlegbar. Denn für diese Schreiben existierten keine Zustellungsnachweise. Außerdem würde jedenfalls das Schreiben vom 14. Juni keinen Schluss auf eine im Streit bestehende Mitgliedschaft - also den hier maßgeblichen Anfechtungsgrund - zulassen. Die Mahnung vom 06. September 2005 sei dem Kläger frühestens am 07. September zugegangen, ausgehend hiervon sei die Vorsprache bei der Beklagten am Montag, dem 12. September 2005 unverzüglich erfolgt und wie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 13. September 2005 sowie dem im Erörterungstermin vorgelegten handschriftlichen Widerspruch ergebe, habe der Kläger offenbar bereits am 12. September 2005 darum gebeten, seine Mitgliedschaft zum 01. April 2005 zu "stornieren". Dies sei als konkludente Anfechtungserklärung im Sinne von § 143 BGB auszulegen. Die wirksame Anfechtung beseitige daher die angefochtene Willenserklärung mit rückwirkender Kraft. Dies gelte selbst dann, wenn der Anfechtungsberechtigte seinen Irrtum verschuldet habe. Das SG könne daher dahingestellt lassen, ob der Kläger bei aufmerksamer Lektüre der von ihm unterzeichneten "Mitgliedschaftserklärung" vom 10. Juni 2005 seinen Irrtum hätte vermeiden können. Daneben habe auch keine Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung der Beklagten bestanden, denn die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung bestehe gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI nur für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. An einer derartigen Mitgliedschaft fehle es hier aber gerade.

Die Beklagte hat gegen den ihr mit Empfangsbekenntnis am 27. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. März 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, am 10. Juni 2005 habe der Kläger die Fortsetzung der freiwilligen Mitgliedschaft zum 01. April 2005 nach Ende der Pflichtversicherung zum 31. März 2005 erklärt. Vorgelegt worden sei von ihm dabei der Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit über die Zahlung von Überbrückungsgeld (für die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit) in Höhe von 1.196,45 EUR monatlich. Mit Schreiben vom 14. Juni 2005 sei der Kläger des Weiteren noch an die Einreichung der Unterlagen erinnert worden. Bereits daraus sei für ihn ersichtlich gewesen, dass eine freiwillige Mitgliedschaft zustande gekommen sei. Hinsichtlich der Einwendungen des Klägers sei Folgendes festzustellen. Es habe sich bei dem Vordruck, den ihm die Sachbearbeiterin der Kasse vorgelegt habe, nicht um ein Angebot sondern ganz eindeutig um eine Mitgliedschaftserklärung zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung gehandelt. Das Formular sei für jeden Laien zweifellos als Mitgliedschaftserklärung zu erkennen, da es oben dick und fett die Überschrift trage: "Mitgliedschaftserklärung zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung". Somit sei auch für einen "Nichtfachmann" ganz klar ersichtlich, dass es sich nicht um ein Angebot handeln könne. Daher habe der Kläger auch - entgegen den Ausführungen des Gerichtsbescheides des SG - über den Inhalt nicht im Irrtum sein können und die nötige Kenntnis der Sachlage in diesem Fall gehabt. Seine Erklärung zur freiwilligen Fortsetzung der Mitgliedschaft sei eine einseitige, empfangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärung, an die er gebunden sei. Außerdem sei der Kläger als Selbstständiger tätig. Dies erfordere Kenntnisse auch bei der Einhaltung von Formalitäten und im Umgang mit öffentlichen Stellen. Ab dem 01. Juli 2005 habe er zwischenzeitlich bei der C. Krankenversicherung einen privaten Versicherungsvertrag abgeschlossen. Da dieser für ihn günstiger gewesen sei, sei er an der freiwilligen Weiterversicherung bei der Beklagten offenbar nicht mehr interessiert gewesen und habe von seiner am 10. Juni 2005 abgegebenen Mitgliedschaftserklärung nichts mehr wissen wollen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 24. Mai 2006 hat der Kläger nochmals seinen Vortrag aus dem SG-Verfahren und seine Angaben aus dem Erörterungstermin vor dem SG wiederholt und u.a. angegeben, bei der Vorsprache bei der AOK habe ihn die Mitarbeiterin auch nach seinem Einkommen gefragt und er in dem Zusammenhang erklärt, dass er nur Übergangsgeld erhalten würde, aber noch keinen Bescheid hätte, es aber in einer Größenordnung von ca. 1200,- EUR sein würde. Daraufhin habe sie ihm die hier streitige Erklärung vorgelegt und erklärt, er solle dort und dort unterschreiben, damit man von Seiten der AOK das bearbeiten könne und sie alles nach K. schicken könne. Der Kläger gibt ferner noch an, dass er aufgrund einer Zahlungsvereinbarung mit der Beklagten seinerzeit monatliche Raten in Höhe von 50,00 EUR gezahlt habe und bis zur Entscheidung durch das SG drei Raten, also 150,00 EUR bislang bezahlt worden seien.

Eine vergleichsweise Beendigung auf Vorschlag des Berichterstatters, wonach der Kläger noch Beiträge in Höhe von ca. 1.780,00 zahle und im Übrigen der Streit dann erledigt sei, wurde von beiden Seiten nicht akzeptiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Im Streit stehen u.a. Beitragsforderungen in einer Größenordnung von 3.639,76 EUR.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG bestand hier für die Zeit vom 01. April 2005 bis 15. Oktober 2005 eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers bei der Beklagten. Eine wirksame Anfechtung der Mitgliedschaftserklärung vom 10. Juni 2005 ist nicht erfolgt.

Gemäß § 181 Abs. 1 SGB V beginnt die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter mit dem Tag ihres Beitritts zur Krankenkasse. Der Beitritt ist gemäß § 188 Abs. 3 SGB V schriftlich zu erklären.

Der Kläger hat am 10. Juni 2005 eine schriftliche Mitgliedschaftserklärung gemäß § 188 Abs. 3 SGB V (rückwirkend) mit Wirkung zum 01. April 2005 (im Wege einer Weiterversicherung nach dem Ende der gesetzlichen Versicherung als Bezieher von Arbeitslosengeld) abgegeben. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass er diese Erklärung wirksam gemäß § 119 Abs. 1 BGB angefochten hat.

Bei der Beitrittserklärung nach § 188 Abs. 3 SGB V handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die hinsichtlich ihrer Gültigkeit den allgemeinen Vorschriften des BGB über Willenserklärung unterliegt (s. LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 2006, 4,7; Bayer in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung § 9 SGB V RdNr. 27). Gemäß § 119 Abs. 1 BGB kann eine Willenserklärung anfechten, wer bei ihrer Abgabe über deren Inhalt im Irrtum war, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

Für die vom Kläger hier im Ergebnis geltend gemachte Anfechtung seiner Mitgliedschaftserklärung trägt der Kläger die objektive Beweislast. Das heißt, er trägt die Beweislast dafür, dass tatsächlich ein Irrtum vorlag (dazu unter Ziff. 1) und dass er - sofern überhaupt ein Irrtum angenommen wird - unverzüglich nach Kenntnis des Irrtums die Anfechtungserklärung abgegeben hat (dazu unter Ziff. 2).

1. Entgegen der Auffassung des SG kann sich der Senat schon nicht davon überzeugen, dass sich der Kläger tatsächlich in einem Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung vom 10. Juni 2005 befand. Das Formular ist überschrieben in Fettdruck mit: "Mitgliedschaftserklärung zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung". Ferner ist dort in der obersten Zeile vermerkt: "Ich werde ab 01.04.2005 freiwilliges Mitglied der AOK - Die Gesundheitskasse". Schon im Hinblick darauf bleiben für den Senat Zweifel bestehen, weshalb der Kläger nicht erkannt haben will, dass es sich hierbei nicht um die Bitte um ein Angebot sondern (bereits) um einen Antrag auf Mitgliedschaft handelte. Sofern es allerdings zutrifft, dass der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung des Senats zu Protokoll gegeben hat, er das Formular nicht gelesen, sondern es ungelesen unterschrieben hat, läge (mangels Vorstellungen über den Inhalt) schon kein Irrtum über dessen Inhalt vor. Mit der Beklagten ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger als selbstständiger Handwerker (Maler) durchaus in der Lage sein muss, Formulare verschiedenster Art auszufüllen und mit Behörden zusammenzuarbeiten. An fehlenden Deutschkenntnissen kann es dabei nicht gelegen haben, denn der Kläger hat vor der Handwerkskammer eine Prüfung abgelegt, die es ihm ermöglicht, in Deutschland als selbstständiger Maler zu arbeiten. Nach seinen eigenen Angaben vor dem Senat vermag er sich in seinem Beruf auch in deutscher Sprache ausreichend zu verständigen; auch bei der Beklagten habe er deutsch gesprochen. In dem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger mehrfach hier im Verfahren geltend gemacht hat, er habe damals über seine Einnahmen keine Angaben machen können, da er u.a. den Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit über das Überbrückungsgeld noch nicht erhalten habe. Tatsächlich aber befindet sich in der Verwaltungsakte neben der Mitgliedschaftserklärung vom 10. Juni 2005 eine Erklärung über die Einnahmen ebenfalls vom 10. Juni 2005, versehen mit der Angabe über Einnahmen aus Überbrückungsgeld in Höhe von 1.196,45 EUR, genau den Betrag, wie er sich aus dem ebenfalls beiliegenden Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 25. Mai 2005 ergibt. Auch das weitere Verhalten des Klägers weckt für den Senat vielmehr Zweifel an seinen Einlassungen. Wenn der Kläger nämlich wirklich zum damaligen Zeitpunkt noch Angebote einholen wollte, fragt es sich, wieso er dann das vermeintliche Angebot der Beklagten nicht (mehr) abgewartet hat, sondern stattdessen sofort bei der C.-Versicherungs AG abgeschlossen hat. Für den Senat kann hier nicht die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei der Beklagten (eben) bereits einen Antrag gestellt hatte, diesen aber im Hinblick auf die Angabe des Freundes (bei der AOK koste es 300,00 EUR) und das vermeintlich günstigere Angebot der C.-Versicherung bereut hatte und schlicht nichts mehr davon wissen wollte.

Insgesamt bleiben damit für den Senat Zweifel bestehen, ob der Kläger tatsächlich bei Abgabe der Mitgliedschaftserklärung über den Inhalt dieser Erklärung im Irrtum war. Hierfür aber trägt der Kläger die Beweislast, sodass die Zweifel seinen Lasten gehen. Sofern sich aber der Kläger sehr wohl darüber bewusst war, welche Erklärung er abgegeben hatte, diese nur im Nachhinein bereut hatte, würde dies schon keinen Anfechtungsgrund darstellen.

2. Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger tatsächlich erst mit Schreiben vom 06. September 2005 von seinem vermeintlichen Irrtum Kenntnis erlangte und somit noch unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) am 12. September 2005 die Anfechtung ("Mitgliedschaft stornieren") erklärte.

Der Kläger erhielt zuvor die Schreiben vom 14. Juni 2005 und 22. August 2005. Bereits im Schreiben vom 14. Juni 2005 des CompetenceCenter Freiwillige Mitglieder der Beklagten ist vom "Antrag ab 01.04.2005" die Rede. Wenn der Kläger tatsächlich sich über den Inhalt seiner Erklärung getäuscht haben sollte, hätte er jedenfalls schon hieraus erkennen können, dass hier offensichtlich nicht von einem Angebot und dessen Prüfung sondern bereits von einem Antrag ausgegangen wird. Wenn der Kläger aber geltend macht, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben, so kann zwar von ihm nicht verlangt werden, diese negative Tatsache (den Nichtzugang) zu beweisen. Tatsache ist aber auf der anderen Seite, dass diese Schreiben auch nicht an die Beklagte als unzustellbar zurückgingen und der Kläger nicht im Weiteren konkrete Umstände behauptet hat, weshalb bei ihm zur damaligen Zeit gerade diese Schreiben nicht angekommen sein sollten (etwa aufgrund eines beschädigten Briefkastens oder eines gemeinsamen allgemein jedem zugänglichen Briefkastens u./o.ä). Die unsubstantiierte Behauptung, diese Schreiben nicht erhalten zu haben ohne konkrete Umstände zu benennen, die den Postverlust erklären könnten, überzeugen den Senat daher nicht.

Da folglich nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden kann, dass der Kläger tatsächlich erst mit Schreiben vom 06. September 2005 Kenntnis von seinem (behaupteten) vermeintlichen Irrtum erlangte, kann auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) nach Kenntniserlangung im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärte.

3. Aus diesen Gründen kann nach Überzeugung des Senats eine wirksame Anfechtung der Mitgliedschaftserklärung nicht festgestellt werden. Damit bleibt die Mitgliedschaftserklärung vom 10. Juni 2005 mit Wirkung zum 01. April 2005 mit allen rechtlichen Konsequenzen wirksam.

Der Senat konnte deshalb die weitere Frage nach einem möglichen Schadensersatzanspruch der Beklagten gemäß § 122 BGB, die das SG aufgrund seiner Rechtsauffassung an sich hätte prüfen müssen, offenlassen.

4. Da also der Kläger wirksam die Mitgliedschaftserklärung vom 10. Juni 2005 zum 01. April 2005 erklärte, bestand bis zur Beendigung der Mitgliedschaft zum 15. Oktober 2005 aufgrund des Zahlungsverzuges (gemäß § 191 Satz 1 Nr. 2 SGB V) eine freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Beklagten in Verbindung mit einer Pflichtpflegeversicherung gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI, mit der weiteren Folge der Beitragspflicht in der von der Beklagten festgestellten Höhe zuzüglich der Säumniszuschläge und Gebühren.

Die Höhe der Beiträge ist vom Kläger nicht bestritten worden. Sie entspricht den Bestimmungen in § 240 Abs. 3 SGB V. Sofern der Kläger allerdings die von der Beklagten geforderten Nachweise (z.B. die Gewerbeanmeldung bzw. den Einkommensteuerbescheid für 2005) vorzulegen vermag, ist er darauf hinzuweisen, dass er über einen Antrag gem. § 44 SGB X eine Überprüfung der Höhe der geschuldeten Beiträge und ggfs eine Neuberechnung erreichen kann.

5. Aus diesen Gründen ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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