Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 RA 696/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 41/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2003 in der Fassung der Bescheide vom 23. Juni 2003 und gegen den Bescheid vom 19. Mai 2003, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2003, abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen von Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 sowie 1. Januar 2002 bis 1. September 2002, hilfsweise die Befreiung von der Versicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 streitig.
Die am X.XXXXXXXX 1963 geborene Klägerin war ab 1. Januar 1999 als selbständige EDV-Beraterin und Softwareentwicklerin tätig. Am 11. Juni 2001 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung. Die – zugunsten der Klägerin erfolgte – Annahme eines solchen Antrages aus dem Jahre 2000 in späteren Bescheiden der Beklagten basiert offenbar auf einem Versehen.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2002 stellte die Beklagte fest, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit der Klägerin als EDV-Beraterin für die Firma W. GmbH um eine selbständige Tätigkeit handele, und wies auf das Bestehen einer Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hin.
Am 5. Juni 2002 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 21. März 2003 stellte die Beklagte das Bestehen von Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ab dem 1. Januar 1999 fest und forderte die Klägerin zur Zahlung von Beiträgen in Höhe von 8.049,07 Euro für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. März 2003 auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 7. April 2003 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 sprach die Beklagte eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Zeit vom 28. Juni 2000 (unzutreffendes Datum der Antragstellung auf Statusfeststellung) bis 1. Januar 2002 (Ende des Dreijahreszeitraums nach Tätigkeitsaufnahme) aus und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin einen Widerspruch nicht ausdrücklich ein, machte jedoch im Rahmen der Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. März 2003 geltend, eine Befreiung von der Versicherungspflicht müsse auch für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 erfolgen, weil erst am 10. Januar 2000 die gesetzliche Regelung mit der Befreiungsmöglichkeit geschaffen worden sei.
Mit den Bescheiden vom 23. Juni 2003 reduzierte die Beklagte die Beitragsforderung auf 5.768,44 Euro für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 1. September 2002 und stellte fest,
dass ab 2. September 2002 eine Versicherungspflicht nicht mehr bestehe. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin ebenfalls Widerspruch ein.
Die Widersprüche – soweit ihnen nicht bereits in den Bescheiden vom 23. Juni 2003 abgeholfen worden war – wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2003 zurück. Dabei überprüfte sie auch den Bescheid vom 19. Mai 2003. Unter anderem führte die Beklagte aus, sie habe auf Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht, die innerhalb von drei Monaten nach Verkündung des diese Möglichkeit einführenden Änderungsgesetzes gestellt worden seien, eine Befreiung ab Beginn der Tätigkeit ausgesprochen. Der Antrag der Klägerin liege jedoch außerhalb dieser Frist.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage erhoben. Mit Urteil vom 26. Januar 2005 hat das Sozialgericht der Klage (unter Streitwertfestsetzung) stattgegeben, die Bescheide vom 21. März 2003, 19. Mai 2003 und 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2003 vollständig (also auch den die Klägerin begünstigendes Teil) aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 nicht versicherungspflichtig tätig gewesen sei. Von ihrem Unternehmenskonzept her habe die Klägerin für mehrere und nicht nur für einen Auftraggeber tätig sein wollen. Mangels Ausschließlichkeitsvereinbarung sei sie von ihrem (einzigen) Auftraggeber rechtlich nicht abhängig gewesen und, weil die Tätigkeit jeweils für Einzelprojekte in geringem zeitlichen Umfang erfolgt sei, habe auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Nach wie vor sei sie der Auffassung, die Klägerin sei in ihrer selbständigen Tätigkeit als EDV-Beraterin versicherungspflichtig gewesen. Da die Klägerin insgesamt über einen Zeitraum von mehr als 3 ½ Jahren ausschließlich für die Firma W. tätig geworden sei, müsse von einer Tätigkeit für nur einen Auftraggeber ausgegangen werden. Angesichts dieser Zeitdauer könne nicht berücksichtigt werden, dass es sein mag, dass die Klägerin vom Konzept her ihre Tätigkeit für mehrere Auftraggeber hat ausüben wollen. Außerdem habe aufgrund des Rahmenvertrages eine gewisse Verbindung der Einzelaufträge untereinander bestanden. Da die Einnahmen aus der Tätigkeit für diesen einen Auftraggeber die einzigen Einnahmen der Klägerin gewesen seien und auch eine beachtliche Höhe erreicht hätten, könne der Tätigkeitsumfang nicht als gering betrachtet werden, auch wenn die Einzelaufträge jeweils nur über wenige Tage gegangen seien.
Eine Befreiung für die streitige Zeit komme wegen der fehlenden rechtzeitigen Stellung eines Befreiungsantrages nicht in Betracht. Das Festhalten an den gesetzlichen Fristen zur Stellung derartiger Anträge entspreche auch dem Sinn der Regelungen zur Versicherungspflicht. Anders sei eine zeitnahe Klärung des Versicherungsverhältnisses nicht möglich.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2003 in der Fassung der Bescheide vom 23. Juni 2003 und gegen den Bescheid vom 19. Mai 2003, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2003, abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend. Angesichts der Einzelprojekte, die sie für ihren einzigen Auftraggeber erledigt habe, könne nicht von einem Dauervertragsverhältnis gesprochen werden. Vom Umfang der Tätigkeit betrachtet habe das Sozialgericht die Aufträge zu Recht als gering eingestuft. Nach den Motiven des Gesetzgebers solle gerade der Umstand, dass trotz des gegenteiligen Unternehmenskonzepts anfangs nur für einen Auftraggeber gearbeitet wird, nicht von Nachteil sein. Daher müsse das Unternehmenskonzept hier ausschlaggebend sein.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungskate der Beklagte verwiesen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist begründet.
Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind versicherungspflichtig Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, , und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.
Die Klägerin beschäftigte im streitigen Zeitraum keinen Arbeitnehmer.
Sie war auch auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Da die Entscheidung über die Versicherungspflicht durch prognostische Einschätzung zu Anfang der Tätigkeit zu treffen ist, ist darauf abzustellen, ob das Unternehmenskonzept einer geplanten Tätigkeit für mehrere Unternehmen glaubhaft vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin war über einen Zeitraum von 3 ½ Jahren ausschließlich für einen Auftraggeber tätig. Mit diesem hatte sie einen Rahmenvertrag, in dem die allgemeinen Konditionen der Tätigkeit geregelt wurden. Zwar bearbeitete sie Einzelaufträge, für die jeweils nur die Projekttage als Grundlage für die in Rechnung gestellte Bezahlung dienten, während eine hinzukommende Vorbereitungszeit für die Durchführung der Aufträge sich nicht in der Berechnung der Vergütung niederschlug. Dennoch handelte es sich dabei nicht um eine Tätigkeit von geringem oder untergeordnetem Umfang, sondern auch hinsichtlich des Umfanges der Tätigkeit um die Erfüllung der von der Klägerin angestrebten selbständigen Arbeit. Die Klägerin selbst führt im Schreiben vom 15. Oktober 2007 aus, dass sie damit "regelmäßige komplexe Aufträge nur eines Auftraggebers angenommen" habe, "durch die ihre gesamte Arbeits-Schaffenskraft gebunden" gewesen sei und sie "hierdurch ihr unternehmerisches Ziel hinsichtlich des Inhaltes und des wirtschaftlichen Erfolges realisiert und ihre unternehmerische Freiheit in der Wahl der lukrativsten Aufträge" erhalten habe. Abgesehen davon, dass die erzielten Einnahmen ausreichend hoch für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin gewesen sein dürften, sind sie auch schon deswegen nicht als gering anzusehen, weil es sich um die einzige Einkommensquelle der Klägerin im streitigen Zeitraum handelte. Es mag so sein, dass die Klägerin auch im streitigen Zeitraum den Wunsch gehabt hat, eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber auszuüben. Allerdings spricht der Abschluss des Rahmenvertrages mit der Firma W. und die langen Zeit der Tätigkeit nur für diesen einen Auftraggeber gegen eine ernstliche Suche nach weiteren Auftraggebern. Aber selbst unterstellt, die Klägerin hätte den ernsthaften Wunsch gehabt, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein, so bildet sich ein solches Unternehmenskonzept nicht ab und kann deswegen nicht als Unternehmensziel angesehen werden. Es sind Aktivitäten, andere Auftraggeber zu akquirieren, im streitigen Zeitraum (noch) nicht ersichtlich.
Obwohl der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich noch mal die Gelegenheit gegeben worden ist, Belege zumindest einer Suche nach weiteren Auftraggebern vorzulegen, hat sie solche nicht beigebracht. Der von ihr vorgelegte Vertrag mit der Firma M.-Gesellschaft XXXXX GmbH stammt von Mitte August 2002 und begründet ein Auftragsverhältnis ab 2. September 2002, also ab einem Datum außerhalb des streitigen Zeitraums. Auch hat die Klägerin nur allgemein behauptet, in den Jahren 1999 bis 2002 Projekt- und Akquisebesprechungen mit potentiellen Auftraggebern geführt zu haben und insoweit Namen genannt, aber nicht substantiiert dargelegt, wann sie mit wem über was gesprochen haben will. Für den 12. Juni 2002 hat sie ein Ticket für eine Fahrt nach Bonn vorgelegt, jedoch nicht mitgeteilt, was der Zweck dieser Reise gewesen ist. Von den von ihr namentlich benannten Firmen ist keine in Bonn ansässig. Unter diesen Umständen ist das Gericht nicht gehalten, Zeugenvernehmungen (ins Blaue hinein) durchzuführen.
Hinsichtlich der rückwirkend zum 1. Januar 1999 eingeführten Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1999, BGBl. 2000, I 2. - Unter § 231 SGB VI fällt die Klägerin nicht.) erfüllt die Klägerin zwar materiell die Befreiungsvoraussetzungen, jedoch hat sie den Befreiungsantrag erst am 5. Juni 2002 gestellt. Eine Befreiung für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 kann sie daher nicht beanspruchen. Die Beklagte hat sogar zugunsten der Klägerin ein wesentlich früheres Datum der Antragstellung angenommen. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.11.05, B 12 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr. 5), wonach eine geltend gemachte Rechtsunkenntnis keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt und zugunsten der Betroffenen keine weiter gehende Überlegungsfrist als eine volle Dreimonatsfrist für die Antragstellung anzunehmen ist. Dieser Rechtsprechung schließt sich das hier zur Entscheidung aufgerufene Gericht an.
Die Beklagte hat im Beitragsbescheid vom 23. Juni 2003 die Beitragshöhe zutreffend berechnet. Hiergegen erhebt auch die Klägerin keine Einwände. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die geforderten Beträge zu zahlen, berührt dies nicht die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung, sondern wäre im Rahmen der Vollstreckung durch die Beklagte zu prüfen.
Einer Streitwertentscheidung bedarf es nicht. Hier ist § 183 SGG einschlägig. Die Klägerin gilt in einem Rechtsstreit um die Versicherteneigenschaft als Versicherte im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5.10.06, B 10 LW 5/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen von Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 sowie 1. Januar 2002 bis 1. September 2002, hilfsweise die Befreiung von der Versicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 streitig.
Die am X.XXXXXXXX 1963 geborene Klägerin war ab 1. Januar 1999 als selbständige EDV-Beraterin und Softwareentwicklerin tätig. Am 11. Juni 2001 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung. Die – zugunsten der Klägerin erfolgte – Annahme eines solchen Antrages aus dem Jahre 2000 in späteren Bescheiden der Beklagten basiert offenbar auf einem Versehen.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2002 stellte die Beklagte fest, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit der Klägerin als EDV-Beraterin für die Firma W. GmbH um eine selbständige Tätigkeit handele, und wies auf das Bestehen einer Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hin.
Am 5. Juni 2002 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 21. März 2003 stellte die Beklagte das Bestehen von Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ab dem 1. Januar 1999 fest und forderte die Klägerin zur Zahlung von Beiträgen in Höhe von 8.049,07 Euro für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. März 2003 auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 7. April 2003 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 sprach die Beklagte eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Zeit vom 28. Juni 2000 (unzutreffendes Datum der Antragstellung auf Statusfeststellung) bis 1. Januar 2002 (Ende des Dreijahreszeitraums nach Tätigkeitsaufnahme) aus und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin einen Widerspruch nicht ausdrücklich ein, machte jedoch im Rahmen der Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. März 2003 geltend, eine Befreiung von der Versicherungspflicht müsse auch für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 erfolgen, weil erst am 10. Januar 2000 die gesetzliche Regelung mit der Befreiungsmöglichkeit geschaffen worden sei.
Mit den Bescheiden vom 23. Juni 2003 reduzierte die Beklagte die Beitragsforderung auf 5.768,44 Euro für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 1. September 2002 und stellte fest,
dass ab 2. September 2002 eine Versicherungspflicht nicht mehr bestehe. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin ebenfalls Widerspruch ein.
Die Widersprüche – soweit ihnen nicht bereits in den Bescheiden vom 23. Juni 2003 abgeholfen worden war – wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2003 zurück. Dabei überprüfte sie auch den Bescheid vom 19. Mai 2003. Unter anderem führte die Beklagte aus, sie habe auf Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht, die innerhalb von drei Monaten nach Verkündung des diese Möglichkeit einführenden Änderungsgesetzes gestellt worden seien, eine Befreiung ab Beginn der Tätigkeit ausgesprochen. Der Antrag der Klägerin liege jedoch außerhalb dieser Frist.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage erhoben. Mit Urteil vom 26. Januar 2005 hat das Sozialgericht der Klage (unter Streitwertfestsetzung) stattgegeben, die Bescheide vom 21. März 2003, 19. Mai 2003 und 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2003 vollständig (also auch den die Klägerin begünstigendes Teil) aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 nicht versicherungspflichtig tätig gewesen sei. Von ihrem Unternehmenskonzept her habe die Klägerin für mehrere und nicht nur für einen Auftraggeber tätig sein wollen. Mangels Ausschließlichkeitsvereinbarung sei sie von ihrem (einzigen) Auftraggeber rechtlich nicht abhängig gewesen und, weil die Tätigkeit jeweils für Einzelprojekte in geringem zeitlichen Umfang erfolgt sei, habe auch keine wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Nach wie vor sei sie der Auffassung, die Klägerin sei in ihrer selbständigen Tätigkeit als EDV-Beraterin versicherungspflichtig gewesen. Da die Klägerin insgesamt über einen Zeitraum von mehr als 3 ½ Jahren ausschließlich für die Firma W. tätig geworden sei, müsse von einer Tätigkeit für nur einen Auftraggeber ausgegangen werden. Angesichts dieser Zeitdauer könne nicht berücksichtigt werden, dass es sein mag, dass die Klägerin vom Konzept her ihre Tätigkeit für mehrere Auftraggeber hat ausüben wollen. Außerdem habe aufgrund des Rahmenvertrages eine gewisse Verbindung der Einzelaufträge untereinander bestanden. Da die Einnahmen aus der Tätigkeit für diesen einen Auftraggeber die einzigen Einnahmen der Klägerin gewesen seien und auch eine beachtliche Höhe erreicht hätten, könne der Tätigkeitsumfang nicht als gering betrachtet werden, auch wenn die Einzelaufträge jeweils nur über wenige Tage gegangen seien.
Eine Befreiung für die streitige Zeit komme wegen der fehlenden rechtzeitigen Stellung eines Befreiungsantrages nicht in Betracht. Das Festhalten an den gesetzlichen Fristen zur Stellung derartiger Anträge entspreche auch dem Sinn der Regelungen zur Versicherungspflicht. Anders sei eine zeitnahe Klärung des Versicherungsverhältnisses nicht möglich.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2003 in der Fassung der Bescheide vom 23. Juni 2003 und gegen den Bescheid vom 19. Mai 2003, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2003, abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend. Angesichts der Einzelprojekte, die sie für ihren einzigen Auftraggeber erledigt habe, könne nicht von einem Dauervertragsverhältnis gesprochen werden. Vom Umfang der Tätigkeit betrachtet habe das Sozialgericht die Aufträge zu Recht als gering eingestuft. Nach den Motiven des Gesetzgebers solle gerade der Umstand, dass trotz des gegenteiligen Unternehmenskonzepts anfangs nur für einen Auftraggeber gearbeitet wird, nicht von Nachteil sein. Daher müsse das Unternehmenskonzept hier ausschlaggebend sein.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungskate der Beklagte verwiesen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist begründet.
Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind versicherungspflichtig Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, , und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.
Die Klägerin beschäftigte im streitigen Zeitraum keinen Arbeitnehmer.
Sie war auch auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Da die Entscheidung über die Versicherungspflicht durch prognostische Einschätzung zu Anfang der Tätigkeit zu treffen ist, ist darauf abzustellen, ob das Unternehmenskonzept einer geplanten Tätigkeit für mehrere Unternehmen glaubhaft vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin war über einen Zeitraum von 3 ½ Jahren ausschließlich für einen Auftraggeber tätig. Mit diesem hatte sie einen Rahmenvertrag, in dem die allgemeinen Konditionen der Tätigkeit geregelt wurden. Zwar bearbeitete sie Einzelaufträge, für die jeweils nur die Projekttage als Grundlage für die in Rechnung gestellte Bezahlung dienten, während eine hinzukommende Vorbereitungszeit für die Durchführung der Aufträge sich nicht in der Berechnung der Vergütung niederschlug. Dennoch handelte es sich dabei nicht um eine Tätigkeit von geringem oder untergeordnetem Umfang, sondern auch hinsichtlich des Umfanges der Tätigkeit um die Erfüllung der von der Klägerin angestrebten selbständigen Arbeit. Die Klägerin selbst führt im Schreiben vom 15. Oktober 2007 aus, dass sie damit "regelmäßige komplexe Aufträge nur eines Auftraggebers angenommen" habe, "durch die ihre gesamte Arbeits-Schaffenskraft gebunden" gewesen sei und sie "hierdurch ihr unternehmerisches Ziel hinsichtlich des Inhaltes und des wirtschaftlichen Erfolges realisiert und ihre unternehmerische Freiheit in der Wahl der lukrativsten Aufträge" erhalten habe. Abgesehen davon, dass die erzielten Einnahmen ausreichend hoch für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Klägerin gewesen sein dürften, sind sie auch schon deswegen nicht als gering anzusehen, weil es sich um die einzige Einkommensquelle der Klägerin im streitigen Zeitraum handelte. Es mag so sein, dass die Klägerin auch im streitigen Zeitraum den Wunsch gehabt hat, eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber auszuüben. Allerdings spricht der Abschluss des Rahmenvertrages mit der Firma W. und die langen Zeit der Tätigkeit nur für diesen einen Auftraggeber gegen eine ernstliche Suche nach weiteren Auftraggebern. Aber selbst unterstellt, die Klägerin hätte den ernsthaften Wunsch gehabt, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein, so bildet sich ein solches Unternehmenskonzept nicht ab und kann deswegen nicht als Unternehmensziel angesehen werden. Es sind Aktivitäten, andere Auftraggeber zu akquirieren, im streitigen Zeitraum (noch) nicht ersichtlich.
Obwohl der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich noch mal die Gelegenheit gegeben worden ist, Belege zumindest einer Suche nach weiteren Auftraggebern vorzulegen, hat sie solche nicht beigebracht. Der von ihr vorgelegte Vertrag mit der Firma M.-Gesellschaft XXXXX GmbH stammt von Mitte August 2002 und begründet ein Auftragsverhältnis ab 2. September 2002, also ab einem Datum außerhalb des streitigen Zeitraums. Auch hat die Klägerin nur allgemein behauptet, in den Jahren 1999 bis 2002 Projekt- und Akquisebesprechungen mit potentiellen Auftraggebern geführt zu haben und insoweit Namen genannt, aber nicht substantiiert dargelegt, wann sie mit wem über was gesprochen haben will. Für den 12. Juni 2002 hat sie ein Ticket für eine Fahrt nach Bonn vorgelegt, jedoch nicht mitgeteilt, was der Zweck dieser Reise gewesen ist. Von den von ihr namentlich benannten Firmen ist keine in Bonn ansässig. Unter diesen Umständen ist das Gericht nicht gehalten, Zeugenvernehmungen (ins Blaue hinein) durchzuführen.
Hinsichtlich der rückwirkend zum 1. Januar 1999 eingeführten Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1999, BGBl. 2000, I 2. - Unter § 231 SGB VI fällt die Klägerin nicht.) erfüllt die Klägerin zwar materiell die Befreiungsvoraussetzungen, jedoch hat sie den Befreiungsantrag erst am 5. Juni 2002 gestellt. Eine Befreiung für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 27. Juni 2000 kann sie daher nicht beanspruchen. Die Beklagte hat sogar zugunsten der Klägerin ein wesentlich früheres Datum der Antragstellung angenommen. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.11.05, B 12 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr. 5), wonach eine geltend gemachte Rechtsunkenntnis keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt und zugunsten der Betroffenen keine weiter gehende Überlegungsfrist als eine volle Dreimonatsfrist für die Antragstellung anzunehmen ist. Dieser Rechtsprechung schließt sich das hier zur Entscheidung aufgerufene Gericht an.
Die Beklagte hat im Beitragsbescheid vom 23. Juni 2003 die Beitragshöhe zutreffend berechnet. Hiergegen erhebt auch die Klägerin keine Einwände. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die geforderten Beträge zu zahlen, berührt dies nicht die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung, sondern wäre im Rahmen der Vollstreckung durch die Beklagte zu prüfen.
Einer Streitwertentscheidung bedarf es nicht. Hier ist § 183 SGG einschlägig. Die Klägerin gilt in einem Rechtsstreit um die Versicherteneigenschaft als Versicherte im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5.10.06, B 10 LW 5/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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