L 14 B 1968/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 117 AS 22039/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1968/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2007 insoweit geändert, als der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, der Antragstellerin für die Zeit vom 11. bis 30. September 2007 unter Anrechnung des bezogenen Arbeitslosen- und Kindergeldes Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Zugrundelegung eines Monatsbetrages in Höhe von 347,- Euro zu gewähren. Der Antrag der Antragstellerin bzw. ihre Beschwerde sowie die Beschwerde des Antragsgegners im Übrigen werden zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Soweit das Sozialgericht Leistungen für die Monate Oktober bis Dezember 2007 zugesprochen hat, war der angefochtene Beschluss schon deshalb aufzuheben, weil die Antragstellerin für diesen Zeitraum Leistungen niemals beantragt hat, was von ihr im Beschwerdeverfahren bestätigt worden ist.

Bezüglich der von der Antragstellerin für die Monate Juli und August beantragten Leistungen hat das Sozialgericht keine ausdrückliche Entscheidung getroffen. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob das Sozialgericht für diese Monate indirekt den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und die Antragstellerin dagegen in ihrem Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 (unselbständige) Anschlussbeschwerde erhoben oder ob er erstmals selbst über den Antrag zu entscheiden hat. Jedenfalls fehlt es für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 10. September 2007 an einem Anordnungsgrund, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erst am 11. September 2007 beim Sozialgericht eingegangen ist und der laufende Lebensunterhalt nicht im Nachhinein sichergestellt werden kann. Die Antragstellerin kann daher insoweit weder mit ihrem Antrag noch mit einer Anschlussbeschwerde Erfolg haben. Sie ist für die Geltendmachung dieser Ansprüche auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen, falls der Antragsgegner diese nicht noch anerkennt.

Dagegen hat das Sozialgericht für die Zeit vom 11. bis 30. September 2007 dem Grunde nach zu Recht der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) zugesprochen. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Sozialgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.

Der Anordnungsanspruch zugunsten der Antragstellerin ergibt sich zunächst aus § 22 SGB II. Zu Unrecht meint der Antragsgegner, dass die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nach § 22 Abs. 2a SGB II ausgeschlossen sei. Unabhängig davon, dass nicht erkennbar ist, bis wann die Antragstellerin bei ihren Eltern gewohnt hat, und die Anwendbarkeit der Vorschrift wenn nicht einen erstmaligen Auszug so doch jedenfalls voraussetzt, dass für einen unter 25 Jährigen noch ausreichender Wohnraum bei seinen Eltern oder einem Elternteil zur Verfügung steht (Beschluss des erkennenden Senats v. 19. November 2007 – L 14 B 1582/07 AS ER - ), der Antragsgegner dazu aber keinerlei Feststellungen getroffen hat, sind die Anforderungen des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II nicht erfüllt. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht erbracht, wenn Personen vor Vollendung des 25. Lebensjahres in der Absicht umziehen, die Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen herbeizuführen.

Bei Abschluss des Mietvertrages im September 2006 und bei Bezug ihrer jetzigen Wohnung im Januar 2007 stand die Antragstellerin noch in einem Ausbildungsverhältnis als Verkäuferin, aus dem sie eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 609,- Euro monatlich bezog. Zusammen mit dem an sie weitergeleiteten Kindergeld in Höhe von 154,- Euro war sie offenbar in der Lage, daraus die Aufwendungen für die Unterkunft aus eigener Kraft zu bestreiten. Ergänzende Leistungen nach dem SGB II hatte sie bis Juli 2007 weder beantragt noch erhalten. Anhaltspunkte gegen ihren Vortrag, bis Juli 2007 noch davon ausgegangen zu sein, ein weiteres Ausbildungsjahr mit entsprechender Ausbildungsvergütung absolvieren zu können, liegen nicht vor. Vielmehr wird er durch die schriftliche Äußerung des Ausbildungs¬betriebes vom 27. September 2007 bestätigt. Soweit sich der Antragsgegner darauf bezieht, dass die Antragstellerin bei ihm am 20. Juli 2007 erklärt habe, statt einer weiteren Ausbildung vorerst lieber Geld verdienen zu wollen, verkennt er, dass es allein auf die Verhältnisse zur Zeit des Umzuges ankommt. Selbst wenn die Antragstellerin die Nicht¬verlängerung der Ausbildung im Nachhinein gebilligt hat, belegt das noch nicht, dass sie schon Ende des Jahres 2006 / Anfang des Jahres 2007 den Eintritt von Arbeitslosigkeit im Juli 2007 voraussah.

Die Antragstellerin hat dem Grunde nach auch Anspruch auf Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II. Auf den Bedarf von 347,- Euro ist jedoch gemäß §§ 11 Abs. 1, 19 Satz 3 SGB II das bezogene Arbeitslosengeld anzurechnen, das nach dem Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 14. August 2007 282,- Euro monatlich beträgt. Gleiches gilt für das der Antragstellerin überlassene Kindergeld in Höhe von 154,- Euro monatlich. Ein verbleibender Überschuss auf der Einnahmenseite vermindert die vom Antragsgegner zu übernehmenden Kosten der Unterkunft. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass laufende Leistungen zum Lebensunterhalt betroffen sind.

Nach alledem war der Beschluss des Sozialgerichts wie geschehen zu ändern.

Damit erledigt sich auch der vom Antragsgegner gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 199 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Sache.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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