Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 1762/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5064/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von nunmehr noch 3.098,48 EUR streitig.
Der 1961 geborene Kläger eröffnete ab 01.10.2004 eine Firma für Werbedruck, wofür er von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss, zunächst bis 30.09.2005 in Höhe von monatlich 600,- EUR (Bescheid vom 05.11.2004) und dann vom 01.10.2005 bis 30.09.2006 in Höhe von monatlich 360,- EUR, erhielt. Der Beklagten trat er ab 01.10.2004 als freiwillig Versicherter bei, wobei er angab, dass sich seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.207,50 EUR brutto bewegten. Mit Bescheid vom 15.11.2004 setzte die Beklagte den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe des Mindestbeitrages mit monatlich 188,36 EUR fest. Dem Kläger wurde dabei der Hinweis erteilt, dass die Berechnungsgrundlage für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vorläufig geschätzt werden müsse, weil seine Einkommensgrundlage noch nicht feststehe. Die Beitragshöhe stehe daher unter dem Vorbehalt der Neuberechnung und Änderung, sobald für den jeweiligen Berechnungszeitraum ein aktueller Einkommensteuerbescheid vorliege. Ab 01.07.2005 wurde der Beitrag auf 188,37 EUR erhöht und ab 01.09.2005 auf 187,15 EUR gesenkt.
Im September 2006 legte der Kläger der Beklagten den Einkommensteuerbescheid vom 07.04.2006 für das Jahr 2004 vor. Danach wurden seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 6.415,- EUR festgesetzt. Mit Bescheid vom 11.09.2006 nahm die Beklagte daraufhin einen Neuberechnung der Beiträge nach dem monatlichen Einkommen im Jahr 2004 (2.138,33 EUR monatlich) vor und setzte die Beiträge rückwirkend ab 01.10.2004 bis 31.08.2005 auf monatlich 333,58 EUR und ab 01.09.2005 auf monatlich 331,45 EUR fest. Nach Abzug bereits gezahlter Beiträge bestehe ein Beitragsrückstand von 3.500,13 EUR.
Im November 2006 legte der Kläger den Bescheid vom 07.11.2006 über den Gewerbesteuermessbetrag vor, wonach sich sein Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 5.398,00 EUR belaufe. Daraufhin erfolgte ab 01.12.2006 die Reduzierung des Beitrags. Wegen rückständiger Beiträge nach vorherigem Hinweis vom 26.10.2006 hatte die Beklagte die Beendigung der Versicherung zum 15.11.2006 festgestellt (Bescheid vom 17.11.2006). Auf den Widerspruch des Klägers wurde vereinbart, dass dieser die Beitragsrückstände ab 15.01.2007 in monatlichen Raten von 100,- EUR tilge, der Ausschluss aus der Versicherung wurde deshalb zurückgenommen (Schriftsatz des Klägers vom 04.01.2007). Ab August 2007 leistete der Kläger keine Ratenzahlungen mehr.
Im Februar 2007 beantragte er die Überprüfung der Beitragsnachforderung unter Hinweis darauf, dass er im Jahr 2005 nur 441,67 EUR verdient habe, somit nur ein Fünftel bzw. 20 % des Monatseinkommen in 2004. Eine Abweichung von 400 % spiegle nicht mehr die tatsächlichen Verhältnisse wieder.
Mit Bescheid vom 09. März 2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Beitragsbescheides mit der Begründung ab, es sei zwar zutreffend, dass der Einkommensteuerbescheid nicht immer die aktuelle Einkommenssituation des Versicherten widerspiegle. In der Praxis bestehe jedoch im Hinblick auf die Beitragseinstufung keine andere Möglichkeit als auf den letzten Einkommensteuerbescheid zurückzugreifen. Eine maßgebliche Änderung für die Beitragseinstufung liege nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein neuer aktueller Einkommensteuerbescheid vorgelegt werde. Dies führe zu einer sogenannten Phasenverschiebung in der Praxis mit dem Ergebnis, dass sowohl geringere als auch höhere Einnahmen zeitversetzt berücksichtigt würden. Grundsätzlich seien damit Einkommensminderungen erst ab dem Monat nach Ausstellung des Steuerbescheides zu berücksichtigen. Aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005, welcher am 07.11.2006 ausgestellt worden wäre, seien daher die Beiträge ab 01.12.2006 neu zu berechnen gewesen. Bis dahin sei uneingeschränkt der Steuerbescheid 2004 maßgebend gewesen. Deswegen sei auch die ursprünglich ergangene Beitragsberechnung vom 15.11.2004 unter Vorbehalt ergangen. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007). Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, bei freiwillig krankenversicherten selbständig Tätigen sei es generell schwierig, dass in einem bestimmten Zeitabschnitt erzielte Einkommen verlässlich festzustellen. Deswegen habe die Rechtsprechung dem Einkommensteuerbescheid eine erhebliche Bedeutung beigemessen und gehe davon aus, dass der im Einkommensteuerbescheid errechnete Betrag zumindest als Durchschnittswert die tatsächlichen Verhältnisse so gut wie möglich widerspiegele. Dadurch solle auch vermieden werden, dass Selbständige deshalb ungerecht begünstigt würden, weil die Beitragsbemessung bei ihnen nicht wie bei anderen Versicherten am Bruttoeinkommen, sondern an dem um die Betriebsausgaben bereinigten Gewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit anknüpfe. Somit nehme die Rechtsprechung bewusst bei den Selbständigen eine zeitliche Verzögerung der Beitragsanpassung in Kauf. Diese Auswirkungen träten im Übrigen nicht nur dann ein, wenn eine Beitragssenkung stattfinden könne, sondern auch bei einer möglichen Beitragserhöhung. Einkommensveränderungen könnten somit kurzfristig nicht bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden. Ausgehend davon seien die neu festgesetzten Beiträge für die Jahre 2004 und 2005 korrekt berechnet worden. Ab 01.12.2006 seien mit weiterem Bescheid vom 09.03.2007 die Beiträge nach dem für die Existenzgründer maßgebenden Mindestbeitrag berechnet worden.
Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, eine Zeit von drei Monaten (Oktober bis Dezember 2004) könne für die spätere jahrelange Festsetzung nicht die Grundlage der Beitragsbemessung sein. Denn der Zeitraum sei offensichtlich unangemessen, willkürlich und in höchstem Maße rechtswidrig. Die Beklagte hänge sich an das Wort Steuerbescheid ohne zu bedenken, welchen Sinn es haben solle, diesen zugrunde zu legen. Der Steuerbescheid könne für eine unter Umständen jahrelange maßgebliche Beurteilung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn er für Gegenwart und Zukunft repräsentativ sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.09.2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 25.09.2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte sei durch den vorläufigen Bescheid vom 15.11.2004 zunächst nicht daran gehindert gewesen, die Beiträge rückwirkend aufgrund des im September 2006 vorgelegten Einkommensteuerbescheides ab 01.10.2004 neu zu berechnen. Sie sei vielmehr berechtigt, die Höhe der Beiträge eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten, der hauptberuflich selbständig tätig sei, bei Beginn einer selbständigen Tätigkeit durch einstweiligen Bescheid zu regeln, wenn Nachweise für eine Prognose der zukünftigen Einnahmen noch nicht vorgelegt werden könnten. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung sei zwar eine einstweilige Beitragsfestsetzung nicht geregelt, doch sei eine Ausnahme von dem Prinzip der endgültigen Festsetzung für Existenzgründer in der Anfangsphase gerechtfertigt. Sonst hätte dieser nämlich bis zum Einkommensnachweis grundsätzlich den Regelbeitrag zu entrichten. Dieser zu Beginn der Tätigkeit eingeräumten Vergünstigung könne gegenüberstehen, dass der Versicherte nach Vorliegen des ersten Steuerbescheides Beiträge nachentrichten müsse, die höher seien als es dem tatsächlichen aktuellen Einkommen entspreche, wenn die Steuerbescheide nicht zeitnah erfolgten. Dies sei nach der Rechtsprechung vertretbar, denn auf einen längeren Zeitraum gesehen werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt. Denn es erfolge ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, in dem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt werde. Die Beklagte sei deshalb berechtigt gewesen, die Beiträge des Klägers unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2004 in Höhe von 6.415,- EUR nachgewiesenen Einkünfte neu zu berechnen. Die Berechnungsbasis sei auch zulässig bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2005 vom 07.11.2006. Durch die zwingende Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei das gegenüber 2004 zurückgegangene Einkommen für die Beitragsfestsetzung nicht mehr für die Vergangenheit, sondern erst wieder für die Zukunft zu berücksichtigen. Für den Fall einer Einkommenssteigerung bleibe der Kläger dann aber auch mit dem jetzt neu festzusetzenden Beitrag bis zum nächsten Steuerbescheid geschützt. Der Kläger könne sich weder auf Vertrauensschutz noch eine unzumutbaren Härte berufen. Da die einstweilige Beitragsfestsetzung rechtlich zulässig sei, griffen auch die Vertrauensschutzregeln der §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht ein. Das wäre nur dann möglich, wenn die gesetzliche Regelung einen Härtefall ausdrücklich als Bemessungskriterium normieren würde. Dies sei indessen nicht der Fall, so dass einer Beitragsnachforderung grundsätzlich nur die Einrede der Verjährung oder Verwirkung entgegengehalten werden könne. Diese Voraussetzungen lägen aber bei dem Kläger nicht vor.
Mit seiner dagegen am 12.10.2007 beim SG eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtsprechung befasse sich nicht ausdrücklich mit einem Fall, bei dem wie vorliegend für die vorläufige Beurteilung nur die letzten drei Monate eines Jahres (Anfangszeit des Betriebes des Klägers) maßgeblich gewesen wären. Ein Steuerbescheid könne aber nur dann maßgebend für eine jahrelange Beurteilung der Beitragsbemessung sein, wenn er für Gegenwart und Zukunft repräsentativ wäre. Dies sei bei den ersten drei Monaten einer Erwerbstätigkeit nicht der Fall. Bei der Eröffnung seiner selbständigen Tätigkeit habe ein übergroßes Anfangsinteresse der Kunden bei entsprechender Anfangswerbung bestanden, das später abgeflaut sei. Auch habe er im Weihnachtsgeschäft einen größeren Umsatz machen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 11. September 2006 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Satzungen der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird.
Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie ist nicht verpflichtet, den Beitragsbescheid vom 11. September 2006 zurückzunehmen. Die Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist zu Recht erfolgt.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 44 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs. 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (Abs. 1 Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs. 2 Satz 1). Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung können auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3). Für die Beitragsberechnung in der Pflegeversicherung sind die Grundsätze der Krankenversicherung entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 SGB XI).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage i. V. m. 18 Abs. 2, 19 Abs. 1 ihrer Satzung die Beiträge zutreffend festgesetzt. An die mit Bescheid vom 15. November 2004 erfolgte Beitragseinstufung war sie dabei nicht gebunden. Auch hinsichtlich der Beitragshöhe sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Denn der Bescheid vom 15. November 2004 regelte nur vorläufig die Beitragshöhe, so dass es dessen Rücknahme, Widerruf oder Abänderung nach den §§ 44 SGB X nicht bedurfte. Dies ist dem Wortlaut des Bescheides zweifelsfrei zu entnehmen. Die Beklagte hat darüber hinaus angekündigt, dass nach Vorlage eines aktuellen Einkommenssteuerbescheides eine Prüfung der Einstufung erfolge und gegebenenfalls Beiträge nacherhoben oder Differenzbeträge erstattet würden. Der Kläger konnte deshalb erkennen, dass eine Einstufung nicht nach der für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige geltende Beitragsbemessungsgrenze § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V und damit mit dem Höchstbetrag, sondern aufgrund der Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V erfolgt war, obwohl kein Nachweis über die voraussichtlichen Einkünfte vorgelegen hatte und deshalb eine Überprüfung und endgültige Beitragsfestsetzung noch erfolgen musste. Deswegen wurde ihm hinreichend bestimmt Inhalt und Umfang sowie Grund der Vorläufigkeit mitgeteilt (vgl. auch BSG SozR 4 - 2500 § 240 Nr. 5 wie BSGE 67, 104, 110).
Die Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt ist bei hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten auch zulässig, wenn diese - wie hier der Kläger - mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbständige Tätigkeit aufgenommen haben und deshalb der Nachweis über die Einnahmen im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht erbracht werden kann. Zwar ist die einstweilige Beitragsfestsetzung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geregelt, Beitragsbescheide müssen daher in der Regel die Beiträge endgültig festsetzen (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 20). Die Rechtsprechung hat die vorläufige Beitragsfestesetzung aber im Hinblick auf § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für zulässig erachtet, da eine Schätzung der voraussichtlichen Einnahmen mit zumutbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich ist, damit vergangenheitsbezogene Einkommensnachweise wie der Steuerbescheid Grundlage nur für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung sind und damit die tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich Selbständigen lediglich zeitversetzt berücksichtigt werden können. Auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aber zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen in dem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt werden.
Das gilt auch dann, wenn - wie hier vom Kläger - am Beginn der selbständigen Tätigkeit bei der erstmaligen Beitragseinstufung Nachweise über die Einnahmen noch nicht erbracht werden können, denn ansonsten wäre die Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen faktisch ausgeschlossen. Dies gilt auch ausdrücklich für Existenzgründer, die einen Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - haben (BSG a.a.O.).
Da eine einstweilige Regelung hier zulässig war, hat die Beklagte auch zutreffend eine Neuberechnung der Beiträge vom 11. September 2006 vornehmen können. Als Einnahme des hauptberuflich selbständigen Klägers waren seine 2004 erzielten Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit nach § 15 SGB IV zu berücksichtigen. Zutreffend hat die Beklagte auch für die Beitragsbemessung in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 31. November 2006 die im Steuerbescheid für 2004 ausgewiesenen Einkünfte und nicht die im Steuerbescheid für 2005 festgesetzten niedrigeren Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigt. Denn nach § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V können Veränderungen der Beitragsbemessung erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises der Einkünfte folgenden Monats wirksam werden. Der Kläger hat den Nachweis geringerer Einnahmen durch Vorlage des am 7. November 2006 erlassenen Einkommenssteuerbescheids für 2005 erst nach Ablauf des hier streitigen Beitragszeitraumes und nach der mit Bescheid vom 11. September 2006 erfolgten endgültigen Beitragsfestsetzung geführt (vgl. zuletzt Beschluss des BSG vom 01.08.2007 B 12 KR 34/07 B). Es ist daher rechtmäßig, dass Veränderung der Beitragsbemessung nur für die Zukunft wirksam werden, nämlich zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats. Grund dafür ist, dass die Krankenkassen die Einnahmen sonst nicht verlässlich schätzen könnten (vgl. Bernsdorff, in Juris PK - SGB V, § 240 Rdnr. 26).
Auf einen Vertrauensschutz oder eine unzumutbare Härte kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, auch wenn die sich zunächst positiv zeigende Gewinnentwicklung seiner selbständigen Tätigkeit sich bereits im Jahr 2005 nicht bestätigt hatte. Denn dies setzt voraus, dass die gesetzliche Regelung des § 240 SGB V einen Härtefall vorsieht. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Gesetzgeber ist auch von Verfassung wegen nicht gehalten, die Beitragsbelastung der Selbständigen mit geringem Arbeitseinkommen durch eine Härteklausel zu mindern (so BVerfG, Beschluss vom 22.05.2001, 1 BvL 4/96, SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 39).
Der Beitragsnachforderung kann auch nicht die Einrede der Verjährung oder Verwirkung entgegen gehalten werden. Der Kläger hatte vielmehr erst einen Monat vor seinem Überprüfungsantrag eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Beklagten geschlossen und konnte daher keinesfalls davon ausgehen, dass die Beklagte die Beiträge nicht mehr geltend machen werde.
Nach alledem konnte die Berufung daher keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen angesichts der als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des BSG nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von nunmehr noch 3.098,48 EUR streitig.
Der 1961 geborene Kläger eröffnete ab 01.10.2004 eine Firma für Werbedruck, wofür er von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss, zunächst bis 30.09.2005 in Höhe von monatlich 600,- EUR (Bescheid vom 05.11.2004) und dann vom 01.10.2005 bis 30.09.2006 in Höhe von monatlich 360,- EUR, erhielt. Der Beklagten trat er ab 01.10.2004 als freiwillig Versicherter bei, wobei er angab, dass sich seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.207,50 EUR brutto bewegten. Mit Bescheid vom 15.11.2004 setzte die Beklagte den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe des Mindestbeitrages mit monatlich 188,36 EUR fest. Dem Kläger wurde dabei der Hinweis erteilt, dass die Berechnungsgrundlage für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vorläufig geschätzt werden müsse, weil seine Einkommensgrundlage noch nicht feststehe. Die Beitragshöhe stehe daher unter dem Vorbehalt der Neuberechnung und Änderung, sobald für den jeweiligen Berechnungszeitraum ein aktueller Einkommensteuerbescheid vorliege. Ab 01.07.2005 wurde der Beitrag auf 188,37 EUR erhöht und ab 01.09.2005 auf 187,15 EUR gesenkt.
Im September 2006 legte der Kläger der Beklagten den Einkommensteuerbescheid vom 07.04.2006 für das Jahr 2004 vor. Danach wurden seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 6.415,- EUR festgesetzt. Mit Bescheid vom 11.09.2006 nahm die Beklagte daraufhin einen Neuberechnung der Beiträge nach dem monatlichen Einkommen im Jahr 2004 (2.138,33 EUR monatlich) vor und setzte die Beiträge rückwirkend ab 01.10.2004 bis 31.08.2005 auf monatlich 333,58 EUR und ab 01.09.2005 auf monatlich 331,45 EUR fest. Nach Abzug bereits gezahlter Beiträge bestehe ein Beitragsrückstand von 3.500,13 EUR.
Im November 2006 legte der Kläger den Bescheid vom 07.11.2006 über den Gewerbesteuermessbetrag vor, wonach sich sein Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 5.398,00 EUR belaufe. Daraufhin erfolgte ab 01.12.2006 die Reduzierung des Beitrags. Wegen rückständiger Beiträge nach vorherigem Hinweis vom 26.10.2006 hatte die Beklagte die Beendigung der Versicherung zum 15.11.2006 festgestellt (Bescheid vom 17.11.2006). Auf den Widerspruch des Klägers wurde vereinbart, dass dieser die Beitragsrückstände ab 15.01.2007 in monatlichen Raten von 100,- EUR tilge, der Ausschluss aus der Versicherung wurde deshalb zurückgenommen (Schriftsatz des Klägers vom 04.01.2007). Ab August 2007 leistete der Kläger keine Ratenzahlungen mehr.
Im Februar 2007 beantragte er die Überprüfung der Beitragsnachforderung unter Hinweis darauf, dass er im Jahr 2005 nur 441,67 EUR verdient habe, somit nur ein Fünftel bzw. 20 % des Monatseinkommen in 2004. Eine Abweichung von 400 % spiegle nicht mehr die tatsächlichen Verhältnisse wieder.
Mit Bescheid vom 09. März 2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Beitragsbescheides mit der Begründung ab, es sei zwar zutreffend, dass der Einkommensteuerbescheid nicht immer die aktuelle Einkommenssituation des Versicherten widerspiegle. In der Praxis bestehe jedoch im Hinblick auf die Beitragseinstufung keine andere Möglichkeit als auf den letzten Einkommensteuerbescheid zurückzugreifen. Eine maßgebliche Änderung für die Beitragseinstufung liege nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein neuer aktueller Einkommensteuerbescheid vorgelegt werde. Dies führe zu einer sogenannten Phasenverschiebung in der Praxis mit dem Ergebnis, dass sowohl geringere als auch höhere Einnahmen zeitversetzt berücksichtigt würden. Grundsätzlich seien damit Einkommensminderungen erst ab dem Monat nach Ausstellung des Steuerbescheides zu berücksichtigen. Aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2005, welcher am 07.11.2006 ausgestellt worden wäre, seien daher die Beiträge ab 01.12.2006 neu zu berechnen gewesen. Bis dahin sei uneingeschränkt der Steuerbescheid 2004 maßgebend gewesen. Deswegen sei auch die ursprünglich ergangene Beitragsberechnung vom 15.11.2004 unter Vorbehalt ergangen. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007). Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, bei freiwillig krankenversicherten selbständig Tätigen sei es generell schwierig, dass in einem bestimmten Zeitabschnitt erzielte Einkommen verlässlich festzustellen. Deswegen habe die Rechtsprechung dem Einkommensteuerbescheid eine erhebliche Bedeutung beigemessen und gehe davon aus, dass der im Einkommensteuerbescheid errechnete Betrag zumindest als Durchschnittswert die tatsächlichen Verhältnisse so gut wie möglich widerspiegele. Dadurch solle auch vermieden werden, dass Selbständige deshalb ungerecht begünstigt würden, weil die Beitragsbemessung bei ihnen nicht wie bei anderen Versicherten am Bruttoeinkommen, sondern an dem um die Betriebsausgaben bereinigten Gewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit anknüpfe. Somit nehme die Rechtsprechung bewusst bei den Selbständigen eine zeitliche Verzögerung der Beitragsanpassung in Kauf. Diese Auswirkungen träten im Übrigen nicht nur dann ein, wenn eine Beitragssenkung stattfinden könne, sondern auch bei einer möglichen Beitragserhöhung. Einkommensveränderungen könnten somit kurzfristig nicht bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden. Ausgehend davon seien die neu festgesetzten Beiträge für die Jahre 2004 und 2005 korrekt berechnet worden. Ab 01.12.2006 seien mit weiterem Bescheid vom 09.03.2007 die Beiträge nach dem für die Existenzgründer maßgebenden Mindestbeitrag berechnet worden.
Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, eine Zeit von drei Monaten (Oktober bis Dezember 2004) könne für die spätere jahrelange Festsetzung nicht die Grundlage der Beitragsbemessung sein. Denn der Zeitraum sei offensichtlich unangemessen, willkürlich und in höchstem Maße rechtswidrig. Die Beklagte hänge sich an das Wort Steuerbescheid ohne zu bedenken, welchen Sinn es haben solle, diesen zugrunde zu legen. Der Steuerbescheid könne für eine unter Umständen jahrelange maßgebliche Beurteilung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn er für Gegenwart und Zukunft repräsentativ sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.09.2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 25.09.2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte sei durch den vorläufigen Bescheid vom 15.11.2004 zunächst nicht daran gehindert gewesen, die Beiträge rückwirkend aufgrund des im September 2006 vorgelegten Einkommensteuerbescheides ab 01.10.2004 neu zu berechnen. Sie sei vielmehr berechtigt, die Höhe der Beiträge eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten, der hauptberuflich selbständig tätig sei, bei Beginn einer selbständigen Tätigkeit durch einstweiligen Bescheid zu regeln, wenn Nachweise für eine Prognose der zukünftigen Einnahmen noch nicht vorgelegt werden könnten. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung sei zwar eine einstweilige Beitragsfestsetzung nicht geregelt, doch sei eine Ausnahme von dem Prinzip der endgültigen Festsetzung für Existenzgründer in der Anfangsphase gerechtfertigt. Sonst hätte dieser nämlich bis zum Einkommensnachweis grundsätzlich den Regelbeitrag zu entrichten. Dieser zu Beginn der Tätigkeit eingeräumten Vergünstigung könne gegenüberstehen, dass der Versicherte nach Vorliegen des ersten Steuerbescheides Beiträge nachentrichten müsse, die höher seien als es dem tatsächlichen aktuellen Einkommen entspreche, wenn die Steuerbescheide nicht zeitnah erfolgten. Dies sei nach der Rechtsprechung vertretbar, denn auf einen längeren Zeitraum gesehen werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt. Denn es erfolge ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, in dem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt werde. Die Beklagte sei deshalb berechtigt gewesen, die Beiträge des Klägers unter Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid für 2004 in Höhe von 6.415,- EUR nachgewiesenen Einkünfte neu zu berechnen. Die Berechnungsbasis sei auch zulässig bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2005 vom 07.11.2006. Durch die zwingende Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei das gegenüber 2004 zurückgegangene Einkommen für die Beitragsfestsetzung nicht mehr für die Vergangenheit, sondern erst wieder für die Zukunft zu berücksichtigen. Für den Fall einer Einkommenssteigerung bleibe der Kläger dann aber auch mit dem jetzt neu festzusetzenden Beitrag bis zum nächsten Steuerbescheid geschützt. Der Kläger könne sich weder auf Vertrauensschutz noch eine unzumutbaren Härte berufen. Da die einstweilige Beitragsfestsetzung rechtlich zulässig sei, griffen auch die Vertrauensschutzregeln der §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht ein. Das wäre nur dann möglich, wenn die gesetzliche Regelung einen Härtefall ausdrücklich als Bemessungskriterium normieren würde. Dies sei indessen nicht der Fall, so dass einer Beitragsnachforderung grundsätzlich nur die Einrede der Verjährung oder Verwirkung entgegengehalten werden könne. Diese Voraussetzungen lägen aber bei dem Kläger nicht vor.
Mit seiner dagegen am 12.10.2007 beim SG eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtsprechung befasse sich nicht ausdrücklich mit einem Fall, bei dem wie vorliegend für die vorläufige Beurteilung nur die letzten drei Monate eines Jahres (Anfangszeit des Betriebes des Klägers) maßgeblich gewesen wären. Ein Steuerbescheid könne aber nur dann maßgebend für eine jahrelange Beurteilung der Beitragsbemessung sein, wenn er für Gegenwart und Zukunft repräsentativ wäre. Dies sei bei den ersten drei Monaten einer Erwerbstätigkeit nicht der Fall. Bei der Eröffnung seiner selbständigen Tätigkeit habe ein übergroßes Anfangsinteresse der Kunden bei entsprechender Anfangswerbung bestanden, das später abgeflaut sei. Auch habe er im Weihnachtsgeschäft einen größeren Umsatz machen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 11. September 2006 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Satzungen der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird.
Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie ist nicht verpflichtet, den Beitragsbescheid vom 11. September 2006 zurückzunehmen. Die Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist zu Recht erfolgt.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 44 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs. 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (Abs. 1 Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs. 2 Satz 1). Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung können auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3). Für die Beitragsberechnung in der Pflegeversicherung sind die Grundsätze der Krankenversicherung entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 SGB XI).
Die Beklagte hat auf dieser Grundlage i. V. m. 18 Abs. 2, 19 Abs. 1 ihrer Satzung die Beiträge zutreffend festgesetzt. An die mit Bescheid vom 15. November 2004 erfolgte Beitragseinstufung war sie dabei nicht gebunden. Auch hinsichtlich der Beitragshöhe sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Denn der Bescheid vom 15. November 2004 regelte nur vorläufig die Beitragshöhe, so dass es dessen Rücknahme, Widerruf oder Abänderung nach den §§ 44 SGB X nicht bedurfte. Dies ist dem Wortlaut des Bescheides zweifelsfrei zu entnehmen. Die Beklagte hat darüber hinaus angekündigt, dass nach Vorlage eines aktuellen Einkommenssteuerbescheides eine Prüfung der Einstufung erfolge und gegebenenfalls Beiträge nacherhoben oder Differenzbeträge erstattet würden. Der Kläger konnte deshalb erkennen, dass eine Einstufung nicht nach der für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige geltende Beitragsbemessungsgrenze § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V und damit mit dem Höchstbetrag, sondern aufgrund der Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V erfolgt war, obwohl kein Nachweis über die voraussichtlichen Einkünfte vorgelegen hatte und deshalb eine Überprüfung und endgültige Beitragsfestsetzung noch erfolgen musste. Deswegen wurde ihm hinreichend bestimmt Inhalt und Umfang sowie Grund der Vorläufigkeit mitgeteilt (vgl. auch BSG SozR 4 - 2500 § 240 Nr. 5 wie BSGE 67, 104, 110).
Die Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt ist bei hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten auch zulässig, wenn diese - wie hier der Kläger - mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbständige Tätigkeit aufgenommen haben und deshalb der Nachweis über die Einnahmen im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht erbracht werden kann. Zwar ist die einstweilige Beitragsfestsetzung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geregelt, Beitragsbescheide müssen daher in der Regel die Beiträge endgültig festsetzen (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 20). Die Rechtsprechung hat die vorläufige Beitragsfestesetzung aber im Hinblick auf § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für zulässig erachtet, da eine Schätzung der voraussichtlichen Einnahmen mit zumutbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich ist, damit vergangenheitsbezogene Einkommensnachweise wie der Steuerbescheid Grundlage nur für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung sind und damit die tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich Selbständigen lediglich zeitversetzt berücksichtigt werden können. Auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aber zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen in dem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt werden.
Das gilt auch dann, wenn - wie hier vom Kläger - am Beginn der selbständigen Tätigkeit bei der erstmaligen Beitragseinstufung Nachweise über die Einnahmen noch nicht erbracht werden können, denn ansonsten wäre die Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen faktisch ausgeschlossen. Dies gilt auch ausdrücklich für Existenzgründer, die einen Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - haben (BSG a.a.O.).
Da eine einstweilige Regelung hier zulässig war, hat die Beklagte auch zutreffend eine Neuberechnung der Beiträge vom 11. September 2006 vornehmen können. Als Einnahme des hauptberuflich selbständigen Klägers waren seine 2004 erzielten Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit nach § 15 SGB IV zu berücksichtigen. Zutreffend hat die Beklagte auch für die Beitragsbemessung in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 31. November 2006 die im Steuerbescheid für 2004 ausgewiesenen Einkünfte und nicht die im Steuerbescheid für 2005 festgesetzten niedrigeren Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigt. Denn nach § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V können Veränderungen der Beitragsbemessung erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises der Einkünfte folgenden Monats wirksam werden. Der Kläger hat den Nachweis geringerer Einnahmen durch Vorlage des am 7. November 2006 erlassenen Einkommenssteuerbescheids für 2005 erst nach Ablauf des hier streitigen Beitragszeitraumes und nach der mit Bescheid vom 11. September 2006 erfolgten endgültigen Beitragsfestsetzung geführt (vgl. zuletzt Beschluss des BSG vom 01.08.2007 B 12 KR 34/07 B). Es ist daher rechtmäßig, dass Veränderung der Beitragsbemessung nur für die Zukunft wirksam werden, nämlich zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats. Grund dafür ist, dass die Krankenkassen die Einnahmen sonst nicht verlässlich schätzen könnten (vgl. Bernsdorff, in Juris PK - SGB V, § 240 Rdnr. 26).
Auf einen Vertrauensschutz oder eine unzumutbare Härte kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, auch wenn die sich zunächst positiv zeigende Gewinnentwicklung seiner selbständigen Tätigkeit sich bereits im Jahr 2005 nicht bestätigt hatte. Denn dies setzt voraus, dass die gesetzliche Regelung des § 240 SGB V einen Härtefall vorsieht. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Gesetzgeber ist auch von Verfassung wegen nicht gehalten, die Beitragsbelastung der Selbständigen mit geringem Arbeitseinkommen durch eine Härteklausel zu mindern (so BVerfG, Beschluss vom 22.05.2001, 1 BvL 4/96, SozR 3 - 2500 § 240 Nr. 39).
Der Beitragsnachforderung kann auch nicht die Einrede der Verjährung oder Verwirkung entgegen gehalten werden. Der Kläger hatte vielmehr erst einen Monat vor seinem Überprüfungsantrag eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Beklagten geschlossen und konnte daher keinesfalls davon ausgehen, dass die Beklagte die Beiträge nicht mehr geltend machen werde.
Nach alledem konnte die Berufung daher keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen angesichts der als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des BSG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved