L 7 SO 6000/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SO 5213/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 6000/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher der Antragsteller die Übernahme ungedeckter Heimkosten begehrt, zu Recht abgelehnt.

Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht unter dem Gesichtspunkt zu beanstanden, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers "das SG" wegen Befangenheit ablehnt, da dieses offensichtlich gemeinsame Sache mit der Antragsgegnerin mache. Nachdem das erstinstanzliche Gericht bereits sachlich entschieden hat, ist die richterliche Tätigkeit im konkreten Fall beendet. Das Ablehnungsgesuch nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) ist damit verspätet gestellt, es ist prozessual überholt und damit unzulässig (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 17. Mai 1995 - X R 55/94 - NJW 96,215; ders. vom 17. August 1989 - VII B 79/89 - NVwZ 90, 504 und vom 26. März 1980 - I B 23/80 - BB 1980, 878; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen, Beschluss vom 10. September 1999 - L 4 B 35/99 KR - NZS 99, 576; Bayerisches LSG, Beschluss vom 3. April 1978 - L 4 B 83/77 - Breithaupt 78, 700). Im Übrigen ist das Vorbringen des Bevollmächtigten des Antragstellers auch in der Sache nicht geeignet, eine Befangenheit des erstinstanzlich befassten Richters aufzuzeigen. Dass sich das SG der Sache nach den Argumenten der Antragsgegnerin angeschlossen hat und inhaltlich den Rechtsstandpunkt des Antragstellers nicht teilt, kann in keinem Fall eine Befangenheit begründen (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 6. Februar 1979 - 4 CB 8/79 - DVBl. 79, 560; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. November 1999 - L 6 U 44/99 - NZS 2000, 212; Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Beschluss vom 21. Oktober 1996 - 24 W 45/96 - NJW-RR 97, 1084).

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG ist schon vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, § 123 Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 (alle m.w.N.)). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).

Hiervon ausgehend ist bereits ein Anordnungsanspruch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, so dass es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mehr ankommt. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Hilfe zur Pflege sind in §§ 19 Abs. 3, 61, 13 Abs. 1, 75 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i.V.m. §§ 28 Abs. 1 Nr. 8, 43 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) geregelt. Zwar gehört der Antragsteller zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und es bestehen auch keine Zweifel, dass der in Pflegestufe I eingestufte Antragsteller, welcher seit 2004 im Katharinenstift in Freiburg lebt, der stationären Pflege bedarf. Indes ist eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird u.a. Hilfe zur Pflege geleistet, soweit den Leistungsberechtigten und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist. Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (i.d.F. des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 – BGBl. I S. 3022, 3060) sind u.a. bei Leistungen nach dem Siebten Kapitel (Hilfe zur Pflege) 2.600 EUR zuzüglich eines Betrages von 256 EUR für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten wird, als "kleinerer Barbetrag" anzusehen.

Unstreitig liegen die belegten Werte des verwertbaren Vermögens (Girokonto Guthaben 1.427,84 EUR am 14. August 2007; Rückkaufswert der Sterbegeldversicherung 527,22 EUR zum 1. September 2007) unterhalb des für den alleinstehenden Antragsteller geltenden Freibetrags in Höhe von 2.600 EUR. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Einsatz der Sterbegeldversicherung für den Antragsteller nicht ohnehin eine Härte bedeuten würde, so dass nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII die Sozialhilfe nicht vom Einsatz dieser Versicherung abhängig gemacht werden dürfte. Hierfür bestehen Anhaltspunkte, da die laut Versicherungsschein vom 15. Januar 2004 seit Dezember 2003 zu entrichtenden monatlichen Beiträge in Höhe von (damals) 27,56 EUR den Rückkaufswert in Höhe von 521,57 EUR zuzüglich Überschussanteile in Höhe von 5,65 EUR ganz erheblich übersteigen dürften (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in BVerwGE 106, 105; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, info also 1990, 223; Brühl in LPK-SGB XII, 7. Aufl., § 90 Rdnr. 79 m.w.N.).

Nach den gesamten Umständen des Falles ist indes nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller nicht noch über weitere Vermögenswerte verfügt. Insbesondere gehören zu dem verwertbaren Vermögen i.S.v. § 90 Abs. 1 SGB XII auch Forderungen und sonstige Rechte. Der Senat teilt die Auffassung des SG und der Antragsgegnerin, dass aufgrund der bisherigen Angaben des Bevollmächtigten des Antragstellers noch nicht geklärt ist, ob der Antragsteller über entsprechende Forderungen oder gar weitere Vermögenswerte verfügt. Nach der zutreffenden Berechnung der Antragsgegnerin (Bl. 79 Verwaltungsakte) beträgt angesichts der Altersrente des Antragstellers in Höhe von 726,36 EUR (Auszahlungsbetrag seit Juli 2007) und der Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 1.023 EUR monatlich der von den laufenden Einnahmen nicht gedeckte Bedarf an den Heimkosten 803,79 EUR. Das Wertpapierdepot des Antragstellers hatte zum 31. Dezember 2003 einen Wert von 25.039,72 EUR. Da nach den Angaben des Bevollmächtigten des Antragstellers die Heimkosten bis August 2007 aus dem Vermögen des Antragstellers beglichen werden konnten, stellt sich die Frage, wie dies möglich war, wenn das Wertpapierdepot, welches nachweislich zum 8. September 2007 mangels Bestandes gelöscht wurde, einziger Vermögenswert war. Denn bei einer monatlichen Unterdeckung von rund 800 EUR wäre der Wert des Wertpapierdepots bereits nach ungefähr 2 ¾ Jahren aufgezehrt gewesen. Darüber hinaus bestehen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen möglicher Forderungen des Antragstellers. Insoweit finden sich auffällige Kontenbewegungen in den vorgelegten Auszügen/Kontoübersichten für die Zeit vom 18. bis 29. Mai 2007 und 20. Juni bis 8. August 2007. So erfolgten beispielsweise zwischen dem 1. Juli und 1. August 2007 Zahlungen an "J. B." in Höhe von insgesamt 3.437 EUR (nach Berechnung der Antragsgegnerin 3.666 EUR) in 17 Tranchen zwischen 200 EUR und 269 EUR. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat insoweit auf Anfrage der Antragsgegnerin lediglich mitgeteilt, es handele sich um Zahlungen durch seine Person und für seine Rechnung aufgrund der ihm erteilten Generalvollmacht. Damit ist insbesondere nicht geklärt, ob ein Rechtsgrund für diese Zahlungen besteht oder ob diese zurückgefordert werden können. Weiter sind schon aus den vorgelegten Unterlagen als Darlehen bezeichnete Überweisungen vom Konto des Antragstellers an den Bevollmächtigten selbst erfolgt in Höhe von insgesamt 4.400 EUR, dem steht gegenüber eine Bareinzahlung des Bevollmächtigten in Höhe von 4.000,- EUR als mögliche Rückzahlung des Darlehens. In welcher Höhe insgesamt vom Antragsteller an seinen Bevollmächtigten Darlehen gewährt wurden, hat der Bevollmächtigte nicht angegeben, vielmehr darauf hingewiesen, dass es sich um mündliche Absprachen handele. Ferner ist unter dem 23. Juli 2007 eine Zahlung an die Eigentümergemeinschaft F.W.Str ... 94 in Höhe von 1.657,95 EUR ausgewiesen. Nach den Angaben des Bevollmächtigten des Antragstellers ist er selbst und nicht der Antragsteller Mitglied der Eigentümergemeinschaft. Auch dies ist bislang nicht belegt (etwa durch einen Grundbuchauszug oder die Vorlage der angeforderten Rechnung der Eigentümergemeinschaft). Darüber hinaus stellt sich die Frage, aus welchem Rechtsgrund aus dem Vermögen des Antragstellers Zahlungen an die Eigentümergemeinschaft geleistet wurden, wenn allein der Bevollmächtigte dieser angehört. Insgesamt sind damit derart viele klärungsbedürftige Fragen aus den Anschreiben der Antragsgegnerin vom 4. September und 1. Oktober 2007 noch nicht beantwortet, dass die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers noch nicht in hinreichendem Maße glaubhaft gemacht ist.

Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers sich darauf beruft, es sei ihm unangenehm, dem Sachbearbeiter der Antragsgegnerin seine intimen Angelegenheiten auszuplaudern, seine Privatsphäre sei verfassungsrechtlich geschützt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Möglichkeit, dass auch seine private Angelegenheiten von den zu klärenden Fragestellungen betroffen sind, allein darauf zurückzuführen ist, dass er selbst offensichtlich das Konto des Antragstellers und dessen Vermögen in nicht unerheblichem Umfang für private Zwecke und auf eigene Rechnung eingesetzt hat. Die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Klärung der sich aus den unklaren Kontenbewegungen ergebenden Fragen folgt aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch. Verweigert der Bevollmächtigte insoweit die Aufklärung der genannten Unklarheiten, muss sich der Antragsteller zurechnen lassen, dass seine Hilfebedürftigkeit nicht geklärt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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