L 30 AL 201/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 AL 370/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 201/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 24. Juli 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Widerruf der Bewilligung von Überbrückungsgeld für den Zeitraum vom 01. April 2001 bis zum 14. Juni 2001 und der damit verbundenen Erstattung einer Überzahlung von 6 242,84 DM (3 191,91 EUR).

Der geborene Kläger war in der Zeit vom 02. Juli 1990 bis zum 14. März 2000 als Landschaftsgärtner beschäftigt. Am 16. März 2000 meldete er sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihm die Beklagte für die Zeit ab dem 16. März 2000 für 540 Kalendertage bewilligte.

Am 12. September 2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Finanzkaufmann. Im Formularantrag bestätigte er unterschriftlich den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 3 "Hilfen für Arbeitnehmer". Mit Bescheid vom 18. Januar 2001 bewilligte ihm die Beklagte Überbrückungsgeld für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 15. Dezember 2000 für die Zeit vom 15. Dezember 2000 bis zum 14. Juni 2001 in Höhe von monatlich 2 530,90 DM als Zuschuss. Der Kläger strebte eine Umschulung zum Finanzkaufmann mit anschließendem halbjährigen Coaching durch die B und den A an. Mit Wirkung zum 15. Dezember 2000 meldete er bei der Stadt H ein Gewerbe als Handelsvertreter zur Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen und Beratung an.

Mit Wirkung zum 01. April 2001 schloss er einen Arbeitsvertrag mit der V ab. Der Arbeitsvertrag sah, beginnend mit dem 01. April 2001, eine mindestens zwölf Monate dauernde Fachausbildung vor. Die ersten sechs Monate der Fachausbildung galten als Probezeit. Als Einkommen war ein monatliches Festgehalt in Höhe von 2 840,00 DM brutto vereinbart.

Mit Schreiben vom 02. Mai 2001 kündigte die Arbeitgeberin das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. Juni 2001. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger am 07. Juni 2001 Klage vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Az.:. Im Ergebnis einer Güteverhandlung vom 31. Juli 2007 nahm der Kläger diese Klage zurück.

Mit Schreiben vom 11. März 2001, welches auf ein undatiertes Telefongespräch des Klägers mit der Beklagten Bezug nimmt, in dem dieser offensichtlich mitgeteilt hatte, seine Selbständigkeit "als Angestellter ( ...) fortzuführen", hörte die Beklagte den Kläger zum bevorstehenden Widerruf des Bewilligungsbescheides vom 18. Januar 2001 an.

Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 16. Mai 2001, dass er seine Ankündigung "bezüglich einer Übernahme in ein Angestelltenverhältnis" revidiere und bestätigte die weitere Selbständigkeit. Mit Schreiben vom 15. August 2001 hörte die Beklagte den Kläger abermals zu dem bevorstehenden Widerruf des Bewilligungsbescheides vom 18. Januar 2001 und Erstattung in Höhe von 6 242,84 DM an. Hierauf erwiderte der Kläger in einem Schreiben vom 28. August 2001, auf Verlangen seines damaligen Arbeitgebers, der V, habe er die Selbständigkeit vom 01. April 2001 bis zum 10. Mai 2001, dem Tag der Kündigung, aufgegeben und in der Annahme, der "am 12. September 2000 (auf Gewährung von Überbrückungsgeld) gestellte Antrag ( ...) laufe darüber hinaus", kein Arbeitslosengeld beantragt.

Mit Bescheid vom 09. Oktober 2001 widerrief die Beklagte ihren Bescheid vom 18. Januar 2001 für den Zeitraum vom 01. April 2001 bis zum 14. Juni 2001 und forderte die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 6 242,84 DM. Der Kläger habe die selbständige Tätigkeit ab dem 01. April 2001 aufgegeben und die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsgeld ab diesem Tag somit nicht mehr erfüllt.

Hiergegen legte der Kläger am 18. Oktober 2001 Widerspruch ein. Er habe bereits am 16. Mai 2001 per Fax und telefonisch mitgeteilt, dass "aufgrund einer Nichtübernahme das Angestelltenverhältnis rückgängig und eine weitere Selbständigkeit besteht". Das vom ehemaligen Arbeitgeber "erwartete" Angestelltenverhältnis ginge über einen Zeitraum vom 01. April 2001 bis zum 10. Mai 2001. Die von ihm angestrebte "Arbeitsrechtsklage" vor dem Arbeitsgericht Hamburg habe am 30. Juli 2001 "stattgefunden". Aus arbeitsrechtlichen Gründen (Bereitstellung von Arbeitskraft) sei es ihm nicht möglich gewesen, "konkrete Aussagen zur vorherigen Zeit zu tätigen".

Mit Widerspruchsbescheid vom 04. Juni 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Dem Kläger sei Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 15. Dezember 2000 bis zum 14. Juni 2001 bewilligt worden. Ab dem 01. April 2001 habe er die selbständige Tätigkeit jedoch aufgegeben. Dem Kläger stehe kein schutzwürdiges Vertrauen zur Seite, die bewilligte Geldleistung behalten zu dürfen. Der Widerspruchsbescheid vom 04. Juni 2002 ist mit einem Vermerk versehen, wonach dieser am 06. Juni 2002 abgesandt wurde.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2002, welches am 16. Juli 2002 beim Sozialgericht Neuruppin eingegangen ist, hat der Kläger vor dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Bedingt durch die Belastungen hinsichtlich der Kündigung und durch die folgende Scheidung von seiner Frau habe es der Kläger unterlassen, sich sogleich nach der Kündigung arbeitslos zu melden, um Arbeitslosengeld zu erhalten, wie auch der Beklagten die notwendigen Angaben hinsichtlich des Überbrückungsgeldes zu geben. Erst nach der "Entscheidung" des Arbeitsgerichtes habe der Kläger Arbeitslosengeld beantragt, welches er auch erhalten habe. In der Zwischenzeit habe der Kläger von dem monatlichen Überbrückungsgeld gelebt und für seine täglichen Bedürfnisse verbraucht, in dem Vertrauen darauf, dass er einen Anspruch hierauf habe. Der Kläger könne Vermögensdispositionen hinsichtlich des verbrauchten Überbrückungsgeldes nicht mehr rückgängig machen. Das Überbrückungsgeld habe als einzige Lebensgrundlage gedient. Der Kläger könne sich auch auf Vertrauen berufen, da er die Umstände nicht gekannt habe, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt hätten. Er sei davon ausgegangen, dass ihm für den maßgeblichen Zeitraum vom 01. April 2001 bis zum 14. Juni 2001 sei er davon ausgegangen, dass ihm Überbrückungsgeld zustehe.

Der Widerspruchsbescheid vom 04. Juni 2002 sei ihm am 18. Juni 2002 zugegangen. Den Zugang habe er handschriftlich auf dem Widerspruchsbescheid vermerkt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 09. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juni 2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Klage sei nicht zulässig. Der Widerspruchsbescheid vom 04. Juni 2002 gelte gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post und damit am 10. Juni 2002 als bekannt gegeben. Die Klage sei erst am 16. Juli 2002 und damit außerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben worden. Das Sozialgericht Neuruppin hat der Klage mit Urteil vom 24. Juli 2003 stattgegeben. Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei sie innerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben worden. Der Kläger habe nämlich unwidersprochen vorgetragen, den Zugang des Widerspruchsbescheides handschriftlich auf ihm vermerkt und seinem Prozessbevollmächtigten vorgelegt zu haben. Bei diesen Zweifeln habe die Beklagte den tatsächlichen Zeitpunkt des Zuganges nachweisen müssen. Die Klage sei auch vollumfänglich begründet. Der Widerruf der Beklagten sei rechtswidrig gewesen, da eine zum Widerruf berechtigende Zweckbestimmung im Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2001 nicht erkennbar gewesen sei. Der Bewilligungsbescheid habe allenfalls nach § 48 SGB X aufgehoben werden können. Eine Umdeutung hierin sei nicht möglich, weil der Kläger nach seinem persönlichen Eindruck auf die Kammer im Verhandlungstermin die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt habe.

Gegen das ihr am 06. November 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03. Dezember 2003 vor dem damaligen Landessozialgericht für das Land Brandenburg Berufung eingelegt. Im Ergebnis komme es nicht darauf an, ob die Bewilligungsentscheidung aufgehoben oder widerrufen worden sei, weil eine entsprechende Umdeutung möglich sei. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung seien erfüllt. Der Kläger habe die entscheidungserheblichen Tatsachen mit der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung dem Arbeitsamt nicht mitgeteilt bzw. habe hierüber falsche Angaben gemacht, insbesondere indem er eine avisierte Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung revidiert habe. Seine diesbezüglichen Angaben in seinem Schreiben vom 16. Mai 2001 seien eindeutig falsch. Ein abhängiges Arbeitsverhältnis sei unstreitig zustande gekommen. Dessen sei sich der Kläger auch bewusst gewesen, da er in seinem Schreiben vom 28. August 2001 angegeben habe, dass er "die Selbständigkeit vom 01.April 2001 bis zum 10.Mai 2001 (Tag der Kündigung) aufgegeben" habe. Es könne aber kein Zweifel darüber bestehen, dass gerade die Aufnahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wesentliche Auswirkungen auf die Leitungsgewährung bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit habe. Zur Mitteilung aller wesentlichen entscheidungserheblichen Änderungen habe sich der Kläger mit seiner Unterschrift auf dem Antragsformular vom 12. September 2000 ausdrücklich verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei er grob fahrlässig nicht nachgekommen, womit die Voraussetzungen des § 48 SGB X erfüllt seien. Denn entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts habe der Kläger nach seinen eigenen Ausführungen in der Klagebegründung gewusst, dass diese Tatsachen dem Arbeitsamt hätten mitgeteilt werden müssen. Hierfür sprächen auch die Ausführungen des Klägers in seinem Widerspruchsschreiben vom 09. Oktober 2001. Danach habe der Kläger nach eigenen Angaben seine Arbeitskraft in vollem Umfang seinem Arbeitgeber, der V, wenigstens bis zum 30. Juli 2001 zur Verfügung gestellt. Erst nachdem der Kläger seine gegen diese gerichtete Bestandsschutzklage zurückgenommen habe, habe sich dieser arbeitslos gemeldet. Der Kläger habe bei Anstellen der am nächsten liegenden Überlegung leicht erkennen können, dass ihm ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zum 01. April 2001 keine Leistungen mehr zur Förderung der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit zugestanden hätten. Dass der Kläger einfach strukturiert sein solle, wie es das angefochtene Urteil des Sozialgerichts angebe, könne nicht nachvollzogen werden und lasse sich keineswegs aus dem Umstand ableiten, dass er keinen Führerschein habe. Der Kläger habe nach seiner Ausbildung zum Zootechniker ein Studium als Agraringenieur absolviert, für welches er ein anerkanntes Diplom erhalten habe. Diese Tatsache sowie der mit der Beklagten geführte Schriftwechsel und der Umstand, dass von einer fachkundigen Stelle am 02. November 2000 eine Existenzgründung für realisierbar gehalten worden sei, spräche eindeutig gegen diese Einschätzung. Schließlich habe der Kläger auch nicht aus einer fehlenden Reaktion der Beklagten auf sein Schreiben vom 16. Mai 2001 Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung für die Vergangenheit ableiten können, da die darin gemachten Angaben wie vorgenannt unvollständig und damit falsch gewesen seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 24. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der angefochtene Bescheid habe sich nicht auf § 47 SGB X stützen dürfen. Die Beklagte hätte allenfalls den Bewilligungsbescheid aufheben dürfen. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung seien jedoch nicht gegeben, da der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt habe. Er habe unverzüglich, nachdem er seine Tätigkeit bei der V angenommen habe, dies telefonisch dem Arbeitsamt mitgeteilt. Aus dem Schreiben des zuständigen Mitarbeiters der Beklagten vom 11. Mai 2001 ergäbe sich weiterhin, dass es dem Kläger, wie es im Bereich des Versicherungswesens häufig der Fall sei, nicht habe klar sein können, ob sein Beschäftigungsverhältnis bei der V ein Arbeitsverhältnis sein könne, welches einer Bewertung als selbständige Tätigkeit entgegenstünde. Auch auf die Angaben im Schreiben des Klägers vom 16. Mai 2001 könne sich der Standpunkt der Beklagten in keiner Weise stützen. Der Kläger habe nur die tatsächliche Rechtslage wiedergegeben, ausweislich derer ihm gegenüber bereits am 02. Mai 2001 eine offensichtlich fristlose Kündigung ausgesprochen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Leistungsakte der Beklagten zur Stammnummer und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 Euro übersteigt.

Die Berufung ist auch begründet, denn das Sozialgericht Neuruppin hat mit Urteil vom 24. Juli 2003 zu Unrecht der Klage stattgegeben.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie in der Frist des § 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden, wonach die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben ist. Nach § 37 Abs. 2 des Zehntes Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in der hier maßgeblichen vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Januar 2003 geltenden Fassung gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Zwar ergibt sich aus dem Ab-Vermerk auf dem Widerspruchsbescheid vom 04. Juni 2002 sowie aus dem Vortrag der Beklagten hierzu im Berufungsverfahren, dass der angefochtene Widerspruchsbescheid am 06. Juni 2002 auf den Postweg gebracht worden sein dürfte, jedoch begründet der Vortrag des Klägers, wie das Sozialgericht insoweit zutreffend festgestellt hat, Zweifel daran, dass der angefochtene Widerspruchsbescheid tatsächlich am 09. Juni 2002 dem Kläger zugegangen und ihm hierdurch die Verwaltungsentscheidung bekannt gegeben worden ist. In diesem Fall wäre die Klagefrist nach § 87 SGG am 09. Juli 2002 abgelaufen, die Klage wegen Überschreitung der Klagefrist unzulässig. Der Kläger behauptet indes den Zugang als am 18. Juni erfolgt, was, dies als wahr unterstellt, eine Klagefrist bis um Ablauf des 18. Juli ergibt. Diese Frist wiederum ist durch Klageerhebung am 16. Juli 2002 eingehalten worden. Der Umstand, dass der Kläger umgehend seinen Prozessbevollmächtigten aufgesucht haben will, lässt Zweifel offen, die auch in der mündlichen Verhandlung nicht aus dem Weg geräumt werden konnten, so dass die Beklagte einen früheren Zugang des Widerspruchsbescheides vom 04. Juli 2002 zu beweisen hat. Dies ist ihr indes nicht gelungen.

Die Klage ist aber unbegründet, weil die angegriffenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.

Die Beklagte hat ihre Entscheidung allerdings zu Unrecht auf § 47 SGB X gestützt und ihre Bewilligungsentscheidung vom 18. Januar 2001 widerrufen.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn

1. die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird, 2. mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zwar fallen in ihren Anwendungsbereich Verwaltungsakte über die Bewilligung (oder die Anerkennung der Erfüllung der Voraus) solcher Geld- oder Sachleistungen, für die eine enge Zweckbindung besteht (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Stand 2007, § 47 SGB X Rn. 10.). Jedoch eröffnet § 47 SGB X generell lediglich den Widerruf einmaliger Leistungen, deren Gewährung ursprünglich rechtmäßig war. Beim Überbückungsgeld handelt ist sich um wiederkehrende Leistungen, auf die die Widerrufsvorschriften deshalb nicht anwendbar sind, weil hierfür keine Notwendigkeit besteht und mit den Regelungen der §§ 45, 48 SGB X besondere Regelungen zur Verfügung stehen.

Die Beklagte durfte aber den Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2001 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 SGB X für den streitigen Zeitraum aufheben.

Nach § 48 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Mass verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser nach § 330 Abs. 3 SGB III vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Durch den Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der V zum 01.April 2001 ist eine wesentliche Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die der Gewährung von Überbrückungsgeld die rechtliche Grundlage entzieht.

Rechtsgrundlage für den Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2001 ist § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 01. August 1999 bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Danach können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Die Vorschrift ermöglicht die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und ist für den Lebensunterhalt des Antragstellers und seine soziale Sicherung bestimmt. Selbständig ist eine Erwerbstätigkeit, die nicht in Abhängigkeit von fremden Weisungen ausgeübt wird. Typisch für eine selbständige Tätigkeit sind die eigene Betriebsstätte, der Einsatz eigener Betriebsmittel und das Arbeiten auf eigene Rechnung, die Verfügung über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Maßgebend ist das Gesamtbild der Tätigkeit (ständige Rechtssprechung des BSG, z.B. Urteil vom 22. 6. 2005 - B 12 KR 28/03 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 5). Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages, auf dessen Inhalt im Einzelnen verwiesen wird, sowie des eigenen Vortrages des Klägers war zum 01. April 2001 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gewollt und ist auch bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 02. Mai 2007 als solches durchgeführt worden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass sich der Kläger in dieser Zeit in einer für die Dauer von 12 Monaten vorgesehenen Fachausbildung befand. Ohne selbstständige Tätigkeit aber ist die Grundlage für die Gewährung von Überbrückungsgeld erkennbar entzogen.

Diese Veränderungen hat der Kläger, entgegen der insoweit nicht nachvollziehbaren Auffassung des Sozialgerichtes, im Sinne des § 48 Abs. Satz 2 Nr. 2 SGB X vorsätzlich oder wenigstens grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Darüber hinaus hat er im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X infolge wenigstens grober Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 18. Januar 2001 ergebende Anspruch auf Überbrückungsgeld weggefallen war.

Der diesbezügliche Vortrag des Klägers, er habe mit seinen Angaben jeweils immer nur die tatsächliche Rechtslage wieder gegeben, insbesondere als er mitteilte, dass er seine Ankündigung "einer Übernahme in ein Angestelltenverhältnis revidiere" ist ohne jeden Belang. Gleiches gilt dafür, dass der Kläger im Vertrauen auf die Bescheidlage im guten Glauben hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Leistungsbezuges gewesen sein will. Zunächst hat der Kläger die Übernahme in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angekündigt, als er bereits in einem solchen stand. Der Bezug eines Gehaltes von der V steht ebenfalls im Gegensatz zu einer selbstständigen Tätigkeit und führt zudem auch für den Kläger erkennbar zum Wegfall der Förderungsnotwendigkeit, da der Kläger während dieser Zeit Erwerbseinkünfte erzielte. Dass dem Kläger die Relevanz der Arbeitsaufnahme bewusst war, folgt aus seinem Schreiben vom 16. Mai 2001. In diesem Schreiben vom 16. Mai 2001 versucht er den Eindruck zu erwecken, er übe tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit aus. Dies steht jedoch im Gegensatz zu dem eigenen Vortrag des Klägers. Denn der Kläger bot seinem ehemaligen Arbeitgeber im Hinblick auf seines vor dem Arbeitsgericht Hamburg geführte Bestandsschutzverfahrens seine Arbeitskraft an und ging währenddessen keiner Erwerbstätigkeit nach. Die Angaben des Klägers waren damit und es fehlte die verlangte vollständige Mitteilung der wahren Umstände. Schließlich war der Kläger nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung von ihm gewinnen konnte, seiner Ausbildung und seinem beruflichen Werdegang in der Lage, all dies zu erkennen. Der Kläger hat nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung eine Lehre als Zootechniker/ Mechanisator durchlaufen und war anschließend als Lehrausbilder/Meister tätig. Daneben schloss er eine Ausbildung zum Agraringenieur ab und übte anschließend eine Tätigkeit als Schichtleiter und danach als Leiter einer Rinderproduktion aus. Vor diesem Qualifikationshintergrund darf erwartet werden, dass der Kläger erkannt haben muss, dass er eine selbstständige Tätigkeit ab dem 01. April 2001nicht mehr ausübt, dies aber für den Bezug von Überbrückungsgeld wesentliche Voraussetzung ist.

Die angefochtene, als Widerruf erlassene Entscheidung der Beklagten kann ohne weiteres in eine Aufhebung nach § 48 SGB X umgedeutet werden.

Nach § 43 Abs. 1 SGB X in der seit dem 01.Januar 2001 geltenden Fassung kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Wie bereits dargestellt, sind diese Voraussetzungen erfüllt.

Die Ausschlusstatbestände der Abs. 2 und 3 hingegen sind nicht gegeben. Nach Abs. 2 gilt die Regelung des Absatz 1 nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte. Nach Abs. 3 kann eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden. Ziel der Beklagten war für die Zeit ab dem 01. April 2001 im Verhältnis zum Kläger den rechtmäßigen Zustand herzustellen und im Ergebnis zu Unrecht gewährte Leistungen zurückzufordern. Dieses Ergebnis wird durch die teilweise Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung ebenso gut erreicht. Die Aufhebung einer Entscheidung nach dem SGB II unterliegt auch keinem Ermessen, § 330 SGB III. Die Berufung hatte somit Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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