L 13 SB 1060/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 5 SB 231/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 1060/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 06. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) sowie des Nachteilsausgleiches "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).

Dem 1939 geborenen Kläger war zuletzt durch Bescheid vom 29. August 2002 ein Ge-samt GdB von 50 zuerkannt worden. Auf einen im August 2003 gestellten Änderungsantrag, mit dem der Kläger eine Verschlimmerung seiner Augenerkrankung (grauer und grüner Star) geltend gemacht hatte, holte der Beklagte einen Befundbericht des Facharztes für Augenkrank-heiten Dr. S, Klinikum E, und hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. M ein und erkannte sodann durch Bescheid vom 23. März 2004 einen Gesamt GdB von 60 an wegen folgender Beeinträchtigungen, deren verwaltungsintern bewertete Einzel GdB in Klammern angegeben sind:

- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen - Muskelreizerscheinungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreiz-erscheinungen der Wirbelsäule (40)

- Funktionsbehinderung des Hüftgelenkes beiderseitig, Funktions-behinderung des Kniegelenkes beiderseitig, Funktionsstörung durch Fußfehlform beiderseitig (20)

- Sehminderung, eingepflanzte Kunstlinse (20)

- Leberschaden (10)

- chronische Magenschleimhautentzündung (10)

- Depression (10)

Die Merkzeichen "G", "H" oder "GI" lägen nicht vor.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Zuerkennung eines hö-heren GdB sowie des Merkzeichens "RF".

Der Beklagte holte einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Augenheilkunde Dipl. Med. G ein, dem ein Bericht der C, vom 27. Juli 2004 über eine Behandlung durch Vitrektomie, Endolaserkoagulation und SF6 beigefügt war; in diesem ist ausgeführt, dass sich der Befund aufgrund der Behandlung deutlich gebessert habe und der Visus gestiegen sei. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wies der Beklagte daraufhin den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 23. September 2004 zurück; der GdB sei mit 60 zutreffend bewertet, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" lägen nicht vor.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der Dipl. Med. G und des Prof. Dr. V, C, eingeholt; Letzterer führte aus, den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorbe-haltlich einer Begutachtung von Seiten der Augen auf 20 % einzuschätzen. Die Störungen wirkten sich durch ein reduziertes binokulares Sehen aus. Es bleibe bei einer Begrenzung der zentralen Sehschärfe bei schweren Makulaveränderungen.

Durch Urteil vom 06. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Ein höherer Gesamt GdB als 60 dürfte nicht gerechtfertigt sein. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen nicht vor.

Gegen dieses am 14. November 2005 zugegangene Urteil richtet sich die am 15. November 2005 erhobene Berufung des Klägers. Der Kläger verweist auf Bescheinigungen des Facharztes für Innere Krankheiten (hausärztliche Betreuung) Dr. F vom 25. November 2005 und vom 31. März 2006 sowie des Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 08. Mai 2006, wonach sich sein Zustand verschlechtert habe. Beigebracht wurden ferner ein Arztbrief der Dipl. Med. G vom 10. März 2006, ein Attest des Dermatologen Prof. Dr. Prof. B vom 09. Dezember 2006 über eine Rosazea Erkrankung und ein Entlassungsbericht des Fach-arztes für Urologie Dr. H vom 16./17. Januar 2007 über eine transurethrale Nachresektion der Prostata, in dem ein komplikationsloser postoperativer Verlauf berichtet ist, der Kläger sei be-schwerdefrei und in gutem Allgemeinzustand sowie kontinent entlassen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 06. Oktober 2005 auf-zuheben und den Bescheid des Beklagten vom 23. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurtei-len, ihm einen Grad der Behinderung von mehr als 60 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merk-zeichen "RF" zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen und auf versorgungs-ärztliche Stellungnahmen hierzu.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte des Dr. F vom 02. Mai 2006 (der hier die Frage nach einer Verschlechterung der Befunde verneinte), des Dr. W vom 14. Februar 2007 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H (Eingang am 15. Februar 2007) eingeholt.

Das Gericht hat sodann durch Dr. W, Facharzt für Orthopädie, ein Gutachten vom 25. Juli 2007 erstellen lassen, der zu dem Ergebnis kam, dass es insgesamt bei dem Ge-samt GdB von 60 verbleibe. Für den Bereich der Wirbelsäule sei eine mehrsegmentale Prob-lematik mit Ausbreitungsmuster über mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitte schon anhand der subjektiven Angaben nicht zu eruieren gewesen. Im Bereich der oberen Halswirbelsäule (HWS) lägen durchgehend leichtgradige Bewegungsstörungen vor, Schmerzen seien insoweit nicht genannt worden, Therapien in der Vergangenheit diesbezüglich auch nicht erforderlich gewesen. Funktionelle Behinderungen seien somit aus subjektiver Sicht nur im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) vorhanden. Auf allen Wirbelsäulensegmenten der LWS hätten sich beginnende Spondylosen und auf der unteren LWS auch Spondylarthrosen gezeigt. Hochgradige Osteochondrosen (Abflachung der Bandscheibenfächer) seien jedoch auch im Bereich der Hauptbelastungszone der unteren LWS nicht zu erkennen gewesen. Manifeste Wurzelkompressionen seien weder am Untersuchungstag zu provozieren gewesen noch hätten sich diesbezüglich Hinweise bei Durchsicht des Aktenmaterials ergeben. Bei Zustand nach Nukleotomie der unteren LWS sei das Wirbelsäulenleiden bisher mit einem Einzel GdB von 40 bemessen worden. Da gemäß den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB XI AHP ) ein Einzel GdB von 40 mittelgradige bis schwere Auswirkungen auf zwei Wirbelsäulenab-schnitten voraussetze, hätten bei dieser Bewertung anhaltende Funktionsstörungen infolge von Wurzelkompressionen berücksichtigt worden sein müssen. Schwere funktionelle Auswirkun-gen der LWS seien zumindest im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht nachvollziehbar gewesen, könnten jedoch im Zusammenhang mit stärkeren Alltagsbelastungen und längerem Gehen bzw. Stehen durchaus auftreten. Folglich liege ein Wirbelsäulenleiden vor, welches aus-schließlich mittelgradige und phasenweise schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wir-belsäulenabschnitt erwirke, wobei häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschrän-kungen nachvollziehbar wären. Hierfür sei in den Anhaltspunkten ein GdB von 30 aufgelistet. In Kenntnis der Wurzelreizproblematik sei die Anhebung auf einen GdB von 40 durchaus ge-rechtfertigt, impliziere jedoch beim Fehlen weiterer relevanter Veränderungen, dass eine weite-re Höherstufung sicherlich nicht begründet werden könne.

Die Funktionsbehinderung der Hüftgelenke sei deutlich nachrangig gegenüber der Wirbelsäu-lenproblematik. Am rechten Hüftgelenk lägen ein leichtes Rotations- und ein minimales Beu-gedefizit vor, nicht jedoch mittel- oder höhergradige Bewegungsstörungen. Ein bedeutsames degeneratives Hüftgelenksleiden mit relevanten Funktionsbehinderungen liege definitiv nicht vor. Eine potenzierende Wirkung auf das Geh- oder Stehvermögen bzw. der allgemeinen kör-perlichen Belastungsfähigkeit hätten weder die mögliche Hüft- noch die Kniegelenksverände-rung. Aufgrund funktioneller Untersuchungen der Kniegelenke ließen sich keine Störungen oder Instabilitäten bzw. Muskeldefizite oder Weichteilreizungen erkennen. Eine Bewegungs-einschränkung am Kniegelenk habe im Zusammenhang mit der Untersuchung nicht vorgele-gen. In Kenntnis der radiologisch erkennbaren Abnutzungserscheinungen hinter den Knie-scheiben (rechts mittelgradig) und über den äußeren Gelenkabschnitten (rechts leicht bis mit-telgradig) seien bei spezifischen Belastungen wie längerem Laufen das durchgehende Stehen und Treppensteigen verbunden mit Schmerzen nachvollziehbar. Da keine Reizerscheinungen vorlägen und überhaupt keine Bewegungsdefizite erkennbar, der Bandapparat stabil und weder Hilfsmittel noch Therapien erforderlich seien, könne unter klinischen Gesichtspunkten ein GdB Ansatz von mehr als 10 für das Kniegelenksleiden nicht zugestanden werden. Unter Würdigung der beginnenden Hüftgelenksdegeneration rechts und der erkennbaren Verschlei-ßerscheinungen insbesondere hinter den Kniescheiben sei in Summation für die unteren Ex-tremitäten ein GdB von 20 begründet. Eine Anhebung über diesen Bemessungsgrad hinaus sei nicht möglich.

Aufgrund der Sehproblematik sei das normale Laufen überhaupt nicht eingeschränkt. Schwer-wiegende Einschränkungen seien dem augenärztlichen Befundbericht vom 10. März 2006 nicht zu entnehmen gewesen. Auch habe Prof. Dr. V in seinem Befundbericht vom 01. Februar 2005 darauf hingewiesen, dass durch die vorgenommenen Augenoperationen zum Teil eine deutli-che Verbesserung des Visus eingetreten sei. Die Einschränkung der Gesichtsfelder könne als minimal eingestuft werden.

Insgesamt wirke sich die Funktionsbehinderung der unteren Extremitäten nachteilig auf die im Vordergrund stehende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule aus. Die Sehfähigkeit habe be-zogen auf die Orientierungsfähigkeit und das Laufen keinen weiteren negativen Einfluss. Auf Alltagsaktivitäten wie feinmanuelle Arbeiten, das Arbeiten an Computern oder das Hantieren mit Kleinstgegenständen könne sich die Sehkraft zusätzlich nachteilig auswirken, insofern fin-de sich auch hierin ein zusätzlich nachteiliger Effekt, der in die Anhebung des Gesamt GdB auf 60 eingehe. Der Kläger sei weder aus orthopädischer noch aus Sicht anderer Fachgebiete dauerhaft und ständig daran gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen jedweder Art teilzu-nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage konnte mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsge-setz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil sind rechtmäßig.

Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf die Zuerkennung eines höheren GdB. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men-schen (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesell-schaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 3 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in 10er Graden von 20 bis 100 entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungs-gesetz in Verbindung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB XI)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (derzeit Ausgabe 2005 – AHP 2005, im wesentlichen gleich lautend mit Ausgabe 2004), die als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind, festzustellen. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind die Einzel-GdB in Graden an-zugeben. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigun-gen sind nach § 69 Abs. 3 SGB XI die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamt-heit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Nr. 19 AHP 2005 (Seite 24 ff.) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen von-einander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeein-trächtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Dabei führen grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zu-nahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP 2005 Nr. 19, Abs. 1, 3 und 4, Seite 24 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kommt ein höherer als der zuerkannte GdB von 60 nicht in Betracht; fraglich ist allenfalls, ob nicht ein geringerer GdB zutreffend wäre. Das Ge-richt folgt hinsichtlich der Feststellungen zu den maßgebenden Funktionseinschränkungen den - bereits wiedergegebenen - Ausführungen des von ihm als Gutachter gehörten Facharztes für Orthopädie Dr. W in dessen Gutachten vom 25. Juli 2007. Danach liegt ein Wirbelsäulenleiden vor, welches ausschließlich mittelgradige und phasenweise schwere funktionelle Auswirkun-gen in einem Wirbelsäulenabschnitt erwirkt. Nach den AHP führen mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt zu einem Einzel-GdB von 20, schwere funktio-nelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt zu einem Einzel-GdB von 30 und erst mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten zu ei-nem GdB von 30 bis 40 (AHP 2005 Nr. 26.18, Seite 116). Unter Beachtung dieser Vorgaben wären die Einschränkungen aufgrund des Wirbelsäulenleidens, da sie sich nur über einen Wir-belsäulenabschnitt erstrecken, eigentlich höchstens mit einem Einzel GdB von 30 zu bewerten. Soweit Dr. W ausführte, dass letztlich der Bewertung des Beklagten mit 40 "in Kenntnis der Wurzelreizproblematik" zuzustimmen sei, war dies nicht nachvollziehbar, da der Sachverstän-dige an anderer Stelle ausführte, dass manifeste Wurzelkompressionen weder am Untersu-chungstag zu provozieren gewesen seien noch dass sich diesbezüglich Hinweise aus den Akten ergeben hätten. Zweifelhaft konnte nach allem daher lediglich die Frage sein, ob die Wirbel-säulenproblematik nicht überbewertet ist, ein höherer Einzel GdB kommt jedenfalls nicht in Betracht.

Die Einschränkungen im Bereich der Kniegelenke und der Hüfte bewertete der Sachverständi-ge mit einem Einzel GdB von 20, wobei er die Hüftgelenksveränderung lediglich als "mög-lich" bezeichnete. Zu den Kniegelenken führte er aus, dass überhaupt keine Bewegungsdefizite erkennbar seien, der Bandapparat stabil gewesen sei, Reizerscheinungen nicht vorgelegen hät-ten und dass weder Hilfsmittel noch Therapien erforderlich seien. Der GdB von 20 für den Be-reich der unteren Gliedmaßen erscheint angesichts dieser Ausführungen ebenfalls als ausge-sprochen großzügig.

Der Einzel GdB für die Sehbehinderung konnte ebenfalls nicht mit mehr als 20 bewertet wer-den. Das Gericht stützt sich insoweit auf den Arztbrief der Dipl. Med. G vom 10. März 2006 und den erstinstanzlich eingeholten Befundbericht des Prof. Dr. V vom 01. Februar 2005, der die MdE mit 20 v. H. einschätzte; diese ärztlichen Unterlagen enthielten jeweils dezidierte An-gaben zur Sehschärfe und zu sonstigen Einschränkungen, die nach versorgungsärztlicher Aus-wertung u. a. der Dr. H vom 08. Juni 2006 jedenfalls zu keinem höheren GdB als 20 führen. Dr. H führte aus, dass sich aufgrund des Befundberichtes vom 10. März 2006 für die korrigier-te Sehschärfe lediglich ein GdB von 5 bis 10 ergebe; unter Berücksichtigung der beiden Kunst-linsen und einer Reizung der Augen sei der GdB deshalb mit 20 weiterhin korrekt. Diese Ein-schätzung ist durch Dr. Wbestätigt worden

Zu den von Dr. F in dessen Befundbericht vom 2. Mai 2006 genannten "Depressionen" hat das Gericht einen Befundbericht der Dr. H (Eingang 15. Februar 2007) eingeholt, bei der sich der Kläger nach seinen Angaben wegen seiner psychischen Beschwerden in Behandlung befand. Dr. H führte aus, dass der Kläger bei ihr einmalig vorstellig gewesen sei. Er habe gewollt, dass sie ihm bei der Erhöhung seines GdB helfe. Leider seien die weiteren Termine nicht so verlau-fen, wie er es sich gewünscht habe, er habe daraufhin die Behandlung abgebrochen. Für psy-chische Beeinträchtigungen von GdB relevantem Ausmaß fehlt es damit nach wie vor an jegli-chen ärztlich bestätigten Einschränkungen. Da nach den AHP Einzel GdB von 10 grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung des Gesamt GdB und Einzel GdB von 20 nicht regelmäßig zu einer Erhöhung des Gesamt GdB führen, wäre vorliegend auch die Bildung eines geringeren Gesamt GdB als 60 nachvollziehbar gewesen, zumal die Angaben des Sachverständigen Dr. WRaffloer zu nachteiligen Auswirkungen der Funktionseinschränkungen aufeinander nicht widerspruchsfrei waren; auf Blatt 12 f. des Gut-achtens wurden nachteilige Auswirkungen der Hüft- und Kniegelenkseinschränkungen auf das Geh- und Stehvermögen sowie die allgemeine körperliche Belastungsfähigkeit aufgrund der Angaben des Klägers verneint, was angesichts der sonstigen Feststellungen zu fehlenden Aus-wirkungen der Kniegelenksproblematik nachvollziehbar ist. Jedenfalls kam nach allem eine Erhöhung des mit 60 durch den Beklagten festgestellten Gesamt GdB nicht in Betracht.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die gesundheitlichen Merkma-le für die Inanspruchnahme der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorliegen (vgl. § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuches, Neuntes Buch - SGB IX -). Der Kläger gehört insbesondere nicht zu dem Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Berliner Verordnung über die Vorausset-zungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (a.F.) vom 2. Januar 1992 (GVBl. S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. März 2004 (GVBl. S. 179), bzw. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des am 1. April 2005 in Kraft getretenen Achten Staatsvertrags zur Ände-rung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Verbin-dung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. S. 82). Hiernach sind behinderte Menschen von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, wenn sie nicht nur vorübergehend um mindestens 80 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.

Nach Nr. 33 Abs. 2 (S. 141) der AHP 2005 sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt bei a) Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem GdB von we-nigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, b) Hörgeschädigten, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist und c) - behinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Hierzu gehören - behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen – auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) – bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besu-chen können, - behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar ab-stoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asth-maanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - behinderte Menschen mit – nicht nur vorübergehend – ansteckungsfähiger Lungentu-berkulose, - behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sind als öffentliche Ver-anstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfes-te, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veran-staltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewähr-leistet werden, dass der auch aus anderen Gründen zweifelhafte Nachteilsausgleich "RF" (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, in: Breith 1994, S. 230, und vom 16. März 1994, 9 RVs 3/93, bei Juris, worin die Auffassung vertreten wird, dass es wegen der nahezu vollständigen Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit Rundfunk- und Fern-sehgeräten zunehmend zweifelhaft erscheint, dass durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsäch-lich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird) nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörge-schädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.

Diese Voraussetzungen sind nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen und insbesondere dem Gutachten des Dr. W nicht gegeben; der Kläger ist nicht praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Haupt-sache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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