L 1 U 30/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2698/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 30/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.November 2004 abgeändert. Der Bescheid vom 27. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2002 und der Bescheid vom 20. Dezember 2002 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, eine somatoforme Schmerzstörung mit depressiver Episode als weitere Unfallfolge anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. ab 1. Januar 2003 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufungen werden im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Im Streit steht die Frage, ob weitere Unfallfolgen aus dem Unfall vom 10.03.2000 vorliegen, ob Verletztengeld für das Jahr 2002 zu zahlen und Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mehr als 30 v. H. zu gewähren ist.

Der 1967 geborene Kläger absolvierte in Kroatien eine Lehre als Maurer. Bei seiner Tätigkeit als Baufacharbeiter für die Wilhelm M. Bauunternehmung GmbH & Co KG stürzte er am 10. März 2000 aus ca. sechs Metern Höhe von einem Gerüst auf den Rücken und zog sich eine instabile Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers zu, die mit Implantation eines Fixateur interne operativ versorgt wurde (Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. F. vom 29. März 2000; Zwischenbericht des Dr. B. vom 5. April 2000). Arbeitsunfähigkeit wurde ärztlich bescheinigt bis 22. Oktober 2000. Der Arbeitgeber teilte den Unfall der Beklagten mit der Unfallanzeige vom 13. März 2000 mit und kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2000, da der Kläger nicht mehr als Baufacharbeiter einsetzbar sei. Die Landesversicherungsanstalt N.-O. bewilligte auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs vom 19. Dezember 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab 1. Dezember 2001 bis 31. Dezember 2005 (Bescheid vom 8. April 2004).

Verletztengeld zahlte die Beklagte bis zum Ablauf der 78. Woche am 6. September 2001 (Bescheid vom 21. August 2001). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Den Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 30. Januar 2004 zurück.

Eine im Oktober 2000 durchgeführte Computertomographie der Lendenwirbelsäule zeigte eine funktionsgerechte Stellung der Kompressionsfraktur des 2. Lendenwirbelkörpers mit einer ausgeprägten Impression der Deckplatte und einer geringen Hinterkantenbeteiligung ohne wesentliche Einengung des Spinalkanals, osteosynthetisch versorgt mit einem stabilisierenden Implantat zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbelkörper sowie einem Fixateur interne (Bericht des Radiologen Dr. T. vom 12. Oktober 2000). Am 12. April 2002 wurde das Implantat entfernt.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. W. das Rentengutachten vom 10. Oktober 2001. Als Unfallfolgen führte er eine Versteifung der Lendenwirbelsäule vom 1. bis zum 3. Lendenwirbelkörper nach instabilem Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers auf, reizlose Operationsnarben, eine Schwäche der Rumpfmuskulatur und eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule. Die MdE durch die Unfallfolgen schätzte er vom 23. Oktober 2000 bis voraussichtlich zum Ablauf des 2. Unfalljahres mit 30 v.H., danach mit 20 v.H. ein.

Mit Bescheid vom 27. November 2001 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und bewilligte ab 7. September 2001 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 v.H. Als Unfallfolgen erkannte die Beklagte eine Schwäche der Rumpfmuskulatur, Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, reizlose Narben, Versteifung der Lendenwirbelsäule vom 1. bis 3. Lendenwirbelkörper nach instabilem Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers mit noch liegenden Metallteilen an. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 3. Januar 2002 Widerspruch.

Im Auftrag der Beklagten erstattete Prof. Dr. W. das weitere orthopädische Gutachten vom 18. Juni 2002. Eine wesentliche Befunddifferenz zum Rentengutachten vom Oktober 2001 sei nicht festzustellen, sodass die MdE unverändert mit 30 v.H. einzustufen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27. November 2001 als unzulässig zurück, weil die Widerspruchsfrist versäumt worden sei.

Dagegen hat der Kläger am 19. September 2002 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zugleich bei der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten hat die beantragte Wiedereinsetzung gewährt und sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger hat daraufhin die Klage auch gegen den Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2002 gerichtet. Er macht geltend, neben den unmittelbaren Folgen des Arbeitsunfalls, die sich in fortbestehenden Rückenbeschwerden äußerten und dazu geführt hätten, dass er in seinem erlernten Beruf als Maurer nicht mehr arbeiten könne, habe er nach dem Unfall in zunehmendem Maße mit Magengeschwüren zu kämpfen gehabt. Dies habe dazu geführt, dass ein großer Teil des Magens habe entfernt werden müssen.

Während des Klageverfahrens hat Prof. Dr. W. im Auftrag der Beklagten unter dem 3. Dezember 2002 das zweite Rentengutachten zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit erstellt. Darin ist er zum Schluss gekommen, dass die Unfallfolgen wie im Gutachten vom Oktober 2001 zu bezeichnen seien (Versteifung der Lendenwirbelsäule vom 1. bis 3. Lendenwirbelkörper nach instabilem Bruch des 2. Lendenwirbelkörpers, reizlose Operationsnarben, Schwäche der Rumpfmuskulatur, Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule) und hat eine MdE um 30 v.H. vorgeschlagen. Weiter hat er ausgeführt, die Laparatomienarben (nach Behandlung einer Hiatushernie in der Kindheit) und die Magenteilresektion seien als unfallunabhängig zu bewerten.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2002 hat die Beklagte daraufhin anstelle der vorläufigen Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit festgestellt und die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. bewilligt. Als Folgen des Arbeitsunfalls hat sie nicht anerkannt: Laparatomienarben, Magenteilresektion.

Das SG hat den behandelnden Arzt für Innere Medizin Dr. G. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt (Auskunft vom 22. Dezember 2003) und Prof. Dr. S., Facharzt für Orthopädie und Chirurgie, mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens unter Berücksichtigung der bestehenden Magenproblematik beauftragt. In seinem Gutachten vom 15. April 2004 hat er ausgeführt, der Kläger sei schon 1990 wegen Magengeschwüren operiert worden. Mit den Befunden der Vorgutachten hinsichtlich des Lendenwirbelsäulenabschnitts L 1 bis L 3 ergebe sich weit gehende Übereinstimmung. In den Vorgutachten fehle allerdings die Beschreibung eines anlagebedingten Haltungsfehlers im Sinne eines Rundrückens und in Form der großbogigen Linkskonvexseitverbiegung der Brustwirbelsäule. Dies sei zwar keine direkte Unfallfolge, habe aber insoweit Bedeutung, als die Statik der Wirbelsäule beeinträchtigt werde, was wiederum negativen Einfluss auf die Unfallfolgen habe. Des Weiteren fehle der Hinweis auf Schmerzhaftigkeit am Übergang der Brust- in die Lendenwirbelsäule und auf Wetterfühligkeit sowie auf die im Narbenbereich am linken Beckenkamm einliegende druckempfindliche Osteosyntheseplatte. Als Unfallfolge seien auch Missempfindungen am linken Oberschenkel und die Muskelverschmächtigung am linken Bein zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die Ärztliche Gutachtertätigkeit" 1996 S. 140 (Ziffer 26.18) sei ein Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einer MdE um 30 v.H. zu bemessen. Dies entspreche dem beim Kläger vorliegenden Befund in L 1 bis L 3, nicht aber die teilweise eingezogenen, druckschmerzhaften, wetterfühligen Narben am linken Rippenbogen und am linken Beckenkamm sowie dem noch einliegenden, druckschmerzhaften Osteosynthesematerial und der unfallbedingten Wirbelsäulenfehlstatik L 1 bis L 3 mit sicheren Auswirkungen auf die anlagebedingte Fehlstatik. Die Narbenbeschwerden, die Oberschenkelmissempfindungen, die Muskelverschmächtigung am linken Bein und das noch einliegende, druckempfindliche Osteosynthesematerial entsprächen einer MdE um 10 v.H. Weitere 10 v.H. seien für die durch die Unfallfolgen verstärkten statischen Rückenbeschwerden einzusetzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit gingen die Magenprobleme, die beim Kläger im Jahre 2002 zur erneuten - nach einer Magenoperation wegen Magengeschwüren 1990 in Kroatien - Magenoperation geführt hätten, auf die Medikamente, insbesondere das Schmerzmittel Voltaren, zurück, die er wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eingenommen habe. Unter Berücksichtigung der Anhaltspunkte unter 26.10 ("Teilentfernung des Magens mit anhaltenden Beschwerden") sei dafür eine MdE um 20 v.H. angemessen. Die Gesamt-MdE sei ab 1. Januar 2003 auf 50 v.H. festzulegen. Arbeitsunfähigkeit habe während des ganzen Jahres 2002 bestanden.

Durch Urteil vom 11. November 2004 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2002 verurteilt, dem Kläger für das Jahr 2002 Verletztengeld und ab 1. Januar 2003 Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten des Prof. Dr. W. vom 10. Oktober 2001 und 18. Juni 2002 sowie des Prof. Dr. S. vom 15. April 2004 ist es zu der Auffassung gelangt, dass für das orthopädische Fachgebiet wegen der im angefochtenen Bescheid anerkannten Unfallfolgen eine MdE um 30 v.H. bestehe. Weiter ist ausgeführt, dass die beim Kläger aufgetretene Magenausgangstenose, die zu einer Magenresektion nach Billroth I geführt habe, ebenfalls als Unfallfolge anzuerkennen sei. Das SG folge bei seiner Beurteilung insoweit den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. S. und halte diese in Kenntnis der Gebrauchsinformationen zu Voltaren, in der auf erhebliche Nebenwirkungen insbesondere im Bereich des Magens hingewiesen werde, für überzeugend. Die weitere Unfallfolge begründe eine Teil-MdE um 20 v.H. Da eine Addition der MdE-Werte nicht vorzunehmen sei, ergebe sich eine Gesamt-MdE um 40 v.H. Auf Grund der neuen - unfallabhängigen - Erkrankung sei der Kläger für das Jahr 2002 arbeitsunfähig gewesen und habe deshalb Anspruch auf Verletztengeld.

Gegen das ihr am 16. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Januar 2005 Berufung eingelegt, der Kläger am 8. August 2006 Anschlussberufung.

Die Beklagte wendet sich gegen die Feststellung der Magenerkrankung als zusätzliche Unfallfolge sowie gegen die Verurteilung, Verletztengeld für das Jahr 2002 zu zahlen, da der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung seit 1. Dezember 2001 erhalte. Allein die magenschädigende Wirkung eines Präparats reiche nicht aus, dieses als Ursache der Magenerkrankung anzusehen, wenn, wie beim Kläger, vorbestehende Magenleiden bekannt und dokumentiert seien. Die Beklagte hat zur Ergänzung ihres Vorbringens das Rentengutachten (zur Rentennachprüfung) des Orthopäden Dr. P. vom 7. November 2004 vorgelegt. Er hat keine Änderung in den Unfallfolgen festgestellt und die MdE mit weiterhin 30 v.H. angenommen. Wegen der im Jahr 1989 erfolgten Magenoperation in Kroatien sei einen Zusammenhang zwischen dem Magenleiden und den Folgen des Unfalles aus seiner Sicht fraglich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. November 2004 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 11. November 2001 und des Bescheids vom 27. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2002 zu verurteilen, für das Jahr 2002 Verletztengeld und ab dem 1. Januar 2003 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren, sowie die Beklagte zu verurteilen, dass als Unfallfolgen sowohl die Magenausgangsstenose als auch die beim ihm aufgetretene posttraumatische Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung Folgen des Unfalls vom 10. März 2000 festzustellen sind.

Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe zu Recht die Magenerkrankung als Unfallfolge anerkannt. Seine psychische Erkrankung, die letztlich zur Erwerbsunfähigkeit geführt habe, sei ebenfalls Folge des Unfalls. Der im Rentenverfahren für das SG als Gutachter tätige Dr. L. habe diese Beurteilung in seinem Gutachten gestützt

Das Gericht hat als sachverständigen Zeugen den Facharzt für Orthopädie Dr. P. schriftlich vernommen. In seiner Auskunft vom 18. August 2005 hat er die dem Kläger während seiner Behandlung in der S.-klinik verordneten Medikamente sowie die nach der Entlassung verordneten mitgeteilt, darüber hinaus, dass bei der Aufnahmeuntersuchung am 30. März 2000 keinerlei Magenbeschwerden dokumentiert seien. Prof. Dr. E., Chefärztin der Klinik für orthopädische Chirurgie an den Kliniken des Landkreises L. GmbH hat als sachverständige Zeugin unter dem 5. September 2005 mitgeteilt, der Kläger sei vom 6. Juli 2000 bis 22. Mai 2004 ambulant behandelt worden, habe auch Schmerzmedikamente eingenommen, nach den Eintragungen in den Krankenblättern nie über Magenbeschwerden geklagt. Im Juni 2002 habe er allerdings angegeben, vor etwa einem Jahr ein Magengeschwür gehabt zu haben. Prof. Dr. S., geschäftsführender Direktor des Departments Orthopädie und Traumatologie, Universitätsklinikum F., hat ebenfalls die verordneten Medikamente mitgeteilt und ausgeführt, in den ihm vorliegenden Unterlagen seien keine Hinweise auf Magenbeschwerden vorhanden.

PD Dr. M. hat mit Dr. B. anstelle des beauftragten Prof. Dr. B. im Auftrag des Gerichts das fachinternistische Gutachten vom 22. Februar 2006 erstellt. Darin hat er ausgeführt, eine Magenausgangsstenose könne als Folge verschiedener Erkrankungen entstehen. Entzündliche Veränderungen als Folge eines chronischen Ulcusleidens sowohl des Magens als auch des Zwölffingerdarms zählten diesbezüglich zu den häufigsten Ursachen. Darüber hinaus kämen Tumorerkrankungen sowohl im Bereich des Magens als auch anderer Organe in Betracht. Weiter könnten auch Folgen operativer Eingriffe im Rahmen von narbigen Schrumpfungen im Bereich des Magens oder Oberbauchs zu einer Einengung des Magenausgangs führen. Es sei letztlich nicht mit Sicherheit zu klären, inwieweit sowohl die mangelnde Verarbeitung des Unfallereignisses als auch die medikamentöse Therapie im Rahmen der Schmerzbehandlung ursächlich für die Magenausgangsstenose sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien, wie mehrfach endoskopisch dokumentiert, rezidivierende Ulcera im Magen und Duodenum für die Magenausgangsstenose verantwortlich. Einen gewissen, aber deutlich geringeren Einfluss könnten narbigen Veränderungen nach der Magenoperation 1990 zugeschrieben werden. Der Kläger habe sicherlich eine Neigung, Magen- und Darmulcera zu entwickeln. Einen wesentlichen Faktor stelle in diesem Zusammenhang die Heliobacter pylori Infektion dar, die typischerweise durch chronisch entzündliche Schleimhautveränderungen zu Geschwüren im Magen und Zwölffingerdarm führe. Es sei jedoch auch davon auszugehen, dass insbesondere aufgrund der Einnahme der Schmerzmedikation aber auch durch die psychische Stresssituation eine Verschlimmerung der vorbestandenen Ulcuserkrankung stattgefunden haben könnte. In wieweit die Magenausgangsstenose in diesem Ausmaß und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt auch ohne das Unfallereignis aufgetreten wäre, lasse sich nicht mit Sicherheit beurteilen. Derzeit sei als Folge der Magenoperation allerdings nur ein verkleinerter Magen zu bezeichnen. Sonstige Einschränkungen bestünden nicht. Die Gesamt-MdE beurteile er im Zusammenhang mit den Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet mit 30 v.H.

Das Gericht hat die Akten im Rentenverfahren (Verwaltungsakten der LVA N.-O.) beigezogen, die das psychiatrische Gutachten von Dr. L. vom 30.07.2003 enthält. Der Kläger hat das im Rentenverfahren erstellte ärztliche Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 4. Mai 2006 vorgelegt.

Das Gericht hat weiter Unterlagen über die vom Kläger beantragten psychotherapeutischen Behandlungen bei der Krankenkasse beigezogen und die behandelnde Internistin Dr. G. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt (Auskunft vom 6. September 2006). Als sachverständiger Zeuge wurde weiter der im Rahmen von fünf probatischen Sitzungen betreuende Diplom-Psychologe M. schriftlich befragt. In seiner Auskunft vom 27. Oktober 2006 führt er aus, beim Kläger bestehe eine mittelgradige depressive Episode sowie der Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung.

Das Gericht hat ein nervenärztliches Gutachten in Auftrag gegeben und zuletzt Prof. Dr. F. zum Sachverständigen bestimmt (Verfügung vom 18.01.2007). In dem Gutachten vom 13. April 2007, das nach Genehmigung durch das Gericht von Prof. Dr. F. unter Mitwirkung des Dipl.-Psych. F. erstellt worden ist, ist ausgeführt, das Ergebnis der von ihm durchgeführten teilstrukturierten Interviews weise stark darauf hin, dass der Kläger unter einer posttraumatischen Belastungsstörung von klinischer Bedeutung leide. Darüber hinaus liege eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltend somatoforme Schmerzstörung bei einer aktuellen konflikthaften Lebensbelastung vor, die in der Verarbeitung eines lebensbedrohlichen traumatischen Ereignisses und dessen Folgen bestehe. Das posttraumatische Belastungssyndrom sei beim Kläger mit ca. einem Jahr Verzögerung aufgetreten und sei seit 6 Jahren chronifiziert. Es zeige sich in Alpträumen vom Unfall, Gefühlen des Überflutetseins von der Erinnerungen daran und physiologische Übererregung. Eine Vorgeschichte, die zu einer erhöhten Labilität und Prädisposition für eine traumabedingte Störung führen würde, sei beim Kläger nicht festzustellen. Die mittelgradige depressive Episode sei durch die unfallbedingte Einschränkung der körperlichen Vitalität und damit der Basis für eine befriedigende Berufstätigkeit als auslösender Verlust der Depression anzusehen. Zur Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung führten die vom Kläger berichteten überdauernden Rückenschmerzen, für die es nach orthopädischer Begutachtung kein organisches Korrelat gebe. Zu somatoformen Störungen neigten nach klinische Erfahrung insbesondere Personen, die, wie der Kläger, aus strukturellen Gründen eine wenig differenzierte Selbstwahrnehmung und eine geringe Fähigkeit zum Affektausdruck haben. Anhaltspunkte für Aggravation oder Simulation hätten nicht bestanden. Das Unfallereignis sei auch seiner Art nach geeignet gewesen, eine posttraumatische Belastungsstörung zu verursachen. Die MdE sei ab 7. September 2001 mit 70 v.H. anzunehmen. Er schließe sich auch der Beurteilung von Prof. S. an, wonach die Magenprobleme als Folge der Schmerzmedikation eingetreten seien.

Die Beklagte hat daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Dr. W., Facharzt für Nervenheilkunde, vom 22. Mai 2007 vorgelegt. Dieser hat im Wesentlichen ausgeführt, gegen die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung spreche vor allem, dass diese üblicherweise innerhalb weniger Wochen oder Monate nach dem Unfall auftrete, nicht aber erst Jahre später. Es sei auch auffällig, dass diese Diagnose zuvor von keinem anderen Gutachter auf nervenärztlichem Fachgebiet gestellt worden sei. Angesichts der Vorgeschichte halte er auch den Zusammenhang der Magenbeschwerden mit dem Unfallereignis nicht für wahrscheinlich. Es sei im Übrigen auch auffällig, dass dem Kläger im Jahr 2000 von der Beklagten drei leidensgerechte Arbeitsplätze angeboten worden seien, die der Kläger nicht unter Hinweis auf psychische Einschränkungen abgelehnt habe, sondern weil er zu wenig verdient hätte. Erst im Zusammenhang mit dem dann eingeleiteten Rentenverfahren und der Klage um die Höherbewertung der MdE seien psychische Diagnosen aufgetreten.

Prof. Dr. F. und Dipl-Psych. F. haben daraufhin im Auftrag des Gerichts die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 1. August 2007 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nach der ICD 10 im Gegensatz zum DSM IV keine Initialreaktion verlange. Allein dass während der ersten ärztlichen Versorgung und der Nachsorge keine psychische Auffälligkeit dokumentiert sei, spreche nicht gegen deren Vorliegen. Zum einen habe die Wiederherstellung der physischen Gesundheit im Vordergrund gestanden, der Kläger sei darüber hinaus keine klagsame Person und nicht zuletzt der deutschen Sprache nicht so mächtig, dass er in der Lage gewesen wäre, seine Probleme angemessen zu schildern. Darüber hinaus habe der Kläger die ersten Monate auch unter starker Schmerzmedikation gestanden. Zu berücksichtigen sei des Weiteren, dass eine frühzeitige psychiatrisch-psychotherapeutische Betreuung des Klägers nach dem Unfall nicht stattgefunden habe. Darüber hinaus sei mit Dr. Dr. W. durchaus konform zu gehen, dass allein nach dem Akteninhalt der Eindruck eines Rentenbegehrens entstehen könne. Im Gegensatz zu Dr. Dr. W. habe aber in der Begutachtungssituation ein persönlicher Kontakt zwischen dem Kläger und dem Gutachter bestanden, die den nach der Aktenlage bestehenden Eindruck nicht bestärkt, sondern widerlegt habe. Die Beklagte hat daraufhin die weitere Stellungnahme des Dr. Dr. W. vom 20. September 2007 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Vorbringen der Beteiligten sowie den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig aber nur teilweise begründet, soweit ein Anspruch des Klägers auf Verletztengeld im Jahr 2002 im Streit steht.

Die am 8. August 2006 erhobene Anschlussberufung des Klägers ist zulässig (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 524 Zivilprozessordnung (ZPO)), wobei die an die Berufungserwiderungsfrist geknüpfte Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO) im sozialgerichtlichen Verfahren mangels einer vergleichbaren Regelung des § 520 ZPO nicht gilt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 8. Aufl., § 143 Rdnr. 5). Die Anschlussberufung ist aber nur teilweise begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 27. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2002. Der Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2002 ersetzt den Widerspruchsbescheid vom 9. September 2002, sodass er gegenstandslos ist, da der Widerspruchsausschuss der Beklagten nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Widerspruchsfrist über den Widerspruch sachlich entschieden hat.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nach § 96 Abs. 1 SGG auch der Bescheid vom 20. Dezember 2002 geworden (Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit anstelle der vorläufigen Entschädigung). Der Kläger hat auch die Änderung dieses Bescheids in beiden Instanzen beantragt.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht ergänzungsbedürftig i. S. von § 140 SGG - die Frist hierfür wäre im Übrigen abgelaufen (§ 140 Abs. 1 Satz 2 SGG) -, denn das Sozialgericht hat über alle prozessualen Ansprüche entschieden. Es ist kein Streitstoff mehr in 1. Instanz noch anhängig, der mit der vorliegenden Berufung nicht hätte angegriffen werden können.

Das Sozialgericht hat im Tenor des angefochtenen Urteils zwar den Bescheid vom 20. Dezember 2002 weder aufgehoben noch abgeändert, jedoch die Beklagte über die Regelung dieses Bescheides hinaus zu einer Rente nach einer MdE von 40 vH verurteilt und in den Entscheidungsgründen ausdrücklich die Verurteilung zur Verletztenrente auf unbestimmte Zeit - den Regelungsgehalt des Bescheid vom 20. Dezember 2002 betreffend- ausgesprochen. Das Sozialgericht hat weiter zwar weder die Depression noch die Magenteilresektion als unmittelbare Folge des Arbeitsunfalls im Tenor des Urteils ausdrücklich festgestellt. Hinsichtlich der Magenteilresektion lässt sich der Begründung des Urteils aber entnehmen, dass das Sozialgericht dies als Folge des Arbeitsunfalls ansieht und diese der Verurteilung zur Rente nach einer MdE um 40 v.H., mit der sich aus der Magenteilresektion ergebenden (Teil-)MdE, zugrundelegt. Hinsichtlich der Depression enthält allerdings auch die Begründung des angefochtenen Urteils keine ausdrücklichen Ausführungen. Aus dem Zusammenhang mit den Ausführungen zur Magenerkrankung als weitere Unfallfolge und der ausgesprochenen Klageabweisung im Übrigen ergibt sich aber, dass über den vom Kläger auch im Urteil wiedergegebenen Antrag auf Feststellung der Depression als Unfallfolge negativ entschieden worden ist.

Im Berufungsverfahren ist daher nach Antrag der Beteiligten Streitgegenstand geworden, ob der Kläger Anspruch auf Verletztengeld vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 hat, ob die Magenteilresektion Folge des Arbeitsunfalls ist, ob als weitere Folge des Arbeitsunfalls eine posttraumatische Belastungsstörung, eine somatoforme Schmerzstörung mit einer Depression festzustellen ist sowie ob ein Anspruch auf Rente nach einer MdE von mehr als 30 v.H. besteht.

Ein Anspruch auf Verletztengeld für das Jahr 2002 besteht nicht.

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird Verletztengeld u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalles arbeitsunfähig sind. Verletztengeld endet u. a. auf jeden Fall mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 3, Satz 2 Nr. 3 SGB VII). Das Ende von Verletztengeld ist mit Ablauf der 78. Woche mit dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 21. August 2001 für den 6. September 2001 festgesetzt. Ein weiter gehender Anspruch besteht nicht. Darüber hinaus hat der Kläger ab Januar 2002 bereits Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Gewährung von Verletztengeld nicht in Betracht kommt (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr.2 SGB VII). Die Entscheidung des SG war deshalb auf Antrag der Beklagten jedenfalls insoweit aufzuheben.

Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung einer somatoformen Schmerzstörung mit depressiver Episode als weitere Unfallfolge und auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. Dagegen hat der Senat nicht die erforderliche richterliche Überzeugung gewinnen können, dass die Magenausgangsstenose und eine posttraumatische Belastungsstörung Unfallfolgen sind.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R) zur Theorie der wesentlichen Bedingung insbesondere bei der Beurteilung von Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet ausführlich Stellung genommen.

Die Theorie der wesentlichen Bedingung (dazu umfassend BSG vom 9. Mai 2006 -B 2 U 1/05 R-) beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72 , 76).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts ( BSGE 12, 242 , 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127 , 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).

Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.

Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203 , 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a.F. RVO; BSGE 45, 285 , 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80 , 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 128 RdNr. 3c). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen.

Nach diesen Grundsätzen ist zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Magenausgangsstenose des Klägers wesentlich durch den angeschuldigten Unfall verursacht bzw. bestehende Magenprobleme durch die Einnahme von Schmerzmitteln richtunggebend verschlimmert worden sind.

PD Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 22. Februar 2006 ausgeführt, dass eine Magenausgangsstenose als Folge verschiedener Erkrankungen entstehen könne. Zu den häufigsten Ursachen zählten entzündliche Veränderungen als Folge eines chronischen Ulcusleidens sowohl des Magens als auch des Zwölffingerdarms. Darüber hinaus kämen Tumorerkrankungen sowohl im Bereich des Magens als auch anderer Organe in Betracht. Weiter könnten auch Folgen operativer Eingriffe im Rahmen von narbigen Schrumpfungen im Bereich des Magens oder Oberbauchs zu einer Einengung des Magenausgangs führen. Er hat weiter ausgeführt, dass es letztlich nicht mit Sicherheit zu klären sei, inwieweit sowohl die mangelnde Verarbeitung des Unfallereignisses als auch die medikamentöse Therapie im Rahmen der Schmerzbehandlung ursächlich für die Magenausgangsstenose sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien, wie mehrfach endoskopisch dokumentiert, rezidivierende Ulcera im Magen und Duodenum für die Magenausgangsstenose verantwortlich. Einen gewissen, aber deutlich geringeren Einfluss könnten narbigen Veränderungen nach der Magenoperation 1990 zugeschrieben werden. Der Kläger habe sicherlich eine Neigung, Magen- und Darmulcera zu entwickeln. Einen wesentlichen Faktor stelle in diesem Zusammenhang jedoch die Heliobacter pylori Infektion dar, die typischerweise durch chronisch entzündliche Schleimhautveränderungen zu Geschwüren im Magen und Zwölffingerdarm führe. Die Verursachung der Erkrankung durch den Unfall ist damit nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Beweislosigkeit geht insoweit zu Lasten des Klägers.

Es liegt aber auch keine richtunggebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch den Unfall bzw. die durch den Unfall bedingte Schmerzmitteleinnahme vor.

PD Dr. M. hat dazu ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass insbesondere aufgrund der Einnahme der Schmerzmedikation aber auch durch die psychische Stresssituation eine Verschlimmerung der vorbestandenen Ulcuserkrankung stattgefunden haben könnte. In wieweit die Magenausgangsstenose in diesem Ausmaß und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt auch ohne das Unfallereignis aufgetreten wäre, lasse sich jedoch nicht mit Sicherheit beurteilen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. S. zu rechtfertigen. Soweit er seine positive Kausalitätsbeurteilung wesentlich darauf stützt, dass der Kläger laut der von ihm zur Begutachtung mitgebrachten Packungen früher und aktuell eingenommener Medikamente risikoreiche Präparate eingenommen hat, die u.a. auch Nebenwirkungen im gastrointestinalen Bereich hervorrufen können, vermochte diese Beurteilung den Senat nicht zu überzeugen. Auf die bloße Möglichkeit des Auftretens entsprechender Nebenwirkungen, insbesondere ohne Kenntnis der statistischen Häufigkeit solcher Nebenwirkungen und ohne sicheres Wissen von der Höhe und Dauer der Medikamenteneinnahme, kann die Bejahung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Medikamenteneinnahme und der Magenausgangsstenose jedoch nicht gestützt werden. Nicht zuletzt hat der Senat bei seiner Beurteilung auch bewertet, dass PD Dr. M. als Internist im Gegensatz zu Prof. Dr. S. als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie die größere Sachkenntnis besitzt und die aktenkundig gewordenen Verordnungen von Schmerzmitteln bewertet hat. Darüber hinaus ist nach Auffassung des Senats auch fraglich, ob selbst bei Anerkennung der Magenausgangsstenose als Unfallfolge eine rentenberechtigende MdE festzustellen wäre. Denn die MdE bei einer Magenresektion ist lediglich von 0 bis 20 v.H. festzusetzen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 996; Bereither-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, J 018). Wesentliche Beschwerden von Seiten des Magens bestehen nicht mehr. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers anlässlich der ambulanten Untersuchung für das internistische Gutachten und auch aufgrund seiner Angaben gegenüber PD Dr. M ... Danach bestanden im Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung im Februar 2006 und auch der Zeit davor keine wesentlichen Beschwerden. Der Kläger hat selbst angegeben, dass sich seine Beschwerden seit der Operation bedeutend gebessert haben. Es komme nur noch nach schweren Mahlzeiten zu Übelkeit und selten zu Erbrechen. Die meisten Nahrungsmittel würden gut vertragen. Gelegentlich komme es zu Sodbrennen. Seit der Magenoperation sei es auch zu einer Gewichtszunahme von 15 kg gekommen. Angesichts dieser Beschwerdesymptomatik wäre jedenfalls nicht von einer relevanten MdE auszugehen. Die Entscheidung hierüber kann der Senat jedoch offen lassen, da bereits, wie dargelegt, der Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Magenproblematik nicht wahrscheinlich zu machen ist.

Soweit psychische Unfallfolgen im Streit stehen, ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge vorliegt.

Psychische Gesundheitsstörungen können, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 a.a.O. weiter ausgeführt hat, nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Auflage 2001). Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.

Eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht nach Nr. F43.1 des ICD-10-GM 2007 als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Präsdisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.

Unter Berücksichtigung der genannten Kriterien ist die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nachgewiesen. Der Senat lässt dahinstehen, ob der Unfall, was unter den Beteiligten streitig ist, ein geeignetes Initialereignis für eine posttraumatische Belastungsstörung war. Ob aber das erstmals von Dr. L. drei Jahre nach dem Unfall beschriebene Krankheitsbild mit unfallbezogenen Albträumen einer solchen Erkrankung zugeordnet werden kann, ist bei den vorliegenden, sich widersprechenden medizinischen Beurteilungen für den Senat nicht mit der zur vollen richterlichen Überzeugung erforderlichen, an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit belegt.

Prof. Dr. F. bzw. Dipl.-Psych. F. haben ausgeführt, dass die beim Kläger zu beschreibende posttraumatische Belastungsstörung mit zeitlicher Latenz von etwa einem Jahr aufgetreten ist und sich seitdem chronifiziert hat.

Demgegenüber steht die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Dr. W. vom 22. Mai 2007, wonach eine Jahre übersteigende Latenz mit den Diagnosekriterien des ICD-10 nicht zu vereinbaren ist. Gegen die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung spricht, dass sich die Symptome, z.B. des beständigen Wiedererlebens, innerhalb weniger Wochen und Monate, nicht aber nach einer Zeitspanne von Jahren, wie beim Kläger, entwickelen. Zutreffend ist auch, dass zwischen 2000 und 2002 überhaupt keine Klagen über Beschwerde im psychischen Bereich dokumentiert sind. Wenn Dr. Dr. W. daraus ableitet, dass der Kläger gegenüber seinen behandelnden Ärzten keine entsprechenden Beschwerden geäußert hat, so dass nach seiner Auffassung auch keine Beschwerden bestanden haben, ist dieser Schluss nach Auffassung des Senats nicht mit dem von Prof. Dr. F. bzw. Dipl.-Psych. F. durch die Begutachtung gewonnenen persönlichen Eindruck vom Kläger, den insoweit auch Dr. L. in seinem Gutachten vermittelt hat, zu entkräften, wonach der Kläger nur über eine eingeschränkte verbale Mitteilungsfähigkeiten des emotionalen Erlebens verfügt und eine Unfähigkeit aufweist, sich vertrauensvoll an andere zu wenden, um Hilfe bei seelischen Problemen zu erhalten. Für die Annahme spezifischer Beschwerden einer Belastungsstörung im Zeitraum vor 2003 sind keine sonstigen bestätigende Anhaltspunkte den Akten zu entnehmen, die auf zeitnah zum Unfall bestehende, unfallbezogene psychische Probleme hindeuten. Vielmehr ist dem Gutachten von Dr. L., entgegen der angenommenen Unfähigkeit zur Verbalisierung psychischer Probleme, eine vor 2003 gegenüber Dr. G. geltend gemachte psychische Beschwer zu entnehmen, die freilich nicht den Unfall, sondern den Bürgerkrieg im Heimatland des Klägers als Ursache benannte. Soweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, der Kläger sei in Bosnien nicht Soldat gewesen, weshalb dieser in der Arztdokumentation hergestellte Bezug falsch sei, ist dies nicht überzeugend. Auch die Zivilbevölkerung ist von den kriegerischen Ereignissen betroffen gewesen, sodass der Kläger auch durch die Sorge um seine noch in der Heimat verbliebenen Angehörigen psychisch belastet sein konnte. Das Argument, der Kläger sei auch über längere Zeit nicht durch geeignete Fachärzte wegen psychischer Gesundheitsstörungen, sondern nur aufgrund seiner körperlichen Beschwerden untersucht worden, kann die fehlende Dokumentation psychischer Störungen vor 2003 nicht allein erklären, denn der Kläger wurde auf mehreren fachärztlichen Gebieten von verschiedenen Ärzten untersucht und behandelt. Gerade soweit Schmerzen, die keinen eindeutigen organischen Bezug erkennen lassen, geklagt werden, wird der eine oder andere Behandler eine psychischen Komponente in Erwägung ziehen und entsprechende Frage stellen.

Der Kläger ist nach dem Unfall tatsächlich mehrfach ärztlich behandelt und operiert worden. Allerdings betrafen alle Behandlungsmaßen den orthopädisch-chirurgischen Fachbereich, bedingt durch die vom Kläger seit dem Unfall konstant vorgetragene Schmerzproblematik. Schon am 6. Juli 2000 hat er gegenüber Dr. G. atemabhängige Schmerzen geäußert. Die Unfähigkeit, über längere Zeit am Stück zu gehen, zu stehen oder zu sitzen, zieht sich ebenfalls als Beschwerdeklage durch die Akte. So wurde beispielsweise auch eine berufliche Integrationsmaßnahme beim Institut für Zukunftsorientierte Bildung e.V. (IZB) für wenig sinnvoll angesehen angesichts der bestehenden Sprachschwierigkeiten und der geschilderten Unfähigkeit, längere Zeit am Stück zu sitzen. Auch im Bericht des Krankenhauses L. GmbH vom 18.9.2000 sind Klagen über Schmerzen im Bereich der LWS insbesondere rechtsbetont dokumentiert. Der Kläger hat auch dort ausgeführt, er könne nicht lange sitzen oder stehen und müsse regelmäßig Schmerzmittel einnehmen. Am 9. Oktober 2000 hat der Kläger bei der Beklagten vorgesprochen, wonach er seit August weder vom Arbeitsamt noch der Beklagten etwas gehört habe. Er hat ausgeführt, dass er nicht wisse, wie er sich beruflich neu orientieren solle und habe Beschwerden, die einer Maßnahmeteilnahme entgegen stünden. Auch gegenüber Prof. Dr. W. hat der Kläger am 10. Oktober 2001 seine Schmerzen nachdrücklich geschildert.

Wie Prof. Dr. F. bzw. Dipl.-Psych. F. in ihrem Gutachten bzw. der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt haben, sind unterschiedliche Erscheinungs- bzw. Manifestationsformen der posttraumatische Belastungsstörung nicht unwahrscheinlich. Die von Prof. Dr. F. vertretene Auffassung, dass der Kläger die Gesamtproblematik in den vorangegangenen Jahren auf die für ihn einfachere Darstellungsweise der Schmerzenschilderung verschoben habe, ist eine mögliche, aber nicht die einzige Erklärung hierfür. Prof. Dr. F. hat selbst hinsichtlich der Schmerzverarbeitung des Klägers eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert, die auch als eigenständige Diagnose besteht. Aus Sicht des Senats ist aber das oben Ausgeführte auch insoweit bedeutsam, dass die typische Beschwerdesymptomatik der posttraumatische Belastungsstörung mit Albträumen und Nachhallerinnerungen unvermittelt bei der psychiatrischen Begutachtung 2003 auftritt und Dr. L. trotz der von ihm selbst beschriebenen Symptome eine posttraumatische Belastungsstörung nicht diagnostiziert hat.

Dagegen liegt beim Kläger zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte somatoforme Schmerzstörung mit mittelgradiger depressiver Episode vor.

Prof. Dr. F. hat insoweit übereinstimmend mit Dr. L. und Dr. D., die den Kläger im Rentenverfahren begutachtet haben, die oben dargestellten Angaben des Klägers zur Schmerzproblematik dieser Diagnose zugeordnet, denn, wie sich aus dem orthopädischen Gutachten von Prof. Dr. W. ergibt und worauf Prof. Dr. F. auch Bezug nimmt, haben die anhaltenden Schmerzäußerungen auf somatischen Gebiet kein Korrelat. Für den Senat ist durch Prof. Dr. F. auch überzeugend dargelegt worden, dass sowohl die von ihm ebenso diagnostizierte depressive Störungen wie auch die anhaltenden Schmerzstörung Ausdruck der Überforderung des Klägers in der Verarbeitung der Unfallfolgen ist. Dies folgt aus den weitreichenden Konsequenzen des Unfalls bei gleichzeitig bedingt eingeschränkter Verarbeitung von schweren Belastungen. Nach Prof. Dr. F. neigen Personen mit wenig differenzierter Selbstwahrnehmung und geringer Fähigkeit zum Affektausdruck zur Entwicklung somatoformer Störungen. Die Entstehung der Störungen setzt daher eine gewisse persönlichen Vulnerabilität des Klägers voraus, wobei das auslösende Moment nach Prof. Dr. F. in den somatischen Unfallfolgen zu sehen ist. Zur Überzeugung des Senats ist daher für die Entwicklung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Arbeitsunfall von gleichwertiger Bedeutung wie die zusätzliche Entstehungsbedingung der anlagebedingten Persönlichkeitsstruktur des Klägers. Bei wertender Betrachtung wird dies noch dadurch verstärkt, dass eine angemessene fachärztliche Behandlung, worauf Prof. Dr. F. in seinem Gutachten hingewiesen hat, bislang noch nicht erfolgt ist. Die das Krankheitsbild der somatoformen Schmerzstörung charakterisierende Chronifizierung ist daher auch auf die dem Unfall nachfolgenden, zurechenbaren Umstände, nämlich einer unzureichenden Behandlung von Unfallfolgen, zurückzuführen. Ebenso war für den Senat überzeugend, dass die beim Kläger diagnostizierte depressive Grundstimmung aus den Schmerzen, der wahrgenommenen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, dem unfallbedingten Verlust der Arbeitsstelle und damit einhergehenden Existenzängsten resultiert und damit ebenso wesentlich kausal auf unfallbedingten Umständen wie auf unfallunabhängigen Umständen, nämlich Familiensituation und Persönlichkeitsstruktur beruht.

Abweichend von Prof. Dr. F. bzw. Dipl.-Psych. F. beurteilt der Senat die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit jedoch bei integrierender Betrachtung unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet mit einer Gesamt-MdE um 50 v.H.

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Im Bereich der Wirbelsäule bestehen die von der Beklagten im Bescheid vom 20. Dezember 2002 anerkannten Unfallfolgen. Dies ergibt sich zunächst aus dem diesem Bescheid zugrunde liegenden Gutachten des Prof. Dr. W. vom 3. Dezember 2002 und wird bestätigt durch das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten des Prof. Dr. S. vom 15. April 2004 sowie das von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten des Dr. P. vom 7. November 2004. Die von Prof. Dr. S. als Unfallfolgen angesehenen Missempfindungen am Oberschenkel des linken Beins beschreiben auch Prof. Dr. W. (herabgesetzte Berührungsempfindlichkeit der Haut) und Dr. P. (verbliebene Sensibilitätsstörung an der Außen- und Vorderseite des linken Oberschenkels). Motorische Ausfallerscheinungen werden von allen Gutachter verneint.

Eine höhere MdE als 30 v.H. für die Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule, die von Prof. Dr. W. und Dr. P. vorgeschlagen worden ist, kommt nicht in Betracht. Prof. Dr. W. und Dr. P. haben eine entsprechende Einstufung vorgeschlagen, diese ist auch von der Beklagten anerkannt worden. Der Auffassung von Prof. Dr. S. nicht zu folgen. Denn Prof. Dr. S. legt seinen Ausführungen unzutreffend die Anhaltspunkte für ärztliche Gutachtertätigkeit zugrunde, die für die Beurteilung des Grads der Behinderung im Bereich des Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) maßgeblich sind, nicht aber Maßstab für die Bemessung der MdE im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung sind. Die MdE nach Wirbelsäulenverletzungen bemisst sich nach den Grundsätzen der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 536; Bereither-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, J 024). Danach beträgt bei instabiler Ausheilung und Bandscheibenbeteiligung die MdE bis zu 30 v.H.

Die somatoforme Schmerzstörung mit depressiver Episode hat der Senat mit einer auf MdE von 30 v.H. bewertet.

Nach den für die MdE-Feststellung durch den Senat als Anhaltspunkte herangezogenen wissenschaftlichen Lehrmeinungen, wie sie in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur beschrieben sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 246, Bereither-Hahn/Mehrtens J 003), sind stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einer MdE um 20 bis 40, schwere Störungen mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einer MdE um 50 bis 100 zu bewerten. Bei seiner Beurteilung hat der Senat daher die auf psychiatrischem Gebiet bestehende Unfallfolge entsprechend den Darlegungen von Prof. Dr. F. bzw. Dipl. Psych. F. als stärker behindernde Störung eingeordnet und nach ihrer Ausprägung im mittleren Bereich dieser Bewertungsstufe eingestuft.

In der Wertschätzung seiner Person und seiner Fähigkeiten hat der Unfall nach Prof. Dr. F. einen erheblichen Bruch bedeutet. Der Kläger hat im Rahmen der Begutachtung ausgeführt, er könne sich seit dem Unfall schlechter konzentrieren, habe auch die deutsche Sprache etwas verlernt, das Leben habe nicht mehr so viel Wert für ihn. Er habe auch keine Lust, etwas neu anzufangen und frage sich immer wieder, warum ihm das passieren musste, da er an dem Unfall keine Schuld trage. Er habe auch keine Lust und keine Nerven mehr, mit seinen Kindern etwas anzufangen. Gelegentlich schweige er den ganzen Tag, wenn er mit der Situation nicht zurecht komme. Er fühle sich von der Gesellschaft ausgegrenzt, auch seine Ehefrau habe wohl resigniert. Sie dulde seinen Zustand, er wisse aber nicht, wie lange noch. Darüber könne er auch mit seiner Frau nicht sprechen. Aus diesen Schilderungen haben Prof. Dr. F. bzw. Dipl.-Psych. F., die überzeugend und in Übereinstimmung mit den Nervenärzten Dr. L. und Dr. D. Aggravation und Simulation ausgeschlossen haben, schlüssig das Vorliegen einer depressiven Erkrankung mittelgradiger Ausprägung abgeleitet. Vergleichbar kam auch der Dipl.-Psych. M. nach den Schilderungen des Klägers zur Diagnose einer mittelgradig depressiven Episode

Angesichts der beschriebenen psychischen Situation des Klägers mit deutlicher sozialer Zurückgezogenheit, der erheblichen Schmerzproblematik, der noch immer fehlenden Behandlung der psychischen Erkrankungen und der Tatsache, dass Dr. L. das Leistungsvermögen des Klägers auf bis zu 3 Stunden täglich begrenzt hat, ist für die Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet eine MdE von 30 v.H. angemessen. Ob die somatoforme Schmerzstörung in diesem Ausprägungsgrad bereits zum 07.09.2001 vorgelegen hat, wie Prof. Dr. F. mit seiner MdE-Einschätzung von 70 v.H. unter zusätzlicher Berücksichtigung der von ihm als unfallbedingt angesehenen posttraumatischen Belastungsstörung angenommen hat, kann dahinstehen. Der Kläger hat eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. erst ab 01.01.2003 beantragt. Der Senat geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt die von Dr. L. im Juli 2003 beschriebene somatoforme Schmerzstörung mit sozialem Rückzug und der eingeschränkten psychischen Fähigkeiten zur Unfallverarbeitung bereits bestand und im Wesentlichen den von Dr. D. und später auch von Prof. Dr. F. beschriebenen Ausprägungsgrad erreicht hatte.

Unter Berücksichtigung der anerkannten Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet war daher die Gesamt-MdE mit 50 v.H. ab 01.01.2003 integrierend festzustellen, denn die erhebliche Schmerzproblematik der somatoformen Schmerzstörung überschneidet sich teilweise mit den funktionellen Einschränkungen, die in der Teil-MdE von 30 v.H. für die auf chirurgischen Gebiet bewertete Wirbelsäulenverletzung eingegangen sind ... Die von Prof. Dr. F. bzw. Dipl.-Psych. F. vorgeschlagene MdE um 70 v.H. allein für die psychischen Beeinträchtigungen ist demgegenüber aus den oben genannten Gründen nicht sachgerecht, so dass sich der Senat dieser Beurteilung nicht anschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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