L 1 U 5338/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3623/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5338/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28.08.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen eines Arbeitsunfalls am 14.12.2003 über die ihm gewährte Gesamtvergütung hinaus Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zusteht.

Der Kläger erlitt als freiwillig versicherter Unternehmer am 14.12.2003 eine Fersenbeinfraktur links, als er in seinem Imbisslokal ausrutschte und mit überkreuzten Beinen mit dem linken Fuß gegen die untere Thekenkante stieß. Er wurde in der Chirurgischen Klinik L. stationär bis 24.12.2003 behandelt und operativ osteosynthetisch am 22.12.2003 versorgt. Nach verzögertem Heilungsverlauf mit Mobilisationsmaßnahmen und Durchführung einer Arbeits- und Belastungsmaßnahme war der Kläger ab 08.11.2004 wieder arbeitsfähig (Befund- und Entlassungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 12.11.2004).

In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 02.03.2005 beurteilte Prof. Dr. K. belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken Fersenbeins bei sich weiterhin in Konsolidierung befindlicher Calcaneusfraktur links als Unfallfolge. Er schätzte die unfallbedingte MdE ab 08.11.2004 mit 20 v.H. ein, die voraussichtlich noch bis zum 18.08.2005 bestehe. Danach betrage die unfallbedingte MdE voraussichtlich nur noch 10 v.H. Gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 13.04.2005 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2005 eine vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung nach einer MdE um 20 v.H. in Höhe von 1804,47 EUR für den Zeitraum vom 08.11.2004 bis 31.05.2005.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte zudem ihm über den Gesamtvergütungszeitraum hinaus Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte holte von Dr. G., der den Kläger am 08.07.2005 untersuchte, das Gutachten vom 08.07.2005 ein. Er beschrieb als noch bestehende Unfallfolgen eine geringgradige Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenks, eine Narbenbildung am Fersenbein sowie subjektive Beschwerden. Das Röntgenbild habe einen Tubergelenkwinkel von 20 Grad ergeben bei knöchern konsolidierter Fraktur. An der Unterseite des Fersenbeins sei eine Ausziehung sichtbar. Die MdE betrage 10 v.H. ab 01.06.2005 bis auf weiteres. Mit Bescheid vom 17.08.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab 01.06.2005 ab und erteilte die Rechtsbehelfsbelehrung, dass der Bescheid Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 18.11.2005 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben, zunächst auf Gewährung einer Rente ab 08.11.2004 nach einer MdE um 50 v.H.

Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten von Dr. L. vom 08.03.2007 eingeholt. Der Sachverständige hat eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenks links, eine Abflachung des Tubergelenkwinkels mit 14 Grad und durch Spornbildung am Fersenbein erklärbare belastungsabhängige Schmerzen als Unfallfolge bezeichnet mit einer unfallbedingten MdE von 20 v.H. ab 08.11.2004 durchgehend.

Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 18.04.2007 vorgelegt, der unter Hinweis auf die Bewertungsgrundsätze der unfallmedizinischen Literatur die MdE-Einschätzung von Dr. L. als nicht plausibel bezeichnet und die von Dr. G. angegebene MdE mit 10 v.H. ab 01.06.2005 bestätigt hat.

Mit Urteil vom 28.08. 2007 hat das Sozialgericht die zuletzt auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 01.06. 2005 gerichtete Klage abgewiesen.

Gegen das dem Kläger am 12.10.2007 zugestellte Urteil hat er am 12.11.2007 Berufung beim Landessozialgerichts eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten von Dr. L. berufen. Das Gutachten von Dr. L. gebe einen vollständigen Gesundheitszustand gegenüber den älteren Gutachten von Prof. Dr. Kinzl und Dr. G. wieder.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28.08.2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 17.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.06.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die für zutreffend erachteten Ausführung im angefochtenen Urteil.

Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 14.01.2008 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die im Berufungsverfahren angefallene Gerichtsakte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente über den Gesamtvergütungszeitraum hinaus.

Ist nach allgemeinen Erfahrungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls zu erwarten, dass nur eine Rente in Form der vorläufigen Entschädigung zu zahlen ist, kann der Unfallversicherungsträger die Versicherten nach Abschluss der Heilbehandlung mit einer Gesamtvergütung in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwands abfinden. Nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, wird auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder Rente auf unbestimmte Zeit gezahlt, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 75 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (Stützrente). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet.

Nach diesen Grundsätzen besteht kein Rentenanspruch nach Ende des Gesamtvergütungszeitraums, denn eine rentenberechtigende unfallbedingte MdE liegt nicht vor. Die unfallbedingte MdE beträgt ab 01.06.2005 nur noch 10 v.H. Eine durch einen anderen Versicherungsfall begründete MdE von mindestens 10 v.H. ist weder geltend gemacht noch aktenkundig geworden.

Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 mwN). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG aaO; zuletzt BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 1).

Nach diesen Grundsätzen rechtfertigen die beim Kläger zum 01.06.2005 noch feststellbaren Unfallfolgen keine MdE von mindestens 20 v.H. Die bereits vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil unter Hinweis auf Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 2003, S. 746 dargelegten Bewertungsgrundsätze der unfallmedizinischen Literatur sehen für einen Fersenbeinbruch mit geringfügig erniedrigtem Tubergelenkwinkel und geringen sekundären arthrotischen Veränderungen im unteren Sprunggelenk eine MdE von 10 v.H. vor. Erst eine deutliche Abflachung des Tubergelenkwinkel, eine mittelgradige Arthrose und schmerzhafte Wackelsteife des unteren Sprunggelenks, eine Fehlstellung des Rückfußes in Varus- oder Valgussinne bei noch ausreichender Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk und in der Fußwurzel ergeben eine MdE von 20 v.H.

Die Zuordnung des von Dr. L. erhobenen aktuellen Befunds in die Bewertungsstufe einer MdE von 20 v.H. ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. H. nicht möglich. Weder hat Dr. L. einer schmerzhafte Wackelsteife des unteren Sprunggelenks noch eine mittelgradige Arthrose und auch keine deutliche Abflachung des Tubergelenkwinkels beschrieben. Die von Dr. L. mitgeteilten Bewegungsmaße im oberen Sprunggelenk ergeben allenfalls eine endgradige Bewegungseinschränkung, Dr. H. geht sogar von einer nahezu vorliegenden Normwertigkeit aus. Die Beweglichkeit des unteren Sprunggelenks ergibt mit den von Dr. L. eingetragenen zwei Werten - was unüblich ist - für den unfallbetroffenen Fuß eine Beweglichkeit bis zur Hälfte bzw. zu zwei Drittel der üblichen Bewegungsmaße. Aus einer Vergleichsbetrachtung mit den Bewertungsgrundsätzen bei Bewegungsbeeinträchtigungen der Fußgelenke ergibt sich jedenfalls auch hieraus keine rentenrelevante Funktionseinschränkung von mindestens 20 v.H. Erst die volle Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks in Funktionsstellung ergeben eine MdE von 25 v.H. (vgl. Schönberger u.a., a. a. O.), womit die dargestellte Bewegungseinschränkung des Klägers im linken Sprunggelenk nicht vergleichbar ist. Er hat bei allen gutachterlichen Untersuchungen ein unauffälliges Gangbild demonstriert. Die vom Kläger geklagten belastungsabhängigen Schmerzen sind mit der MdE-Einstufung von 10 v.H. hinreichend berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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