Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AY 69/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 32/06 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. § 2 Abs. 1 AsylbLG setzt den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Zeitdauer von 36 Monaten voraus. Der Bezug von Leistungen nach § 1a AsylbLG oder der bloße Aufenthalt im Geltungsbereich des AsylbLG sind nicht ausreichend. 2. Bei der Erbringung von Leistungen nach § 1a AsylbLG ergibt sich ein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung auf Erbringung von Leistungen nach § 3 AsylbLG regelmäßig bereits aus der völligen Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durch die Beschränkung der Leistungen auf das unabweisbar Notwendige. 3. Der Personenkreis nach § 1a Nr. 2 AsylbLG umfasst nur Personen, gegen die ausschließlich aus von diesen zu vertretenen Gründen der Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle von Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Der Antragsteller stammt nach eigenen Angaben aus der Republik Cote d lvoire. Seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Verwaltungsgerichts Magdeburg mit Urteil vom 26. April 1999 rechtskräftig ab. Bis einschließlich 1. November 2006 war der Antragsteller im Besitz einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Mit Wirkung vom 2. November 2006 bis 1. Mai 2007 erteilte ihm die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weil er seit dem 21. Oktober 2005 mit einer in H. lebenden deutschen Staatsbürgerin verheiratet ist.
Nach seiner Zuweisung zur Wohnsitznahme im Bereich der Antragsgegnerin stellte der Antragsteller am 16. Februar 1999 einen Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG, die von diesem Tage an zunächst nach § 3 AsylbLG gewährt wurden.
Am 9. November 2000 nahm der Antragsteller zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit an einer Sammelvorführung bei der Botschaft der Republik Cote d lvoire teil. Dabei konnte die vom Antragsteller behauptete Staatsangehörigkeit durch die Mitarbeiter der Botschaft nicht bestätigt werden. Vielmehr wurde die Vermutung geäußert, dass der Kläger Bürger des Staates Guinea sei und zum Stamm der Pouhl gehöre.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung an den Kläger und gewährte diesem ab 1. Januar 2001 nur noch Leistungen gem. § 1a AsylbLG. Einen vom Kläger mit Schreiben vom 27. April 2001 erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2004 bestandskräftig zurück.
Mit Bescheid vom 3. Juli 2006 berechnete die Antragsgegnerin die Leistungen des Antragstellers für den Monat Juli 2006 neu und ihm Leistungen nach § 1a AsylbLG in Höhe von 364,83 EUR einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt. Hiergegen legte der Antragsteller am 19. Juli 2006 Widerspruch ein. Mit diesem begehrte er Leistungen nach § 2 AsylbLG, da er bereits über 36 Monate Leistungen nach dem AsylbLG bezogen habe.
Am 27. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Halle beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen gem. § 2 AsylbLG, hilfsweise nach § 3 AsylbLG zu bewilligen. Zur Begründung hat er erneut darauf verwiesen, seit mehr als 36 Monaten Leistungen nach dem AsylbLG zu beziehen: Für die Berechnung der Frist des § 2 AsylbLG komme es nicht darauf an, ob die Leistungen während dieser Zeit durchgängig nach Maßgabe des § 3 AsylbLG gewährt worden seien oder ob zwischenzeitlich auch ein Bezug reduzierter Leistungen nach § 1a AsylbLG vorgelegen habe. Hierzu verweis er auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover.
Mit Beschluss vom 12. September 2006 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt: Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe bereits keine Ausführungen zu der Frage gemacht, warum es ihm nach sechs Jahren des Bezugs von Leistungen nach § 1a AsylbLG nunmehr nicht zuzumuten sein sollte, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten und welche wesentlichen Nachteile ihm durch ein Abwarten entstünden. Auch sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da der Antragsteller nicht wie erforderlich, mindestens 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen habe.
Gegen den ihm am 21. September 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 27. September 2006 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28. September 2006 nicht abgeholfen und den Vorgang dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller vom selben Tage an Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt. Diese Entscheidung beruht nach Darstellung der Antragsgegnerin darauf, dass dem Antragsteller ab dem 2. November 2006 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Nach Auskunft der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin sei dies Folge der Heirat des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen am 21. Oktober 2005. Die Ehe habe ab diesem Zeitpunkt einer Abschiebung entgegengestanden. Auch sei ein zuvor noch anhängiges Strafverfahren gegen den Antragsteller im August 2006 beendet worden.
Daraufhin hat der Antragsteller das Verfahren hinsichtlich des Hilfsantrags für erledigt erklärt.
Hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG hält der Antragsteller an seinem Begehren fest. Er verweist erneut auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover und ist darüber hinaus der Auffassung, ein Anordnungsanspruch könne nicht deshalb Entfallen, weil er aus fehlender Rechtskenntnis lange Zeit die Zahlung von Leistungen nach § 1a AsylbLG hingenommen habe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat die den Kläger betreffende Leistungsakte und die Ausländerakte der Antragsgegnerin beigezogen. Diese waren neben der Verfahrensakte Gegenstand der Entscheidung.
II.
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach Maßgabe des § 173 SGG frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde hat nur im Kostenpunkt teilweise Erfolg.
Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin zur Gewährung der hier noch allein streitgegenständlichen Leistungen nach § 2 AsylbLG zu verpflichten. Zwar handelte es sich beim Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung um die statthafte Rechtsschutzform für das Begehren des Antragstellers (vgl. Beschl. des Senats v. 18. Dezember 2006 - L 8 B 24/06 AY ER - zur Veröffentlichung vorgesehen), doch fehlt es vorliegend an einem Anordnungsanspruch.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (LSG Hessen, Beschl. v. 29.6.2006 – L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬ther¬er, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 27 und 29 m.w.N.).
Sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch als auch für den Anordnungsgrund sind gem. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschl. v. 12.5.2005 – 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166). Die Glaubhaftmachung erfordert eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes und bezieht sich auch auf die Beweismittel (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 16b f.).
Für das allein noch streitige Begehren des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG fehlt ein Anordnungsanspruch. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den § 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt § 2 Abs. 1 AsylbLG den tatsächlichen Bezug ungekürzter Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Zeitdauer von 36 Monaten voraus. Der Bezug von Leistungen nach § 1a AsylbLG oder der bloße Aufenthalt im Geltungsbereich des AsylbLG sind nicht ausreichend. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG. Zudem sind mit dem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG die dort genannten Grundleistungen angesprochen, die Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG zustehen, sofern sie nicht nach § 2 Anspruch auf Leistungen in besonderen Fällen in analoger Anwendung des SGB XII haben. Demgegenüber ist der Personenkreis des § 1a AsylbLG gerade von den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ausgenommen und in seinem Leistungsanspruch auf die im Einzelfall unabweisbar gebotenen Leistungen beschränkt.
Am gewichtigsten ist jedoch, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungen in analoger Anwendung des SGB XII nicht nur vom Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG abhängig macht, sondern auch davon, dass die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich durch den Leistungsberechtigten beeinflusst wurde. Nach der Intention des Gesetzgebers, "zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen" (BT-Drucks. 14/7387, S. 112), ist dieses so zu verstehen, dass eine Besserstellung nur für solche Leistungsberechtigte vorgesehen ist, die nicht aus von ihnen zu vertretenen Gründen die Dauer ihres Aufenthalts verlängert haben. Vor diesem Hintergrund wäre es widersinnig, wenn auch Zeiten des Bezuges von Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG für die Erfüllung der 36-Monatsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ausreichend wären, da der unter § 1a AsylbLG fallende Personenkreis gerade dadurch definiert ist, dass sich die Dauer des Aufenthalts aus von ihm zu vertretenen Gründen verlängert. Deshalb kann jedenfalls auf Grundlage der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (Fassung d. G. v. 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) der gegenteiligen Auffassung der Verwaltungsgerichte Hannover und Braunschweig (Beschl. v. 17.11.2000 – 7 B 5491/00; Urt. v. 5.6.2003 – 4 A 64/03) nicht gefolgt werden (im Ergebnis wie hier Decker in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG RdNr. 11 ff.; Hohm in GK-AsylbLG § 2 RdNr. 37 ff., jeweils m.w.N.).
Leistungen nach § 3 AsylbLG hat der Antragsteller nur in der Zeit von Februar 1999 bis Dezember 2000 und wieder seit 17. Oktober 2006 bezogen. Dies sind bisher lediglich 28 statt der erforderlichen 36 Monate. Selbst wenn man anstelle des tatsächlichen Bezugs einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG ausreichen lassen wollte, stünde für die Zeit von Januar 2001 bis Juli 2006 durch die Bestandskraft des Bescheides vom 19. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2004 mit Bindungswirkung für das Gericht fest, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums nur einen Anspruch auf Leistungen nach § 1a AsylbLG hatte. Die 36-Monatsfrist wäre auch dann nicht erfüllt, wenn der Antragsteller auf Grund der Neubescheidung seines Leistungsanspruchs mit Bescheid vom 3. Juli 2006 ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 3 AsylbLG beanspruchen könnte. Dann wären zu seinen Gunsten nur drei weitere Monate zu berücksichtigen, so dass auch dann die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG nicht erfüllt wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 193 SGG. Dabei hatte der Senat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (vgl. § 91a ZPO) unter summarischer Beurteilung des vermutlichen Verfahrensausganges ohne weitere Beweiserhebungen (vgl. BSG, Beschl. v. 8.12.1992 – 11 RAr 39/91) zu entscheiden.
Danach hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Hälfte der zur Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten, da die Beschwerde des Antragstellers im Umfange des zwischenzeitlich erledigten Hilfsantrags auf Leistungen nach § 3 AsylbLG voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre.
Die hilfsweise beantragte einstweilige Anordnung der Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG war nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger dieses Begehren nicht zunächst gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht hätte. So ist dem Widerspruch vom 19. Juli 2006 bei verständiger Würdigung neben den geltend gemachten Leistungen nach § 2 AsylbLG auch allgemein das Begehren nach höheren Leistungen als den nach § 1a AsylbLG, wie sie von der Antragsgegnerin tatsächlich bewilligt worden sind, zu entnehmen. Dies umfasst auch Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Für den Hilfsantrag bestand im Zeitpunkt seiner Erledigung sowohl ein Anordnungsgrund, als auch ein Anordnungsanspruch. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 42). Deshalb wären bei einer Entscheidung im Zeitpunkt der Erledigung des Hilfsantrags auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen gewesen.
Im Zeitpunkt der Erledigung des Hilfsantrags war ein Anordnungsgrund für das damit verfolgte Begehren hinreichend glaubhaft gemacht worden. Zwar konnte der Antragsteller von den gewährten Leistungen nach § 1a AsylbLG seinen Lebensunterhalt ohne Gefährdung der Existenz bestreiten. So umfassten die bewilligten Leistungen neben den notwendigen Bedarf für Unterkunft und Heizung noch eine an den Antragsteller ausgezahlte Barzahlung von 152,22 EUR. Darüber hinaus wurde dem Antragsteller zur Deckung seines Bekleidungsbedarfs ausweislich der Leistungsakte der Antragsgegnerin mehrfach ein Gutschein für eine Kleiderkammer angeboten, den dieser jedoch ablehnte. Danach bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das physische Existenzminimum durch die tatsächlich erbrachten Leistungen unterschritten wurde, was der Antragsteller auch nicht behauptet.
Jedoch ergibt sich die Eilbedürftigkeit eines Antrags auf Gewährung nicht abgesenkter Leistungen an Stelle der Leistungen nach § 1a AsylbLG regelmäßig aus der hiermit verbundenen Einschränkung der nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit des Leistungsberechtigten. So dient insbesondere der Geldbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit auf niedrigstem Niveau (vgl. Hohm in GK-AsylbLG § 3 RdNr. 52 ff.). Durch die Gewährung lediglich abgesenkter Leistungen nach § 1a AsylbLG unter Streichung dieses Geldbetrags entfällt jegliche wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Leistungsberechtigten, die durch den Geldbetrag ohnehin nur im Hinblick auf die notwendigen Ausgaben für Verkehrsmittel, Telefon, Porto, Schreibmittel, Lesestoff, Werkmaterial oder kleine Mengen an Genussmitteln eingeräumt werden soll (BT-Drucks. 12/4451, S. 8). Die sich nach Streichung des Geldbetrags zugleich auf die hiermit verbundenen Möglichkeiten autonomer Lebensgestaltung erstreckende Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit lässt sich auch durch eine spätere Nachzahlung nicht mehr ausgleichen. Zudem bestünde im Falle einer in näherer Zukunft drohenden Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland die Gefahr der Verweigerung eines gem. Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes (so auch OVG Bremen, Beschl. v. 6.9.2005 - S 3b 199/05; SG Duisburg, Beschl. v. 19.7.2005 - S 17 AY 13/05 ER). Danach erscheint es Leistungsberechtigten lediglich im Einzelfall zumutbar, z. B. bei erheblichen, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klärenden Zweifeln am Bestehen des Anordnungsanspruchs, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auf das Niveau des zur Existenzsicherung unerlässlichen Zurückgeworfen zu sein und auf jegliche wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu verzichten.
Eine weitergehende, individualisierte Darlegung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller war hier zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht notwendig, weil an diesen nur geringe Anforderungen zu stellen waren. Denn der Antragsgegner war mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit verpflichtet, dem Antragsteller ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG zu bewilligen.
Nach der im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmenden summarischen Prüfung bestand auch ein Anordnungsanspruch. Abweichend von § 3 AsylbLG dürfen nur dann Leistungen im eingeschränkten Umfang des § 1a AsylbLG erbracht werden, wenn der Leistungsberechtigte zudem in § 1a Nr. 1 oder Nr. 2 AsylbLG genannten Personenkreis gehört. Auf Grund der weitgehenden, auch grundrechtsrelevanten Einschränkungen auf der Rechtsfolgenseite ist § 1a AsylbLG restriktiv auszulegen (vgl. Bruck in LBK-SGB XII, § 1a AsylbLG RdNr. 1; Hohm in GK-AsylbLG, § 1a RdNr. 18 f, jeweils m.w.N.). Die Darlegungs- und materielle Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung trägt dabei grundsätzlich die für die Durchführung des AsylbLG zuständige Behörde (Hohm, a.a.O., RdNr. 80 ff., 132; Decker in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 1a AsylbLG RdNr. 25, jeweils m.w.N.).
Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit des Antragstellers zum Personenkreis nach § 1a Nr. 1 AsylbLG liegen nicht vor und werden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht. Soweit diese sich bis zum Erlass des Bescheides vom 17. Oktober 2006 darauf berufen hatte, der Antragsteller gehöre zum Personenkreis des § 1a Nr. 2 AsylbLG, hält der Senat dies bei summarischer Prüfung für den Zeitraum ab Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle am 27. Juli 2006 für nicht zutreffend.
Nach Auffassung des Senats definiert sich der Personenkreis des § 1a Nr. 2 AsylbLG dadurch, dass gegen einen geduldeten oder in vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer oder dessen Angehörige aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Möglichkeit, solche Maßnahmen zu vollziehen, muss daher zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen sein. Die fehlende Möglichkeit zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen muss auf Gründen beruhen, die der Leistungsberechtigte zu vertreten hat. Demzufolge darf es keine anderen Gründe geben, die die Ausreise auch dann unmöglich machten, wenn der vom Leistungsberechtigten zu vertretende Grund hinweggedacht würde (zu diesen und den weiteren Voraussetzungen vgl. Beschl. des Senats v. 18.12.2006 – L 8 B 24/06 AY ER – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Auch nach Auffassung der Antragsgegnerin stand der Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen den Antragsteller seit dem 21. Oktober 2005 dessen Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen entgegen, weswegen ihm im November 2006 anstelle der bisherigen Duldung eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt worden ist. Im Lichte des Art. 6 GG stellt die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen keinen vom Leistungsberechtigten zu vertretenen Grund im Sinne des § 1a Nr. 2 AsylbLG dar. Deshalb dürfte der Antragsteller bereits vor Erlass des Bescheides vom 17. Oktober 2006 nicht mehr zum Kreis der Personen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG gehört haben und bei Antragstellung im Juli 2006 grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG gehabt haben.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle von Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Der Antragsteller stammt nach eigenen Angaben aus der Republik Cote d lvoire. Seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Verwaltungsgerichts Magdeburg mit Urteil vom 26. April 1999 rechtskräftig ab. Bis einschließlich 1. November 2006 war der Antragsteller im Besitz einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Mit Wirkung vom 2. November 2006 bis 1. Mai 2007 erteilte ihm die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weil er seit dem 21. Oktober 2005 mit einer in H. lebenden deutschen Staatsbürgerin verheiratet ist.
Nach seiner Zuweisung zur Wohnsitznahme im Bereich der Antragsgegnerin stellte der Antragsteller am 16. Februar 1999 einen Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG, die von diesem Tage an zunächst nach § 3 AsylbLG gewährt wurden.
Am 9. November 2000 nahm der Antragsteller zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit an einer Sammelvorführung bei der Botschaft der Republik Cote d lvoire teil. Dabei konnte die vom Antragsteller behauptete Staatsangehörigkeit durch die Mitarbeiter der Botschaft nicht bestätigt werden. Vielmehr wurde die Vermutung geäußert, dass der Kläger Bürger des Staates Guinea sei und zum Stamm der Pouhl gehöre.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung an den Kläger und gewährte diesem ab 1. Januar 2001 nur noch Leistungen gem. § 1a AsylbLG. Einen vom Kläger mit Schreiben vom 27. April 2001 erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2004 bestandskräftig zurück.
Mit Bescheid vom 3. Juli 2006 berechnete die Antragsgegnerin die Leistungen des Antragstellers für den Monat Juli 2006 neu und ihm Leistungen nach § 1a AsylbLG in Höhe von 364,83 EUR einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt. Hiergegen legte der Antragsteller am 19. Juli 2006 Widerspruch ein. Mit diesem begehrte er Leistungen nach § 2 AsylbLG, da er bereits über 36 Monate Leistungen nach dem AsylbLG bezogen habe.
Am 27. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Halle beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen gem. § 2 AsylbLG, hilfsweise nach § 3 AsylbLG zu bewilligen. Zur Begründung hat er erneut darauf verwiesen, seit mehr als 36 Monaten Leistungen nach dem AsylbLG zu beziehen: Für die Berechnung der Frist des § 2 AsylbLG komme es nicht darauf an, ob die Leistungen während dieser Zeit durchgängig nach Maßgabe des § 3 AsylbLG gewährt worden seien oder ob zwischenzeitlich auch ein Bezug reduzierter Leistungen nach § 1a AsylbLG vorgelegen habe. Hierzu verweis er auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover.
Mit Beschluss vom 12. September 2006 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt: Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe bereits keine Ausführungen zu der Frage gemacht, warum es ihm nach sechs Jahren des Bezugs von Leistungen nach § 1a AsylbLG nunmehr nicht zuzumuten sein sollte, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten und welche wesentlichen Nachteile ihm durch ein Abwarten entstünden. Auch sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da der Antragsteller nicht wie erforderlich, mindestens 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen habe.
Gegen den ihm am 21. September 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 27. September 2006 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28. September 2006 nicht abgeholfen und den Vorgang dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller vom selben Tage an Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligt. Diese Entscheidung beruht nach Darstellung der Antragsgegnerin darauf, dass dem Antragsteller ab dem 2. November 2006 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Nach Auskunft der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin sei dies Folge der Heirat des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen am 21. Oktober 2005. Die Ehe habe ab diesem Zeitpunkt einer Abschiebung entgegengestanden. Auch sei ein zuvor noch anhängiges Strafverfahren gegen den Antragsteller im August 2006 beendet worden.
Daraufhin hat der Antragsteller das Verfahren hinsichtlich des Hilfsantrags für erledigt erklärt.
Hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG hält der Antragsteller an seinem Begehren fest. Er verweist erneut auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover und ist darüber hinaus der Auffassung, ein Anordnungsanspruch könne nicht deshalb Entfallen, weil er aus fehlender Rechtskenntnis lange Zeit die Zahlung von Leistungen nach § 1a AsylbLG hingenommen habe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat die den Kläger betreffende Leistungsakte und die Ausländerakte der Antragsgegnerin beigezogen. Diese waren neben der Verfahrensakte Gegenstand der Entscheidung.
II.
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach Maßgabe des § 173 SGG frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde hat nur im Kostenpunkt teilweise Erfolg.
Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin zur Gewährung der hier noch allein streitgegenständlichen Leistungen nach § 2 AsylbLG zu verpflichten. Zwar handelte es sich beim Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung um die statthafte Rechtsschutzform für das Begehren des Antragstellers (vgl. Beschl. des Senats v. 18. Dezember 2006 - L 8 B 24/06 AY ER - zur Veröffentlichung vorgesehen), doch fehlt es vorliegend an einem Anordnungsanspruch.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (LSG Hessen, Beschl. v. 29.6.2006 – L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬ther¬er, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 27 und 29 m.w.N.).
Sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch als auch für den Anordnungsgrund sind gem. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschl. v. 12.5.2005 – 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166). Die Glaubhaftmachung erfordert eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes und bezieht sich auch auf die Beweismittel (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 16b f.).
Für das allein noch streitige Begehren des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG fehlt ein Anordnungsanspruch. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den § 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt § 2 Abs. 1 AsylbLG den tatsächlichen Bezug ungekürzter Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Zeitdauer von 36 Monaten voraus. Der Bezug von Leistungen nach § 1a AsylbLG oder der bloße Aufenthalt im Geltungsbereich des AsylbLG sind nicht ausreichend. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG. Zudem sind mit dem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG die dort genannten Grundleistungen angesprochen, die Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG zustehen, sofern sie nicht nach § 2 Anspruch auf Leistungen in besonderen Fällen in analoger Anwendung des SGB XII haben. Demgegenüber ist der Personenkreis des § 1a AsylbLG gerade von den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ausgenommen und in seinem Leistungsanspruch auf die im Einzelfall unabweisbar gebotenen Leistungen beschränkt.
Am gewichtigsten ist jedoch, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungen in analoger Anwendung des SGB XII nicht nur vom Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG abhängig macht, sondern auch davon, dass die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich durch den Leistungsberechtigten beeinflusst wurde. Nach der Intention des Gesetzgebers, "zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen können und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen" (BT-Drucks. 14/7387, S. 112), ist dieses so zu verstehen, dass eine Besserstellung nur für solche Leistungsberechtigte vorgesehen ist, die nicht aus von ihnen zu vertretenen Gründen die Dauer ihres Aufenthalts verlängert haben. Vor diesem Hintergrund wäre es widersinnig, wenn auch Zeiten des Bezuges von Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG für die Erfüllung der 36-Monatsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ausreichend wären, da der unter § 1a AsylbLG fallende Personenkreis gerade dadurch definiert ist, dass sich die Dauer des Aufenthalts aus von ihm zu vertretenen Gründen verlängert. Deshalb kann jedenfalls auf Grundlage der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (Fassung d. G. v. 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) der gegenteiligen Auffassung der Verwaltungsgerichte Hannover und Braunschweig (Beschl. v. 17.11.2000 – 7 B 5491/00; Urt. v. 5.6.2003 – 4 A 64/03) nicht gefolgt werden (im Ergebnis wie hier Decker in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG RdNr. 11 ff.; Hohm in GK-AsylbLG § 2 RdNr. 37 ff., jeweils m.w.N.).
Leistungen nach § 3 AsylbLG hat der Antragsteller nur in der Zeit von Februar 1999 bis Dezember 2000 und wieder seit 17. Oktober 2006 bezogen. Dies sind bisher lediglich 28 statt der erforderlichen 36 Monate. Selbst wenn man anstelle des tatsächlichen Bezugs einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG ausreichen lassen wollte, stünde für die Zeit von Januar 2001 bis Juli 2006 durch die Bestandskraft des Bescheides vom 19. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2004 mit Bindungswirkung für das Gericht fest, dass der Antragsteller während dieses Zeitraums nur einen Anspruch auf Leistungen nach § 1a AsylbLG hatte. Die 36-Monatsfrist wäre auch dann nicht erfüllt, wenn der Antragsteller auf Grund der Neubescheidung seines Leistungsanspruchs mit Bescheid vom 3. Juli 2006 ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 3 AsylbLG beanspruchen könnte. Dann wären zu seinen Gunsten nur drei weitere Monate zu berücksichtigen, so dass auch dann die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG nicht erfüllt wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 193 SGG. Dabei hatte der Senat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (vgl. § 91a ZPO) unter summarischer Beurteilung des vermutlichen Verfahrensausganges ohne weitere Beweiserhebungen (vgl. BSG, Beschl. v. 8.12.1992 – 11 RAr 39/91) zu entscheiden.
Danach hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Hälfte der zur Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten, da die Beschwerde des Antragstellers im Umfange des zwischenzeitlich erledigten Hilfsantrags auf Leistungen nach § 3 AsylbLG voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre.
Die hilfsweise beantragte einstweilige Anordnung der Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG war nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger dieses Begehren nicht zunächst gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht hätte. So ist dem Widerspruch vom 19. Juli 2006 bei verständiger Würdigung neben den geltend gemachten Leistungen nach § 2 AsylbLG auch allgemein das Begehren nach höheren Leistungen als den nach § 1a AsylbLG, wie sie von der Antragsgegnerin tatsächlich bewilligt worden sind, zu entnehmen. Dies umfasst auch Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Für den Hilfsantrag bestand im Zeitpunkt seiner Erledigung sowohl ein Anordnungsgrund, als auch ein Anordnungsanspruch. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 42). Deshalb wären bei einer Entscheidung im Zeitpunkt der Erledigung des Hilfsantrags auch Erkenntnisse, die erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zutage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen gewesen.
Im Zeitpunkt der Erledigung des Hilfsantrags war ein Anordnungsgrund für das damit verfolgte Begehren hinreichend glaubhaft gemacht worden. Zwar konnte der Antragsteller von den gewährten Leistungen nach § 1a AsylbLG seinen Lebensunterhalt ohne Gefährdung der Existenz bestreiten. So umfassten die bewilligten Leistungen neben den notwendigen Bedarf für Unterkunft und Heizung noch eine an den Antragsteller ausgezahlte Barzahlung von 152,22 EUR. Darüber hinaus wurde dem Antragsteller zur Deckung seines Bekleidungsbedarfs ausweislich der Leistungsakte der Antragsgegnerin mehrfach ein Gutschein für eine Kleiderkammer angeboten, den dieser jedoch ablehnte. Danach bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das physische Existenzminimum durch die tatsächlich erbrachten Leistungen unterschritten wurde, was der Antragsteller auch nicht behauptet.
Jedoch ergibt sich die Eilbedürftigkeit eines Antrags auf Gewährung nicht abgesenkter Leistungen an Stelle der Leistungen nach § 1a AsylbLG regelmäßig aus der hiermit verbundenen Einschränkung der nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit des Leistungsberechtigten. So dient insbesondere der Geldbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit auf niedrigstem Niveau (vgl. Hohm in GK-AsylbLG § 3 RdNr. 52 ff.). Durch die Gewährung lediglich abgesenkter Leistungen nach § 1a AsylbLG unter Streichung dieses Geldbetrags entfällt jegliche wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Leistungsberechtigten, die durch den Geldbetrag ohnehin nur im Hinblick auf die notwendigen Ausgaben für Verkehrsmittel, Telefon, Porto, Schreibmittel, Lesestoff, Werkmaterial oder kleine Mengen an Genussmitteln eingeräumt werden soll (BT-Drucks. 12/4451, S. 8). Die sich nach Streichung des Geldbetrags zugleich auf die hiermit verbundenen Möglichkeiten autonomer Lebensgestaltung erstreckende Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit lässt sich auch durch eine spätere Nachzahlung nicht mehr ausgleichen. Zudem bestünde im Falle einer in näherer Zukunft drohenden Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland die Gefahr der Verweigerung eines gem. Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes (so auch OVG Bremen, Beschl. v. 6.9.2005 - S 3b 199/05; SG Duisburg, Beschl. v. 19.7.2005 - S 17 AY 13/05 ER). Danach erscheint es Leistungsberechtigten lediglich im Einzelfall zumutbar, z. B. bei erheblichen, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klärenden Zweifeln am Bestehen des Anordnungsanspruchs, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auf das Niveau des zur Existenzsicherung unerlässlichen Zurückgeworfen zu sein und auf jegliche wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu verzichten.
Eine weitergehende, individualisierte Darlegung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller war hier zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht notwendig, weil an diesen nur geringe Anforderungen zu stellen waren. Denn der Antragsgegner war mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit verpflichtet, dem Antragsteller ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG zu bewilligen.
Nach der im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmenden summarischen Prüfung bestand auch ein Anordnungsanspruch. Abweichend von § 3 AsylbLG dürfen nur dann Leistungen im eingeschränkten Umfang des § 1a AsylbLG erbracht werden, wenn der Leistungsberechtigte zudem in § 1a Nr. 1 oder Nr. 2 AsylbLG genannten Personenkreis gehört. Auf Grund der weitgehenden, auch grundrechtsrelevanten Einschränkungen auf der Rechtsfolgenseite ist § 1a AsylbLG restriktiv auszulegen (vgl. Bruck in LBK-SGB XII, § 1a AsylbLG RdNr. 1; Hohm in GK-AsylbLG, § 1a RdNr. 18 f, jeweils m.w.N.). Die Darlegungs- und materielle Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung trägt dabei grundsätzlich die für die Durchführung des AsylbLG zuständige Behörde (Hohm, a.a.O., RdNr. 80 ff., 132; Decker in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 1a AsylbLG RdNr. 25, jeweils m.w.N.).
Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit des Antragstellers zum Personenkreis nach § 1a Nr. 1 AsylbLG liegen nicht vor und werden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht. Soweit diese sich bis zum Erlass des Bescheides vom 17. Oktober 2006 darauf berufen hatte, der Antragsteller gehöre zum Personenkreis des § 1a Nr. 2 AsylbLG, hält der Senat dies bei summarischer Prüfung für den Zeitraum ab Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle am 27. Juli 2006 für nicht zutreffend.
Nach Auffassung des Senats definiert sich der Personenkreis des § 1a Nr. 2 AsylbLG dadurch, dass gegen einen geduldeten oder in vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer oder dessen Angehörige aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Möglichkeit, solche Maßnahmen zu vollziehen, muss daher zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen sein. Die fehlende Möglichkeit zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen muss auf Gründen beruhen, die der Leistungsberechtigte zu vertreten hat. Demzufolge darf es keine anderen Gründe geben, die die Ausreise auch dann unmöglich machten, wenn der vom Leistungsberechtigten zu vertretende Grund hinweggedacht würde (zu diesen und den weiteren Voraussetzungen vgl. Beschl. des Senats v. 18.12.2006 – L 8 B 24/06 AY ER – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Auch nach Auffassung der Antragsgegnerin stand der Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen den Antragsteller seit dem 21. Oktober 2005 dessen Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen entgegen, weswegen ihm im November 2006 anstelle der bisherigen Duldung eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt worden ist. Im Lichte des Art. 6 GG stellt die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen keinen vom Leistungsberechtigten zu vertretenen Grund im Sinne des § 1a Nr. 2 AsylbLG dar. Deshalb dürfte der Antragsteller bereits vor Erlass des Bescheides vom 17. Oktober 2006 nicht mehr zum Kreis der Personen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG gehört haben und bei Antragstellung im Juli 2006 grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG gehabt haben.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
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